Schmallert. Innere und äußere Landschaftslyrik. Torsten Schäfer



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Transkript:

Schmallert Innere und äußere Landschaftslyrik Torsten Schäfer

Torsten Schäfer, geb. 1977 in Mühltal bei Darmstadt, studierte Journalistik, Politik wissen schaften und Europastudien in Dortmund, Tours, Brüssel und Aachen, wo er auch promovierte. Er arbeitet als Redakteur bei GEO International und ist freiberuflicher Journalist mit den Schwerpunkten Natur,Umwelt und Europäische Union (www.euroreporter.de). Dies ist sein erster Lyrikband. Taschenbuchausgabe 1. Auflage 2012 Heinevetter Verlag, Bad Schwartau Umschlag: Vanessa Krieg Satz und Druck: Heinevetter & Co. GmbH Papier: FSC BalancePure Offset Recycling 100% RECYCLED Papier aus Recyclingmaterial FSC C018516 Druck 53266-1206-1022 Printed in Germany

Schmallert Innere und äußere Landschaftslyrik Torsten Schäfer

EINS Alster Edel rührt das Wasser an den Weidenzweigen spült die Mauern stiller Villen trägt die weißen Kähne ruhig Dunkle Wellen streicheln rote Brücken Schwäne ziehen fort und grünes Laub fällt in den Fluss 3

Ankunft Licht lacht leise Luft liegt sanft das Jahr gibt sich ein neues Gewand 4 Himmel so offen Bäume musizieren Wiesen malen Bilder Frühling will verführen Winde wehen warm Wolken wachsen weit Wiesen wogen wellengleich Und alles auf dem Weg der Augenblicke den der Ankömmling gerade für uns baut

Nach Lom Was alles, nicht viel vorbeigefahren und nicht ausgestiegen gezogen mit den Herden verbrannt am Heißstrich links von mir Und vor uns inmitten der Waldtälerzüge am Hochfluss des Morgens nur nie dort gewesen 5 Gesummt die Landschaft gedacht ihre Luft benommen aus Solchem wankend Zurück in Stadt und Kleben Fuß vor Fuß Tasten wieder diese Kleinschrittlängen Und doch Fließen Entdeckung auch hier

Lastlaube Es ist die grüne Wand Randwald am Gleis in der Mattsonne des Landes Nichts schluckt mehr Worte wie Orte ohne Kratzen und Schwert 6 Liegen nebenan strecken sich nicht brechend im Schleiersein Entachten sind eben dies kein Zumal zuvorderst nicht Randwälder der Gleise

Aurland Austernfischer stoßen kleine graue Schreie aus scharfer Wind spricht am Viddafluss Weit wölbt sich der Berg über den Fjord Aurland Weiße Flecken im Dunkelgrün strömen fort treiben gehen unter 7 Nach all den Jahren sinken sie hinab vergehen am Grund Worte die einst fliegen konnten

Standschreib Die Nacht steht still Licht verblüht lockt hinaus Es wäre zu früh die Einmaligkeit zu rufen doch der Abend tanzt 8 Ich stehe auf ziehe die Jacke an stehe, will gehen Und schreibe immer noch

Grenzwelt Rauschen ferne Weite braune Flut vor weißen Kämmen Blauer Schaum an seiner Seite grüne Wände Wellenrennen Welten trennen 9

Helle Tage Nur noch dem Blick Erlaubnis geben zarter Schlag des Küstenwassers wenn es schmiegt und liegt 10 Vor Nordkonzerten kleiner Flötengeister auf den Spitzen plötzlicher Endlosigkeit inmitten hoher Zweiggebirge und den Blättertürmen des jungen Birkenwaldes Vorüber huscht ein Wort doch es kehrt um hält an, will bleiben unerkannt verweilen Stunden teilen Bis es bemerkt dass ich es sagen könnte

