Strafvollzugsrecht. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales



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Hinweise Materialen und anderes: Home page der Wahlfachgruppe 14 www.iuscrim.mpg.de oder www.jura.uni-freiburg.de

Betonung des Rechts des Strafvollzugs Die Entwicklung des Strafvollzugs ist gekennzeichnet von Der Pönologie als einer empirisch ausgerichteten Betrachtung des Strafvollzugs und der Behandlung der Strafvollzugsinsassen Hin zu einer Verrechtlichung des Strafvollzugs Ausdruck hiervon ist das Strafvollzugsgesetz

Begriff des Strafvollzugs Weite Auffassung: Vollzug aller Kriminalstrafen Enge Auffassung: Vollzug der freiheitsentziehenden Strafen und Maßregeln Freiheitsstrafe Jugendstrafe Maßregeln der Besserung und Sicherung

Arten des Freiheitsentzugs Freiheitsstrafe ( 38 StGB) Jugendstrafe ( 17 JGG) Untersuchungshaft ( 112 ff StPO) Maßregeln der Besserung und Sicherung 63, 64, 66 StGB Polizeihaft/-gewahrsam nach Landespolizeirecht zur Abwehr von konkreten Gefahren Abschiebehaft (Ausländergesetz) Jugendarrest Militärischer Arrest (Soldatengesetz) Erzwingungshaft (vgl. beispw. 70 StPO) (Geschlossene) Heimunterbringung ( 12 JGG)

Das Strafvollzugsrecht im System Das Strafvollzugsrecht schließt an des Strafrechts An eine rechtskräftige Verurteilung zu Freiheitsstrafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung An eine Entscheidung der» Strafvollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft, 451 StPO) Über die Vollstreckbarkeit sowie Zeit und Ort des Vollzugs der Freiheitsstrafe/Maßregel Die Vollstreckungsbehörde bleibt zuständig für bestimmte Entscheidungen (beispw. Unterbrechung der Strafvollstreckung) 449 ff StPO

Internationales Strafvollzugsrecht Das nationale Recht des Strafvollzugs ist eingebettet in ein System des internationalen Strafvollzugsrechts Europäische Rechtshilfekonventionen zur Strafvollstreckung und zum Strafvollzug» Europäische Konvention über die Auslieferung (1957)» Europäische Konvention über die Rechtshilfe in Strafsachen (1959)» Europäische Konvention über die Überwachung bedingt entlassener Straftäter (1964)» Europäische Konvention über die gegenseitige Anerkennung von Strafurteilen (1970)» Europäische Konvention über die Überstellung von Verurteilten (zur Vollstreckung der Strafe) (1983).

Universal Declaration of Human Rights 1948 Art. 5 Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe unterworfen werden. Art. 9 Niemand darf willkürlicher Festnahme, Freiheitsentziehung oder Exilierung ausgesetzt werden. Art. 11 (1) Unschuldsvermutung. (2) Nulla Poena sine culpa und Rückwirkungsverbot (Strafverschärfung) Erstes universelles Verbot der Folter und der grausamen Strafe Resolution, keine rechtliche Verbindlichkeit

Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte International Covenant on Civil and Political Rights (vom 16. 12. 1966) Art. 7 Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe unterworfen werden. Erstmals notstandssicher und völkerrechtlich verbindlich Art. 8 3. (a) Zwangsarbeit ist unzulässig. Ausnahme: Arbeit während eines richterlich angeordneten Freiheitsentzugs. Art. 9 1. Recht auf Freiheit und Sicherheit. Niemand darf willkürlichem Arrest (Verhaftung) oder Freiheitsentzug ausgesetzt werden. Art. 10 1. Jeder Gefangene muss menschlich (human) und dem Grundsatz der Menschenwürde entsprechend behandelt werden.

UN Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe 10. Dezember 1984 Bedingungsloses Verbot der Folter Definition: Art. 1 the term "torture" means any act by which severe pain or suffering, whether physical or mental, is intentionally inflicted on a person for such purposes as obtaining from him or a third person information or a confession, punishing him for an act he or a third person has committed or is suspected of having committed, or intimidating or coercing him or a third person, or for any reason based on discrimination of any kind, when such pain or suffering is inflicted by or at the instigation of or with the consent or acquiescence of a public official or other person acting in an official capacity. It does not include pain or suffering arising only from, inherent in or incidental to lawful sanctions.

Internationales Strafvollzugsrecht UN-Mindeststandards für die Behandlung von Strafgefangenen (Resolution 663 C I (XXIV) vom 31.7.1957) Europäische Strafvollzugsgrundsätze (Europarat Recommendation No. R(87)3, vom 12.2. 1987) Soft Law: Nicht verbindlich, aber Auslegungsregeln beispw. für Europäische Menschenrechtskonvention sowie nationale Grundrechte

Durchsetzung menschenrechtlicher Standards International Covenant Human Rights Committee (HRC)» Staatenberichtsverfahren» Fakultatives Staatenbeschwerdeverfahren» Individualbeschwerdeverfahren UN Sonderberichterstatter über Folter Untersuchung von Einzelfällen Urgent appeals Jahresberichte Committee against Torture (CAT) Staatenberichtsverfahren Untersuchungsverfahren Staatenbeschwerdeverfahren Individualbeschwerdeverfahren European Committee against Torture Besuchsverfahren Landesberichte Jahresberichte

Internationales Strafvollzugsrecht Europäische Menschenrechtskonvention Art 3 EMRK: Verbot der grausamen und unmenschlichen Strafe Art. 5 Recht auf persönliche Freiheit Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (garantiert Kontakte des Gefangenen mit der Außenwelt) Art. 25: Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (nach Erschöpfung des nationalen Rechtswegs)

Internationales Strafvollzugsrecht Europäische Anti-Folterkonvention Zielsetzung Prävention von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung von Personen in Freiheitsentzug Anti-Folter-Kommission Recht auf Zutritt zu allen durch die Konvention erfassten Einrichtungen freiheitsentziehender Art (Strafvollzugsanstalten, Psychiatrische Einrichtungen, Polizeigewahrsam etc.) Recht, ohne Einschränkungen mit Insassen zu sprechen Aufgabe Feststellung der tatsächlichen Situation auf dem Gebiete der Freiheitsentziehung Dokumentation der Feststellungen Empfehlungen an Regierungen Prüfungsmaßstäbe Art. 3 EMRK Europäische Strafvollzugsgrundsätze Die Aufgabe besteht nicht in der Rechtsanwendung, also in Überprüfung von Einzelfällen und der Feststellung von Menschenrechtsverletzungen im Einzelfall.

Die Geschichte des Strafvollzugs und der Freiheitsstrafe Freiheitsentzug als Sicherungs-, Zwangs-, und Vollstreckungshaft

Gefängnisse Die Türme der mittelalterlichen Stadtmauer dienten nicht nur der Verteidigung der Stadt, sondern auch der Aufbewahrung von Gefangenen bis zur Gerichtsverhandlung bzw. Hinrichtung. Die Gefangenen waren dabei im tür- und fensterlosen untersten Stockwerk (Erdgeschoß bzw. Keller) der Türme untergebracht. Das Verlies war nur von oben durch ein Loch in der Decke (Angstloch) zugänglich, durch das die Gefangenen hinabgelassen wurden.

