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Transkript:

Buddhismus Buddhismus Christentum Hinduismus Leiden Mystik Religionswissenschaften I. Religion? Die Einordnung des Buddhismus nach gewohnten westlichen Denkmustern ist schwierig. Weil er auf eine andere, höhere und freiere Realität Bezug nimmt, kann er als Religion gelten. Insoweit er die Daseinswirklichkeit systematisch reflektiert, ist er auch Philosophie, und als System der Selbstbeobachtung genauso Psychologie. Aus all dem leiten sich ethische Werte und Handlungsmaximen ab (Govinda 1980, 1), entfalten sich unterschiedliche individuelle Lebensentwürfe und im hist. Kontext große Kulturen. Der Buddhismus als Weisheits- und Erlösungslehre setzt Offenheit und Vertrauen voraus und beansprucht zugleich Erfahrungsbezogenheit und Wissenschaftlichkeit. Er kennt über- und untermenschliche Daseinsformen, aber keinen Gott als Schöpfer, Retter oder Erlöser. II. Leiden und seine Beendigung Wie der Ozean, so der Buddha, nur einen Geschmack hat, nämlich den des Salzes, hat dessen Lehre ebenfalls nur einen Geschmack, den der Befreiung. Das zentrale Anliegen buddhistischer Spiritualität ist damit benannt: dukkha (Pali) und die Befreiung von dukkha. Dieser meist mit Leiden pointiert übersetzte Begriff meint indessen jede Form von Unzulänglichkeit von manifestem Schmerz bis zur leisesten Abweichung von einem höchsten Ideal. Diese Grundthematik wird in den Vier Edlen Wahrheiten umfassend formuliert. 1. Die Realität als dukkha. Nach dem Buddha haben ausnahmslos alle Daseinsphänomene drei charakteristische Merkmale: Alles Erfahrene ist wandelbar und vergänglich (anicca). Unbeständiges aber bietet weder wahres Glück noch absolute Sicherheit. Alle Daseinserscheinungen sind daher leidvoll und unzulänglich (dukkha). Nichts hat Substanz, nichts ein autonomes So-Sein oder Eigennatur, auch das (eigene) Ich nicht; eine ewige Seele ist nirgends zu finden (anatta).

Aus buddhistischer Sicht ist das Leben also nicht mit Leiden verbunden, die Existenz selbst ist vielmehr Leiden. Der Lebensprozess als solcher stellt sich letztlich als heil-los heraus, als nicht wirklich zufriedenstellend und erfüllend. Drei Erscheinungsformen und Grade von dukkha gibt es: offensichtliches körperliches, seelisches oder geistiges Unwohlsein; die unausgesetzte Bewegtheit, Unruhe und Friedlosigkeit des Daseins, die sich in der Mühe des Alltags ebenso ausdrückt wie in dem Gefühl des Getrenntseins vom Eigentlichen; die Vergänglichkeit aller Phänomene, auf Grund derer selbst das größtmögliche weltliche und himmlische Glück irgendwann einmal endet. 2. Die Bedingtheit von dukkha. Der Buddha geht von der Bedingtheit aller Erscheinungen aus. Den Zufall lässt er ebenso wenig gelten wie göttliche Fügung. Als Verursacher von Ich und Welt und damit von dukkha nennt er die undurchschaute Wirksamkeit (unpersönlicher) geistiger und seelischer Kräfte. Unwissenheit und Täuschung hinsichtlich des wahren Wesens der Existenz (avijja) auf der einen und Begehren, Verlangen oder Durst (tanha) nach Erleben, Haben und Sein auf der anderen Seite sind die bestimmenden Faktoren. In der Lehre von der Bedingten Entstehung (paticca samuppada) erläutert der Buddha die Konditionalität des Werdens und Vergehens mit wissenschaftlicher Präzision. Ein an den Erfahrungen unseres Alltagserlebens angelehntes Pendant dazu ist seine Karmalehre. Denken, Reden und Handeln aus Gier, Hass und Verblendung sind der Ausgangspunkt aller Daseinsphänomene. Handeln und Erleben korrespondieren insofern, als die (ethische) Qualität jeder Tat die Qualität aller (künftigen) Erfahrungen bestimmt. Dieser Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist keineswegs auf ein Leben begrenzt, und deshalb bestimmen Fortexistenz und Wiedergeburt das buddhistische Weltbild wesentlich. Ihrem Wirken entsprechend führt der Daseinskreislauf die Wesen außer zu menschlicher auch zu über- und untermenschlicher Existenz. 3. Befreiung. Die Dritte Edle Wahrheit widmet sich der Frage nach Alternativen und besagt: Die völlige Erlösung von dukkha ist möglich. Täuschung und Unwissenheit können überwunden, unrealistische Wünsche und Hoffnungen aufgegeben werden.

