Panikstörungen. Angst und. Eine Information für Patienten und deren Angehörige. Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 1



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Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 1 Angst und Panikstörungen Eine Information für Patienten und deren Angehörige Lundbeck Arzneimittel Ges.m.b.H., A-1201 Wien, Brigittagasse 22 24, Tel: 01 / 331 07-0, Fax: 01 / 331 07-9 http://www.lundbeck.at www.lundbeck.at www.lundbeck.at

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 3 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis, Einleitung 03 Kurzinformation 04 Angst 05 Angsterkrankungen 07 Behandlung von Angsterkrankungen 13 Verlauf von Angsterkrankungen 14 Angst-Test 17 Hilfe bei Krisen 22 Literatur 23 2 Liebe Leserin, lieber Leser! Angst ist ein elementarer Bestandteil unseres Lebens. Jeder Mensch hat gelegentlich Angst. Bei manchen Menschen kommt es jedoch zu übersteigerter, krankhafter Angst. In dieser Broschüre finden Sie Wissenswertes über Angst und Angsterkrankungen, sowie Informationen über deren Behandlung. Sie erfahren, welche Unterschiede zwischen normaler und krankhafter Angst bestehen. Angsterkrankungen sind heilbar und sollten deshalb unbedingt behandelt werden! 3

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 5 4 Kurzinformation Angst ist wie Trauer, Freude und Wut ein ganz natürliches Gefühl. Krankhaft ist Angst dann, wenn sie sehr stark ausgeprägt ist, lange anhält und in Situationen auftritt, die bei anderen Menschen keine oder keine so starken Angstreaktionen auslösen. Angst hat drei Komponenten, eine körperliche (Herzrasen, Schwitzen, Übelkeit), eine gedankliche ( Ich muß hier weg! ) und eine Verhaltenskomponente (Vermeiden, Flucht). Zu den Angsterkrankungen werden Panikstörungen, generalisierte Angst und phobische Erkrankungen, wie Agoraphobie, soziale Phobie oder spezifische Phobie, gezählt. Angsterkrankungen treten häufig bei depressiven Verstimmungen auf. Eine (unbehandelte) Angsterkrankung ist der wichtigste Risikofaktor für eine spätere Depression. Angsterkrankungen können in der Regel gut behandelt werden, besonders wenn sie rechtzeitig erkannt werden. Wenn Sie unter Ängsten oder depressiver Verstimmungen leiden, sollten Sie daher so früh wie möglich mit einem Arzt oder Psychotherapeuten darüber reden. Zur Behandlung stehen angstlösende Medikamente und verschiedene Formen der Psychotherapie zur Verfügung. Was ist Angst? Angst Angst ist wie Trauer, Freude und Wut ein ganz normales Gefühl. Sie kennen das sicher: eine gefährliche Situation im Straßenverkehr, das Warten vor einer Prüfung - das Herz beginnt wie wild zu klopfen und man spürt eine Enge in der Brust. Angst kann man körperlich fühlen! Angst kann nicht nur durch gefährliche oder unangenehme Situationen oder aufgrund von Sorgen auftreten, sie kann auch durch Erkrankungen, wie etwa einer Überfunktion der Schilddrüse oder einer Herzerkrankung, ausgelöst werden. Die meisten Ängste sind erlernt : Ein unangenehmes Erlebnis führt dazu, daß man bei ähnlichen Situationen mit massiver Angst reagiert oder diesen gleich ausweicht. Warum haben wir Angst? In einem frühen Stadium der Menschheitsgeschichte war Angst überlebenswichtig. Sie bereitete unsere Vorfahren durch Beschleunigung der Körperfunktionen auf schnelles Handeln vor - auf Flucht oder Kampf. Angst ist also natürlich und manchmal lebensnotwendig. Übermäßig starke Angst lähmt uns jedoch und wir können nicht mehr klar denken. Deshalb können panische Kurzschlußhandlungen sehr gefährlich sein. Angst- und Streßreaktionen Der Körper reagiert auf Angst mit einer Streßreaktion: das Herz schlägt schneller, die Muskeln spannen sich an. Je stärker die Belastung, desto ausgeprägter die körperliche 5