Arbeitsstrafen Seit dem 15. Jahrhundert Festungsbaugefangenschaft Galeerenstrafe Inhalt der Strafe ist allerdings eher Zwangsarbeit und nicht Freiheitsentziehung

Hospitäler, Arbeits- und Erziehungshäuser 1555 Bridewell/England Errichtung einer Arbeitsanstalt für Vagabunden und Bettler Vorbild: mittelalterliches Spital als umfassende Sozialanstalt für Bedürftige, Waisen, Kranke und Geisteskranke Einrichtung von Zuchthäusern: Amsterdamer Männerzuchthaus 1595; Nürnberger Spinnhaus 1588

Insassen der Zuchthäuser Hausordnung des Zuchthauses Hamburg (1615) die Armen und Notdürftigen, die ihre Kost nicht verdienen können, weil sie keine Mittel noch Wege dafür haben, oder aber wegen ihres faulen Fleisches nichts thun, sondern gehen lieber betteln; dann die Züchtlinge, welche von selber nichts Gutes thun wollen, Gottes und sein heiliges Wort mißbrauchen, in allerlei Unzucht, Diebstahl, in Fressen und Saufen, in Summa in allerlei Sünd und Schank wie das wilde Vieh dahin lebet, wo ihnen bei Zeiten nicht geholfen würde, einem anderen gar in die Hände kommen und geraten möchten.

Das Zuchthaus Besserung durch Arbeit und Bibelunterricht Calvinistische Ethik Allerdings nicht primär für Straftäter, sondern für Erziehung zur Arbeit Im Laufe der Zeit häufigere Einweisung von Straftätern Bedeutungswandel Abschreckung Entwicklung hin zur schwereren Form der Freiheitsentziehung (Zuchthausstrafe) Merkantilismus und Zuchthausinsassen als billige Arbeitskräfte

Gefängnisreformbewegungen Beginnt im 18. Jahrhundert: Howard (englischer Gefängnisreformer, empirische Bestandsaufnahmen der europäischen Gefängnisse und Zuchthäuser) Amerikanische Reformbewegung Das System Philadephia (Quäker) 1790 erste Vollzugsanstalt» Strenge Einzelhaft» Bibelunterricht und Arbeit» Stufenstrafvollzug» Partiell Schweigesystem

Gefängnisreformen in Deutschland Ausgangspunkt: Allgemeines Preussisches Landrecht und weitgehende Ersetzung der Körper- und Lebensstrafen durch Freiheitsstrafe Überfüllung der vorhandenen Gefängnisse 1804: Generalplan zur Verbesserung des Kriminal- und Gefängnissystems 19. Jahrhundert: Debatten über Gefängnissysteme Besondere Bedeutung: Pennsylvanisches Gefängnissystem im Hinblick auf Organisation, Ziele und Architektur

Panopticon

Reichsstrafgesetzbuch 1871 Generalprävention und Abschreckung Verdrängung des Besserungszweckes 1882 Programm von Franz von Liszt Spezialprävention und Behandlung Abschaffung der kurzen Freiheitsstrafe Verwahrung der Besserungsunfähigen

Entwicklung eines gesonderten Jugendstrafrechts und Jugendstrafvollzugs 1911: erstes Jugendgefängnis in Wittlich 1923: Jugendgerichtsgesetz Betonung von Spezialprävention und Erziehung

Reichsratsgrundsätze 1923 Inhalt Beseitigung abschreckender und vergeltender Strafvollziehung Abschaffung von Dunkelhaft und Schlägen als Disziplinierungsmittel Besserungsgedanke und individuelle Gefangenenbehandlung Strafvollzug in Stufen Klassifizierung der Gefangenen zunächst strengste Abteilung mit dem höchsten Sicherheitsgrad Verlegung in Abteilung mit mehr Vergünstigungen bzw. weniger Sicherheitsvorkehrungen zum Ende der Haftzeit offener Vollzug.

Gefängnisse im Faschismus Der Strafvollzug der Zeit von 1933-1945 ist an Sicherung und Abschreckung orientiert Parallelentwicklung eines Systems von Konzentrationslagern Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 20.02.1933 Exekutive Anordnung von Schutzhaft und Konzentrationslager Die Grenzen zwischen dem System der KZs und dem System der Gefängnisse sowie die Grenzen zwischen Freiheitsstrafe und Präventivhaft verwischen

Nachkriegsentwicklung Grosse Strafrechtsreform 1969/1975 1. Einheitsfreiheitsstrafe: Aufgabe der Differenzierung zwischen Zuchthaus (entehrender Charakter) und der Gefängnisstrafe. 2. Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafe (unter 6 Monate) 47 StGB und Ersetzung durch Tagessatzgeldstrafe 3. Planung einer sozialtherapeutischen Anstalt vorgeschlagen als Maßregellösung ( 65 StGB), tritt jedoch nicht in Kraft. 4. Ausweitung der zur Bewährung aussetzbaren Freiheitsstrafe und Stärkung der Bewährungshilfe. 5. Einstellung des Strafverfahrens gegen Auflagen ( 153a StPO) sowie der Verwarnung mit Strafvorbehalt ( 59 StGB)

Das Strafvollzugsgesetz von 1977 Ausgangspunkt: BVerfGE 33, S. 1ff das "besondere Gewaltverhältnis" als Grundlage für Grundrechtseingriffe im Vollzug der Freiheitsstrafe als rechtsstaatswidrig eingestuft Voraussetzung für Grundrechtseingriffe ist auch im Strafvollzug ein förmliches Gesetz Rechte und Pflichte der Gefangenen müssen in einem förmlichen Gesetzes geregelt sein Der Gesetzgeber kam dieser Forderung mit der Verabschiedung des Strafvollzugsgesetzes im Jahre 1977 nach

Empirische Grundlagen des Strafvollzugs

120 100 80 60 40 20 0 Strafgefangene in Deutschland 1961 1963 1965 1967 1969 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005

Italien Norwegen Finnland Griechenland Spanien Ungarn Schweiz Frankreich Deutschland Schweden Dänemark Holland England/Wales Österreich 600 500 400 300 200 100 0 Gefangene in Europa Tschechische R. Polen Rumänien Ukraine Weissrussland Russland

Trends in Gefangenenzahlen Erhebliche Zunahme in den neunziger Jahren Zunahme der Dauer der Freiheitsstrafe Erweiterung der Haftplätze

USA Singapore Australien Namibia Südafrika China Ungarn Schweiz Frankreich Deutschland Schweden Dänemark Holland England/Wales Österreich Spanien Griechenland Italien Norwegen Finnland Kanada 600 500 400 300 200 100 0 Gefangene im internationalen Vergleich Tschechische R. Polen Rumänien Ukraine Weissrussland Russland

Gründe für die Zuwächse in Gefängnissen Organisierte/Rationale Kriminalität Gewalt- und Sexualkriminalität Nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung Neue prekäre Gruppen Drogenabhängige Ausländische und ethnische Minoritäten Illegale Immigranten Langzeitarbeitslose Tradition langer Freiheitsstrafen in Osteuropa