Nibbana (Sanskrit Nirvana), die restlose Aufhebung von Gier, Hass und Verblendung, ist daher das letztliche Ziel buddhistischer Praxis. Mit dem Verlöschen unheilsamer geistiger Kräfte enden auch deren schmerzhaften Folgen. Nibbana ist vollkommene Unverletztheit und Unverletzbarkeit, absolute Sicherheit, grenzenloser Friede, unvergleichliches Glück, wahre Erfüllung. Diese letzte Realität kann nicht erschaffen werden, denn sie ist unbedingt, immer schon vorhanden und unzerstörbar. 4. Spirituelle Praxis. Der Edle Achtfache Weg (atthangika magga) macht das Alltagshandeln bzw. die im engeren Sinn religiöse Praxis des Buddhismus aus. Dem Namen entsprechend handelt es sich um acht aufeinander bezogene und aufeinander aufbauende Komponenten und Übungsschritte. Die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Realität steht am Beginn. Hier geht es um die Rechte Anschauung, die wirklichkeitsgemäße Sicht der Dinge. Daraus erwächst die Rechte Geisteshaltung. An die Stelle von Begehren, Rücksichtslosigkeit oder gar Hass treten universelles Wohlwollen, Freundlichkeit, Liebe und Mitempfinden. Denken und Motiven entsprechend gestalten sich die äußeren Aktivitäten. Beim Sprechen verzichtet man möglichst auf Lüge, auf Disharmonie erzeugende Worte, auf eine unfreundliche und harte Sprache und auf unnötiges und banales Gerede (Rechte Rede). Das körperliche Handeln folgt derselben Maxime des Nichtverletzens und Nichtschädigens. Nicht zu töten, von unrechtmäßigem sexuellem Verhalten abzusehen und auf bewusstseinstrübende Mittel zu verzichten, heißen die drei Regeln. Dieses Rechte Tun wird durch die Rechte Lebensführung ergänzt, die vor allem die moralisch einwandfreie Gestaltung der Arbeitswelt, der Freizeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen im Auge hat. Der erste Abschnitt des bis hier skizzierten achtteiligen Weges ist Wissen oder Weisheit gewidmet, der zweite behandelt die ethische Dimension, und der dritte nun die Geistesschulung. Dabei bezieht sich Rechtes Bemühen auf Einsatz, Hingabe und Engagement. Die Übung der Rechten Achtsamkeit fördert geistige Klarheit hinsichtlich der erlebten Realität und erweitert die Bewusstheit des eigenen Tuns und Lassens. Das Ende des Weges markiert schließlich die Rechte Sammlung, die einen immer stilleren, harmonischeren und friedvolleren Geist bewirkt.

