Formhärten im Automobilbau: 1. Wissenschaftliche Grundlagen



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Transkript:

Formhärten im Automobilbau: 1. Wissenschaftliche Grundlagen O. Schwedler, S. Jüttner Wolfsburg, Autouni 16.10.2013 Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Universitätsplatz 2 39106 Magdeburg iwf@uni-magdeburg.de

Institut für Werkstoff- und Fügetechnik Lehrstuhl nichtmetallische Werkstoffe Prof. Dr. Michael Scheffler Büro: Gebäude 50, Telefon: +49 391 67 14596 m.scheffler@ovgu.de Lehrstuhl metallische Werkstoffe Prof. Dr. Thorsten Halle Büro: Gebäude 50 Telefon: :+49 391 67 14555 Thorsten.halle@ovgu.de Prof. Dr. Sven Jüttner Büro: Gebäude 03, Telefon: +49 391 67 12486 sven.juettner@ovgu.de 2

Kompetenzen zum Formhärten am IWF anderes Foto Versuchsbleche 125x20x1,5 mm³ H-Bestimmung Schweißparameter Kaltrissprüfung Austenitisierung- Ofen T max = 1200 C Luft-/SG- Atmosphäre (Taupunktbest.) Transfervorrichtung teilmechanisiert Transferzeit = 5 s Presshärtvorrichtung Kühlfläche ca. 200x200 mm² Presskraft 6 kn Abkühlrate ~50 K/s 3

Kompetenzen zum Formhärten am IWF Zerstörenden und zerstörungsfreie Prüfung (ZFP) der mechanischtechnologischen Werkstoffeigenschaften Wasserstoff, Stickstoff- und Sauerstoffanalytik für Metalle mit hoher Auflösung 4

AiF-Forschungsthema Nr. 17.016BR / EFB-Nr. 08/210 Thema: Laufzeit: Untersuchung des Wasserstoffgefährdungspotentials warmumgeformter Bauteile aus hochfestem Stahl 01.07.2011-30.06.2013 Entwicklung einer praxistauglichen Kaltrissprüfung für Schweißungen an hochund höchstfesten Feinblechen Untersuchungen zum Einfluss des Wasserstoffgehaltes auf die Wasserstoffunterstützte Kaltrissbildung beim Schweißen von 22MnB5 Ableitung einer Risikomatrix für das Wasserstoffgefährdungspotential beim Schweißen von 22MnB5 Empfehlungen für die Herstellung rissfreier Schweißverbindungen pressgehärteter Bauteilkomponenten Bereitstellung empirischer Daten für anschließende numerische Simulationen 5

AiF-Forschungsthema Nr. 16.844BR / DVS 03.12.1-1 Untersuchung der verfahrenstechnischen Randbedingungen des Lichtbogenschweißens auf die Nahtgeometrie und die mechanischtechnologischen Eigenschaften bei borlegierten Vergütungsstählen Bewertung unterschiedlicher Schichtsysteme hinsichtlich der Beeinflussung des Schweißprozesses warmumgeformter Bauteile (ob, +AS150, +Z140) Einfluss der Oberflächenzustände aus der Wärmebehandlung bei der schweißtechnischen Verarbeitung (Schichtdicke, Strahlen, Verunreinigungen) Ableitung von Maßnahmen zur Verbesserung des Schweißergebnisses hinsichtlich Schweißprozessstabilität und Reproduzierbarkeit der mechanischen Eigenschaften (Prozess, Parameter, Schutzgas ) Auswirkung des Wärmeeintrags auf die Verbindungseigenschaften (Anlasszone) 6

Wissenschaftliche Grundlagen zum Formhärten Inhalt und Gliederung 1. Werkstoff / Beschichtungen Motivation Formhärten (alternativ zu Kaltumformen höchstfester Stähle) Härten / Eigenschaften Einfluss der Abkühlgeschwindigkeit Beschichtungen und deren Verhalten (Diffusion, Wachstum..) 2. Prozess und Eigenschaften Varianten indirekt / direkt Beschichtungssysteme 3. Verarbeitung und Herausforderungen Schweißen / Fügen Eigenschaften der Verbindungen Einfluss der Schweißparameter auf die Eigenschaften 7

