TU Ilmenau Fakultät für Maschinenbau Ausgabe: Februar 009 Institut für Werkstofftechnik Dr. Brokmann Kratzfeste Schichten durch Sol-Gel Beschichtung GLW 17 1 Versuchsziel Ziel Des Versuches ist es, mit Hilfe des Sol-Gel-Prozesses Glasoberflächen zu entspiegeln. Dazu wird das Glas mit TEOS beschichtet. Zuerst wird die TEOS-Lösung hergestellt, anschließend wird beschichtet und dann getempert. Versuchsgrundlagen Chemie des Sol-Gel-Prozesses Ein Sol besteht aus einer Flüssigkeit, in der fein verteilte kleine kolloidale Teilchen schwimmen. Kolloidal heißt, dass diese Teilchen Durchmesser zwischen 100 und 1 nm besitzen (1 nm = 1 Nanometer = 1 Millionstel Millimeter). In einem Gel ist es umgekehrt: im Gerüst eines Festkörpers befindet sich Flüssigkeit in den Poren. SOL GEL H 5 C O H 5 C O Si OC H 5 OC H 5 TEOS Hydrolyse und Kondensation Precursor nennt man die organische Vorstufe, aus der ein oxidischer Festkörper entsteht. TEOS = Tetraethoxysilan ist eine klare flüssige Verbindung von Silizium mit vier Ethylresten, die sich in Alkohol gut auflöst. Bei Zugabe von Wasser setzt die Hydrolyse ein, die OC H 5 Gruppen werden durch OH ersetzt und es bildet sich Ethanol. Si OC H 5 + H O Si OH + C H 5 OH Hydrolyse Bei der Kondensation bildet sich Wasser aus zwei OH Gruppen: Si OH + OH - Si Si O - Si + H O Kondensation oder: Si OC H 5 + OH - Si Si O - Si + C H 5 OH TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik, Studiengang Werkstoffwissenschaft (BA) 1
Salpetersäure wirkt dabei als Katalysator. Die Kondensation setzt schon während des Herausziehens aus der Lösung beim Tauchbeschichten ein. Für die Bildung eines festen Glasnetzwerkes müssen jedoch Alkohol und Wasser bei höheren Temperaturen aus der Schicht ausgetrieben werden dazu wird bei 500 C getempert. Das resutlierende Netzwerk ist weitgehend mit dem eines erschmolzenen Kieselglases identisch. Das bedeutet, dass die Dichte und die Brechzahl der Schicht geringer sind als die des Grundglases. Physik entspiegelnder Schichten Die Reflexion R hängt vom Brechzahlunterschied zwischen den beiden Medien ab, R ist umso größer, je größer Δn. Für die Reflexion R von Licht, das senkrecht auf eine planparallele Platte einfällt, gilt: n n1 R = (1) n + n1 Für mit Scheiben mit einer Schicht mit der Brechzahl n s wird (1) etwas komplizierter: wenn n S = n 1 n folgt R = 0, : n s n1n R = () ns + n1n n n n s = 1 (3). Amplitudenbedingung Wenn Wellental auf bauch trifft: destruktive Interferenz, : d n = λ s (4). Phasenbeziehung 4 Für optimale Entspiegelung sind nach (3) und (4) d = 100 nm und n s = 1,3 anzustreben. Brechzahlen: n = 1,3... 1,46 CaF n= 1,46 Kieselglas n = 1 Luft n = 1,38 MgF n = 1,43 TEOS-Schicht n = 1,3 Wasser n = 1,45... 1,50 SiO n = 1,3 Kieselsol- n = 1,38 Isopropanol Schicht n =,0...,7 TiO n = 1,5 Floatglas TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik, Studiengang Werkstoffwissenschaft (BA)
Anwendungen Entspiegelt werden z.b. Schaufensterscheiben, Brillen, Displays, Kameralinsen. Die SiO - Schichten aus Kieselsol wären eine kostengünstige und umweltfreundliche Möglichkeit, die Effektivität von Solarthermie- und Photovoltaik-Anlagen zu steigern Sonnenkollektoren Die Sonne strahlt konstant mit 1,37 kw/m² senkrecht auf Flächen außerhalb der Erdatmosphäre ( Solarkonstante ). Je nach Wetter, Jahreszeit und Breitengrad kommt davon bis zu 1 kw/m² auf der Erdoberfläche an, in Deutschland kann man im Mittel etwa 1000 kwh/m² ernten. Um den Wirkungsgrad von Sonnenkollektoren zu optimieren, wird zur Zeit möglichst absorptionsarmes, eisenfreies Glas zur Abdeckung verwendet. Noch besser wäre entspiegeltes Glas, damit könnte bis zu 8 % bessere Transmission erreicht werden. Die Receiver der Solarthermiekraftwerke von Schott Solar werden mit einer Kieselsolschicht entspielgelt (Abb. 4). 8% Abb. 1: Schematische Energieumwandlung im Sonnenkollektor (Quelle: www.solarserver.de/lexikon/kollektor.html) Abb. : Vakuumröhrenkollektor, Aufbau schematisch (Quelle: www.solarserver.de/lexikon/kollektor.html) TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik, Studiengang Werkstoffwissenschaft (BA) 3
