Manuskript Beitrag: BND, CIA und NSA spionieren gemeinsam Deutsch-amerikanische Freunde Sendung vom 31. März 2015 von Arndt Ginzel und Ulrich Stoll Anmoderation: Seit einem Jahr tagt der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Immer noch und immer wieder offenbart er, wie die Amerikaner bei uns spionierten - und noch spionieren. Und wie die Deutschen dabei gern zu Diensten waren - und noch sind. Aber die Öffentlichkeit interessiert das kaum. Und die Kanzlerin tut inzwischen nicht einmal mehr empört. Dabei verstößt eine derart passive Bundesregierung permanent gegen den Verfassungsauftrag, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Und der Schaden bleibt, zeigen Arndt Ginzel und Ulrich Stoll. Denn die Geheimdienste, die angeblich nur unser aller Sicherheit dienen, schränken unser aller Freiheit ein - gern auch mal gegen deutsche Interessen. Text: Mai 2004. In Hilden bei Düsseldorf betreten mehrere Männer eine unauffällige Industriehalle. Es sind die Betriebsräume der Telekommunikationsfirma MCI. Die Männer geben sich als Techniker des US-Mutterkonzerns aus - in Wahrheit sind sie Agenten des Bundesnachrichtendienstes. Die Agenten installieren das Abhörgerät SELMA. Damit werden aus den Glasfaserkabeln Telefondaten abgezapft und gehen von jetzt an unbemerkt an den BND und den US-Geheimdienst CIA. Die Firmenleitung der deutschen GmbH MCI ahnt nichts, glaubt, das neu eingebaute Teil wäre ein Warngerät gegen Internetkriminelle. In Wirklichkeit ist es ein Lauschposten der Geheimdienste. Elf Jahre später. Berlin, nichtöffentliche Sitzung des NSA- Untersuchungsausschusses. Der verantwortliche BND-Beamte Wilfried K. enthüllt, was damals geschah: BND und CIA führten
die Operation in Hilden gemeinsam durch. Deckname: GLOTAIC. Wir haben ein System aufgebaut, das nach außen legendiert war, das so aussah wie die anderen, die da auch standen. Wie soll ich sagen? Wir haben den Baum im Wald versteckt. Unter den rund 200 Servern bei MCI fiel das Abhörgerät nie auf das bestätigt ein ehemaliger MCI-Manager Frontal 21. Damals war Hilden neben London der wichtigste Knotenpunkt für den internationalen Telefonverkehr von MCI ideal für CIA und BND. Sie konnten hier nicht nur Kommunikationsinhalte abgreifen, sondern auch sensible Verbindungsdaten - von einem speziellen MCI-Kontrollkanal. Der Bundesnachrichtendienst hält die Abhöraktion für legal. So genannte Ausland-zu-Ausland-Telefonate seien durch das Grundgesetz nicht geschützt. Das ist eine Rechtsauffassung, die kein mir bekannter Verfassungsrechtler teilt. Das ist eine Rechtsauffassung, mit der der BND und das Bundeskanzleramt, das ja dahintersteht, ziemlich alleine auf weiter Flur stehen. Ohne Wissen von MCI Deutschland leitete der BND Telefondaten aus den Glasfaserkabeln der Firma aus zu einer Tarnfirma in Süddeutschland. Von dort gingen die Daten nach Rheinhausen zum Ionosphäreninstitut so die damalige Tarnung für die BND- IT-Gruppe. In Rheinhausen sortierte der BND angeblich Daten deutscher Bürger aus. Die abgezapften Telefondaten von Ausländern wurden zur BND-Zentrale nach Pullach geschickt und dort gespeichert und genutzt. Dieselben Daten gingen zur CIA in die USA. Die Lauschaktion von Hilden war im CIA-Hauptquartier in Langley geplant worden. BND-Mann Wilfried K. traf sich mit seinen CIA- Kollegen und Vertretern des US-Konzerns MCI. Gemeinsam berieten sie, wie man die deutsche MCI-Filiale in Hilden über die Ausspähaktion täuschen kann. Die BND-Seite schlug vor, gegenüber MCI in Hilden so tun, als gäbe es eine Abhörerlaubnis des Kanzleramtes, eine so genannte G-10-Anordnung. Heute, viele Jahre später, verrät BND-Mann K. vor dem Untersuchungsausschuss Details über die Operation GLOTAIC.
