Was hat W. Soergel mit seinem W I (Würm I, Weichsel I) gemeint?



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Transkript:

165 Was hat W. Soergel mit seinem W I (Würm I, Weichsel I) gemeint? Von Hugo Groß, Bamberg Schwerlich hat ein anderer Fachausdruck so viel Verwirrung in der Quartärgeologie angerichtet und die Forschung auf diesem Gebiet so irregeleitet, wie der von fast allen Quartärgeologen mißverstandene Terminus technicus W I von Soergel. Nicht nur Soergel (1919), sondern vor ihm auch Penck und Brückner (1909) und, ihnen folgend, alle mitteleuropäischen Quartärgeologen vertraten die Ansicht, daß auch der Ablauf der Vorrückungsphase der letzten Vereisung bis zur Bildung der Jungmoränenlandschaft unerforschlich sei, da sie nur zu Tage liegende glazial-morphologische Gegebenheiten (vor allem Terrassen und Moränen) als Beweise für Stadiale der letzten Eiszeit gelten ließen. Dem ältesten Stadial wurde die äußerste Jungendmoräne zugewiesen, deren Verlauf aber, wie längst bekannt ist, streckenweise ein etwas verschiedenes Alter hat. Nun hat Soergel seinem W I die Warthe-Moränen zugeordnet, deren Verwitterungsgrad zwischen dem der Weichsel 1- und der Rauptsaale-Moränen liegt; daher wurden die Warthe-Moränen lange (auch nach 1919) auch von Feldgeologen der Preußischen Geologischen Landesanstalt (besonders von Keilhack) dem Weichsel-Maximum zugewiesen, denn es fehlte damals noch ein entscheidender stratigraphischer Beweis für ihre Zugehörigkeit zur Saale-Vereisung durch den pollenanalytischen Nachweis der Identität jüngster interglazialer Ablagerungen, die im Weichsei-Vereisungsgebiet mit Grundmoräne und im W arthe-vereisungsgebiet in die Warthe-Grundmoräne eingetieft und in der Weichsel-Eiszeit mit periglazialem Wauderschutt bedeckt wurden. Dieser Beweis konnte erst spät von Woldstedt (1942) erbracht werden: Die Warthe-Vereisung ist das letzte Stadium der Saale-Vereisung. Damals rechnete Woldstedt (1942, S. 137) Soergels WIder Vereisungskurve (Soergel 1937) richtig zur Weichsel (Würm)-Vereisung und parallelisierte W I mit der ältesten äußersten Eisrandlage, dem Brandenburger Stadium; dieses ist aber das Maximum (um 20 000 B. P.) der.jung (Haupt)-Weichsel-Phase = Soergels 2. Hauptvorstoß der letzten Vereisung, während W I Soergels 1. Hauptvorstoß ist. Das geht aus dem Schaubild des Spätpleistozäns hervor, das Soergel (1919) an den Schluß seines Lößbuches gestellt hat: die archäologisch (Mousterien bis Magdalenien) datierten Abschnitte nach seinem letzten Interglazial umfassen eine zweiphasige Letzte Eiszeit (W I und W II) und zwischen ihnen (also um die Mitte der Letzten Eiszeit) eine interstadiale Hauptschwankung (W 1!11) mit den Anfängen des Jungpaläolithikums; Soergels letztes Interglazial ist also wirklich das letzte Interglazial im Sinne der heutigen Quartärgeologie, sein W I