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 7 Reaktion und umgekehrt. Deshalb kommt man mit der Angstsituation um so besser zurecht, je ausgeglichener und entspannter man ist. Wie äußert sich Angst? Angst besteht aus drei Komponenten: 1. der Körper reagiert mit Herzrasen, Schwitzen, Kloßgefühl im Hals, Magen-Darm-Beschwerden oder Schluckstörungen 2. gedanklich wird die Fluchtreaktion vorbereitet ( Ich muß hier weg! ) 3. ein bestimmtes Verhalten wird gesetzt - Vermeiden oder Flucht Wie empfinden Sie Angst? Notieren Sie Ihre persönlichen Eindrücke: wie Ihr Körper bei Angst reagiert wie sich Ihr Verhalten ändert und in welcher Situation die Angstreaktionen auftreten Angsterkrankungen Was sind Angsterkrankungen? Frau S. ist wie gewohnt einkaufen, als sie unvermutet ein Engegefühl in der Brust spürt und nicht mehr durchatmen kann. Das Herz beginnt zu rasen und sie hat einen Schweißausbruch. Frau S. kann nicht mehr klar denken und läuft aus dem Geschäft. Nur sehr langsam kann sie sich wieder beruhigen. Schon bald danach hat Frau S. erneut einen solchen Anfall, diesmal noch schlimmer. Frau S. traut sich bald nicht mehr, alleine die Wohnung zu verlassen. Ihr Ehemann wirft ihr vor, hysterisch zu sein. Krankhaft ist Angst, wenn sie sehr stark ausgeprägt ist, lange anhält, und häufig in Situationen auftritt, die bei anderen Menschen keine oder keine so starken Angstreaktionen auslösen. Nach einem Angsterlebnis versuchen Betroffene oft, der angsteinflößenden Situation auszuweichen. Diese sogenannte "Vermeidung" mag zwar momentan eine Lösung sein, kann jedoch letztendlich dazu führen, daß schon der Gedanke an die Situation massive Angstreaktionen hervorruft. Welche Angsterkrankungen gibt es? 6 Angsterkrankungen werden nach ihren Krankheitszeichen (Symptomen) und nach der Art ihres Auslösers in verschiedene Untergruppen eingeteilt: Panikstörungen Plötzliche, unerwartete Angstanfälle ohne wirklichen Anlaß 7

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 9 8 Körperliche Beschwerden wie Herzklopfen, Herzrasen, Brustschmerz, Gefühl zu ersticken, Schwindel und Schwitzen Wiederkehrender Gedanke zu sterben, die Kontrolle zu verlieren oder einen Herzanfall zu bekommen Generalisierte Angst Andauernde Sorgen und Befürchtungen, Gefühl drohenden Unheils Innere Unruhe, Schlafstörungen, Verkrampfungen und Unfähigkeit, sich zu entspannen Körperliche Beschwerden wie Schwitzen, Herzrasen, Magenbeschwerden, Übelkeit und Schwindel ohne zugrunde liegende körperliche Erkrankung (z.b. Schildrüsenerkrankung) Phobische Erkrankungen Zittern, Herzklopfen und Schwitzen beim Eintreten der bedrohlichen Situation bzw. beim Anblick des befürchteten Objekts Erwartungsangst Vermeidung dieser oder ähnlicher Situationen Starke Beeinträchtigung, so daß ein normales Leben nicht mehr möglich ist Beginn meist im Jugendalter Bei Phobien ist eine frühe Behandlung besonders wichtig! Je länger die Phobie andauert, desto schwerer ist sie zu beeinflussen Agoraphobie Angst vor Situationen, in denen keine Flucht möglich oder keine Hilfe verfügbar ist Ungefähr 5% der Menschen leiden im Laufe ihres Lebens daran Bei Frauen doppelt so häufig wie bei Männern Soziale Phobie Extrem ausgeprägte Schüchternheit Situationen, wo man Kontakt zu anderen Menschen hat, werden als extrem beängstigend erlebt Spezifische Phobie Bestimmte Situationen, Gegenstände oder Objekte lösen starke Ängste und Vermeidungsverhalten aus Tierphobien (Ratten, Spinnen, usw.) Umweltphobien (Gewitter, Unwetter) Infektionsphobien Situationsphobien (Höhen/Abgründe, enge Räume, Schwimmbad) Posttraumatische Belastungsreaktion Nach einem schrecklichen Erlebnis (Trauma), z.b. Gewalttat oder Naturkatastrophe Kann Monate bis Jahre andauern 9