Abb. 3: Flachbettkollektor (Quelle: www.solarserver.de/lexikon/kollektor.html) Abb. 4: Solarthermisches Kraftwerk von Schott-Rohrglas GmbH (unten), links: Receiver von Solar Schott-Rohrglas GmbH, rechts: Schema eines Parabolinnen-Kraftwerks (Quelle: www.schott.com) TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik, Studiengang Werkstoffwissenschaft (BA) 4
Versuchsanordnung Das Sol wird im Chemielabor Raum-Nr. 3/4 hergestellt; Tauchbeschichtung findet in Raum-Nr. 13 statt und der Ofen steht in Raum-Nr. 1 Zur Versuchsanordnung gehören folgende Einrichtungen und Hilfsmittel: Substrate: Objektträger und selbst geschmolzenes Glas Greiner-Röhrchen Pipetten Präzisionswaage (MC1 Laboratory LC 100S, Sartorius GmbH, Göttingen) Magnetrührer (VARIOMAG MONOTHERM, H+P Labortechnik GmbH) Magnet-Fische Bechergläser Druckluft Schutzbrillen, Kittel Einmalhandschuhe Tauchbeschichter (RDC 15, Bungard, Windeck) Mauli Klammern Umluftofen (N30/65A, Nabertherm, Lilienthal) Zangen für den Umluftofen Alu-Folie Diamantschreiber Verwendete Chemikalien : TEOS (Teraethylorthosilicat) (C 8 H 0 O 4 Si) Isopropanol (-Propanol) Salpetersäure (HNO 3 ) Destilliertes Wasser aus dem Kanister links neben dem Waschbecken Versuchsdurchführung Der Versuch erfolgt aus arbeitsschutztechnischen Gründen unter Aufsicht, denn es wird mit entzündlichen und ätzenden Flüssigkeiten gearbeitet. Herstellen der TEOS-Lösung: Zu Beginn des Wägens das Greiner Röhrchen auf der Waage austarieren so dass die Anzeige Null zeigt. Anschließend nach dem unten aufgeführten Rezept im Greiner Röhrchen mischen. Rezept 1: 5, g TEOS werden in das Greiner-Röhrchen gegeben, dazu kommen 10,0 g -Propanol, 1,0 g 1 molare HNO 3 und 1,0 g destilliertes Wasser. Jetzt wird das Gemisch 5 Minuten mit einem Magnetrührer gerührt. Nach dem Rühren wird die Lösung auf 30 g mit -Propanol aufgefüllt und nochmals Minuten gerührt. Stabile Ziehbedingungen sind ab 1 Tag nach Lösungsherstellung und bei luftdicht geschlossener Aufbewahrung für mehrere Wochen gegeben deswegen wird zum Vergleich auch mit einer bereits vorbereiteten TEOS-Lösung weitergearbeitet. Die fertige TEOS-Lösung hat nun einen ph-wert von 1- und einen Oxidgehalt von 5% TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik, Studiengang Werkstoffwissenschaft (BA) 5
Rezept (optional): 10,0 g Alkohol (-Propanol) werden in das Greiner-Röhrchen gegeben, dazu kommen 1,0 g 1 molare HNO 3 und +,5 g Kieselsol (SiO ). Jetzt wird das Gemisch Minuten mit einem Magnetrührer gerührt. Nach dem Rühren wird die Lösung auf 30 g mit -Propanol aufgefüllt und nochmals Minuten gerührt. Stabile Ziehbedingungen sind ab 1 Tag nach Lösungsherstellung und bei luftdicht geschlossener Aufbewahrung für mehrere Wochen gegeben. Die fertige Kieselsol-Lösung hat nun einen ph-wert von 1- und einen Oxidgehalt von 3,4%. Beschichten: Als ersten Schritt müssen die Proben mit einem Diamantschreiber markiert werden. Das Glas muss vor dem Beschichten ganz sauber sein, die Scheiben müssen also mit viel Wasser und wenig Spülmittel gebürstet werden. Danach erst mit viel Leitungswasser, dann mit destilliertem Wasser (Kanister befindet sich links auf dem Waschbecken) spülen. Kurz abtrocknen lassen und mit Papiertüchern trocken wischen. Haften noch Fusseln auf der Oberfläche, diese mit der Druckluft wegblasen. Sollte das Glas anschließend noch nicht sauber sein, von vorne anfangen. Jedes Staubkorn verunreinigt entweder die Lösung oder ist nachher auf der beschichteten Scheibe deutlich zu sehen. Ist das Glas vollkommen sauber, in Alu-Folie einwickeln, um Staubbefall zu vermeiden. Nebenbei den Versuchsplatz mit dem Tauchbeschichter herrichten. Dazu mit Wasser gefülltem Greiner-Röhrchen und Objektträgern ausprobieren, wie der Tauchbeschichter funktioniert (Achtung: Objektträger darf sich nicht verkeilen). Jetzt können die Scheiben mit dem Tauchbeschichters in die TEOS-Lösung getaucht werden. Dazu das Glas möglichst am Rand an die Klammer heften. Mit dem Knopf Auto das voreingestellte