Es steht auf und flieht als ich es spreche die Augen schließe und hinter Lichterwände blicke Auf helle Tage die nie dunkel werden die erzählen von unzähligen Legenden Und mit Meeresaugen weinen wenn die Nacht geschlichen kommt 11

Weite Insel In der Ferne der Wind spricht davon rauscht das Meer in der Bucht klingt sein Ton 12 Schimmernd, weit von Bergen umrandet wogt Einsamkeit am Fels ihre Stimme laut brandet Sie wird leiser bald die See schmiegt kalt sich an Land streichelt die Steine zerfließt und wird Sand sanfter Stoff, Inselgeschmeide Sand, Kristallenmeer feinster Saum aller Erde nur Du darfst sein was ich nie werde Nachbar des strahlenden Stromes

Driftwärts An schalen Ufern Züge grauen Wassers schon gelbes Gras Lufthauch kalt Morgenfeucht Rufe von weit her Land bis zum Augenende niemand hört Laub und Acker karges Holz Lichtflucht 13 Stehend reisen vor Alledem es setzt sich zieht herunter Sitzend sehen voller Landschaften

Getrappel Vorhang auf nach Landung Schiebewelten Saugen, Sammeln Alles trinken Mundreisen Verschlucken, verdauen 14 Und doch verlaufen in Schönheitsräume Stillesmeere am Grund des Körpers Sicht auf Weite Tiefe im Sinken Bestaunen die Landschaft des Wir-Wassers Wellentuns hinüber zu den Wann-Wänden Es ist jetzt sich wenden am Körpergrund sprechen im Rauschen

Schoß Erde öffnet ihren Schlund bricht auseinander Fällt hinab Hunderte von Metern steiler Tod im Diamantenland Traumestiefe zu Wassers Zaubertreppen Erde zeigt den Rachen aus Stein Wasser und Staub in der Ebene des heißen Windes 15 Schon wacht der Mond in der Abendschlucht sinkt des Glanzes Mutter fort taucht das Felsenland in dunklen Ruheschein Das Wasser strebt zum Tor der Schlucht vom Rachen hin zum Schlund und geht verloren dort

Vor Bayern Sich vergraben haben geschluckt fast alles dann anlaufen abspringen Nur stehen Bewegung sehen die nicht zu reichen scheint 16 Für diese Weite und alle Fragmente die zusammensammeln täglich es ausmacht Aber Abendröte kann auch sein bruchstückfreie Tagesenden in streichelndem Glanz

Chiapada Felsenplatten in Stapeln mit großer Hand gelegt Gelbes Gras wächst aus Höhlen zum Dach des Tales unten Schattenkälte Steintiere vorbei am Strauchwald fließt der Fluss 17 Aus Rost grauem Sand silbernen Steinen brauner Erde weißem Mineral orangen Pfützen schwarzen Löchern kupfernen Teichen gelben Seen Und allen Diamanten

Zugschrieb Ich wandele kann kleinen Lauten folgend Verse binden 18 Wortberge aus Zugfenstern schütten kettend mich schmiegen an Den Muff des Surrens im Eisensalon wie er geblieben ist immer so charakterhaltend scheu vor dem Fliegen Über all die Zeit seit dem Flugzeugstart der Boden-Mensch-Entwürdigung

Winterliebe Es könnte Winterliebe sein die meine Haut umspielt Der ich zuhöre mit ihren weißen Worten blauen Sätzen Die mich eingefangen hat Kälte weit macht und den Weg offen hin Aufschrei-Land bei jedem Schritt nach der Sommerliebe 19

20

ZWEI Fetzen Jetzt Nur kurz stehen wollen Auf dem Punkt Zeit kleinste Insel im Strom Fetzen Jetzt Hier-Tropfen Splitter Stummheit im Rauschen Millimetergewinn auf dem Kontinent Chaos so wenig nur dazwischen kommen 21

Gliedmaßenkommando Was kann ich dazu noch tun? Nehme auf und gehe will, sei Du Herzensmeriane fernfrei 22 Hier und an den Orten die ich mir als Arm, Bein, Nase, Fuß, vorstelle Frieren im weiten Weiß sie schalten mich ein ich mich aus Winterkörper auf Standreise im Stilljetzt

