Die deutschen Versicherer in der Image-Falle Alte Probleme, neue Chancen Dr. Marc Surminski Zeitschrift für Versicherungswesen Hamburg 1
Das Image der Branche ist nicht schlecht, es wird nur von manchen schlechtgeredet Reinhold Schulte Ihr Versicherer seid ein großes Rätsel. Könnt Ihr nicht mal eine Lösung sein? Ergo-Werbespot 2
Kernproblem: Das Selbstbild der Branche stimmt nicht mit dem Bild bei den Menschen überein >> Jahrzehntelange Selbsttäuschung bis heute 3
Einschlägige Umfrageergebnisse: 60 % der Deutschen haben schlechte/sehr schlechte Meinung von Versicherern (nur Energieversorger noch schlechter) (Umfrage You Gov, 2012) 60% der Deutschen sagen Die zahlen doch nicht, wenn es darauf ankommt (Umfrage Continentale zu BU-Versicherung, 2012) Versicherungsvertreter niedrigstes Ansehen aller Berufe (Forsa-Umfrage 2012) 4
Assekuranz hat es nicht geschafft, starke, vertrauenswürdige Marken zu etablieren Versicherer werden als gesichts- und namenlos empfunden: Mein Versicherer zahlt statt Die Allianz zahlt (Rheingold-Studie 2012) 5
Auch viele Vermittler haben kein Vertrauen in die Marke ihres Versicherers: Im Marktschnitt identifizieren sich nur 57 % vollständig mit den Markenwerten ihrer Gesellschaft (Bandbreite: 24 % bis 94 %) (YouGov-IBM-Studie 2013) 6
Paradox: Trotz des schlechten Images ist die Assekuranz eine der erfolgreichsten Wirtschaftszweige >> jahrzehntelanges Wachstum >> riesige Vertriebsheere >> hohe Marktdurchdringung >> solide Gewinne Image nicht so wichtig? 7
Altes Phänomen zur Erklärung: Nahbild Fernbild - Die Versicherungswirtschaft ist schlecht Aber mein Versicherer ist gut - Die Vermittler sind schlecht Aber mein Vertreter ist gut >> Zufriedenheit, wenn es um die eigenen Erfahrungen geht Also: Why worry? 8
Imageproblem mittlerweile auf neuer Ebene: - Medienthema Intensive Berichterstattung Hohes Empörungspotential Existenzielle Herausforderung >> Skandale der letzten Zeit haben das Bild der Branche in den Medien stark verdüstert 9
Problem: Immer weniger Menschen haben heute noch eine enge Bindung zu einem Vermittler, der das Image positiv beeinflusst >> Herr Kaiser kommt nicht mehr >> Immer mehr Online-Kunden (Wie wichtig ist das Image im Internet-Vertrieb?) Kunden insgesamt anfälliger für Skandalisierung in den Medien bzw. Internet-Shitstorm 10
Politisches Thema - Verbraucherschutzpolitik hat die Versicherer entdeckt - Seit der Finanzkrise Profilierungschance für die Politik in Deutschland und Europa >>> jede neue Skandalmeldung erhöht die Eingriffsbereitschaft 11
Hohes Bedrohungspotential Politische und juristische Überregulierung Der Trend ist schon jetzt deutlich: - Rechtsprechung - VVG-Reform - IMD2 - Diskussion um Honorarberatung - Diskussion um Abschaffung der PKV 12
Fallbeispiel Großbritannien Missselling-Skandale in der Altersvorsorge haben zu scharfen Eingriffen der Politik geführt - Hohe Strafzahlungen - Radikale Regulierung einzelner Produktformen - Radikale Regulierung des Vertriebs (nur noch Honorarvergütung für Makler seit 2013) 13
Welche Faktoren belasten das Image der Versicherungswirtschaft? Es geht fast ausschließlich um die Bereiche Altersvorsorge und Krankenversicherung >> Lebensentscheidungen >> Über Fehlentwicklungen beim Vertrieb von Gebäudeversicherungen gibt es wenig Beschwerden 14
Hauptkritikpunkte: - Mangelnde Transparenz - Zu hohe Kosten - Zu niedrige Überschüsse - Unvorteilhafte Bedingungen - Beitragserhöhungen (PKV) (unbezahlbarer Versicherungsschutz) - Unsolide Kalkulation (PKV-Billigtarife) - Übervorsichtige Kalkulation (Lebenserwartung bei Rentenpolicen) 15