Der Vertreter der Firma MCI entschied sich ausdrücklich gegen die von uns vorgeschlagene G-10-Legende, da er zu viele Personen innerhalb des Konzerns einweihen müsste. Wenn man ernsthaft plant, eine G-10-Anordnung zu legendieren - also auf Deutsch - zu fälschen, dann heißt das, dass man dort ernsthaft darüber gesprochen hat, hier eine Anordnung aus dem Kanzleramt in die Welt zu geben, von der das Kanzleramt gar nichts wusste, also eine wirklich ganz, ganz platte Fälschung dort zu machen. Und das ist eine schwere Straftat. Rheinhausen in Baden. Hier sitzt die BND-Außenstelle mit dem damaligen Decknamen Ionosphäreninstitut. Noch immer Sperrgebiet. Hier hat der BND die bei MCI gewonnen Daten verarbeitet angeblich nur Telefondaten von Ausländern. Doch das kann nicht stimmen. Denn in einem BND-Vermerk heißt es: Wegen Schlampereien bei der Bezeichnung der Telekommunikations-Leitungen auf Seiten des TK-Betreibers kam es zu den bei uns beobachteten Fehlschaltungen (Innerdeutsch statt Transit). Wir sprechen mit einem ehemaligen MCI-Manager. Der bestreitet Schlampereien. Die Leitungen seien eindeutig gekennzeichnet gewesen, der Geheimdienst habe offenbar bewusst auf den innerdeutschen Telefonverkehr zugegriffen. Ob Ausländer oder Deutsche - rechtlich ist der Datenzugriff in Deutschland ohnehin fragwürdig. Selbstverständlich hat ein Ausländer Grundrechte und ganz selbstverständlich ist eine inländische Behörde, und das ist ein Nachrichtendienst, wenn er im Inland agiert, an die Grundrechte gebunden und darf dort auch nicht zwischen Inländern und Ausländern unterscheiden. Und ob da wirklich Leitungen verwechselt worden sind oder ob das nicht einfach das ist, was heutzutage immer passiert, dass da aus Versehen einiges durchrutscht, was auch aus dem Innerdeutschen stammt, da wäre ich mir nicht so sicher. Wir fragen die Bundesregierung, auf welcher Rechtsgrundlage sie zulässt, dass der BND in Deutschland Daten für US- Geheimdienste sammelt. Sie antwortet nur schriftlich: Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass der BND
bei seiner Aufgabenerfüllung im Einklang mit den bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften handelt. Kein Unrechtsbewusstsein wie in einem anderen Fall: Frankfurt, Ortsteil Nied. In diesem Gebäude erlaubt die Deutsche Telekom Geheimdiensten Zugriff auf ihre Datennetze. Über Jahre spähten hier BND und US-Geheimdienst NSA Internetverbindungen aus. Deckname: EIKONAL. Der Horchposten heißt offiziell Regionalstelle für staatliche Sonderauflagen. Doch selbst das ist geheim. Der Bundesnachrichtendienst hat hier einen eigenen Raum, acht Meter unter der Erde, kann weiterhin hier unbemerkt die Telekom- Leitungen anzapfen. Ein Insider erklärt uns, wie es im Inneren der geheimen Dienststelle aussieht. O-Ton Mitarbeiter Telekom: Da unten hat keiner Zugang. Da stehen große Rechner, wie in einem normalen Rechenzentrum. Da kommen Kupfer- oder Glasfaserkabel an. Die Yankees haben sich direkt aufgeschaltet beziehungsweise unsere deutschen Dienste haben die technische Infrastruktur bereitgestellt, dass man an alles ran kann. Die Daten landeten hier: Im gemeinsamen Abhörzentrum von BND und NSA. Im bayerischen Bad Aibling wurden die Daten angeblich so gefiltert, dass die Amerikaner auch bei der Operation EIKONAL keine Daten deutscher Bürger bekamen. Der Untersuchungsausschuss hat bis heute Zweifel. O-Ton Martina Renner, DIE LINKE, MdB, NSA- Untersuchungsausschuss: Da kann eine weitaus größere Datenausleitung stattgefunden haben, als der BND sich vielleicht eingestehen möchte, weil man ja gemeinsam dort an den Geräten gearbeitet hat, beide dieselben Zugriffsrechte hatten. Und dann ist es durchaus vorstellbar, dass dort Daten eben auch aus dem Bereich der Rohdaten ausgeleitet wurden also, bevor diese angebliche Filterung stattgefunden hat. Offiziell beendete der BND die Zusammenarbeit bei den Operationen GLOTAIC und EIKONAL mit der Begründung, die Datenausleitung habe wenig gebracht. Die wahren Gründe enthüllte BND-Zeuge Wilfried K. in nichtöffentlicher Ausschuss-Sitzung. Gekillt hat man es ja aus einem ganz anderen Grund. Das
war ja diese Unmöglichkeit, die Filterung technisch 100- prozentig sicherzustellen. Tatsächlich entdeckten die BND-Mitarbeiter in Bad Aibling, dass der US-Geheimdienst sie hinterging. Die NSA wollte Daten deutscher Firmen wie des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS abschöpfen. Die hatte der BND - entgegen dem Gesetz - nicht vorher herausgefiltert. Der BND-Leitungsstab stellte empört fest, Zitat: dass die US-Seite versucht, die Nachrichtengewinnung auf Bereiche auszudehnen, die nicht im deutschen Interesse sind. Statt gemeinsamer Terrorabwehr also Industriespionage. Doch all das trübte die deutsch-amerikanische Freundschaft nicht. 2013 besuchte eine BND-Delegation den US-Geheimdienst NSA. Mit dabei: Wilfried K. Die NSA stellte zufrieden fest: Der BND ist begierig darauf, seine Fähigkeiten zu präsentieren und strebt eine Ausdehnung der Zusammenarbeit an. O-Ton Konstantin von Notz, B 90/GRÜNE, NSA- Untersuchungsausschuss: Das zeigt, dass der BND eben nicht bereit ist, aus seinen eigenen Fehlern zu lernen, dass er im Hinblick auf die Grundrechtssensibilität, die bei diesem Zugriff auf die Glasfaser einfach besteht, nichts dazugelernt hat, dass ihm diese Grundrechte offenbar nicht wichtig sind. Ziemlich beste Freunde bis heute. Der BND arbeitet mit US- Geheimdiensten weiter eng zusammen, auch gegen deutsches Recht und deutsche Interessen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.