Rand Am Rand angelangt wo das Eis beginnt die Vögel schärfer schlagen Blick zum Himmel Atem tief harren ohne Richtung Gedanken lodernd klirrend fest-haltend ver-werfend 23 Sie fliegen wie die Vögel hinweg, herbei Schemen die wie Hände greifen im Frost Das sehe ich während des Frierens und des Flügelschlags

Diva Herbst Sitzen mit ausgeschaltetem Licht im ersten Brausen Zusammengekniffen wanken Bürgeraugen in den Morgen zur Traglast ihrer Tage 24 Fauchen, Tanzen, Trinken das will sie lottern und stürmen Die Frau deren Mantelsaum den Trottoir kratzt Ihr nächster Cognac ist eine Samstagsdepression ihre Eskapaden sind eine Jahreszeit

Domino Zeit braucht Zeit in sich zu verfließen Ruhe sprießt nur in ihr blüht der Augenblick Auf den Steinen liegt das Auge jede Luft ist neu jede Bewegung vergangen 25

Fadenfahrt Es heißt so dass ich es nicht weiß wie der Faden des Pullovers der Frau die hier gerade saß 26 Wie das Blatt das am Zugfenster klebt sich wacker hält Wie der Blick des Verkäufers der dem blauen Rock hinterher sah

Meditation Komm näher nie erreich ich Dich im Chor der bleichenden Momente Stimme aus dem Konsens Krumen im Wind Farbe der Nacht Stauwehr der Ewigkeit Strand hinter den Fällen der Stille 27 Schlage auf den Rand der Trommel bleibe bis heute Abend

Gewitter Gewitter bricht aus dem Gesicht der Fluss strömt im Kopf und aus ihm heraus 28 Die Bewegung erloschen der Schnelligkeit erlegen die nächsten Gesichter so weit entfernt Der Körper im Wandel vor sich selbst auf der heiligen Flucht Der Fluss nur auf die Strömung schauen die Quelle vergessen Inseln vergessen zwischen Inseln sterben niemals Tritt den Gang zur Quelle an dem liebsten Feind in der Strömung

Die Quelle Kopf des Stromes sein stillster Punkt ruhende Jugend des Wassers tummelnder Aufbruch Dort ist der Strom eins tritt das Gewitter aus dem Boden wo Steine Wolken weinen wie heute Morgen 29 Tritt den Gang zur Quelle an Wasser zu Wasser Himmel zu Erde Gewitter und Quelle sind eins der Fluss strömt im Kopf

Unvollkommen Die Predigt am Morgen der Zweifel am Mittag Ruhe am Nachmittag Der Galgenfrieden: dort baumelt das Ideal 30 Zufriedenheit am Abend der Schlaf in der Nacht der Tag ist verdient Der neue Keim am Morgen dann die Predigt

Standort Stille Es ist still geworden im Raum zwischen den Höhen Stille zwischen Wasser und Land Augen und Blicken Sekunden und Brüchen Stundenschlangen Tagesreisen Wochenfreuden 31 Stille des Misstrauens Standort der Scheue Stille der Laute die ausgestoßen nicht mehr klangen wie vor der Zeit des ersehnten Schweigens

Nach dem Pult Münder die meisten geschlossen offenes Fenster Zugluft Drinnen nur stickige Masse zarte Deckenblicke 32 Schablonen früheren Mutes Kopien alter Kämpfe nie Novum nur aufdringliche Unaufgeregtheit Wir haben doch aber könnten kaum

Rindenstund Erstes Laub gefallen nach dunklem Regen Rinde schält sich am Stamm Laut galoppiert die schweigende Macht des Nichtgetanen 33

Niemehr-Land So viel gelassen Absatteln Krüger voller Niemehr-Landschaften habe ich vergossen 34 Schritt gehalten nicht so jetzt im Schreiben Es ist Kleinhandeln und ewige Vorbereitung