Schlechtes Produktimage: Versicherer haben dazu mit Detailproblemen selbst beigetragen - Mangelnde Transparenz (über Kostenbelastung /Rückkaufswerte) >> Druck durch höchstrichterliche Urteile >> Politischer Eingriff bei Riester (Problemzone staatlich geförderte Produkte) 16
Schlechtes Produktimage: Versicherer haben dazu mit Detailproblemen selbst beigetragen (2) - Riester schädigt die Armen - Ratenzahlungszuschläge (Musterfall für Image-Verschlechterung) - PKV-Billigtarife (und Beitragsexplosion) - Rigide Risikoselektion in BU 17
Welche Faktoren belasten das Image der Versicherungswirtschaft? 2. Missstände im Vertrieb Hauptangriffspunkt der Branche Hier wird ein traditionell schlechtes Image durch immer neue Meldungen noch schlechter 18
Einschlägige Fälle: - Ergo-Affären - Umdeckungs-Welle PKV/Riester - Provisionsexzesse in der PKV - MEG-Affäre - Maschmeyer/AWD-AffäreAffäre >> Medien / Politik höchst sensibilisiert für die Zustände im Vertrieb 19
Image-Gau Provisionsdeckelung PKV - Branche kann ihre Probleme nicht allein lösen und muss nach den Gesetzgeber rufen - Alle PKV-Vermittler Vermittler verdienen obszön viel Geld >> das bereitet den Boden für eine massive Regulierung des Vertriebes durch die Politik (selbst bei der FDP) 20
Nur Schwarze Schafe? - Ja, aber es gibt zu viele davon und sie wirken stärker auf das Image als die Masse der guten Vermittler Ein einziger Tropfen Öl macht 1000 Liter Trinkwasser ungenießbar >> Versicherer haben zu lange geglaubt, dass sich die Tropfen in der großen Masse von anständigen Vermittler vollständig verflüchtigen 21
Wie kann die Branche mit diesen Herausforderungen umgehen? Selbstreinigungskräfte aktivieren - Mehr freiwillige Transparenz (Renditekennziffer) - Bessere Kommunikation bei Problemen > Beitragserhöhungen in KV erklären) > Bewertungsreservenproblem in LV erklären 22
Selbstreinigungskräfte aktivieren - Vertriebskodex des GDV - Ehrbarer Kaufmann (BVK) - Weiterbildungsoffensive der Branche - Checkliste für Beratungsgespräche (GDV) >> Standards für mehr Qualität 23
Selbstreinigungskräfte aktivieren - Umgehung von gesetzlichen Vorgaben unbedingt vermeiden - Neue Ansätze bei der Vergütung (weg von den hohen Abschlussprovisionen) >> trocknet Probleme stark abschluss- orientierter Vertriebsformen aus >> fördert Qualitätsvertrieb >> reduziert aber die Zahl der Vermittler 24
Kernproblem: Zu viele Vermittler in Deutschland Schlechtes Image der Branche auch wesentlich darauf zurückzuführen, dass es mehr registrierte Vermittler als niedergelassenen Ärzte gibt. 25
- Governance-Regeln verschärfen: (Vertriebs)Vorstände in die Verantwortung nehmen - Image-Faktor Teil des Risk-Managements - Im Zweifelsfall mit bestimmten Vertriebsformen nicht mehr zusammenarbeiten - Kooperation mit Verbraucherschützern, um Qualitätsstandards zu definieren (Beratungslandkarte, transparente Versicherungsbedingungen) - allgemeiner Trend zur Standardisierung im Vertrieb 26
Fazit Branche in der Imagefalle >> Gefahr der politischen Überregulierung Selbstreinigungskräfte aktivieren >> Mehr freiwillige Transparenz >> Hohe, einheitliche Qualitätsstandards für den Vertrieb Da helfen keine teuren Imagekampagnen, sondern Taten! 27
Am Ende steht eine veränderte Assekuranzlandschaft >> Qualitätskonsolidierung: Entweder durch die Politik oder durch den Markt (oder beides) >> Mehr Marktpotenzial für Qualität! >> Mehr Chancen für die Versicherer und Vermittler, die den Prozess überstehen 28
Die deutschen Versicherer in der Image-Falle Alte Probleme, neue Chancen Dr. Marc Surminski Zeitschrift für Versicherungswesen Hamburg 29