Gamification im Firmennetzwerk



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Transkript:

Gamification im Firmennetzwerk Der Begriff Gamification und die damit verbundenen Mechanismen erzeugen derzeit eine große Resonanz und es ist kaum zu leugnen, dass Gamification-Elemente in verschiedenen Einsatzszenarien interessante Effekte auslösen und eine gewisse Faszination ausüben können. Zunehmend finden sich auch in Enterprise Social Networks Gamification-Elemente wie beispielsweise Badges (Rangabzeichen), um die Nutzer zu motivieren, sich kurzfristig mehr zu beteiligen. Im Artikel wird diese Ausprägung von Gamification kritisch hinterfragt. Von Alexander Richter 80 Wirtschaftsinformatik & Management 1 2013

Einer Fabel nach wird ein jüdischer Kaufmann von randalierenden Jugendlichen in der Stadt, in der er ein Geschäft eröffnet hat, in regelmäßigen Abständen belästigt. Eines Tages beginnt er, die Jugendlichen für ihre Belästigungen zu bezahlen. Zur intrinsischen Motivation der Jugendlichen (sie belästigen ihn, weil es ihnen Spaß macht) kommt ein extrinsisches Motiv (Geld). Dann beginnt der Kaufmann den Betrag, den er ihnen bezahlt, damit sie ihn belästigen, schrittweise zu verringern. Irgendwann ist den Jugendlichen der bezahlte Betrag zu niedrig, sodass sie die Belästigungen einstellen. Die Reaktion der Jugendlichen ist auf den ersten Blick nicht unbedingt logisch. Wenn ihnen etwas vorher schon Spaß gemacht hat, warum soll es dann nicht erst recht weiter Spaß machen, wenn sie auch noch dafür bezahlt werden? Selbst wenn am Ende keine Bezahlung mehr stattfindet, machen sie eben nur aus Spaß weiter so wie vorher auch. Eine Erklärung für die Reaktion der Jugendlichen hält der Crowding-Out- Effekt [1] bereit: Die ursprüngliche intrinsische Motivation der Jugendlichen wird von einem Anreiz überlagert. Die Jugendlichen verlernen sozusagen, dass es ihnen vorher Spaß gemacht hat, den Kaufmann zu belästigen, und reagieren nur noch auf den monetären Anreiz. Sobald dieser Anreiz dann wegfällt, sinkt auch die Motivation der Jugendlichen. Dr. Alexander Richter begleitet als Bereichsleiter Social Business in der Forschungsgruppe Kooperationssysteme an der Universität der Bundeswehr München deutsche Unternehmen bei der Einführung von Corporate Social Software. Ein äußerer Anreiz birgt die Gefahr, dass die intrinsische Motivation darunter leidet und somit die gesamte Motivation sinkt, sobald der Anreiz wegfällt. Motivation ist nicht gleich Motivation Intrinsisch motiviert zu sein, bedeutet, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun weil sie Spaß macht, man Interesse an ihr hat oder sie eine Herausforderung darstellt. Laut einer Studie ist beispielsweise die Anforderungsvielfalt bei der Arbeit an den Artikeln des Online-Lexikons ein ausgesprochen wichtiger Grund, bei Wikipedia etwas beizutragen [4]. Ein weiterer Grund, sich zu beteiligen, kann das Feedback der anderen Nutzer sein. Doch genau genommen handelt es sich bei Lob bereits um einen externen Faktor. Das muss nicht heißen, dass es negativ ist, andere zu loben. Denn Lob hat viele positive Effekte, beispielsweise reduziert es eine mögliche Unsicherheit ( ist es hilfreich, was ich da tue? ) und es zeigt, dass die eigene Arbeit wahrgenommen und geschätzt wird. Man erlebt sich selbst als kompetent. Auch Geld oder sonstige Prämien zählen zu den klassischen Mitteln, mit denen versucht wird, zu motivieren. Jeder äußere Anreiz birgt also die Gefahr, dass die intrinsische Motivation darunter leidet und somit die gesamte Motivation stark sinkt, sobald der Anreiz Wirtschaftsinformatik & Management 1 2013 81