DREI An-Dein-Deutung Das Auge des der Blick der das Leuchten von Können mich nicht weiter führen Es ist ferne Schönheit die Du gibst 35 Es ist nur und gerade das mit dem ich

Wogenwasser Ich bin gerade gefahren sie ist fort so weit wie die letzten Wolken Der letzte Streif Abendlicht an den Himmelsenden 36 Doch unter all den Wogen und Wassern bist Du näher als alles andere darum tauche ich jetzt

Anfang, schier Nacht im Mondschein Heuballen auf dem Feld die Luft ein zarter Lebensmantel Eulenrufe Duft von Stroh und Mahd Lichterfluten im Schwarz kleine Winde hauchen leise Lieder 37 Tiergeräusche am Saum des Feldes Schatten der Bäume die mit mir wuchsen unten auf den Hügeln die Weinberge waren alles in sich aufnahmen wiedergaben Die Rehe rufen wieder heißer vertraut am Ende dieses Sommers am Anfang

Wunderwesen Hast Dich in mich gegraben bist die Gestalt meines Kopfes meiner Füße, Hände, Finger, Augen 38 Wunderwesen zu dem mich die Reise geführt der Wind getrieben das Wasser geflossen die Erde getragen der Traum geleitet hat Trag Dich in mir hab Dich bei mir wo immer ich bin

Himmelaufwärts Blüte im Wasser Traum auf See wie sehne ich Dein Aug herbei Einziger Schein im Dunkel aller Erkenntnis Wir driften himmelaufwärts die Welt ein großes Als-Ob-Gebilde 39 Lass uns Seinsegeln mit Mutter Wind

13.6.2008 Dunkler Flur geflutet ausgeleuchtet Kleine Worte lautlos Bewegungen helle Töne 40 Musik im Nachbarraum an den Wänden Lichterwellen Scheue in Gesichtern Augenöffnen Farbenflut Beginn einer Reise die kein Ende hat nur diesen Anfang

VIER Sturm Meine Bastion bricht eine Flanke ist offen wird es wohl bleiben Ich lasse Euch herein ihr dürft fressen Doch lasst mir Arme und Augen ohne die ich nicht sein kann 41

Gelbstirbt Regen zieht auf er wird Wasser bringen das hier noch nicht fiel und floss Das ich nur von fremden Ebenen kenne 42 Gelbes Wasser das glänzt nicht zu schmecken schien Ich warte jetzt darauf der Regenwind zieht auf werde es trinken Es wird mich waschen dann zerfalle ich weil die Austrocknung so schnell beginnt

To s e n f a l l e n Momente des Fallens in Deine Arme in das Tosen Blicke voller Verlust Gesten des Abstandes Atemzüge ohne Hauch Augenblicke ohne Sicht 43 Gedanken weit ab von den Flächen der Freiheit die wir gemeinsam betreten konnten

Laufen Der Wind ist vorbeigezogen es hat drei Jahre gedauert ich habe daneben gesessen ihm zugesehen Als die letzten Wolken gingen bin ich aufgestanden losgelaufen 44 Ich hatte meine Hände nicht mehr gespürt hatte alle vertrieben jetzt war der Himmel leer Weit drüben ein Schimmern Tag ohne Worte Atemzüge wie Wellenschläge fliegende Ängste der letzte Liederschlag vor der Kreuzung Blindes Laufen um nicht zu verlieren

Gespenst Frost Gespenst Frost ist gekommen fast über Nacht Sein Kommen hat Kälte in Linien und Punkten über das Land gelegt Die Menschen weinten nur schwach denn sie wussten dass es kommen würde 45 Unsichtbar eine Macht des Schattens die herrscht für ungewisse Zeit Die den Tod bedeuten kann wenn man sie verneint