Leichtbau durch Formgehärtete Bauteile im Karosseriebau Anteil der Stahlgüten in der Karosserie Golf VI zum Golf VII: alter Golf neuer Golf Golf VI G =268 kg 34% 6% 60% formgehärtete Formgehärtete Bauteile aus aus höchstfestem Vergütungsstahl Stahl weitere hoch- und Bauteile höchstfeste aus Stähle höchstfestem Stahl Bauteile weiche aus Tiefziehstähle weichem Tiefziehstahl Golf VII G =245 kg 20% 52% 28% Quelle: Volkswagen AG 8

(Quelle: ThyssenKrupp) Hoch- und höchstfeste Stähle Eine Übersicht moderner Stahlwerkstoffe für den Einsatz im Karosseriebau 9

Vor- und Nachteile der Bauteilherstellung durch Formhärten Neue Technologie zur Herstellung höchstfester (martensitischer) Bauteile: + Bauteile mit höchster Festigkeit, Gewichtseinsparung 20 30% gegenüber hochfesten Stahlgüten + Hohe Maßhaltigkeit des Bauteils / geringe Rückfederung + Bauteileigenschaften unabhängig vom Umformgrad, kein Verlust der Bruchdehnung durch Kaltverformung - Energieintensiver Verarbeitungsprozess - Verzunderungsschutz der Bauteile für die Warmumformung erforderlich - Erhöhter Aufwand bei der Weiterverarbeitung (Beschnitt, Schweißen, ) Audi Q3, Rahmen- Montageplatte 10

Herausforderungen beim Umformen höchstfester Stahlbleche Mit zunehmender Festigkeit des Werkstoffs: 1. nimmt die Rückfederung zu Sollgeometrie Konventioneller Stahlwerkstoff Höherfester Stahlwerkstoff 2. nimmt die Umformkraft zu 3. reduziert sich die verbleibende Restumformfähigkeit 4. Vergrößert sich die Streubreite der Rückfederung 11

Bedarf an Warmumformteilen in der Automobilindustrie Vorhersage für 2015: 350 Mio. Teile Erstes warmumgeformtes Bauteil in einem Serienfahrzeug (Saab9000) Erstmalige Verwendung von beschichteten Mangan-Bor-Stahl 22MnB5 Einführung der Nanobeschichtung x-tec (VW-Passat) Erstes partiell gehärtetes Bauteil in Serie (VW Tiguan) Erster Einsatz des Tailored Tempering Verfahrens 8 Mio 124 Mio Quellen: Stahl-Informations-Zentrum / Schuler SMG / TKS 12

Status über verfügbare Stahlprodukte für das Presshärten - Standard ist borlegierter Vergütungsstahl 22MnB5 - Weitere Festigkeitsklassen verfügbar bzw. im Entwicklungsstadium (z. B. MBW 1900) 22MnB5 C Mn Si P S Al Ti Cr B Mo Cu Ni min. 0,22 1,2 0,2 - - 0,02 0,02 0,11 0,002 - - - max. 0,25 1,4 0,3 0,02 0,005 0,05 0,05 0,20 0,0035 0,1 0,1 0,1 Anlieferungszustand: Ferrit-Perlit gehärteter Zustand: Martensit [Quelle: ArcelorMittal] 50µm 20µm 13

Härte HV 10/HV 30 Härte HV 10/HV 30 n [MPa] n [MPa] Rm bzw. RP0,2 [MPa] Bruchdehnung A50 [%] Rm bzw. RP0,2 [MPa] Bruchdehnung A50 [%] Werkstoffeigenschaften beim Formhärten von 22MnB5+AS150 Ausgangszustand 1600 1400 1200 1000 800 Ausgangsmaterial 22MnB5 16 ferritisch-perlitisch, 14 unbeschichtet Rm RP0,2 A 12 10 8 Ofen ~950 C Formhärten gekühlte Form pressgehärtet Fertigmaterial 1600 Martensit, 1400400 550 HV 1200 1000 800 16 14 12 10 8 600 400 200 0 600 400 200 ungehärtet 1600 1400 1200 1000 800 600 400 HV 10 200 HV 30 0 6 4 2 0 0 5 10 15 20 25 [%]. T > 30 K/s 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 600 400 200 600 0 Rm RP0,2 A gehärtet R p = 950 1250 400 R m = 1300 1800 HV 10 0 2005 10 15 20 25 HV 30 [%] 6 4 2 0 0 ungehärtet 0 gehärtet 14