166 H. Groß ist, weil er es mit Warthe konnektiert hat, zu Unrecht sehr viel stärker als W li mit dem wahren Maximum (Brandenburger Stadium) dargestellt. Auch in seiner Vollgliederung des Eiszeitalters ließ Soergel (1925) sein W I (Würm I) unmittelbar auf das letzte Interglazial folgen und bezeichnete in seiner Vereisungskurve (1937) seine W I Phase der letzten Eiszeit noch ausdrücklich als Warthe, aber im Warthe-Stadial gab es noch kein Moush~rien; nach dem Ergebnis zahlloser Ausgrabungen traten ein "warmes" Prä- und Altmousterien erst im Verlauf des letzten Interglazials auf und entwickelten sich erst im W I zum Voll-Mousterien, W I kann auch danach nur Altweichsel sein. Daher haben fast alle Urgeschichtler mit H. Breuil seit 1931 Soergels Spätpleistozän-Gliederung übernommen, während die allermeisten Quartärgeologen sie ablehnten, da sie mit Penck eine glazial-morphologische Entsprechung von W I nicht finden konnten; sie kamen nicht auf den Gedanken, daß die Bildungen von W I, soweit sie nicht vom Eis des viel stärkeren 2. Hauptvorstoßes der letzten Vereisung erodiert wurden, unter den Ablagerungen (Jungmoränenlandschaft) dieses 2. Hauptvorstoßes liegen müssen. Daher hat keiner von ihnen geprüft, ob Soergels Hauptschwankung W 1/II mit den Anfängen des Jungpaläolithikums (im Endabschnitt) wirklich wenigstens im wesentlichen interstadial war. Im Gebiet der gleichzeitigen Würm-Vereisung im Alpen- und Alpenvorland-Raum glaubte bekanntlich Soergel, daß die Riß-Moränen bei Saulgau in Oberschwaben auf Grund ihres Verwitterungsgrades ein Äquivalent der Warthe-Moränen seien, machte aber den unverständlichen Fehler, seinem W I dort die Moränen der ganzen "größten Vergletscherung" zuzuweisen (Weidenbach 1952), statt der Moräne und Terrasse von Riß li (Jungriß). Schotterterrassen von Riß I (Hauptriß) und Riß II (Jungriß) gibt es nicht nur in Oberschwaben (H. Graul 1962), sondern auch im Trockengebiet von Regensburg nach Brunnacker (1957). In beiden Gebieten liegen auf den beiden Hochterrassen-Flächen Lößauflagerungen. In Oberschwaben befinden sie sich an der Südgrenze des Vorkommens nur einfachst gegliederter Lößprofile (Isohyete von ca. 900 mm nach Brunnacker 1957), im Regensburger Trockengebiet sind sie aber nach diesem Forscher wiegewöhnlich durch fossile Böden reich gegliedert. Entgegen der Ansicht von Brunnacker akkumulierte aber auf der älteren HT -Fläche (von Altriß, R I) nicht R I-Löß, sondern R II-Löß, also Jungriß-Löß1, der im R/W-Interglazial eine starke Verwitterungsrinde bekam; auf diese lagerte sich Würm-(Jüngerer) Löß ab mit 2 fossilen Böden aus den Interstadialen W 1/11 (stark) und W li a/b (sehr schwach) ab. Leider haben Soergel und seine Anhänger statt W lla und W IIb irreführend W II bzw. W III geschrieben, so daß aus seiner ursprünglich 2-phasigen Letzten Eiszeit eine 3-phasige wurde, obwohl W I und W II (Alt- und Jungwürm) durch ein sehr viel stärkeres und längeres Interstadial getrennt sind als W II und W Ill durch das Paudorfer (Stillfried B). Soergels Stadien W I, li und III sind also durchaus nicht gleichwertig. Ein solches Lößprofil (das leider in der Wirklichkeit recht selten ist, weil Lößprofile 1 Herr Prof. Dr. P. Woldstedt gab mir am 5. November 1961 folgende briefliche Auskunft: "Ich halte es wohl für möglich, daß auf einer Riß-Terrasse ein Riß-Löß liegt, der zu einer jüngeren Phase gehört."