Schweden Schweiz Belgien Dänemark Spanien Frankreich Griechenland Italien Norwegen Holland Portugal 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 Inländer und Ausländer im Strafvollzug Einheimische Ausländer Österreich Deutschland

2000 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 Lebenslängliche 1965 1967 1969 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003

Entwicklung des Gebrauchs langer Freiheitsstrafen bei Vergewaltigung (in % der für Vergewaltigung verhängten Strafen) 60 50 40 30 20 10 0 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 2-5 Jahre > 5 Jahre

Entwicklung und Zusammensetzung der 14-17-jährigen Jugendstrafgefangenen (Stichtag 31.3.) 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 1971 1974 1977 1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 Deutsch Ausländer

Grafik: Entwicklung der Deliktsstruktur im Baden-Württembergischen Jugendstrafvollzug 60 50 40 30 20 10 0 Diebstahl Drogen Körperverletzung Raub Tötungsdelikte Sexualdelikte Verkehr 1974 1984 1999

Grafik: Entwicklungen in der ethnischen Zusammensetzung der Jugendstrafgefangenen 120 100 98,5 80 77,5 60 40 20 0 8,9 14,8 27,6 Im Ausland geborene Ausländer 14,1 5,9 1 0,8 In Deutschland geborene Ausländer 1,8 19,6 Im Ausland geborene Deutsche 38,7 In Deutschland geborene Deutsche 1974 1987 1999

Prisonisierung und Subkultur

Die Subkultur Insassenkultur besondere Sprache besondere Normen» Status» Verhältnis zu Vollzugsstab Verhaltensweisen» Schwarzmärkte in Vollzugsanstalten kollektive Einstellungen (beispielsweise gegenüber den Vollzugsbeamten, der Strafjustiz)

Prisonisierung Begriff Clemmer Anpassung und Gewöhnung an die Wertvorstellungen und Normen der Subkultur unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Grad der Anpassung an die Subkultur (Prisonisierung) und der Dauer des Aufenthalts im Gefängnis Wheeler Anpassung folgt einem U-Verlauf: Anpassung an die Gefängnissubkultur ist am Anfang der Haft recht schwach ausgeprägt, nimmt bis zur Mitte der Haft stark zu, um sich dann vor der Entlassung wieder abzuschwächen Offene Fragen Hat das Gefängnis eine eigenständige Wirkung in Form von Haftprägungen (Lerngelegenheiten in der sog. Schule des Verbrechens ) oder wird die Subkultur importiert (beispw. Gangs) Kann derartigen Prisonisierungsprozessen im Gefängnis entgegengewirkt werden

Wirkungen des Gefängnisses Unmittelbare Auswirkungen Mittelbare Auswirkungen: Stigmatisierung und Chancenverschlechterung Besserung durch Behandlung Wirkungsforschung/Behandlungsforschung Problem fehlender kontrollierter Experimente Lange Zeit überschätzt Effekte partiell vorhanden, aber eher bescheiden

Verfassungsrechtliche Grundlagen Das Besondere Gewaltverhältnis Bestimmte Beziehungen zwischen Einzelnem und dem Staat gehören dem Innenbereich des Staates an Konsequenz: Gesetz als Grundlage für die Regelung des Verhältnisses ist nicht erforderlich Dienst- und Vollzugsordnung wird als ausreichend angesehen Besondere Bereiche: Militär, Gefängnisse, Schulen

BVerfGE vom 14.03.1972 Ein Besonderes Gewaltverhältnis kann Grundrechtseingriffe durch den Vollzug von Freiheitsstrafe nicht legitimieren Dienst- und Vollzugsordnung von 1961 reicht nicht aus Das Rechtsstaatsprinzip erfordert für den Vollzug von Freiheitsstrafen ein förmliches Gesetz Konsequenz: Das StVollZG vom 1.1. 1977

Sozialstaatsprinzip als Grundlage für die Ausgestaltung des Strafvollzugs Zentrale These Sozialstaatsprinzip erfordert einen auf Resozialisierung und die Chance auf Wiedereingliederung ausgerichteten Vollzug der Freiheitsstrafe

BVerfGE 45, S.187ff Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe Vorlage einer Strafkammer, die die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe für verfassungswidrig hielt

Menschenwürde und langer Freiheitsentzug Ausgangspunkt: Die lebenslange Freiheitsstrafe verstösst gegen die Menschenwürde» Persönlichkeitswandel und Persönlichkeitszerstörung» Frage: ab wann treten Haftschäden auf? Vereinbarkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe mit der Verfassung und dem Prinzip der Menschenwürde nur unter verfassungskonformen Vollzugsbedingungen

Verfassungskonforme Bedingungen Behandlungsvollzug und die Chance auf Wiedereingliederung sowie die Vermeidung von Haftschäden Jeder Gefangene muss die Chance auf Wiedereingliederung haben Der Kern der Menschenwürde wäre getroffen, wenn ein Mensch jegliche Hoffnung auf ein Leben in Freiheit aufgeben müsste (Menschenbild: ein freier Mensch) Einschränkung: Gefährliche Straftäter

Verfassungskonformer Vollzug Das Rechtsstaatsprinzip erfordert einer Verrechtlichung der Entlassungspraxis Gnadenpraxis reicht nicht aus Vermeidung von Ungleichbehandlung und Herstellung von Rechtssicherheit Einführung des 57a StGB

Verhältnismäßigkeit Enge Auslegung des Mordtatbestandes Oder: Strafmilderung und Verhängung zeitiger Freiheitsstrafe analog 49 StGB

Auslegung des 57a StGB Besondere Schwere der Schuld Erfordert Festlegung durch das erkennende Gericht Rechtssicherheit und Konkretisierung der Entlassungschance 454 I, Nr. 2b StPO Deshalb: 3 Freiheitsstrafenbereiche: Ca. 15 Jahre Ca. 20 Jahre Lebenslang bei Gefährlichkeit

Persönlichkeitsschutz und Resozialisierung BVerGE 35, S. 202ff: Lebach Fall Rundfunkfreiheit und Resozialisierung Täterberichterstattung ist unzulässig, wenn sie Wiedereingliederung gefährdet» Nähe der Sendung zur Entlassung» Selbständige und neue Beeinträchtigung wird ausgelöst

Grundrechte im Strafvollzug Jede Grundrechtsbeschränkung im Strafvollzug bedarf einer gesetzlichen Ermächtigung Nicht einschränkbar: Menschenwürde (Artikel 1 I) Recht auf Leben (Artikel 2 II, Satz 1), Gleichbehandlung (Artikel 3) Glaubensfreiheit (Artikel 4) Teile der Rechte aus Artikel 6 (beispielsweise Eheschließung), das Eigentumsrecht (Artikel 14) Rechtsschutzgarantie (Artikel 19 Absatz 4)

Zielsetzungen des Strafvollzugsgesetzes 2 Leben ohne Straftaten und in sozialer Verantwortung Schutz der Gesellschaft