III. Die Dreifache Zuflucht Buddhistin oder Buddhist wird man, indem man Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha nimmt. Das ist als Entscheidung und wiederholte Bekräftigung, sich ernsthaft der gewählten spirituellen Praxis zu widmen, vor allem ein innerer Vorgang. Die Zugehörigkeit zu einer Organisation oder Institution bleibt dabei zweitrangig. Die meistens mit einem öffentlichen Bekenntnis und einer entsprechenden Zeremonie verbundene Zuflucht ist die entschlossene Hinwendung zu den Drei Kostbarkeiten: 1. Buddha. Die Lebensdaten des nordindischen Adeligen aus dem Sakya-Geschlecht stehen nicht fest. Die Wissenschaft ging lange von den Jahren 563-483 v.chr. aus, setzt sie aber heute eher ein Jahrhundert später an (Schumann 2000, 146). Für die Anhänger seiner Lehre ist das nicht entscheidend, denn Zuflucht nimmt man ohnehin weniger zu der hist. Person des Buddha, sondern zu dessen herausragenden Qualitäten. So gilt der Buddha, der Erwachte, als ein Mensch (nicht als Gott, Gottes Sohn, Erlöser oder Prophet), der aus eigener Kraft das volle Potential des Geistes verwirklicht, die Befreiung von dukkha erlangt und sein Wissen als großer Menschheitslehrer weitergegeben hat. Dieselbe Befähigung zum Erwachen ist in jedem Wesen vorhanden, sie bedarf nur ihrer Entdeckung und Entfaltung. Zuflucht zum Buddha bedeutet daher in einem tieferen Sinn, die besten, befreienden Fähigkeit in sich selbst zu entdecken. 2. Dharma. Die zweite Zuflucht meint zunächst die überlieferte, formulierte, später auch systematisierte und bis heute bewahrte Lehre des Erwachten. Der Dharma (Sanskrit; Pali dhamma) ist nach buddhistischem Verständnis keine erdachte oder gar spekulative Weltanschauung, sondern ausschließlich realitätsbezogen. Entsprechend bedeutet Dharma dem Wortsinn nach genauso Doktrin wie Daseinswirklichkeit. Wer zum Dharma Zuflucht nimmt, entschließt sich, sich von Täuschung und Irrtum abzukehren und sich ganz den tatsächlichen Gegebenheiten zuzuwenden. 3. Sangha. Buddhistische Spiritualität bewegt sich im Spannungsfeld individueller und gemeinschaftlicher Praxis. Die Gemeinschaft (sangha) ist in einem buddhistischen Land nur als vierfache Gemeinschaft vollständig: mit Mönchen und Nonnen, Laienanhängern und Laienanhängerinnen. Der Eindruck, der Buddhismus sei hauptsächlich eine Mönchsreligion, trügt. Schon immer war die Mehrzahl der Anhänger Laien, und nur so hatte die ausgewogene Wechselbeziehung von Ordinierten und Nichtordinierten eine

(auch ökonomisch) tragfähige Basis. Während die Ordinierten für ihren Lebensunterhalt Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Medizin von den Hausleuten erhalten, geben sie selbst Wissen und geistlichen Beistand. Zuflucht zum Sangha meint die zuversichtliche Hinwendung zur Gemeinschaft, in der die Praktizierenden Vorbilder und Unterweisung, Rat und praktische Unterstützung finden. IV. Verbreitung und Schulen Der Buddhismus hat eine über 2500-jährige Gesch., dessen Anfänge in den Texten des Palikanon gut dokumentiert sind. In seinem Ursprungsland Indien heute weitgehend verschwunden, gelangt er schon früh nach Sri Lanka, Birma, Thailand, Kambodscha und Laos einerseits (Theravada, häufig Hinayana oder Kleines Fahrzeug genannt) und nach Tibet, Nepal, Bhutan, Sikkim, China, Mongolei, Vietnam, Japan und Korea andererseits. Dabei erfährt er manche inhaltliche Wandlungen. Eine erste Akzentverschiebungen in Philosophie und Praxis bringt das Mahayana mit Beginn des ersten vorchristl. Jahrhunderts, die sich zunächst in der Prajnaparamita-Literatur widerspiegelt. Nach eigenem Verständnis beinhaltet dieses Große Fahrzeug eine Weiterentwicklung vor allem unter drei Aspekten. Bedeutung gewinnt von nun an das Ideal des Bodhisattva, der zum Wohle aller die Buddhaschaft anstrebt. Nicht für die persönliche Befreiung, sondern für die aller Wesen erwirbt er die sechs bzw. zehn Vollkommenheiten (paramita) und aus Mitgefühl und Weisheit stellt er das eigene Nirvana zurück. Außerdem kennt das Mahayana neben dem hist. Buddha transzendente Buddhas von großer Zahl und in verschiedenen Daseinsebenen und Manifestationsformen (Trikaya-Lehre; Vorstellung der Reinen Länder). Das Konzept der Leerheit (Bedingtheit und Substanzlosigkeit als Wesensnatur aller Phänomene) bildet schließlich die philosophische Basis des Mahayana. Zu ihm zählen heute vor allem die tibetischen Schulen und das ostasiatische Zen mit seiner besonderen Betonung der Meditation des stillen Sitzens, der Koanpraxis sowie von Bewusstheit und Klarheit im Alltag. Außerdem der japanische Amida-Buddhismus, der auf die erlösende andere Kraft der Bodhisattvas baut.