Prozessvarianten des Presshärtens Direktes Presshärten Coil Platine schneiden Austenitisierung Umformung + Abschreckprozess Schneiden, Lochen (Laser, Werkzeug) Indirektes Presshärten Variante Coil Platine schneiden Kaltumformen Austenitisierung Umformung + Abschreckprozess Schneiden, Lochen (Laser, Werkzeug) Quelle: Dr. D. Stahl 17.-18.04.2008 Fachveranstaltung: Gestaltung moderner Warmblechumformprozesse 15

Zeit-Temperaturverlauf beim Formhärten und Einflussgrößen Oberflächenschicht Transfer Umformung Austenitisierung Hartbeschnitt / Transfer 16

ZTU-Schaubild 22MnB5 mit kritischer Abkühlgeschwindigkeit Zur Ausbildung eines vollmartensitischen Gefüges muss die kritische Abkühlgeschwindigkeit erreicht werden T krit =27 K/s Quelle: TKS 17

(Quelle: Feuser, 2011) Konzepte für die Herstellung von Tailored tempering parts 18

Festigkeit [MPa] Bruchdehnung [%] Eigenschaften TTP mit variabler Ofentemperatur t Ofen = 5 min 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 715 C 815 C 915 C Zugversuch Rm RP0,2 A50 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Ofentemperatur 19

Herausforderungen bei der Bauteilherstellung Anwendungsbeispiel Fahrzeugtunnel Werkzeugkontakt bestimmt die Wärmeableitung Wärmeableitung beeinflusst die Bauteileigenschaften Werkzeugverschleiß durch abrasive Wirkung der Beschichtung thermische Stabilität des Werkzeugs erforderlich Thermographie: Bauteil unmittelbar nach Entnahme aus dem Werkzeug Quelle: Volkswagen AG 20

Anforderungen an Beschichtung zum Presshärten Wärmebehandlung unter Atmosphäre Aufgaben der Schicht / Anforderungen: Verhinderung von Verzunderung Schutz vor Randentkohlung Schmelztemperatur der Schicht muss oberhalb der Prozesstemperatur liegen Umformprozess Tribologie (Schmierwirkung) Rissbildung Schweißeignung Übergangswiderstand Benetzungsverhalten Lösungen: Feueraluminierung (AlSi-Schicht) Wärmebehandelte ZnFe-Schicht Nichtmetallischer Schutzlack (X-tec) Korrosionsschutz Lackhaftung Kantenschutz 21

Oberflächenveredelungen für die Warmblechumformung Beschichtung Typische Auflagen Applikationsverfahren Oberflächenkonditionierung Einstufige Warmumformung Zweistufige Warmumformung Zunderschutz Unbeschichtet (U) - - Feueraluminiert (AS) 80 150 g/m² Feuerverzinkt (Z) 140 200 g/m² Gamma- Protect (GP) Galvannealed (ZF) 10 µm 140 g/m² 7 8 µm X-tec 1. Generation Feuerveredelung Feuerveredelung Elektrolytische Veredelung notwendig - fallweise fallweise fallweise notwendig Feuerveredelung Bandbeschichtung eingeschränkt Korrosionsschutz Barriere aktiv aktiv aktiv Möglich/vorhanden Eingeschränkt möglich/ eingeschränkt vorhanden Nicht möglich/ Nicht vorhanden Quelle: TKS, 2012 22

Schichtsysteme und Prozessbedingungen ohne Beschichtung AS-Beschichtung FeZn-Beschichtung 25 µm Schichtdicke 30-40 µm Schichtdicke 20-25 µm 25 µm Ofenparameter für direkte Presshärteroute am IWF Ofentemperatur Ofenverweilzeit 940 C 940 C < 900 C Ofenatmosphäre 4 min 5 min 5 min Stickstoff / Endogas Normalatmosphäre Normalatmosphäre 23

Schichtaufbau formgehärteter Bauteile (AlSi-Beschichtung) Schichtaufbau im Anlieferungszustand Diffusion von Fe in die Grenzschicht Umwandlung des Al-Si- Überzugs zu Zonen mit unterschiedlicher Zusammensetzung (Fe-Al- Phase + Al-Fe- / Si-Fe-Phasen) Schichtaufbau nach dem Formhärten Diffusion von Al in den GW Diffusion von Fe in den Überzug Bildquelle: TL4225 [Quelle: TL4225 Volkswagen AG] 24