wegfällt, sich reduziert oder nicht mehr im selben Maße die vorhandenen Bedürfnisse befriedigt. Auf das Beispiel bezogen kann es also passieren (und ist sicherlich auch schon viele Male passiert), dass das Lob der anderen Nutzer die intrinsische Motivation, an der Wikipedia mitzuarbeiten, so überlagert, dass einem Nutzer das Lob irgendwann nicht mehr ausreicht und er vergessen hat, warum er ursprünglich an der Wikipedia mitgearbeitet hat aus Spaß oder Interesse oder weil er die Arbeit herausfordernd fand. Exkurs: Der Crowding-Out-Effekt und Entwicklungshilfe Mitarbeiter sind motiviert, wenn sie freudvollen, interessanten und herausfordernden Tätigkeiten nachgehen können. Bedeutet das, dass man Mitarbeiter gar nicht mehr bezahlen muss, wenn sie intrinsisch motiviert sind und bleiben? Theoretisch ja. Wenn wir uns unsere Gesellschaft anschauen, Mitarbeiter sind motiviert, wenn sie freudvollen, interessanten und herausfordernden Tätigkeiten nachgehen können. lässt sich aufgrund der Höhe des Gehalts auch sehr wohl eine Aussage dazu treffen, in welchen Berufen stark intrinsisch motivierte Personen arbeiten (z. B. in sozialen Berufen). Ein Extrembeispiel stellt die Domäne der Entwicklungshilfe dar, in der Menschen arbeiten, obwohl sie so gut wie gar nicht bezahlt werden, nur aufgrund der Motivation, etwas Bedeutsames zu tun. Hunderttausende Deutsche, die gemeinnützige Arbeit tun, sind ein weiteres schönes Beispiel dafür, welch großen Einfluss intrinsische Motivation hat. Was dieser Exkurs aber auch zeigt: Ein extrinsischer Faktor (unser Gehalt) überlagert intrinsische Motivation nicht zwangsläufig völlig. Er muss nur auf die richtigen Motive treffen. Gamification in Enterprise Social Networks Status quo Viele Unternehmen, die derzeit dabei sind, Enterprise Social Networks (ESN) einzuführen, setzen sich auch mit der Frage auseinander, ob sie die ihnen angebotene Palette von Gamification-Elementen im Rahmen der Einführung einsetzen sollen. Aus Sicht der Anbieter ist es logisch und nachvollziehbar, solche Gamification-Elemente zum Einsatz bringen zu wollen. Ihre oberste Maxime muss es sein, den kurzfristigen Erfolg der Plattform sicherzustellen. Eine Plattform, die innerhalb kürzester Zeit (vor allem in der Pilotphase) durch eine starke Nutzerzunahme und äußerst aktive Nutzer von sich reden machen kann, scheint die richtige Wahl zu sein. Das ist sie vielleicht auch aber nicht aufgrund eines kurz- bis mittelfristig angelegten Motivationsschubs bei den Nutzern, der darauf zurückzuführen ist, dass es für jeden Beitrag einen Punkt gibt und man sich bald den Experten-Badge anheften kann. Was passiert, wenn man die Gamification-Elemente eines ESN nach einiger Zeit wieder deaktiviert, hat ein Team von IBM Research im IBM-eigenen System Beehive gezeigt [5]. Wie zu erwarten war, reduzierte sich die Nutzeraktivität nach der Deaktivierung der Gamification-Elemente deutlich. Die Abb. 1 Leadershipboards (Punktetabellen) in Yammer und Jive 82 Wirtschaftsinformatik & Management 1 2013

