hundert jahre 1906-2006 »Wer glaubt, der flieht nicht«dietrich Bonhoeffer 1906-1945 Der Filmtext: 01.»Radiovortrag über den Führerbegriff«



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Transkript:

hundert jahre»wer glaubt, der flieht nicht«dietrich Bonhoeffer 1906-1945 Der Filmtext: 2005 Mit freundlicher Genehmigung: Chr. Kaiser/ Gütersloher Verlagshaus GmbH (Bonhoefferzitate) und Hellmut Sitó Schlingensiepen (Erzähler) 01.»Radiovortrag über den Führerbegriff«1. Bonhoeffer: Der Mensch und insbesondere der Jugendliche wird solange das Bedürfnis haben, einem Führer Autorität über sich zu geben, als er sich selbst nicht reif, stark, verantwortlich genug fühlt, den in diese Autorität verlegten Anspruch selbst zu verwirklichen. Der Führer wird sich dieser klaren Begrenzung seiner Autorität verantwortlich bewusst sein müssen. Versteht er seine Funktion anders, als sie so in der Sache begründet ist, dann gleitet das Bild des Führers über in das des Verführers. [(DBW 12, S.257) Die Bonhoeffer-Zitate sind durchnummeriert, um die Arbeit damit zu erleichtern. Dieses für das Zuhören schwer verständliche Zitat ist im Film leicht vereinfacht, hier aber im Original belassen. Alle anderen Zitate sind gekürzt, aber unverändert, wiedergegeben.] Diesen Vortrag über den Führer, der zum Verführer werden kann, hält Dietrich Bonhoeffer am ersten Februar 1933 im Radio. Nur zwei Tage vorher ist Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden. Die Rundfunkübertragung der Rede Bonhoeffers wird abgebrochen. 02.»Kindheit und Ausbildung«Dietrich Bonhoeffer wird am vierten Februar 1906, als sechstes von acht Kindern, in Breslau geboren. Sein Vater, einer der führenden Psychiater und Neurologen seiner Zeit, wechselt als Professor an die Berliner Charité, als Bonhoeffer fünf Jahre alt ist. Die Mutter, gelernte Lehrerin, unterrichtet die Kinder in den ersten Schuljahren selber. 1/8

Bonhoeffer ist 17, als er das Abitur macht. Er studiert Theologie in Tübingen und Berlin und wird mit 21 Jahren Doktor der Theologie. Für die praktische Pfarrerausbildung geht er ein Jahr nach Barcelona. Mit 24 erwirbt er die akademische Lehrbefugnis. Da er mindestens 25 Jahre alt sein muss, um ins Pfarramt eingeführt werden zu können, geht er für ein weiteres Studienjahr nach New York. Hier wird Bonhoeffer, der im Schutz der großbürgerlichen Familie aufgewachsen ist, mit der Chancenlosigkeit der farbigen Bevölkerung in Harlem konfrontiert. Zurück in Deutschland begeistert der junge Pfarrer die Konfirmanden in einem Berliner Arbeiterviertel und der Dozent einen Kreis von Studierenden. 03.»Frieden wagen«2. Bonhoeffer: Gott ruft das Volk zum Kampf und Sieg. Gott hat mich meinem Volk gegeben; was ich habe, danke ich diesem Volk; was ich bin, bin ich durch mein Volk, so soll auch, was ich habe, ihm wieder gehören. Die Liebe zu meinem Volk wird den Mord, wird den Krieg heiligen. [(DBW 10, S.338) Dietrich Bonhoeffer 1929 auf einem Gemeindeabend in Barcelona. Dieses Zitat ist sehr stark verkürzt! Es wurde so dem folgenden Buch entnommen: Christian Gremmels/Heinrich W. Grosse: Dietrich Bonhoeffer. Der Weg in den Widerstand. 2. Auflage, Gütersloh 2004, S.23.] 3. Bonhoeffer: Friede muss gewagt werden. Friede ist das Gegenteil von Sicherung. Sicherheiten fordern heißt Misstrauen haben, und dieses Misstrauen gebiert den Krieg. Wie wird Friede? Wer ruft zum Frieden, dass die Welt es hört, zu hören gezwungen ist? Der einzelne Christ kann das nicht. Die einzelne Kirche wird erdrückt von der Gewalt des Hasses. Nur das eine große ökumenische Konzil der Heiligen Kirche Christi aus aller Welt kann es so sagen, dass die Welt zähneknirschend das Wort vom Frieden vernehmen muss. Die Stunde eilt die Welt starrt in Waffen, worauf warten wir noch? Sollen wir selbst mitschuldig werden, wie nie zuvor? [(DBW 13, S.300f); Dietrich Bonhoeffer 1934 auf einer internationalen Kirchenkonferenz in Dänemark.] Von der»liebe zum Volk, die den Krieg heiligt«zum»aufruf den Frieden zu wagen, um nicht mitschuldig zu werden«wie kommt es zu diesem Wandel? 1929 hatte der 23 jährige Bonhoeffer noch wie viele Deutsche gedacht, aber bei seinem Studienaufenthalt in New York lernt er den französischen Pfarrer Jean Lasserre kennen, der leidenschaftlich über das»friedensgebot der Bergpredigt«spricht. Diese Begegnung mit Lasserre verändert Bonhoeffer nachhaltig. 2/8