Schichtdicken von 22MnB5+ AS150 abhängig von der Ofenzeit Lieferzustand d s = 31 µm d s = 53 µm d d = 27 µm d s = 54 µm d d = 28 µm d s = 66 µm d d = 66 µm d s = 70 µm 50 µm 6 min 10 min 20 min 30 min T = 950 C, t Ofen : Diffusionsprozess führt zur Ausbildung von FeAl(Si)-Phasen: zunehmender Übergangswiderstand der Schicht Diff.-Schichtdicke max. 30-40 µm 1) für RP-Schweißungen, t Ofen < 10 min Schicht verdampft nicht beim Schweißen, Festigkeitsreduktion möglich 1) TL Volkswagen 25

Herausforderungen bei der Verarbeitung formgehärteter Bauteile Maßhaltigkeit / Passung zu anderen Bauteilen: Hohe Festigkeit / Steifigkeit der Bauteile erfordern hohe Spannkräfte Eigenspannungen im Bauteil Spalte beim Schweißen Individuelle Anpassung der Schweißparameter und -position Schweißflansch veränderliche Beschichtung: Unterschiedliche Schichtsysteme (Verzunderungsschutz) Abhängigkeit der Schichtausbildung vom Wärmebehandlungsprozess Anpassung der Schweißparameter Schliffbild gehärtetes Bauteil Empfindlichkeit gegenüber Wasserstoffinduzierter Kaltrissbildung (HACC) Vermeidung von Wasserstoffquellen beim Schweißen 25 µm 26

HV 0,2 Schweißen Formgehärteter Bauteile werkstoffl. Randbedingungen Bedingte Schweißeignung erhöhtes Kohlenstoffäquivalent Ce = 0,54% Entfestigung durch schweißbedingte Erweichung der WEZ Verschlechtertes Benetzungsverhalten durch Diffusions- / Oxidschichten Schutzgasschweißung mit Härteverlauf 22MnB5, t = 1,5 mm 600 400 200 0 0 5 10 15 20 27

Eigenschaften geschweißter formgehärteter Bauteile Beispiel MSG-Schweißen Festigkeit Grundwerkstoff Verbindungsfestigkeit Versuchsrandbedingung: Grundwerkstoff Zugprobe DIN 50125 Form H 20x80, t=1,5mm SLS-Probe b=45mm, t=1,5mm Verfahren: Metallaktivgasschweißen Zusatzdraht: EN440 - G3Si1 22MnB5: Schutzgas: Ar 82% CO218% Probenwerkstoff Formgehärtet DP780: Schutzgas: Ar 60% He30% CO 2 10% Walzrichtung: quer H420: Schutzgas: Ar 60% He30% CO 2 10% Walzrichtung: quer Festigkeit auf Grundwerkstoffsquerschnitt bezogen Standardabweichung Mittelwert Quelle Volkswagen AG Tendenziell geringere Ausnutzung der Grundwerkstofffestigkeit beim Fügen mit zunehmender Werkstofffestigkeit 28

Eigenschaften geschweißter formgehärteter Bauteile Reduzierte Härte / Festigkeit in der WEZ an formgehärteten Bauteilen Oberfläche Bruchbild einer 600 Widerstandspunktschweißverbindung 550 Schliffbild 500 450 400 350 300 Der Bruch verläuft im Bereich der reduzierten Härte 250-7 -6-5 -4-3 -2-1 0 1 2 3 4 29 HV 1 550 500 450 400 350 1 mm

Entwicklung partiell gehärteter Bauteile Riss in der Wärmeeinflusszone des Schweißpunktes Partiell gehärtete Bauteile (Soft- Zone) MBW1500+AS Rm: 1500MPa A80: 5% MBW1500+AS Rm: 600MPa A80: 15% [Quelle: Stahl, D.; Berglund, D.; Akerström, P.; Pressgehärtete Bauteile mit maßgeschneiderten Eigenschaftsprofilen] [Quelle: Lenze; Neue Entwicklungen in der Warmumformung (2007).] 30

Prinzip des Widerstandspunktschweißens [Quelle: Electron welding] R 1 ; R 2 ; R 6 ; R 7 - Stoffwiderstände R 3 ; R 4 ; R 5 - Kontaktwiderstände Größenordnung der Widerstände bei wirkender Elektrodenkraft, jedoch ohne Schweißstrom (Stahlbleche) Q = R G t 0 I = R ( 2 S S t )R ( + R K G t ) dt s Q Joulsche Wärme [J] I S Schweißstrom [A] t S Schweißzeit [ms] R G Gesamtwiderstand [ ] R S Stoffwiderstand [ ] R K Übergangswiderstand [ ] 31