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 11 Anpassungsstörung Mildere Form der Angsterkrankung Oft vorübergehend Z.B. nach Wechsel des Wohnortes oder nach einer schlimmen Nachricht Wie entstehen Angsterkrankungen? Angst-Kreislauf Angst wird zum Problem, wenn ein Kreislauf in Gang gesetzt wird, aus dem man von alleine nicht mehr herauskommt. In der folgenden Abbildung ist ein solcher Angst- Kreislauf dargestellt (nach H.-U. Wittchen). Auslöser (z.b. Gedanken, körperliche Veränderungen) Es gibt verschiedene Ursachen für eine Angsterkrankung, die auch zusammenspielen können: schlechte Erfahrungen, eine unglückliche Kindheit oder eine geerbte Neigung, in einer bestimmten Art zu reagieren. Angsterkrankungen kommen deshalb in manchen Familien gehäuft vor! Körperliche Symptome Wahrnehmung Die biologische Seite der Angsterkrankung ist eine Störung im Reizleitungssystem im Gehirn. Das Gleichgewicht der chemischen Botenstoffe, die Informationen zwischen Nervenzellen übertragen, insbesondere des Botenstoffes Serotonin, ist bei Angst- und Panikerkrankungen, ähnlich wie bei depressiven Erkrankungen, gestört. Mit Medikamenten kann die ursprüngliche Balance wieder hergestellt werden (siehe Abbildung). Krankes System zu wenig Botenstoffe sendende Zelle Gesundes System genügend Botenstoffe sendende Zelle Körperliche Veränderungen Gedanken ( Gefahr ) Flucht, Bewältigung, Vermeidung Manche Menschen versuchen, mit Alkohol oder Beruhigungstabletten aus dem Angst-Kreislauf auszubrechen. Mit diesen Mitteln kann jedoch nur eine kurzzeitige Erleichterung erreicht werden. Die Angsterkrankung bessert sich dadurch nicht und zusätzlich drohen Abhängigkeit und Sucht. 10 Rezeptor empfangende Zelle Rezeptor empfangende Zelle Wichtig: Krankhafte Angst vergeht nicht von selbst. Ohne ärztliche Behandlung führt die Angst zu einer immer größeren Beeinträchtigung! 11