Programm des Tauchbeschichter starten. Der Arm des Tauchbeschichters wird in die Lösung gefahren, verweilt dort 5 s (damit sich die Lösung beruhigt) und fährt mit einer gewünschten Geschwindigkeit von v= 1,873 mm/s wieder hoch. Solange abwarten, bis sich das Glas wieder in der Ausgangsstellung befindet. Anschließend das Glas in den Ständer stellen, fotografieren und Tempern. Tempern: Eigentlich entspiegelt die Schicht schon jetzt, das kann man beobachten, wenn man schräg auf die Scheiben sieht. Aber damit sie genauso hart und kratzfest wie Glas wird, werden bei 500 C im Ofen noch Wasser und Alkoholreste, die noch nicht verdampft sind, ausgetrieben. Dabei bildet sich dann das Netzwerk von Kieselglas aus. Hierfür wird der Umluftofen mit einer Aufheizrate von 5K/min auf eine Temperatur von 500 C aufgeheizt und 0 min gehalten. Der Ofen kühlt von alleine ab, die Gläser können am nächsten Tag aus dem Ofen genommen untersucht werden. Beurteilen Sie optisch die Homogenität ihrer Schichten und ihre entspiegelnde Wirkung und die mechanische Stabilität der Schichten testen! Wenn möglich nehmen Sie Fotos auf. TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik, Studiengang Werkstoffwissenschaft (BA) 6
3 Vorbereitungsaufgaben 1. Was ist ein Sol, was ist ein Gel?. Welche chemischen Vorgänge laufen beim Alkoxid-Sol-Gel-Prozess ab? 3. Wie kann die Dichte bzw. Porosität einer Sol-Gel-Schicht gesteuert werden? 4. Nennen Sie Anwendungsfelder für AR-Schichten! 5. Nennen Sie weitere Anwendungsfelder für poröse Schichten! 6. Bei welchen Anwendungen haben Sol-Gel-Schichten Vorteile gegenüber anderen Beschichtungen? 4 Praktikumsaufgaben 1. Beantworten sie die Kontrollfragen in Vorbereitung für den Praktikumsversuch!. Erstellen sie ein Protokoll je Praktikumsgruppe (Namen, Studiennummern, Datum, Beantwortung der Kontrollfragen, Dokumentation der Versuchsdurchführung und Ergebnisse, Ergebnisdiskussion) 3. Machen sie sich mit der Arbeitsschutzbelehrung im Chemielabor vertraut (Schutzkleidung, Schutzbrillen, etc.)! 4. Führen sie 3 zunächst mit Rezept 1 durch (optional Rezept )! (alles für die Herstellung der TEOS-Lösung bereitstellen; Gläser reinigen; mit Tauchbeschichter vertraut machen; gereinigte Gläser tauchen, anschließend tempern) 5. Verlassen sie den Versuchsplatz sauber und aufgeräumt! 6. Protokollieren Sie den Versuchsablauf! Diskutieren sie ihre Ergebnisse, vergleichen sie ihre Gläser! Literaturliste Zur Vorbereitung bitte mindestens eine der Veröffentlichungen [1-5] ansehen! Sol-Gel Lehrbuch: [1, ], Anwendungen von Sol-Gel, Reviews: [3, 4] Entspiegelung mit porösen Schichten: [5, 6] Weiterführend: Alterung poröser Schichten [7] leitfähige Sol-Gel-Schichten [8] [1] Brinker, C.J. and Scherer, G.W.: Sol-Gel Science, Academic Press, Boston etc., 1990. [] Beier, W.: Sol-gel coating processes, in: Thin Films on Glass, H. Bach and D. Krause, (eds.). Springer, Berlin etc., 1997. p. 67-83. [3] Sakka, S. and Yoko, T.: Sol-gel-derived coating films and applications, Structure and Bonding 77 (199) p. 89-118. [4] Uhlmann, D.R. and Teowee, G.: Sol-gel-science and technology: current state and future prospects, Journal of Sol-Gel Science and Technology 13 (1998) p. 153-16. [5] Yoldas, B.E. and Partlow, D.P.: Formation of broad band antireflective coatings on fused silica for high power laser applications, Thin Solid Films 19 (1985) p. 1-14. [6] Krzyzak, M.; Helsch, G.; Heide, G. et al., Patent DE 1009949 A1: Glaskörper mit poröser Beschichtung. 003, DE 1009949 A1 [7] Helsch, G.; Rädlein, E. and Frischat, G.H.: On the origin of the aging process of porous SiO antireflection coatings, Journal of Non-Crystalline Solids 65 (000) p. 193-197. [8] Liu, J.; Rädlein, E. and Frischat, G.H.: Preparation, nanostructure and properties of indium-tin-oxide (ITO) films on glass substrates. Part I: Preparation and nanostructure. Part II Optimization of properties, Physics and Chemistry of Glasses 40 (1999) p. 77-81, 8-86. TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik, Studiengang Werkstoffwissenschaft (BA) 7