Besonderheiten bei hochfesten Stahlgüten Großer Einfluss des Punktdurchmessers auf die Verbindungseigenschaften (Vergleich hochfester - formgehärteter Stahl) F [KN] 40 Abhängigkeit max. statische Zugkraft vom Punktdurchmesser 35 30 25 20 15 10 HC 340 LA 5 5,5 6 6,5 7 7,5 8 Punktdurchmesser Quelle: AIF 14.573 Bruchverhalten Widerstandsschweißen an hochfesten Stählen Stand: 32

Einfluss von Bauteiltoleranzen beim Widerstandsschweißen Überbrückung von Spalten beim Widerstandsschweißen: Sonderzangen mit hoher Kraft erforderlich Verwendung eines zweistufigen Schweißprozesses Steife Konstruktion 1.Warmumformen bis Blechkontakt 2. Schweißen Vorderer Längsträger Haltebock für Querlenker 33

Versuchsprogramm: Widerstandsschweißen mit Spalt Führungssystem Elektrodenkraft Probe mit Abstandshalter 110 45 y x 50 für Scherzugversuch nach DIN EN ISO 14273 175 45 Beidseitige Spaltüberbrückung Bewegliche Al-Rahmen (Gewicht ca. 2,5 kg) Spalthöhe 3 mm 34

Punktdurchmesser dp, mm Punktdurchmesser dp, mm Ergebnisse Schweißbereichsdiagramme mit Spalt Wachstumskurve 1-Impuls (K) Wachstumskurve 2-Impuls (W) Schweißbereich Schweißbereich 7 Spritzerfrei Spritzer 7 5,5 t Spritzerfrei Spritzer 6,5 6,5 6 6 5 t 5,5 5 5,5 5 4,5 t 4 t 4,5 4,5 5 5,5 6 6,5 7 7,5 8 Schweißstrom, ka Punktdurchmesser nach SEP 1220 5 5,5 6 6,5 7 7,5 8 Schweißstrom, ka dp min dp max dp min dp max 35

Übergangswiderstand [µω] Einfluss der Ofenverweildauer auf den Übergangswiderstand Schichtbildung bei unterschiedlichen Ofenzeiten 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 Einfluss der Ofenverweildauer auf Überzugsschichtdicke und Übergangswiderstand von 22MnB5+AS150 Übergangswiderstand Schichtdicke 0 6 10 20 30 Ofenverweildauer [min] 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Schichtdicke [µm] Oberflächenspritzer 36

Übergangswiderstand / µohm Einfluss der AlSi-Schicht beim Punktschweißen Einfluss der unterschiedlichen Wärmebehandlungszustände auf den Übergangswiderstand Ergebnisse zum Punktdurchmesser 900 800 700 600 1,5 mm HXT780X+Z 2,0 mm 22MnB5+AS F= 3,5 kn I = 5,8 ka t = 400 ms Oberflächen 1 d L = 6,1 mm 500 t Ofen = 600 s 4 400 300 200 t Ofen = 360 s 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 Elektrodenkraft / kn d L = 5,2 mm [Quelle: Volkswagen AG] 37

Einfluss der AlSi-Schicht beim Laserstrahlschweißen cps 150 Fe Fe Mn Mn Fe 100 Al Intermetallic in welded metal X-ray analysis : composition Al, Si et Fe 50 C O Si Mn Quelle: ArcelorMittal 0 0 2 4 6 8 Energy (kev) 38

Wasserstoffunterstützte (verzögerte) Kaltrissbildung (HACC) Werkstoffzustand: höchstfeste Stähle mit z.t. martensitischem Gefüge pressgehärteter 22MnB5 Spannungszustand: Eigenspannungen durch Schweißprozesse Beanspruchungen des Bauteils durch Spannkräfte aufgrund Maßabweichungen lok.wasserstoffkonzentration Wasserstoffaufnahme: während des Schweißens Diffusion / Konzentration des Wasserstoffs Wasserstoffgehalt Wasserstoffunterstützte Kaltrissbildung (HACC) 39

Rissbildung infolge MIG-Lötens (Quelle: ThyssenKrupp Sofedit) Motivation und abgeleitete Aufgaben Forschungsprojekt am IWF Gewindeplatte Auftreten von verzögerten Kaltrissen insbesondere in der Nähe von Schweißungen: Entwicklung einer Prüfmethode zur Bewertung wasserstoffunterstützter Kaltrissbildung bei Schweißverbindungen Konstruktion einer praxistauglichen Kaltrissprüfvorrichtung und geeigneten Probengeometrien Ableitung einer Risikomatrix zum Wasserstoffgefährdungspotential beim Schweißen von 22MnB5 Empfehlungen für die Herstellung rissfreier Schweißverbindungen pressgehärteter Bauteilkomponenten 40