Eine zweite Ausprägung und Weiterentwicklung des Mahayana stellt das Vajrayana (auch Tantrayana) dar, das in der Mitte des 1. nachchristl. Jahrtausends in Nordost- und Nordwestindien aufkommt und auch Elemente außerbuddhistischer Traditionen assimiliert. Es geht von der bereits gegebenen Erlöstheit der Wesen aus, die es nur noch zu erkennen und zu realisieren gilt. Dieses Diamant-Fahrzeug versteht sich als besonders schneller, direkter und dynamischer Weg zur Befreiung und beinhaltet neben einer tiefreichenden Symbolik ein ausgeprägtes Ritualwesen. Seine spirituelle Praxis nutzt neben komplexen Visualisationen vor allem Mudras (Hand- und Körperhaltungen) und Mantras (rezitierte Silben oder Wortfolgen). Eine Idealgestalt des Vajrayana ist der Siddha, ein oft unorthodox lebender und lehrender Meister. Traditionell werden die Lehren in einer engen Meister-Schüler-Beziehung weitergegeben in der Anfangszeit nur mündlich, später auch in als Tantras bezeichneten Texten. Das Vajrayana ist heute hauptsächlich in den tibetischen Schulen und im japanischen Shingon lebendig. Eine Auseinandersetzung mit dem Buddhismus im deutschsprachigen Raum gibt es seit rund 150 Jahren, und Arthur Schopenhauer gilt als einer seiner herausragenden Wegbereiter. Die erste buddhistische Organisation wird 1903 in Leipzig gegründet, und zu Beginn des neuen Jahrtausends zählt man in Deutschland etwa 150.000 bis 200.000, in Österreich rund 15.000 und in der Schweiz 20.000 bis 25.000 Anhänger (jeweils einschließlich der nach Europa übersiedelten asiatischen Buddhisten). In allen drei Ländern findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze, Traditionen und Schulen nebeneinander, die alles in allem in einem kooperativen Verhältnis zueinander stehen und sich zu Dachverbänden zusammengeschlossen haben, z.b. zur Deutschen Buddhistischen Union (DBU) 1955. Die Übernahme asiatischer Formen bestimmt noch weitgehend das Gesicht des Buddhismus in Europa, wenngleich es immer mehr Versuche der Anpassung an westliche Gegebenheiten gibt und zunehmend westliche Lehrerinnen und Lehrer den Dharma verbreiten. H. Bechert/R. Gombrich, Der Buddhismus. Gesch. und Gegenwart, München 2000; M. von Borsig, Lotussutra, Gerlingen 1992; M. von Brück/W. Lai, Buddhismus und Christentum, München 1997; P. Chödrön, Dharma als Lehre Dharma als Erfahrung, Braunschweig 1992; A. Khema, Buddha ohne Geheimnis, Berlin 1996; E. Conze,

Buddhistisches Denken, Frankfurt a.m. 1988; Dalai Lama, Logik der Liebe, München 1989; Dogen Zenji/Shobogenzo, Berlin 1999 (I) und 1997 (II); D. Gampopa, Der kostbare Schmuck der Befreiung, Berlin 2000; L. A. Govinda, Die psychologische Haltung der frühbuddhistischen Philosophie, Wien 1980; D. Lingwood, Das Wort des Buddha, München 1992; K. E. Neumann, Die Reden des Buddha, Herrnschrot 1995 ff.; Nyanaponika, Geistestraining durch Achtsamkeit, Herrnschrot 1999; H. Oldenberg, Buddha. Sein Leben Seine Lehre Seine Gemeinde, Stuttgart 1983; H. W. Schumann, Handbuch Buddhismus, München 2000; S. Sivaraksa. Saat des Friedens, Braunschweig 1995; S. Rinpoche, Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben, München 1993; S. Suzuki, Zen-Geist Anfänger-Geist, Berlin 2001; T. Nhat Hanh, Das Herz von Buddhas Lehre, Freiburg 1999; K. L. Tsomo, Die Töchter des Buddha, München 1991. ALFRED WEIL