Was hat W. Soergel mit seinem W I (Würm I, Weichsel/) gemeint? 167 durch Umlagerungen und Erosion meistens unvollständig sind) hat Soergel bekanntlich zur Gliederung der letzten Eiszeit benutzt: W 111 (besser: W Ilb) erzeugte die Jungmoränenlandschaft, und unter ihr liegen, so weit sie erhalten geblieben, nachdem das Eis von W 111 sie überfahren hatte, alle älteren Würm-Bildungen von W II (W Ila) bis einschließlich W I, worauf aber Soergel nicht gekommen ist. In seine mittelwürmzeitliche "Hauptschwankung" W 1!11 hat Soergel als fossilen interstadialen Boden die terrassen-morphologisch leider nicht datierbare Verlehmungszone im Löß bei Göttweig unweit Krems a. d. Donau gestellt. Diese Verlehmungszone hat Fink (zuletzt 1964) mit der basalen Verlehmungszone des ebenfalls nicht terrassenmorphologisch datierbaren dreiteiligen Stillfried A-Komplexes fossiler Böden im Löß vom östlichen Niederösterreich ohne Beweise parallelisiert, sie hat sich aber 1961 in Unter-Wisternitz (Mähren) als letztinterglazial herausgestellt. Daher darf Soergels Hauptschwankung nicht mehr nach Göttweig benannt werden. Mittelwürmzeitliche interstadiale Böden, die zu stark sind, als daß man sie in das sehr schwache Paudorfer Interstadial stellen könnte, gibt es in Deutschland mehrfach (Gross 1964), am schönsten ausgeprägt im Löß bei Bad Wildungen in Hessen (Jacobshagen u. Mitarb. 1963) mit zahlreichen Resten wühlender Steppen Nager zwischen der ziemlich schwachen Tundrenphase des Altwürm und der sehr viel stärkeren des Jungwürm. Die Humidität dieses mittelwürmzeitlichen Steppenklimas reichte in extrem ariden kontinentalen Klimagebieten (östl. Niederösterreich, Mähren, böhmisches Becken) nicht dazu aus, auf dem Löß stabile Böden hervorzubringen. In etwas weniger extrem ariden Klimagebieten z. B. in der West-Slowakei und (nach Schönhals u. Mitarb. 1964) in Hessen konnte das mittelwürmzeitliche Steppenklima 1-3 fossile Böden im Löß (maximale Mächtigkeit: 70-100 cm) erzeugen, sie liegen nach Schönhals u. Mitarb. mehrfach zwischen dem kompletten Stilfried A und B! Die von Fink verfochtene und von zahlreichen anderen Quartärgeologen angenommene Hypothese, daß im Würmlöß zwischen den genannten Stillfried-Komplexen, d. h. im Mittelwürm allgemein fossile interstadiale Böden fehlen, ist also unrichtig, sie gilt nur für extrem aride kontinentale Klimagebiete (südöstl. Mitteleuropa). Der Würm-Abschnitt nach diesem Mittelwürm ist das Jung-( oder Haupt-)Würm (ca. 31 000-10 000 B. P.) mit dem Paudorfer Interstadial, der Würm-Abschnitt vor dem Mittelwürm das Altwürm (ca. 85 000-47 000 B. P.), Soergels W I (Gross 1964). Leider sind Soergels Abkürzungen W 1-111 für die stadialen Hauptperioden der Ablagerung des Jüngeren Lösses im Würm von einigen Quartärgeologen mißverständlich mißbraucht worden. Daher sind sie besser durch andere Bezeichnungen zu ersetzen: W I = Altwürm, W II + 111 (besser: W II a+b) = Jung- (oder Haupt-) Würm. Die Konnektierung des klassischen Lößprofils von Soergel mit der Sonnenstrahlungskurve von Milankovitch durch Köppen (Köppen und Wegener 1924) war eine Katastrophe, was Soergelleider nicht gemerkt hat. Köppen hat zu Unrecht Soergels Stadiale W 1-111 einerseits und die sie trennenden Interstadiale W 1!11 und W 11/111 andererseits als gleichrangig betrachtet und daher (wie es schon Penck und Brückner 1909 getan hatten) die letzte Vereisung als dreistadial angesehen und ihr daher die drei letzten Kältezacken der Milankovitch-Kurve zugewiesen. Stratigraphische Untersuchungen