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 13 Angst und Depression Bei vielen Menschen mit einer langwierigen Angsterkrankung (wissenschaftliche Untersuchungen sprechen von über 40%) kommt es zu einer zusätzlichen depressiven Erkrankung. Symptome (Krankheitszeichen), die bei Angsterkrankungen und Depressionen auftreten können, sind Schlafstörungen veränderter Appetit unspezifische Herz-Kreislauf- oder Magen-Darm- Beschwerden Konzentrationsschwierigkeiten Reizbarkeit Müdigkeit, Energielosigkeit Angsterkrankungen und Depressionen können heute sehr gut mit Medikamenten und Psychotherapie behandelt werden. Deshalb sollten Sie bei Anzeichen einer Angsterkrankung oder Depression unbedingt mit Ihrem Arzt sprechen und sich helfen lassen! Medikamentöse Behandlung Bei Angsterkrankungen ist, ähnlich wie bei der Depression, das Gleichgewicht spezieller Botenstoffe im Gehirn gestört. Mit Antidepressiva können deshalb auch Angst- und Panikerkrankungen erfolgreich behandelt werden. Während ältere Antidepressiva oft deutliche Nebenwirkungen hervorrufen, sind moderne Präparate* sehr gut verträglich. Nebenwirkungen sind leicht und sehr selten und vergehen in der Regel nach der ersten Behandlungswoche wieder. Damit das System der Botenstoffe wieder ganz ins Lot kommt, muß die Behandlung über mehrere Monate fortgesetzt werden. Setzen Sie Ihr Medikament nicht selbständig ab, auch wenn sie schon einige Zeit keine Angstsymptome mehr gehabt haben! Nur der Arzt kann beurteilen, wann die Heilung abgeschlossen ist. Antidepressiva machen nicht abhängig oder süchtig - deshalb können sie ohne Bedenken über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Für die kurzfristige Behandlung der Angstsymptome werden häufig Tranquilizer (Benzodiazepine) eingesetzt. Da diese Medikamente süchtig machen können, sollten sie nur für einen kurzen Zeitraum eingenommen werden. Achtung: Behandlung von Angsterkrankungen Benzodiazepine erhöhen die Wirkung von Alkohol und Schlafmitteln! *) Die größte Gruppe der modernen Antidepressiva sind die sogenannten Selektiven Serotonin Reuptake Inhibitoren (SSRI), die ganz gezielt das gestörte Gleichgewicht des Botenstoffes Serotonin regeln. 12 13

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 15 14 Ohne Therapie: Unbehandelt können Angsterkrankungen Monate oder Jahre dauern. Anfälle werden immer häufiger. gesund Verlauf von Angsterkrankungen krank 1 2 Wochen 6 8 Wochen 6 12 Monate Konsequente Therapie: ist die Voraussetzung für die Gesundung. Es ist wichtig, daß Sie die Behandlung über den vom Arzt empfohlenen Zeitraum durchführen und nicht bereits dann damit aufhören, wenn Sie sich gesund fühlen. gesund krank Vorzeitiger Therapie-Abbruch: Die Angsterkrankung ist noch nicht ganz geheilt und es kann wieder zu Angstattacken kommen. Nur der Arzt kann beurteilen, wann Sie geheilt sind. gesund krank Sie fühlen sich gesund und setzen die Behandlung fort. Sie spüren eine Besserung. Behandlungsbeginn 1 2 Wochen 6 8 Wochen 6 12 Monate Sie spüren eine Besserung. Sie brechen die Therapie ab. Behandlungsbeginn 1 2 Wochen 6 8 Wochen 6 12 Monate Psychotherapeutische Verfahren Zur Behandlung von Angsterkrankungen werden verschiedene Psychotherapie-Formen eingesetzt, z.b. Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Verfahren oder systhemische Therapien. Psychotherapie wird von Ärzten, Psychologen oder anderen ausgebildeten Psychotherapeuten ausgeführt. Beispiele für verhaltenstherapeutische Verfahren: Mit der sogenannten Exposition wird der/die Betroffene in geschütztem Umfeld wiederholt der Angstsituation ausgesetzt, bis diese ihren Schrecken verliert. Progressive Muskelentspannung und Autogenes Training sollen die körperlichen Begleiterscheinungen der Angst mindern helfen. Entspannungstechniken helfen ergänzend bei der Bewältigung von Angsterkrankungen. Bei der Systematischen Desensibilisierung versetzt sich der/die Betroffene zuerst in Gedanken, dann auch tatsächlich in die angsterregende Situation und lernt, durch Entspannung den Angstgefühlen entgegenzuwirken. Bei der kognitiven Therapie wird versucht, bisherige Denkmuster zu ändern, um die Angstsituation zu bewältigen. Wichtig: Psychotherapie bewirkt keine Wunderheilung. Der Erfolg stellt sich nur ein, wenn die Übungen täglich gemacht werden. 15