Zielkonflikte Ausgangspunkt: Dreisäulentheorie Gesetzgeber: Generalprävention Richter(Strafzumessung): Schuldausgleich Strafvollzug: Spezialprävention, Resozialisierung Trennung nicht möglich: Zielkonflikte auch in 46 StGB Frage: Dürfen in Vollzugsentscheidungen auch Schulderwägungen berücksichtigt werden? OLG Karlsruhe JR 1978, S.213: KZ-Fall

System und Organisation von Gefängnissen Verwaltung des Strafvollzugs ist Ländersache Verwaltung einer Justizvollzugsanstalt Hauptgeschäftsstelle (für Personalverwaltung), Vollzugsgeschäftsstelle Zahlstelle (insbesondere auch Verwaltung des Geldes der Gefangenen) Sicherheitsdienst Arbeitsverwaltung Wirtschaftsverwaltung Bauverwaltung

Vollstreckungsplan ( 152) Regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit von Vollzugsanstalten Gesetzliche Trennungsgrundsätze Uhaft Frauen-Männer Jugendliche-Erwachsene Weitere Zuweisungsgrundsätze Sicherheit Vollzugsdauer Alter Vollzugsgemeinschaften ( 150)

Privatisierung von Gefängnissen Privatisierung von Gefängnissen ist Teil einer allgemeinen Bewegung hin zu einem schlanken Staat Beispiele: private Polizei, privates Militär Marktökonomie gestattet eine effizientere Nutzung von Ressourcen Verschiedene Modelle Teilprivatisierung Vollprivatisierung Staatlicher Vollzug beteiligt sich an staatlichen Ausschreibungen

Private Gefängnisse Private Gefängnisplätze in verschiedenen Ländern 1999 140000 120000 122082 100000 80000 60000 40000 20000 0 US Australien 4579 7561 England Holl. Antillen 737 3000 384 500 Südafrika Neuseeland Schottland

Privatisierung von Gefängnissen Die Entwicklung privater Gefängniskapazitäten 1990-1999 im Erwachsenenstrafvollzug 160000 140000 120000 100000 80000 60000 40000 20000 0 138342 132572 106940 85201 63595 49154 32555 15300 20637 15476 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

Grenzen der Privatisierung 155 StVollGLinks\155.doc, Art. 33, IV GG Links\Art 33.doc, Art. 12, III GGLinks\Art 12.doc Verfassungsrechtliche Schranken der Privatisierung Rechtsstaatsprinzip Grundrechtsschutz Demokratieprinzip Die im Strafvollzug sich realisierende Beschränkung der Bewegungsfreiheit sowie beständig aktivierbarer Zwang sind nur als staatlich ausgeübte Gewalt legitimierbar Einsatz beliehener Privater strenge normative Anleitung oder eine zeitnahe und unmittelbare Kontrolle durch den Staat Beides ist im geschlossenen Vollzug unter privatisierten Bedingungen der Kernbereiche (Aufsicht, Bewachung, Disziplinierung, Zwang) angesichts von weiten Ermessensvorschriften (und tatsächlich voll privatisierter Aufsicht) nicht gegeben Offener Vollzug sowie neue Formen der Beschränkung und Kontrolle der Bewegungsfreiheit (wie beispw. die elektronische Fussfessel) könnten anders beurteilt werden

Vollzugsstab 154ff Vollzugsbeamte 155 (1) Die Aufgaben der Justizvollzugsanstalten werden von Vollzugsbeamten wahrgenommen. Anstaltsleiter 156 Allgemeiner Vollzugsdienst (Beaufsichtigung der Gefangenen, Betreuung, Versorgung und Teilnahme an Resozialisierung und Behandlung) Werkdienst: Führung der Anstaltsbetriebe und Ausbildung der Gefangenen Weitere Tätigkeitsbereiche» 7 II, Nr. 4, 5, 37 III, 38, 67 II, insbesondere Ausbildung),» Psychologen ( 155 II)» Ärzte ( 56ff; 5 III, 21, 22 II, 76, 92, 101, 107)» Seelsorger ( 157, 53ff)» Sozialarbeiter ( 7 II Nr.6, 8, 71ff)

Struktur der Berufe Personalstruktur des Strafvollzugs (Niedersachsen 1992, in () Gefangene pro Stelle): Strafvollzugspersonal (-stellen) insgesamt: 3034 (1,7) höherer Vollzugs-/Verwaltungsdienst: 35 (151); gehobener Vollzugs-/Verwaltungsdienst: 151 (35); Mittlerer Verwaltungsdienst: 196 (27); Schreibdienst: 59 (89); Ärztlicher Dienst: 23 (229); Psychologischer Dienst 39 (135); Seelsorgerischer Dienst 22 (240); Pädagogischer Dienst 48 (110); Höherer Sozialdienst 12 (440); Gehobener Sozialdienst 113 (47); Allgemeiner Vollzugsdienst 2165 (2); Werkdienst 96 (55).

Öffentlichkeit und ehrenamtliche Vollzugshelfer 154 II, 2 Vollzugsbehörden sollen mit Personen und Gruppen außerhalb des Strafvollzugs zum Zwecke der Resozialisierung zusammenarbeiten 154 II ermächtigt zur Zulassung Privater in die Anstalt

Anstaltsbeiräte 162 Einbeziehung der Öffentlichkeit

Gefangenenmitverantwortung Kein originäres Mitbestimmungsrecht Aber individuelle Einbeziehung (Mitwirkung, 4) Gefangenenmitverantwortung ( 160)

Bedarfsforschung StVollzG 166 (1) Dem kriminologischen Dienst obliegt es, in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Forschung den Vollzug, namentlich die Behandlungsmethoden, wissenschaftlich fortzuentwickeln und seine Ergebnisse für Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar zu machen.

Grundsätze der Gestaltung des Strafvollzugs Angleichung des Strafvollzugs an die allgemeinen Lebensverhältnisse (Angleichungsgrundsatz, 3 I). Vermeidung negativer Haftfolgen (Subkulturbildung, Prisonisierung, Haftanpassung, psychische und psychiatrische Folgen langer Haft etc.). 3 II: Schädlichen Folgen des Strafvollzugs ist entgegenzuwirken. Resozialisierungsgrundsatz: 3 III verpflichtet die Vollzugsbehörden, den gesamten Vollzugsablauf auf die Eingliederung und Resozialisierung auszurichten.

Die Stellung des Gefangenen StVollzG 4: (1) Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern. (2) Der Gefangene unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihm nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerläßlich sind.

Der Vollzugsplan 5, 6, 7 StVollZG Aufnahme des Gefangenen» Eingangsuntersuchung» Vorstellung beim Anstaltsleiter Erstellung eines Vollzugsplans» Konkretisierung des Vollzugsziels» Individualisierung des Behandlungsplans Mindestanforderungen 7 II» Erörterung mit Gefangenem» Schriftliche Fassung

5 StVollzG 5 Aufnahmeverfahren (1) Beim Aufnahmeverfahren dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein. (2) Der Gefangene wird über seine Rechte und Pflichten unterrichtet. (3) Nach der Aufnahme wird der Gefangene alsbald ärztlich untersucht und dem Leiter der Anstalt oder der Aufnahmeabteilung vorgestellt.