Seine Friedenspredigt bei der Kirchenkonferenz auf der dänischen Insel Fanö widerspricht dem Zeitgeist und stößt bei den führenden Theologen Deutschlands auf entschiedene Ablehnung. Bischof Heckel denunziert ihn als Pazifisten und Staatsfeind. Dietrich Bonhoeffer wird die Lehrbefugnis für die Berliner Universität entzogen. 04.»Jesus Christus war Jude«3. Bonhoeffer: Es muss endlich mit der Zurückhaltung gegenüber dem Tun des Staates gebrochen werden es ist ja doch alles nur Angst.»Tu den Mund auf für die Stummen«wer weiß denn heute noch in der Kirche, dass dies die mindeste Forderung der Bibel in solchen Zeiten ist? (DBW 13, S.204f.) Bonhoeffer fordert nicht nur,»den Mund für die Stummen«aufzumachen, er setzt sich auch als einer von ganz wenigen für Juden ein und fordert die Kirche bereits im April 1933 öffentlich zum Handeln auf, während die Mehrheit, auch der Pfarrer, zumindest schweigt! 4. Bonhoeffer: Der Staat, der die christliche Verkündigung gefährdet, verneint sich selbst. Das bedeutet eine dreifache Möglichkeit kirchlichen Handelns dem Staat gegenüber: Erstens die an den Staat gerichtete Frage nach dem legitim staatlichen Charakter seines Handelns, das heißt die verantwortlich Machung des Staates. Zweitens der Dienst an den Opfern des Staatshandelns. Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören. Die dritte Möglichkeit besteht darin, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. Solches Handeln wäre unmittelbar politisches Handeln der Kirche. (DBW 12, S.353f.) Eine Verstoßung der Juden aus dem Abendland muss die Verstoßung Christi nach sich ziehen; denn Jesus Christus war Jude. (DBW 6, S.95) 3/8

05.»Kampf um das Wort«Schon 1932 hatten nationalsozialistisch gesinnte Kirchenmitglieder die Vereinigung der Deutschen Christen gebildet. Sie fordern»rassenreinheit«als Bedingung für eine Kirchenmitgliedschaft und die Loslösung der evangelischen Kirche von ihren jüdischen Wurzeln. Bonhoeffer initiiert mit anderen Pfarrern als Gegenbewegung die Bekennende Kirche, die den Einfluss des Staates auf die Kirche ablehnt. Mit Hitlers Unterstützung gewinnen die Deutschen Christen 1933 die Reichskirchenwahlen. Von der Nazi-freundlichen Haltung der evangelischen Kirche enttäuscht wechselt Dietrich Bonhoeffer Ende 33 als Pfarrer an eine deutsche Gemeinde in London. Als ihn die Bekennende Kirche 1935 mit dem Aufbau eines ihrer Predigerseminare beauftragt, in denen die Pfarrer der Bekennenden Kirche ausgebildet werden sollen, kehrt Bonhoeffer nach Deutschland zurück. Mit dem Predigerseminar in Finkenwalde bei Stettin entsteht ein Modellfall evangelischen Zusammenlebens, mit geistlicher Lebensordnung und regelmäßiger Meditation. Von der Geheimen Staatspolizei 1937 geschlossen, arbeitet das Seminar in Hinterpommern noch zweieinhalb Jahre im Untergrund weiter. Bonhoeffer versucht, seinen Studenten die Stärke zu vermitteln, die er aus dem Glauben zieht: 5. Bonhoeffer: Jeder neue Morgen ist ein neuer Anfang unseres Lebens. Er ist lang genug, um Gott zu finden oder ihn zu verlieren. [(DBW 14, S.871ff.) Finkenwalder Bibelarbeiten.] Um in den gegenwärtigen Kämpfen das Wort Gottes zu predigen, um in jeder neu erwachsenen Notlage sofort zum Dienst der Verkündigung bereit zu sein, bedarf es einer Gruppe völlig freier, einsatzbereiter Pastoren. Sie müssen bereit sein, unter allen Umständen, unter Verzicht auf alle Privilegien des Pfarrerstandes zur Stelle zu sein, wo der Dienst gefordert wird. [(DBW 14, S.77) Bonhoeffer im Antrag auf Einrichtung eines Bruderhauses im Predigerseminar Finkenwalde.] Die meisten seiner Studenten werden später von der Wehrmacht eingezogen und sterben im Krieg. 4/8