46

FÜNF Kongruente Humanmechanik Sprache spricht in ihrer Sprache über Blicke die blicken mit Blicken Auf Läufer die laufen mit Füßen die fußen auf Augen die äugen auf Hände die händeln das Gesicht das sichtet 47 Die Sprache den Blick die Füße die Augen und Hände der Anderen deren Gesicht Jeder für sich gleichsam alle Gesicht für Gesicht

Non-Konformisten = Schon-Kommunisten? Der Glaube an großes Wir-Machen mobileehafte Gewalten Mosaikexplosionen Massenmacht in der Nacht Menschenmixertum 48 Könnte alles sein was noch ist Zen im Glas vor dem Spucken so sehr für alle immer nach oben Sage niemand jemand sei ohne das

Linie Abstand gering Momente flackernder Sicht auf das Liniensein darum hole ich aus Sich zutiefst 49 Sich zutiefst in aller Tiefe akzeptieren nichts auslassen Dann sehen können auf dieses Nunmehr ginge das?

Man hat Man hat s zu was gebracht Die Fracht wird größer nun schwerer wird das Tun 50 Es braucht Winden, Kräne, Seile, Träger, Stelzen um die Fracht durchs Leben gut zu wälzen Aus Zeit mach Geld damit die Fracht Schwerer wird noch morgen sicher hält

Man hat s zu was gebracht hat angehäuft all die Macht doch am Ende wird es Nacht Nacht wird s noch heute wer sieht im Dunklen? all die fortgezerrte Beute? 51

Staumann Mit und gegen die Strömung vergebens dann Hinaustreten ans Ufer 52 Zusehen stillen ab- und fortgeben in die Strömung Beginnen einen Graben zu ziehen umzuleiten Den See stauen der man ist

Hatzsinn Es spricht die erste Stimme leise: Worum es geht in dieser Hatz? Der Gier ein Kantholz hinwerfen auf dass sie stolpern möge kleinsinnig und produkthechelnd wie es ihr Wesen ist Der Wachsamkeit ein Mahnmal bauen der Zeit einen Trog aufstellen damit sich dies Schwein darin suhlen kann 53 Der Hatz feierlich begegnen auf dass sie gepriesen sei Als ein Nichts ruft die zweite Stimme der ersten zu

Abschied der Tage Von uns fortgejagt zerbrechen die Tage zu Scherben im Surren des Strebens 54 Getroffen ziehen sie fort fließen vorüber ihr Rauschen erinnert an das Vergessen Wir steigen herunter weinen den Ziehenden nach Zeigt euch doch, ein letztes Mal Kein Tag erscheint nur der Moment, sein leisester Hauch stumm verharrt er da zu meinen Füßen schmiegt sanft den Kopf an mich

Spricht von der kurzen Rast seiner verjagten Mütter: Es ist ihr letzter Halt vor dem Ende. Sollten wir nicht eilen? und bitten: Wir verstoßen euch nie mehr Doch sie ziehen fort Und wir hören sie singen 55 Vom Morgen das immer gestern und nie heute ist

Kurzes Kleid Jugend Augenblick weltdrückend tollend groß und mächtig blau 56 Kindsein verweht den Morgenwind spüren forderndlockend eiligwechselnd auf der Suche Ist nur ein kurzes Kleid der Freude, abgestreift schon gestern Unbemerkt hat sich faltiger Ernst entblößt

Momentum Augenblick in der Masse der Zeichen und Zeiten Lichterfleck Du wächst und wirst immer uns bescheinen Kreisenslust 57 In den Kreisen schlagende Nächte verzogener Tag Wiederkehrend schwachneu gen Himmel dann rückbesinne mich Systemandrang aber tägliche Öffnung Kreisenslust

58

Der erste Gedichtband von Torsten Schäfer fasst innere und äußere Landschaftsverse zusammen, die zwischen 1995 und 2012 enstanden sind. Schmallert ist ein Hügel bei Nieder-Ramstadt am nördlichen Rand des Odenwalds, wo Schäfer aufgewachsen ist. ISBN 978-300036932-2