6 StVollzG 6 Behandlungsuntersuchung. Beteiligung des Gefangenen (1) Nach dem Aufnahmeverfahren wird damit begonnen, die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse des Gefangenen zu erforschen. Hiervon kann abgesehen werden, wenn dies mit Rücksicht auf die Vollzugsdauer nicht geboten erscheint. (2) Die Untersuchung erstreckt sich auf die Umstände, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung des Gefangenen im Vollzug und für die Eingliederung nach seiner Entlassung notwendig ist. Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches verurteilt worden sind, ist besonders gründlich zu prüfen, ob die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt angezeigt ist. (3) Die Planung der Behandlung wird mit dem Gefangenen erörtert.

7 StVollzG 7 Vollzugsplan (1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung ( 6) wird ein Vollzugsplan erstellt. (2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen:» 1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,» 2. die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt,» 3. die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen,» 4. den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung,» 5. die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung,» 6. besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen,» 7. Lockerungen des Vollzuges und» 8. notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung. (3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen. (4) Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, ist über eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt jeweils nach Ablauf von sechs Monaten neu zu entscheiden.

Anspruch auf Vollzugsplan Der Gefangene hat ein Recht auf die Erstellung eines Vollzugsplanes Jedoch ist der Gefangene in diesem Zusammenhang zur Mitwirkung bei der Behandlungs- bzw. Eingangsuntersuchung verpflichtet» Anerkennung der Subjektstellung des Gefangenen» der Gefangene ist nicht blosses Objekt des Vollzugs bzw. der Behandlung

BVerfG Strafverteidiger 1994, S. 93f Aufstellung eines Vollzugsplanes für Lebenslänglichen» Art. 19 IV GG gewährt Rechtsschutz auch für die Überprüfung der Rechtsfehlerfreiheit des Aufstellungsverfahrens und des inhaltlichen Gestaltungsermessens (beispw. Erfüllung der Mindestanforderungen)

4 Einschränkung von Rechten 4 II, Satz 1 soweit im Strafvollzugsgesetz enthalten 4 II, Satz 2 Generalklausel:» zur Aufrechterhaltung der Sicherheit» zur Abwehr schwerwiegender Störungen enge Auslegung der Generalklausel

Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz Bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften Strafvollzugsgesetz enthält:» verwaltungsinterne Regelungen, keine Aussenwirkung» Strafvollzugsgesetz: Bundesgesetz» Strafvollzugsverwaltung: Landesverwaltung» Zielsetzung: einheitliche Anwendung des Gesetzes» Ermessen (kann)» Unbestimmte Rechtsbegriffe (Beurteilungsspiel-räume) Verwaltungsvorschriften setzen Richtlinien für die Ermessensausübung» keine Ersetzung der Einzelfallprüfung» Ermessen muss ausgeübt werden (Vorschriften ersetzen das Gesetz nicht)

LG Hamburg Strafverteidiger 1/2001, S. 33 Ein türkischer Staatsangehöriger, der eine Freiheitsstrafe verbüßt und gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung vorliegt, beantragt die Verlegung in den offenen Vollzug. 10 I: Verlegung in den offenen Vollzug» Fluchtgefahr» Gefahr neuer Straftaten Verwaltungsvorschrift zu 10» I, c: Vom offenen Vollzug ausgeschlossen sind Gefangene, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung besteht

Überprüfung Ermessen und unbestimmte Rechtsbegriffe Vollständig ermittelter und zutreffender Sachverhalt Richtiger Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt Grenzen des Beurteilungsspielraums/Ermessens eingehalten

Die Unterbringung der Gefangenen

European Prison Rules Unterbringung Accommodation 14. Prisoners shall normally be lodged during the night in individual cells except in cases where it is considered that there are advantages in sharing accommodation with other prisoners. Where accommodation is shared it shall be occupied by prisoners suitable to associate with others in those conditions. There shall be supervision by night, in keeping with the nature of the institution. 15. The accommodation provided for prisoners, and in particular all sleeping accommodation, shall meet the requirements of health and hygiene, due regard being paid to climatic conditions and especially the cubic content of air, a reasonable amount of space, lighting, heating and ventilation. 16. In all places where prisoners are required to live or work: a. the windows shall be large enough to enable the prisoners, inter alia, to read or work by natural light in normal conditions. They shall be so constructed that they can allow the entrance of fresh air except where there is an adequate air conditioning system. Moreover, the windows shall, with due regard to security requirements, present in their size, location and construction as normal an appearance as possible; b. artificial light shall satisfy recognised technical standards. 17. The sanitary installations and arrangements for access shall be adequate to enable every prisoner to comply with the needs of nature when necessary and in clean and decent conditions. 18. Adequate bathing and showering installations shall be provided so that every prisoner may be enabled and required to have a bath or shower, at a temperature suitable to the climate, as frequently as necessary for general hygiene according to season and geographical region, but at least once a week. Wherever possible there should be free access at all reasonable times. 19. All parts of an institution shall be properly maintained and kept clean at all times.

Unterbringungsgrundsätze des Strafvollzugsgesetzes 143 144 Größe der Vollzugsanstalt muss eine Individuelle Behandlung erlauben Gliederung in überschaubare Betreuungs- und Behandlungsgruppen Wohnliche Ausgestaltung Genügend Luftinhalt Gewährleistung gesunder Lebensführung (Lüftung, Heizung etc.)

Belegungsgrundsätze 145 146 Festsetzung der Belegungsfähigkeit» Angemessene Unterbringung während der Ruhezeit» Genügend Raum für Arbeit, Ausbildung, Freizeit und Besuch etc. Verbot der Überbelegung Ausnahmen» Vorübergehend» Mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde

Tageseinteilung: 82 Allgemeine Struktur der Unterbringung Arbeitszeit Ruhezeit Freizeit

Tagesablauf Typischer Verlauf eines Strafvollzugstages 05.48 Uhr Wecken 06.00 Uhr Frühstücksausgabe 06.35 Uhr Arbeitsbeginn 11.50 Uhr Mittagspause 12.35 Uhr Ende Mittagspause 15.20 Uhr Arbeitsende 15.30 Uhr Beginn Aufenthalt im Freien (Hofgang) 16.30 Uhr Ende Aufenthalt im Freien 16.45 Uhr Abendessen Ausgabe 17.00 Uhr Beginn der Freizeit 20.30 Ende der Freizeit (Einschluss)

Art der Unterbringung Freizeit Gemeinsame Unterbringung Arbeitszeit Gemeinsame Unterbringung Ruhezeit Einzelunterbringung

Unterbringung während Arbeit und Freizeit 17 Grundsätze in Absatz 1 und Absatz 2 Gemeinsame Unterbringung bei der Arbeit (Ausbildung etc.) Gemeinsame Unterbringung in der Freizeit Ausnahmen:» Schädlicher Einfluss auf andere Gefangene» Untersuchung nach 6 (Obergrenze 2 Monate)» Sicherheit und Ordnung der Anstalt» Zustimmung des Gefangenen

Ausnahmen von der Gemeinschaftsunterbringung Einschränkung der Gemeinschaftsunterbringung und Einzelhaft ( 89) Beschränkt durch Erforderlichkeit Schädlicher Einfluss» Abhängigkeitsverhältnisse» Krimineller Einfluss Sicherheit/Ordnung» Drogenkonsum» Ausbruchsgefahr/Meutereigefahr

Einzelunterbringung 18 Einzelunterbringung während der Ruhezeit als Grundsatz Ausnahmen:» Hilfsbedürftigkeit» Gefahr für Leib/Leben des Gefangenen

Gründe für Einzelunterbringung Angleichungsgrundsatz Individuelle Gestaltung des Haftraums Privatsphäre Schutz des Gefangenen Subkulturelle Einflüsse Gewalt Erfurt, 24.09.2002 Nach dem Mord an einem Häftling in der Justizvollzugsanstalt Ichtershausen und dem jetzt begonnenen Prozess gegen weitere Zelleninsassen des Toten möchte, von der Landesregierung wissen, was für die Erziehung der jungen Häftlinge in den Gefängnissen getan wird.