06.»Flucht ins Exil«Dietrich Bonhoeffer steht 1939 vor der Entscheidung, als Wehrdienstverweigerer hingerichtet zu werden oder ins Ausland zu gehen. Im Sommer folgt er einer Einladung nach New York. Aber obwohl er weiß, dass er damit sein Leben riskiert, kehrt er schon nach wenigen Wochen nach Deutschland zurück. 6. Bonhoeffer: Ich bin jetzt überzeugt, dass mein Kommen nach Amerika ein Fehler war. Diese schwierige Epoche unserer nationalen Geschichte muss ich bei den Christenmenschen Deutschlands durchleben. Ich habe kein Recht, an der Wiederherstellung des christlichen Lebens in Deutschland nach dem Krieg mitzuwirken, wenn ich nicht die Prüfungen dieser Zeit mit meinem Volk teile. Die Christen in Deutschland werden vor der furchtbaren Alternative stehen, entweder die Niederlage ihrer Nation zu wollen, damit die christliche Zivilisation überlebe, oder den Sieg ihrer Nation zu wollen und damit unsere Zivilisation zu zerstören. Ich weiß, welches von beidem ich wählen muss, aber ich kann diese Wahl nicht treffen in Sicherheit. (DBW 15, S.644) 7. Bonhoeffer: Es gibt Menschen, die es für unernst, Christen, die es für unfromm halten, auf eine bessere irdische Zukunft zu hoffen und sich auf sie vorzubereiten. Sie glauben an das Chaos, die Unordnung, die Katastrophe als den Sinn des gegenwärtigen Geschehens und entziehen sich in Resignation oder frommer Weltflucht der Verantwortung für das Weiterleben, für den neuen Aufbau, für die kommenden Geschlechter. Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht. Die Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll. Nur aus dieser geschichtlich verantwortlichen Frage können fruchtbare wenn auch vorübergehend demütigende Lösungen entstehen. (DBW 8, S.36) 5/8

07.»Wer das Schwert nimmt«1940 wird Dietrich Bonhoeffer Agent der Abwehr unter Admiral Canaris und als Agent vom Wehrdienst freigestellt. Er entkommt vorerst der Gefahr, für seine Überzeugung hingerichtet zu werden. Bonhoeffer wird ein Teil des Regimes?! In Wirklichkeit soll er für die Widerstandsgruppe, für die neben Canaris auch Bonhoeffers Schwager Hans von Dohnanyi arbeitet, als Verbindungsmann dem westlichen Ausland Informationen über Pläne und Ziele der Widerstandsbewegung zuspielen. Dietrich Bonhoeffer unternimmt in den folgenden Jahren getarnt als Agent der Abwehr viele Reisen ins Ausland und nimmt über seinen Freund Bischof Bell Kontakt zur britischen Regierung auf. Diese lehnt jedoch jede Art von Verhandlungen ab, da es keine Beweise für die Aktivitäten der»so genannten deutschen Widerstandsbewegung«gäbe. Trotzdem werden die Vorbereitungen für den Umsturz fortgesetzt. Im Januar 1943 beginnt für Bonhoeffer ein neues Leben, er verlobt sich mit der 18 Jahre jüngeren Maria von Wedemeyer. Im selben Monat tritt mit der Niederlage von Stalingrad die sichtbare Wende im Kriegsverlauf ein. Der Krieg ist für das deutsche Reich verloren. Der Pfarrer Dietrich Bonhoeffer ist inzwischen überzeugt, dass man Hitler töten muss, um die Nazidiktatur zu stoppen. Er wird bei der Frage, ob man gegen Gottes Gebot»Du sollst nicht töten«verstoßen darf, zu einem wichtigen moralischen Rückhalt für die aktiven Christen im Widerstand. Bonhoeffer fordert: wer an Adolf Hitler herankommt, der muss den Diktator töten muss für diesen Mord aber auch die Verantwortung übernehmen. Nach Stalingrad wächst die Zahl der Offiziere, die aus den verschiedensten Gründen bereit sind, sich an einem Staatsstreich zu beteiligen. Nur sie haben eine realistische Möglichkeit, eine Bombe unbemerkt in Hitlers Nähe zu bringen und außerdem soll mit ihrer Hilfe verhindert werden, dass das Deutsche Reich nach einem Attentat im Chaos versinkt. Am 13. März 1943 kann eine Bombe mit Zeitzünder, die als Paket getarnt ist, in einem Flugzeug platziert werden, in dem Hitler von einem Frontbesuch zurückkehrt, aber die Bombe explodiert nicht. Den Attentätern gelingt es gerade noch, das Paket unbemerkt wieder an sich zu bringen. 6/8