168 H. Groß (Beispiel: das Lößprofil von Bad Wildungen) und Emilianis Paläotemperatur-Kurven haben aber ergeben, daß die letzte Vereisung nur zwei Kälte-Maxima (Tundren-Phasen) gehabt hat: ein kleineres im Altwürm am Schluß und ein sehr viel größeres im Jungwürm. Manche Autoren haben schon die drittletzte Kältezacke dem Riß (Warthe) und die Hauptschwankung W 1/II dem R/W -Interglazial zugewiesen. Dann müßte aber das Jungpaläolithikum schon am Ende von R/W oder spätestens zu Beginn der "Letzten Eiszeit" erschienen sein, wie es 1959 ein namhafter Wiener Urgeschichtler für ganz Osterreich behauptet hat, obwohl er hätte wissen müssen, daß nirgends in Mittel- und Westeuropa bei den zahllosen Ausgrabungen zwischen den Fundschichten mit mittelpaläolithischen und jungpaläolithischen Kulturhinterlassenschaften eine nach den paläontologischen Befunden interglaziale Ablagerung gefunden worden ist. Wenn man schon durchaus auf die durch stratigraphische Untersuchungen gefundene Gliederung der letzten Eiszeit die Milankovitch- oder Brouwer-Kurve anwenden will, muß man natürlidl Altwürm (W I) mit der vorletzten und Jungwürm mit der letzten Kältezacke konnektieren; das Fehlen des sehr kurzen schwachen Paudorfer Interstadials in der Sonnenstrahlungskurve könnte man damit erklären, daß Milankovitch die Sonnenstrahlungswerte im Abstand von jeweils 10 000 Jahren berechnet hat. Wer aber den Wortlaut bei Soergel für allein entscheidend hält, muß darauf hingewiesen werden, daß die Richtigkeit der sinngemäßen Interpretation des Wortlauts jetzt längst (seit etwa 1957) durch stratigraphische Untersuchungen mit Auswertung von paläontologischen (besonders malakologischen) und archäologischen Befunden sowie von C1LDaten bewiesen ist. Ferner haben die Pedologen Schönhals u. Mitarb. (1964) ohne Bezugnahme auf Soergel gezeigt, daß mit modernen pedologischen Methoden (z. B. im Labor quantitative Bestimmung des Gehalts an Humus, Kalk, Ton etc. der fossilen Böden zur Ergänzung der visuellen Begutachtung des Lößprofils im Gelände) mindestens für eine spätpleistozäne Abfolge fossiler Böden in einem Lößprofil ihr paläoklimatischer Aussagewert zuverlässig beurteilt und als Leithorizont der jüngste Interglazial-Boden ermittelt werden kann, auch wenn Fossilien oder Artefakte fehlen. Auf diese W eise haben die genannten Pedologen die Richtigkeit meiner nicht ausschließlich pedologisch begründeten schematischen Klimakurve von 1964 und damit im wesentlichen der Auffassung von Soergel bewiesen. übrigens ist 1955 auf Grund zahlreicher geologischer C14-Daten aus dem Gebiet der letzten nordamerikanischen Vereisung (Wisconsin) festgestellt worden, daß auch sie wie die europäische zweiphasig war (Early Wisconsin und Classical or Main W.). Literatur Brunnacker, K. (1957: Die Geschichte der Böden im jüngeren Pleistozän in Bayern. Geolog. Bavar. Nr. 34, 95 S. Fink, J. (1964} : Die Subkommission für Lößstratigraphie der Internat. Quartärvereinigung. Eiszeitalter u. Gegenw. 15, 229-239. Grau 1, H. (1962): Eine Revision der pleistozänen Stratigraphie des schwäbischen Alpenvorlandes. Peterm. geogr. Mitteil. 106, 253-271.

Was hat W. Soergel mit seinem W I (Wiirm I, Weichsel I) gemeint? 169 Groß, H. (1964): Das Mittelwürm in Mitteleuropa und angrenzenden Gebieten. Eiszeitalter u. Gegenw. 15, 187-198. - (1964/65): Die geochronologischen Befunde der Bären- oder Tischoferhöhle bei Kufstein am Inn. Quartär 15/16, 133-141. Ja c ob s h a g e n, E., H u c k r i e d e, R. u. Ja c ob s h a g e n, V. (1963) : Eine Faunenfolge aus dem jungpleistozänen Löß bei Bad Wildungen. Abh. hess. Landesamt f. Bodenforsch. 44, 105 S., 9 Abb., 2 Tab., 14 Taf. Wiesbaden. K ö p p e n, W. u. Wegen e r, A. ( 1924): Die Klimate der geologischen Vorzeit. Berlin. P e n c k, A. u. B rück n er, E. (1901-1909): Die Alpen im Eiszeitalter. 3 Bde. Leipzig. Schönhals, E., Rohdenburg, H.u. Semmel, A. (1964) : ErgebnisseneuererUntersuchungen zur Würmlößgliederung in Hessen. Eiszeitalter u. Gegenw. 15, 199-206. So er g e I, W. (1919) : Löße, Eiszeiten und paläolithische Kulturen. Jena. - (1925): Die Gliederung und absolute Zeitrechnung des Eiszeitalters. Fortschr. d. Geol. u. Paläontol. H. 13, Berlin. - (1937): Die Vereisungskurve. Berlin. W e i den b a c h, F. (1952): Gedanken zur Lößfrage. Eiszeitalter u. Gegenw. 2. 25-36. Wo I d s t e d t, P. (1942): über die Ausdehnung der letzten Vereisung in Norddeutschland und über die Stellung des Warthe-Stadiums in der norddeutschen Eiszeitgliederung. Ber. Reichsamt f. Bodenforsch. Jahrg. 1942, 131-139. Wien.