OLG Celle NStZ 1999, S. 216f Das Recht auf Einzelunterbringung Antragssteller verbüßt längere Freiheitsstrafe und wird mit einem anderen Gefangenen in einem Einzelhaftraum untergebracht 18 verleiht Anspruch auf Einzelunterbringung» 18 II, 2: Vorübergehend/dringende Gründe» 18 I, 2: Hilfsbedürftig/Gefahr für Leben-Gesundheit» 201 Nr. 3» Keine Einschränkung durch 146!

Einzelzelle im offenen Vollzug Die Unterbringung in einer Mehrpersonenzelle im offenen Vollzug bedarf der Zustimmung des Gefangenen ( 18 II). Die Verweigerung der Zustimmung durch den Gefangenen ist kein Kriterium, den Gefangenen im geschlossenen Vollzug unterzubringen, KG, 3 Ws 507/02, 03.12.2002, NStZ-RR 2003, S. 125-126

BGH, Urteil vom 4. 11. 2004, III ZR 361/03 Feststellung der Strafvollstreckungskammer: die gemeinsame Unterbringung (zwei Tage) von fünf Gefangenen in einem nachts verschlossenen, 16 qm großen Haftraum bei Abtrennung der Toilette nur mit einem Sichtschutz ist rechtswidrig und verstößt gegen das Gebot menschenwürdiger Unterbringung (Art. 1, 2 I GG) Klage auf Schmerzensgeld gemäß 839 BGB i.v. mit Art. 34 GG ( 847 BGB a.f., jetzt: 253 Abs. 2 BGB n.f.); Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes (Rechtsbehelf zur Abwehr von Persönlichkeitsverletzungen, BVerfG NJW 2000, 2187 f) Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung der Strafvollstreckungs-kammer im Verfahren nach 109 StVollzG für den Amtshaftungsprozess? Entscheidung des LG: Pro Tag kann ein Gefangener 100 Schmerzensgeld beanspruchen (LG Hannover; StV 2003, 568 mit Anm. Lesting): Organisationsverschulden des Landes Allerdings BGH: nicht aus jeder Beeinträchtigung der Menschenwürde folgt ein Schmerzensgeldanspruch; ein gewisses Mindestmaß muss die Beeinträchtigung erreichen; auch die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit kann der Genugtuung dienen (Verweis auf Rechtsprechung des EGMR zur Wiedergutmachung durch Geldersatz (Art. 41 EMRK) nach Verstößen gegen Art. 3 EMRK, Urteil vom 16. Dezember 1997, Raninen./. Finnland; Urteil vom 19. April 2001, Peers./. Griechenland)

Der Haftraum

Fragestellungen zum Haftraum Architektur des Haftraums Größe des Haftraums Ausstattung des Haftraums Kontrolle des Haftraums

Die Grösse des Haftraums Das Strafvollzugsgesetz enthält keine genauen Angaben European Prison Rule 15: a reasonable amount of space Rechtsprechung: LG Bremen (Abschiebehaft): Unterbringung von 5 Gefangenen auf etwa 18 m² ist menschenunwürdig (InfAuslR 1995, S. 67ff) OLG Frankfurt StV 1986, 27: Unterbringung von 3 Gefangenen auf ca. 12 m² ist verfassungswidrig LG Braunschweig NStZ 1984, S. 286: Haftraum von etwa 8 m² für 2 Gefangene ist verfassungswidrig Die Unterbringung in einer Einzelzelle ohne abgetrennten WC Bereich mit einem zweiten Gefangenen ist rechtswidrig, LG Koblenz, 7 StVK 2/03, 12.06.2003 Die Zuweisung eines mehrfach belegten Einzelhaftraums verstößt gegen Art. 1 I GG (Achtung der Menschenwürde) und Art. 3 EMRK (Verbot menschenunwürdiger Behandlung), sofern die Toilette nicht abgetrennt oder nicht gesondert entlüftet wird, oder sofern nicht pro Gefangenen mindestens 18 m³ Luftraum und 7 m² Bodenfläche vorhanden sind, OLG Frankfurt a./m., 3 Ws 578/03, 18.07.2003; ähnlich OLG Celle, 1 Ws 171/03, 03.07.2003, NStZ-RR 2003, 316.

Ausstattung des Haftraums Grundsätze Beschränkungen Anstalt stellt die Grundausstattung des Haftraums 144 Angemessene Ausstattung mit persönlichen (eigenen) Gegenständen» Lichtbilder und Erinnerungsstücke von persönlichem Wert werden belassen Behinderung der Übersichtlichkeit des Haftraums Gefährdung der Sicherheit und Ordnung

Grundausstattung

Angemessener Umfang Auslegungsgrundsätze Menschenwürdige Gestaltung der Privatsphäre, abgeleitet aus dem Grundsatz der Angleichung 3 I» Selbständige Gestaltung» Individuelle, persönliche Umgebung» Grundbedarf (Bett, Tisch, Schrank, Stuhl etc.)» Persönliche Dinge (Bilder etc.), die nicht durch andere Rechte umfasst sind (beispw. Bücher für Ausbildungszwecke oder Gegenstände zur Freizeitgestaltung, vgl. 70 I; religiöse Schriften und Gegenstände 53 II, III; Zeitschriften und Zeitungen 68; Rundfunk und Fernsehgeräte 69; persönlicher Gewahrsam 83) Vereinbarkeit mit räumlichen Voraussetzungen

Eigene Sachen Nicht nur Gegenstände, die der Gefangene mitgebracht hat, sondern auch solche, die grundsätzlich vom Gefangenen erworben werden können. Insoweit entspricht dem Recht des Gefangenen auf angemessene Ausstattung der Zelle die Verpflichtung der Anstalt, dem Gefangenen die Anschaffung von Gegenständen zu ermöglichen (OLG Zweibrücken, NStZ 1986, S. 477) Eigene Sachen sind nicht nur Ausstattungsgegenstände, sondern auch Gebrauchsgegenstände

Gestaltung des Haftraums Gestaltungsfreiheit wie ein Mieter? Wohnliche Ausgestaltung des Haftraums? OLG Zweibrücken: Antrag auf Trennung des WCs von dem Haftraum selbst» 144 enthält keine Rechtsposition des Gefangenen» Dem Ermessen sind Grenzen gesetzt durch Art. 1 GG (Menschenwürde), das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Strafe (Art. 3 EMRK), die Europäischen Mindestgrundsätze» Räumliche Abtrennung des WCs bei Mehrbettzellen sicher erforderlich

Beschränkungen Durch Behinderung der Übersichtlichkeit Durchsuchung» Überschaubarkeit von der Tür aus? Versteckmöglichkeiten (Teppichboden) Sicherheit/Ordnung Konkretisierung der Gefahr» Tierhaltung?» Kaffeemaschine/Computer?» Videorecorder/Fernsehgerät?» Armbanduhr im Wert von 100 DM?