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 17 16 Exkurs: Angst bei körperlichen Erkrankungen und Eingriffen Lang andauernde körperliche Erkrankungen wie Herzleiden, Diabetes, Nierenerkrankungen, Unfallfolgen oder Krebs sind oft mit Angst und Streß verbunden. Ängste verschlimmern jedoch die Krankheit und verzögern die Genesung. Oft hilft es schon, wenn man mit einem vertrauten Menschen über seine Angst spricht. Scheuen Sie sich nicht, auch Ihrem behandelnden Arzt davon zu erzählen. Nur so kann sich der Arzt optimal um Ihr Wohlbefinden kümmern! Was Sie selbst gegen die Angst tun können Versuchen Sie nicht, der Angstsituation aus dem Weg zu gehen. Durch Vermeidung wird die Angst beim nächsten Mal um so größer und der Angst-Kreislauf verstärkt sich. Die oft sehr starken Begleiterscheinungen der Angst (Herzrasen, Übelkeit, Schwindel,...) vergehen von selbst wieder, ohne daß Ihr Körper Schaden nimmt. Wichtig ist, daß Sie sich selbst bewußt machen, daß Ihnen nichts passieren kann. So können Sie vermeiden, daß es zu immer mehr Angst vor der Angst kommt. Versuchen Sie, sich nicht in furchterregende Phantasievorstellungen hineinzusteigern, die die Angstreaktionen verstärken! Versuchen Sie, für sich selber zu beschreiben, was um Sie herum wirklich geschieht. Nehmen Sie sich Zeit dafür! Seien Sie stolz auf jeden Erfolg! Angst-Test Die hier aufgelisteten Fragen sollen Ihnen helfen, sich selbst einzuschätzen. Wichtig: Nur Ihr Arzt kann feststellen, ob Sie tatsächlich an einer Angsterkrankung leiden und Ihnen helfen, daß Sie sich wieder besser fühlen! Fragen zur Panikstörung 1. Hatten Sie schon einmal einen Angstanfall, das heißt, wurden Sie ganz plötzlich und unerwartet von starker Angst oder Beklemmung überfallen, und zwar in Situationen, in denen die meisten Menschen nicht ängstlich sind? Ja Nein 2. Solche Angstanfälle treten manchmal auf, wenn man wirklich in ernster Gefahr ist oder wenn man im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Treten Ihre Angstanfälle auch unabhängig von solchen Situationen auf? Ja Nein 3. Versuchen Sie, sich an einen Ihrer schwersten Angstanfälle zurückzuerinnern. Hatten Sie während dieses Angstanfalls Atemnot oder Schwierigkeiten, Luft zu bekommen? Ja Nein Herzklopfen? Ja Nein Schwindel, Benommenheitsgefühle? Ja Nein 17

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 19 ein Engegefühl oder Schmerzen in Brust oder Magen? Ja Nein Kribbeln oder Taubheitsgefühle? Ja Nein Erstickungsgefühle? Ja Nein das Gefühl, einer Ohnmacht nahe zu sein? Ja Nein geschwitzt? Ja Nein gezittert? Ja Nein die Dinge um Sie herum als unwirklich empfunden? Ja Nein die Befürchtung, daß Sie sterben könnten? Ja Nein die Befürchtung verrückt zu werden? Ja Nein Brechreiz? Ja Nein Beklemmungsgefühle? Ja Nein einen trockenen Mund? Ja Nein 4. Traten diese Beschwerden sehr plötzlich auf und verschlimmerten sie sich dann innerhalb von Minuten? Ja Nein 5. Hatten Sie jemals vier Angstanfälle innerhalb von vier aufeinanderfolgenden Wochen? Ja Nein 6. Hatten Sie nach einem solchen Angstanfall wochenlang ständig Angst davor, wieder einen solchen Angstanfall zu bekommen? Ja Nein Haben Sie die Fragen 1, 2, mindestens eine Beschwerde von Frage 3, sowie die Fragen 4 oder 5 und 6 mit Ja beantwortet? Wenn dies zutrifft, haben Sie möglicherweise eine Panikstörung. Fragen zur generalisierten Angststörung 1. Haben Sie sich jemals sechs Monate oder länger fast unablässig ängstlich, angespannt und besorgt gefühlt? Ja Nein 2. Machten Sie sich ständig Sorgen über Dinge, die mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht eintreten? Ja Nein 3. Machten Sie sich ständig Sorgen über Dinge, die eigentlich gar nicht so schwerwiegend sind? Ja Nein 4. Machten Sie sich über verschiedene Dinge (Kinder, Familie, Gesundheit) Sorgen? Ja Nein 5. In diesen Zeiten, wenn Sie sich ängstlich und besorgt fühlten, waren Sie da leicht ermüdbar? Ja Nein waren Sie sehr aufgeregt, nervös und schreckhaft? Ja Nein 18 19