Speicherung und Auswirkungen von Wasserstoff in Stählen Diffusibler Wasserstoff - befindet sich im Werkstoff frei beweglich oder in Fehlstellen mit wenig Bindungsenergie (reversible Fallen) - Kann bei RT das Metallgitter und flache Fallen (traps) verlassen und die Werkstoffeigenschaften verändern Residualer Wasserstoff - befindet sich in irreversiblen Fallen (traps) mit hoher Bindungsenergie - Reaktivierung nur durch von außen zugeführte thermische oder mechanische Energie - gefährlich hinsichtlich H-Versprödung - ungefährlich hinsichtlich H-Versprödung - nachweisbar durch Heißgasextraktion bzw. Warmauslagerung - nachweisbar durch Schmelzextraktion H reversible Fallen H H H H H H H H H H H H H Reversible Fallen: Versetzungen, Fremdatome, Fehlstellen, Zonen mit Eigen-spannungen Irreversible Fallen: Korngrenzen, Poren irreversible Falle Oberfläche 41

Hges-Gehalt [ppm] H-Gehalt bezogen auf m SG [ppm] H-Gehalt nach MSG-Schweißen 22MnB5+AS150 Schweißparameter CMT-Prozess v S = 70,0 cm/min M21Ar+18%CO 2 v Dr = 5,4 m/min G3Si1 1,0 mm I eff /I m = 158,0 A/132,1 A U eff /U m = 22,0 V/17,3 V 20,0 15,0 Diffusibler H-Gehalt E eff /E m = 3,0 kj/cm/2,0 kj/cm 10,0 Ausgangswasserstoffgehalte 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 Grundwerkstoff 22MnB5 Schweißzusatzwerkstoff G3Si1 5,0 0,0 4,8 7,3 11,7 14,1 Schutzgas (18% CO 2, Ar) H-haltiges Schutzgas Konservierungsöl Kondenswasser 42

Rissverhalten von 22MnB5+AS150 nach MSG-Schweißen ohne H-Quelle Vier-Punkt-Biegeverspannung Biegeweg f = 16 mm plastische Verformungen im angelassenen Bereich der WEZ keine Risse nachgewiesen Zugversuch duktiler Riss im angelassenen Bereich der WEZ ( Härtesack ) Bruchflächenuntersuchung REM duktile wabenförmige Verformungsbruchfläche Zugbänder Blick auf Bruchfläche 43

Rissverhalten von 22MnB5+AS150 nach MSG-Schweißen mit H-Quelle Vier-Punkt-Biegeverspannung Biegeweg f = 16 mm plastische Verformungen im angelassenen Bereich der WEZ Rissentstehung im Biegeversuch nachgewiesen Zugversuch Sprödbruch an der Schmelzlinie Bruchflächenuntersuchung REM viele Spaltbrüche klaffende Korngrenzen Kennzeichen für HACC Blick auf Bruchfläche 44

ZfP der mechanischen Eigenschaften bei 22MnB5 Mikromagnetische, multiparametrische Mikrostruktur und Spannungsanalyse (3MA): Barkhausenrauschanalyse Oberwellenanalyse im Zeitsignal der magnetischen Tangentialfeldstärke Überlagerungspermeabilitätsanalyse Mehrfrequenz-Wirbelstromimpedanzanalyse 45

Zusammenfassung Das Formhärten ist ein spezieller Prozess zur Herstellung von komplexen höchstfesten Bauteilen Unterschiedliche Prozess- und Beschichtungsvarianten ermöglichen die Herstellung verschiedener Festigkeitsklassen und Geometrien Bauteile können mit partiell unterschiedlichen Eigenschaften hergestellt werden Gehärtete Bauteile sind bedingt schweißgeeignet. Der Wärmeeintrag beeinflusst die Verbindungseigenschaften. Übliche Schweißprozesse RP, MSG, Laserstrahlschweißen Beim Schweißen sind spezielle Randbedingungen einzuhalten. Der Verbindungsquerschnitt ist festigkeitsrelevant. Der Formhärteprozess und Maßhaltigkeit der Bauteile beeinflussen die Schweißparameter 46

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