Texttafeln: hundert jahre Nur wenige Tage später ergibt sich eine weitere Möglichkeit: Heldengedenktag am 21. März 1943 in Berlin. Major von Gersdorff ist entschlossen, sich mit Hitler zusammen in die Luft zu sprengen... Er trägt die Bombe am Körper. 8. Bonhoeffer: Wer in Verantwortung Schuld auf sich nimmt und kein Verantwortlicher kann dem entgehen, der rechnet sich selbst und keinem anderen diese Schuld zu und steht für sie ein. Vor den anderen Menschen rechtfertigt den Mann der freien Verantwortung die Not, vor sich selbst spricht ihn sein Gewissen frei, aber vor Gott hofft er allein auf Gnade. (DBW 6, S.283) Adolf Hitler verlässt die Ausstellung schon nach wenigen Minuten. Für Major von Gerstorff ergibt sich keine Möglichkeit, mit der Bombe in Hitlers Nähe zu bleiben. Er kann den Zeitzünder gerade noch rechtzeitig entschärfen. Auch dieser Attentatsversuch scheitert und bleibt unentdeckt... 08.»Freiheit, dich suchten wir lange«die Geheime Staatspolizei ermittelt schon länger gegen die Verschwörer um Admiral Canaris und Hans von Dohnanyi, aber noch lassen sich keine Beweise gegen sie finden. Trotzdem werden Dietrich Bonhoeffer und sein Schwager im April 1943 verhaftet. Bonhoeffer wird vorgeworfen, er habe sich widerrechtlich dem Wehrdienst entzogen und Juden zur Flucht verholfen. Letzteres stimmt zwar, es ist ihm aber nicht nachzuweisen. Er kommt zunächst ins Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis nach Berlin Tegel. Die Gruppe ist auch an dem letzten Attentat auf Hitler beteiligt, das am 20. Juli 1944 nur knapp missglückt. Diesmal explodiert die Bombe, aber Hitler überlebt und der Umsturzversuch scheitert. Am Tag nach dem Attentat schreibt Dietrich Bonhoeffer an seinen Freund Eberhard Bethge: 9. Bonhoeffer: Ich erfahre es bis zur Stunde, dass man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt und dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich die Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben, dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern das Leiden Gottes in der Welt ernst, dann wacht man mit Christus in Gethsemane, und ich denke, das ist Glaube; und so wird man ein Mensch, ein Christ. Wie sollte man bei Erfolgen übermütig oder an Misserfolgen irre werden, wenn man im diesseitigen Leben Gottes Leiden mit leidet? Du verstehst, was ich meine, auch wenn ich es so kurz sage. 7/8

Ich bin dankbar, dass ich es auf dem Wege habe erkennen dürfen, den ich nun einmal gegangen bin. Darum denke ich dankbar und friedlich an Vergangenes und Gegenwärtiges. Gott führe uns freundlich durch diese Zeiten; aber vor allem führe er uns zu sich. Leb wohl, bleib gesund und lass die Hoffnung nicht sinken, dass wir uns bald alle wieder sehen. (DBW 8, S.542f.) Im September 1944 findet die Geheime Staatspolizei Akten, die Beweise für die Arbeit der Widerstandsgruppe liefern. In dem Wissen, dass er für seine Beteiligung am Widerstand hingerichtet werden wird, verzichtet Bonhoeffer am 5. Oktober auf eine mögliche Flucht. Er befürchtet Sippenhaft für seine Angehörigen. Im Dezember schickt er seiner Verlobten und der Familie das Gedicht, das als Kirchenlied berühmt wird: 10. Bonhoeffer: Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last, ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das Du uns bereitet hast. Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen Und ganz gewiß an jedem neuen Tag. (DBW 8, S.607f.) Texttafel: Im Februar 1945 wird Dietrich Bonhoeffer ins KZ Buchenwald gebracht. Einen Monat vor der Kapitulation Deutschlands, wird Dietrich Bonhoeffer am 9. April 1945 nach einem Scheinprozess im KZ Flossenbürg erhängt und verbrannt. 8/8