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 21 zitterten Sie oder bebte Ihr Körper? Ja Nein fühlten Sie sich rast- und ruhelos? Ja Nein hatten sie Muskelverspannungen oder -schmerzen? Ja Nein hatten Sie große Konzentrationsprobleme? Ja Nein waren Sie besonders leicht reizbar? Ja Nein schwitzten Sie sehr stark? Ja Nein litten Sie unter Herzklopfen oder Herzrasen? Ja Nein hatten Sie kalte, feuchte Hände? Ja Nein hatten Sie Schluckbeschwerden? Ja Nein hatten Sie Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten? Ja Nein hatten Sie Magenbeschwerden? Ja Nein fühlten Sie sich einer Ohnmacht nahe? Ja Nein hatten Sie das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren? Ja Nein Haben Sie die Fragen 1 und 4 sowie fünf oder mehr Beschwerden von Frage 5 mit Ja beantwortet? Wenn ja, haben Sie möglicherweise eine generalisierte Angststörung. fühlten Sie sich schwindlig oder benommen? Ja Nein hatten Sie einen trockenen Mund? Ja Nein litten Sie unter Übelkeit oder Durchfall? Ja Nein mußten Sie sehr oft Wasser lassen? Ja Nein hatten Sie Hitzewallungen oder Kälteschauer? Ja Nein hatten Sie Atemnot oder das Gefühl zu ersticken? Ja Nein 20 21

Angst 114x210 3. 26.11.2000 10:49 Uhr Seite 23 Hilfe bei Krisen Literatur Im folgenden sind einige Kontaktadressen angeführt, wo Sie Auskunft bekommen können, welche Stellen des Psychosozialen Dienstes oder welches Kriseninterventisonszentrum sich in Ihrer Nähe befindet. Eine ausführliche Liste der Anlaufstellen in ganz Österreich finden Sie auch im Internet auf der Lundbeck-Homepage www.lundbeck.at Dachverband der Vereine und Gesellschaften für psychische und soziale Gesundheit, Figulystraße 32, A-4020 Linz, Tel: 0732 / 65 61 03 HPE Hilfe für Angehörige Psychisch Erkrankter, Bernardgasse 36 / 4 / 14, A-1070 Wien, Tel: 01 / 526 42 02 Kuratorium für psychosoziale Dienste, Gonzagagasse 15, A-1013 Wien, Tel: 01 / 533 37 71 H.-U. Wittchen: Wenn Angst krank macht. Mosaik Verlag (1997) Gerhard Brandl: Wohin mit Angst und Depression? Eine aktive Lebenshilfe. Ennsthaler Gesellschaft mbh Christine Brasch: Die Angst aus heiterem Himmel. Panikattacken und wie man sie überwindet. Mosaik Verlag GmbH Andrea Cavelius: Angst und Panikattacken überwinden. Midena Verlag Heinz Janisch: Leben mit der Angst. Vom Umgang mit den Ängsten und Depression. Ueberreuther Kriseninterventionszentrum, Spitalgasse 11, A-1090 Wien, Tel: 01 / 406 95 95-0 Psychosozialer Dienst (Notruf), Fuchsthallergasse 18, A-1090 Wien, Tel: 01 / 310 87 79 22 23