Grundlagen Wenn sich nun ein Unternehmen Gedanken zum Thema Gamification machen möchte, dann idealerweise losgelöst von Badges und Co., und stattdessen beispielsweise zu Fragen wie: Wie können wir sicherstellen, dass der freudvolle Umgang unserer Mitarbeiter mit der Plattform (und damit die intrinsische Motivation) nicht beschnitten wird? z. B. durch Hilfsmittel, die Unsicherheiten auf der Nutzerseite zu vermeiden helfen, wie etwa Social Guidelines und Konventionen zur Nutzung bestehender Kooperationssysteme, eine sogenannte When-to-use-what-Matrix Wie können wir unsere Mitarbeiter darin unterstützen, die Potenziale und den Sinn des ESN für den eigenen Arbeitsalltag zu entdecken? z. B. durch die Kommunikation positiver Beispiele oder durch eine nutzenorientierte Dokumentation Wie lassen sich notwendige Bewertungselemente (z. B. bei Ideenwettbewerben) so einsetzen, dass sich kein Mitarbeiter herabgesetzt fühlt? z. B. durch das Herausstellen der Tatsache, dass qualitative, differenzierte Bewertungen (Kommentare) mindestens genauso wichtig sind wie die quantitative Bewertung Autoren weisen in ihrem Fazit deutlich darauf hin, dass die Deaktivierung einmal eingesetzter Gamification-Elemente eines ESN genau durchdacht werden sollte, weil das Zurück danach umso schwerer wird. Ein anderer Schluss aus den Ergebnissen wäre, die erstmalige Aktivierung der Gamification-Elemente eines ESN genau zu überdenken. Aufgrund des Wettbewerbscharakters kann sich Gamification auch negativ auf die Arbeitskultur in einem Unternehmen auswirken. Strategien entwickelt, um eine größtmögliche Anzahl an Punkten zu sammeln. Beispielsweise hinterließen sie in großer Anzahl Kommentare wie Na, wie läuft s?. Es ist zu vermuten, dass der Großteil der Beiträge, die vor einem solchen Hintergrund nur um ihrer selbst willen entstehen, sich nicht nur negativ auf die Qualität der Inhalte in einem ESN auswirkt, sondern auch kritische neue Nutzer abschreckt ( Das ist ja dasselbe große Blabla wie in Facebook, das brauche ich nicht. ). Und schließlich wäre darüber nachzudenken, wie viele Mitarbeiter ein schlechtes Gefühl gegenüber der neuen Plattform entwickeln, wenn sie immer wieder anhand der Leadershipboards feststellen müssen, dass sie nicht mit den offensichtlichen Profis mithalten können, die bereits hunderte von Ex- Gamification Auch eine Frage der Kultur Erwähnenswert erscheint auch, dass die Autoren der Studie auf ein weiteres Argument eingehen, das gegen Gamification spricht. Aufgrund des Wettbewerbscharakters kann sich Gamification auch negativ auf die Arbeitskultur in einem Unternehmen auswirken. Beispielsweise kann sich schnell ein Kampf um die vorderen Plätze in den Rankings entwickeln. Dies ist dem Miteinander, das durch ein ESN gerade unterstützt werden soll, nicht unbedingt zuträglich. Wie die IBM- Forscher feststellten, haben einzelne Mitarbeiter, mit einem starken Bedürfnis nach Anerkennung, sogar eigene Scoring- Zusammenfassung Gamification-Elemente wie Leadershipboards und Badges können sich sowohl kurzfristig als auch langfristig negativ auf die Nutzung eines ESN auswirken. Um die Plattformen effektiv zu nutzen, brauchen die Nutzer etwas Zeit, um den richtigen Platz in den individuellen Arbeitspraktiken zu finden. Hier hilft es insbesondere Unsicherheiten auf der Nutzerseite zu vermeiden.. Wirtschaftsinformatik & Management 1 2013 83