OLG Stuttgart NStZ 1988, 574f Eine Strafgefangene beantragt eine Leselampe für die Zelle Vollzugsanstalt lehnt ab, da die Gefangene, die wegen terroristischer Straftaten verurteilt worden war, gefährlich sei. Die Leselampe setze einen elektrischen Anschluss voraus, der aber zur Gefährdung von Bediensteten und der Strafgefangenen selbst missbraucht werden würde (ohne dass allerdings Missbrauchsrisiko oder Gefährdung konkretisiert worden wären). Bei Annahme einer konkreten Gefahr: Abwägung zwischen Grad der Gefahr einerseits und den Interessen der Gefangenen sowie dem Vollzugsauftrag Angleichung der Lebensverhältnisse andererseits

Spielekonsole / Playstation II Auch in einer Anstalt höchster Sicherheitsstufe gefährdet die Playstation II Sicherheit und Ordnung nicht. Erforderlich ist jedoch, dass das Gerät verplombt wird und Spiele über die Vermittlung der JVA bezogen werden, um so der JVA eine Kontrolle zu ermöglichen, OLG Karlsruhe, 1 Ws 230/02, 10.03.2002, Strafverteidiger 2003, S. 407-408

BverfG Strafverteidiger 1994, S. 147ff, Widerruf der Genehmigung zum Besitz von Lautsprechern Anlass: Geiselnahme in der Strafvollzugsanstalt Begründung: Boxen können zum Versteck gefährlicher Gegenstände dienen

Verfahrensfragen Wie geht ein Gefangener vor, wenn er einen bestimmten Gegenstand (beispw. Lautsprecherboxen) für den Haftraum will? 83 I: Gewahrsam an Sachen nur mit Genehmigung der Vollzugsbehörde» Ausnahme: Sachen von geringem Wert, die von anderen Gefangenen angenommen werden Antrag bei der Strafvollzugsleitung Voraussetzungen des 19 (1) Der Gefangene darf seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten» eigene Sachen, auch solche Sachen, die der Gefangene mit eigenen Mitteln erwerben kann» angemessener Umfang: unbestimmter Rechtsbegriff

Unbestimmter Rechtsbegriff Rechtsbegriffe sind grundsätzlich durch das Gericht überprüfbar Aber: Der Verwaltung bleibt ein Das Gericht überprüft, ob» Beurteilungsspielraum, der mehrere Handlungsoptionen enthalten kann» Vollständig ermittelter und zutreffender Sachverhalt» Richtiger Begriff des Versagungsgrundes» Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten

Rücknahme einer Erlaubnis Regeln über den begünstigenden Verwaltungsakt Vertrauensschutz, folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip Der Bürger soll sich grundsätzlich darauf verlassen dürfen, dass eine einmal (auch zu Unrecht) gewährte Rechtsposition auch Bestand hat Bei einem Widerruf ist zu fragen, ob dieses Vertrauen enttäuscht werden darf, vgl. auch 83 III» Erforderlich ist eine Abwägung der Interessen des Bürgers am Bestand und des Gemeinwohls/derAnstaltssicherheit» Dabei ist (im vorliegenden Fall) einzubeziehen, ob der Gefangene Anlass zu Misstrauen gegeben hat

Türspion Darf Türspion von innen abgedeckt werden? Interessenkonflikt zwischen Kontrolle und Privatsphäre Recht auf Privatsphäre (Art2, 1 GG) Verschiedene Auffassungen» Grundsätzliche Zulässigkeit des Türspions» Abdecken ist erlaubt, jedenfalls bei nicht flucht- oder suizidgefährdeten Gefangenen» Gebrauch eines Türspions nur unter den Voraussetzungen des 4 II, 2

Bekleidung im Strafvollzug 20 I: Der Gefangene trägt Anstaltskleidung Allerdings: 20 II, 2: Im Ermessen des Anstaltsleiters, das Tragen von eigener Kleidung zu gestatten Angleichungsgrundsatz Ökonomische Belange der Strafvollzugsanstalt (vgl. 20 II, 2)

Begründung von Gefängniskleidung Stigmatisierung/Degradierung Sichtbarkeit/Kontrolle Ökonomie

Stigmatisierung und Kleidung Die Rückkehr der Wheelbarrow Men : Chaingangs in den USA Neue Scham -Strafen: Sichtbarkeit des Bestrafungsvorganges

Arbeit im Strafvollzug Ausgangspunkt:» Arbeitspflicht 41 I für zu Freiheitsstrafe verurteilte Straftäter» Ausnahmen: Beschäftigungsverbote, >65 Jahre, 41 I, 3 Zwangsarbeit ist nur im Rahmen richterlich verhängter Freiheitsentziehung (Freiheitsstrafe) erlaubt Art. 12 III GG Keine Arbeitspflicht für» U-Häftlinge (Unschuldsvermutung)» Sicherungsverwahrte

Arbeit in Vollzugsanstalten Historisch maßgeblich beeinflusst durch Arbeitsethik Gefängnisindustrie? Grundlagen ökonomischer Verwertung von Gefängnissen Problem der Ausbildung und Geeignetheit von Gefangenen Das Verschwinden der Arbeit

Arbeit und Freiheitsstrafe Zwangsarbeit als Strafe, Freiheitsentzug als Nebeneffekt Freiheitsstrafe mit Schwerarbeit (Arbeit als Strafverschärfung) Arbeit als Resozialisierungsmittel und zur Förderung der Wiedereingliederung

Hard Labour Rudolf Ackermann Coldbath Fields Prison, from Microcosm of London (1808

Für und Wider Gefängnisarbeit Pro Arbeit resozialisiert Arbeit schafft mehr Zufriedenheit im Gefängnis Arbeit ist ökonomisch sinnvoll Für Anstalt Für freie Unternehmer Für Gefangene Contra Gefangene werden ausgebeutet Lohn dumping und unzulässiger Wettbewerb für freie Arbeit Vernichtung von Arbeitsplätzen in der freien Wirtschaft