pertenpunkten gesammelt haben, während sie selbst sich offensichtlich immer noch schwer tun, den Sinn und Zweck des ESN zu entdecken. Alternativen zu Badges und Co. Wie die Erfahrung zeigt, brauchen die Mitarbeiter eines Unternehmens in erster Linie Zeit, um aus dem eigenen Arbeitskontext heraus zu verstehen, wie ein ESN den eigenen Arbeitsalltag produktiver machen kann. Wenn also eine Plattform auch ohne Gamification-Elemente nach und nach zunehmend genutzt wird, dann, weil sie ihren Platz in den individuellen Arbeitspraktiken der Nutzer gefunden hat und effektiv eingesetzt wird. Und das sollte das Ziel der Einführung eines ESN sein. Das heißt nicht, dass man die Nutzer bei der Einführung völlig sich selbst überlassen sollte. Auf der Suche nach Alternativen zu Badges und Leadershipboards begeben wir uns noch einmal zurück zur Motivationstheorie. Nach der Selbstbestimmungstheorie der Motivation [3] lässt sich die extrinsische Motivation in vier verschiedene Typen unterteilen, die unterschiedlichen Einfluss darauf haben, wie lange jemand motiviert ist und welche Ergebnisse aus seiner Arbeit resultieren. Am schlechtesten für die Arbeitsleistung und Kreativität ist die sogenannte externe Regulation, beispielsweise die Nutzung eines ESN zur Pflicht zu machen. Nicht viel besser wirkt sich die introjizierte Regulation aus, der auch der Großteil der Gamification-Elemente zugeordnet werden kann. Studien zeigen, dass diese Form der Motivation nicht nur zu suboptimalen Leistungen führt, sondern auch negative Gefühle wie Scham, Schuld oder Angst auslösen kann, wenn sie längerfristig bestehen bleibt [2]. Dazu passt auch das oben beschriebe- Kernthesen ne schlechte Gefühl einer Person, wenn sie im Leadershipboard der neuen Plattform schlecht abschneidet. Das häufig besprochene Commitment des Managements, das heißt, die Bekenntnis einer Führungskraft zur Nutzung einer Plattform und das Nahelegen, diese auch zu probieren, lässt sich dem nächst besseren Motivationstypen der identifizierten Regulation zuordnen. Um zu unterstützen, dass ein ESN in einem vertretbaren Zeitraum seinen Platz in den Praktiken der Nutzer findet, bietet es sich an, diesen positive Beispiele für gelungene Nutzungsweisen aus dem eigenen und anderen Unternehmen aufzuzeigen. Wenn der Nutzer durch die Orientierung an Vorbildern den Nutzen der Plattform für sich erkannt hat, handelt es sich schließlich um die Form extrinsischer Motivation, die der intrinsischen Motivation am nächsten kommt: die integrierte Regulation. Am schlechtesten für die Arbeitsleistung und Kreativität ist die sogenannte externe Regulation. Die intrinsische Motivation selbst lässt sich zwar nicht erhöhen (weil sie eben gerade von innen kommen muss), aber selbst hier finden sich Möglichkeiten, anzusetzen. Beispielsweise unterstützt die gemeinsame Entwicklung von Rahmenbedingungen für die Nutzung des ESN die Nutzer im Aneignungsprozess. Auf diese Weise wird die Unsicherheit der Mitarbeiter reduziert und somit verhindert, dass deren intrinsische Motivation beschnitten wird. Die Einführung von Gamification-Elementen in Enterprise Social Networks will wohl überlegt sein. Dauer und Intensität der Nutzer-Motivation hängen von unterschiedlichen Motivationstypen ab. Verschiedenen Gamification-Elemente lassen sich der introjizierte Regulation zuordnen, die laut mehreren Studien zu suboptimalen Leistungen und/oder negativen Gefühlen wie Scham, Schuld oder Angst führen kann, wenn sie längerfristig bestehen bleibt. Fazit Im Artikel wurde aufgezeigt, dass einige Gamification-Elemente wie Leadershipboards und Badges sich sowohl kurzfristig (z. B. durch Scoring-Strategien, die andere Nutzer abschrecken) als auch langfristig (durch die starke Abnahme der Nutzung nach Abschalten der Elemente oder Abflachen des Interesses) negativ auf die Nutzung eines ESN auswirken können. Es wurden verschiedene Motivationstypen aufgezeigt, die sich unterschiedlich darauf auswirken, wie lange jemand motiviert ist und welche Ergebnisse aus seiner Arbeit resultieren. Es wurde dafür geworben, einem ESN und 84 Wirtschaftsinformatik & Management 1 2013