Sklavenarbeit * Der entscheidende Faktor mit dem höchsten Gewinnpotential ist jedoch die Gefangenenarbeit - ein wahres Schlaraffenland für die gewinnbringende Ausbeutung menschlicher Arbeit. Weitgehend befreit von allen Sozialabgaben, Nebenkosten und Sicherheitsvorschriften können Firmen hier zum Dumpinglohn Produkte herstellen lassen, deren Palette inzwischen weit über die ehemals traditionellen Gefängniserzeugnisse hinausgeht. Was die Gefangenen am Ende für ihre Arbeit erhalten, lässt sich in den meisten Fällen ohne Übertreibung als "Sklavenlohn" beschreiben. Zum Beispiel Dino Navarrete, ein wegen Entführung verurteilter Gefangener, der in einem "medium security"-gefängnis in Monterey, Kalifornien seine Strafe absitzt. Navarrete fertigt dort Arbeitshemden an. Sein Verdienst nach allen Abzügen für einen ganzen Monat 9-stündiger Arbeitstage: rund 60 Dollar. Kein Wunder, dass allein in den Jahren 1980 bis 1994 die Zahl der in der Gefängnisindustrie beschäftigten US-Häftlinge um 358 Prozent anstieg. * Joseph Delius: Die Strafgesellschaft. Der Ausbau der Gefängnissysteme und seine Folgen. 24. Mai 2000 www.wsws.org/de/2000/mai2000/gefa-m24.shtml

Gefangenenarbeit für Bedienstete Gefangenenarbeit für Bedienstete der Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen RV d. Ministers für Inneres und Justiz vom 2. Juli 1998 (2402 - IV B. 21) Die Bediensteten der Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen können im Rahmen der folgenden Bestimmungen die Arbeit von Gefangenen in Anspruch nehmen und Erzeugnisse der Arbeitsbetriebe der Justizvollzugsanstalten beziehen.

Ausgaben und Einnahmen Justizvollzug Bayern 2001/2002 Kosten des Vollzuges Für das laufende Haushaltsjahr 2002 sind im Haushaltsplan für die Justizvollzugsanstalten vorgesehen Gesamteinnahmen von 46,9 Mio. EUR, darunter 44,1 Mio. EUR aus der Gefangenenarbeit. Gesamtausgaben von: 285,7 Mio. EUR, davon 172,3 Mio. EUR Personalausgaben 64,1 Mio. EUR sächliche Verwaltungsausgaben 22,4 Mio. EUR Zuweisungen und Zuschüsse 15,3 Mio. EUR Baumaßnahmen 7,7 Mio. EUR Investitionen. Für Baumaßnahmen sind aus Privatisierungserlösen zusätzlich Ausgabemittel in Höhe von 19,7 Mio. EUR veranschlagt. Die Ergebnisse des Haushaltsjahres 2001 geben folgendes Bild: Gesamteinnahmen von 48,9 Mio. EUR, darunter 45,2 Mio. EUR aus der Gefangenenarbeit. Gesamtausgaben von: 268,7 Mio. EUR, davon 160,6 Mio. EUR Personalausgaben 61,2 Mio. EUR sächliche Verwaltungsausgaben 22,5 Mio. EUR Zuweisungen und Zuschüsse 33,3 Mio. EUR Baumaßnahmen 5,2 Mio. EUR Investitionen. Daraus ergibt sich ein Zuschussbedarf in Höhe von 219,8 Mio. EUR.

Einnahmen aus Gefangenenarbeit Bayern 1991-2003 Quelle: www.justizvollzugbayern.de/jv/ Aufgaben/Behandlung/Arbeit

Arbeit und Resozialisierung Ansätze Verbesserung der Berufsausbildung Verbesserung des Zugangs zum Arbeitsmarkt durch nachfrageorientierte Programme durch angebotsorientierte Programme Rückfalluntersuchungen zeigen keine bedeutsamen Auswirkungen Bushway, S., Reuter, P. (1997): Labour Markets and Crime Risk Factors. In: Sherman, L.W., Gottfredson, D.C., MacKenzie, D.L., Eck, J. Reuter, P., Shawn D., Bushway, S.D. (Hrsg.): Preventing Crime: What Works, What Doesn t, What s Promising. National Institute of Justice: Washington.

Internationale Vereinbarungen zur Zwangsarbeit UN Slavery Convention, 1926 ILO C29 Forced Labour Convention, 1930 UN Supplementary Convention on the Abolition of Slavery, the Slave Trade and Institutions and Practices Similar to Slavery, 1956 ILO C105 Abolition of Forced Labour Convention, 1957

ILO Forced Labour Convention 1930 Article 2 1. For the purposes of this Convention the term forced or compulsory labour shall mean all work or service which is exacted from any person under the menace of any penalty and for which the said person has not offered himself voluntarily. 2. Nevertheless, for the purposes of this Convention, the term forced or compulsory labour shall not include (c) any work or service exacted from any person as a consequence of a conviction in a court of law, provided that the said work or service is carried out under the supervision and control of a public authority and that the said person is not hired to or placed at the disposal of private individuals, companies or associations

WTO und GATT* Article XX General Exceptions Subject to the requirement that such measures are not applied in a manner which would constitute a means of arbitrary or unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail, or a disguised restriction on international trade, nothing in this Agreement shall be construed to prevent the adoption or enforcement by any contracting party of measures: (e) relating to the products of prison labour * General Agreement on Tariffs and Trade

Arbeit und European Prison Rules Rule 71. 1. Prison work should be seen as a positive element in treatment, training and institutional management. 2. Prisoners under sentence may be required to work, subject to their physical and mental fitness as determined by the medical officer. 3. Sufficient work of a useful nature, or if appropriate other purposeful activities shall be provided to keep prisoners actively employed for a normal working day. 4. So far as possible the work provided shall be such as will maintain or increase the prisoner's ability to earn a normal living after release. 5. Vocational training in useful trades shall be provided for prisoners able to profit thereby and especially for young prisoners. 6. Within the limits compatible with proper vocational selection and with the requirements of institutional administration and discipline, the prisoners shall be able to choose the type of employment in which they wish to participate.

Grundsätze der European Prison Rules Arbeit ist bedeutsam für Resozialisierung und für die Organisation der Vollzugsanstalt Arbeit soll auf die Fähigkeiten und Möglichkeiten des einzelnen Gefangenen ausgerichtet werden Arbeit im Strafvollzug soll Arbeitsfähigkeiten erhalten und für Erwerbsarbeit nach Entlassung vorbereiten

Ansatz des Strafvollzugsgesetzes 37 I: Zielsetzung besteht (insbesondere) in der Förderung der Fähigkeit, einer Erwerbsfähigkeit nach Entlassung nachzugehen Weitere Zielsetzungen: Förderung des Selbstwerts 37 II: wirtschaftliche Ergiebigkeit soll zur Möglichkeit von Unterhaltsleistungen sowie Schadenswiedergutmachung beitragen 37 II: Anpassung an die individuellen Fähigkeiten und Interessen

Arten von Arbeit wirtschaftlich ergiebige Arbeit ( 37 II), angemessene Beschäftigung ( 37 IV), arbeitstherapeutische Beschäftigung ( 37 V) Hilfstätigkeiten in der Anstalt ( 41 I, 2).

Grundsatz Der Gefangene soll eine qualifizierte und wirtschaftlich ergiebige Tätigkeit verrichten ( 37) Keine stumpfsinnige Arbeit