seinen Nutzern etwas Zeit zu geben, den richtigen Platz für die Plattform in den individuellen Arbeitspraktiken zu finden. Gleichzeitig wurden Ansätze aufgezeigt, wie dies zielgerichtet unterstützt werden kann vor allem, indem verhindert wird, dass die intrinsische Motivation beschnitten Auch das Konzept, Informationen erst zur Verfügung zu stellen, wenn sie notwendig werden, wird der Gamification zugerechnet. wird, und indem vor allem auf integrierte Regulation (Hervorheben positiver Beispiele) gesetzt wird. Obwohl vom Einsatz der genannten Gamification-Elemente in Enterprise Social Networks abgeraten wird, soll nicht verschwiegen werden, dass sich die Grundidee von Gamification eigentlich sehr gut zur nachhaltigen Motivation eignet. Denn mit dem Wort Spiel verbinden wir ja gerade auch Spaß. Nicht überraschend entstehen dann die besten Ergebnisse, wenn die Zusammenarbeit (also auch die IT-gestützte Zusammenarbeit) Spaß macht. Auch soll nicht verschwiegen werden, dass Gamification mehr ist als Badges und Leadershipboards. Auch das Konzept, Informationen erst dann zur Verfügung zu stellen, wenn sie notwendig werden ( Cascading Information ), wird der Gamification zugerechnet. Leider lässt sich dies jedoch nicht so einfach in einem ESN umsetzen wie ein Rangabzeichen. Handlungsempfehlungen Überlegen Sie gut, ob Sie Gamification einführen wollen, ein nachträgliches Zurücknehmen ist fast immer problematisch. Gamification ist für die meisten Neuland, geben Sie den Nutzern die nötige Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Danksagung Danke an Dr. Karsten Ehms für die akribische Qualitätssicherung der psychologischen Seite des Artikels. Links und Literatur [1] Frey, B. S.; Jegen, R. (2001): Motivation Crowding Theory. Journal of Economic Surveys 15(5), S. 589 611. [2] Patterson, P. G.; Joseph, S. (2007): Person-centered personality theory: Support from self-determination theory and positive psychololgy. In: Journal of Humanistic Psychology, 47, S. 117 139. [3] Ryan, R. M.; Deci, E. L. (2000): Self-determination theory and the facilitation of intrinsic motivation, social development, and wellbeing. American Psychologist, 55, S. 68 78. [4] Schroer, J.; Hertel, G. (2009): Voluntary engagement in an open web-based encyclopedia: Wikipedians, and why they do it. In: Media Psychology, 12, S. 1 25. [5] Thom, J., Millen, D. & DiMicco, J. (2012): Removing Gamification from an Enterprise SNS. Proceedings of the ACM 2012 conference on Computer Supported Cooperative Work (CSCW 2012). http://jennthom.com/papers/cscw2012finalnames.pdf. aa Zusatzservice für Abonnenten von Springer für Professionals Business IT Zum Thema Gamification Suche finden Sie unter www.springerprofessional.de 72 Beiträge Stand: März 2013 Medium Artikel (1) Dossier (1) Zeitschriftenartikel (10) Buchkapitel (60) Sprache Deutsch (13) Englisch (59) Von der Redaktion empfohlen Start the Game: Increasing User Experience of Enterprise Systems Following a Gamification Mechanism In: Software for People, 2012 www.springerprofessional. de/3251016 Serious Games: A New Paradigm for Education? In: Serious Games and Edutainment Applications, 2011 www.springerprofessional.de/3360482 Wirtschaftsinformatik & Management 1 2013 85