Enossale Implantate zur orthodontischen Verankerung und prothetischen Versorgung ein doppelter Nutzeffekt



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Transkript:

Enossale Implantate zur orthodontischen Verankerung und prothetischen Versorgung ein doppelter Nutzeffekt Implantate stellen für die kieferorthopädische Behandlung ein ideales Verankerungselement dar. In Fällen mit mangelnder desmodontaler Verankerung z. B. durch reduzierte Zahnzahl oder parodontale Erkrankung sowie bei Nichtakzeptanz extraoraler Verankerungshilfen können Implantate orthodontische Therapien ermöglichen oder wesentlich vereinfachen. Besonders ideal ist eine kombinierte orthodontische und prothetische Nutzung von Implantaten im Lückengebiss. Das Vorgehen wird anhand ausgewählter Fallbeispiele dargestellt. In der Kieferorthopädie stellt bei jeder Behandlung die Verankerung ein grundlegendes Problem dar. Nach dem Prinzip des statischen Gleichgewichtes (actio = reactio) kann eine aktive Zahnbewegung nur durchgeführt werden, wenn die erforderlichen Kräfte durch eine entsprechende Verankerung aufgefangen werden können 6,38. Die hierzu herangezogenen Zähne oder Zahngruppen bewegen sich als Folge der Krafteinwirkung ebenfalls, d. h. es kommt zum Verankerungsverlust. Die zahngetragene (desmodontale) Verankerung stellt deshalb eine der größten Einschränkungen in der modernen orthodontischen Behandlung dar 3. Wenn keine ausreichende desmodontale Verankerung z. B. aufgrund einer reduzierten Zahnzahl oder parodontalen Erkrankung gegeben ist, muss auf zusätzliche extraorale oder intraorale Verankerungshilfen zurückgegriffen werden 5. Extraorale Verankerungen sind aber nicht immer möglich oder können vom Patienten abgelehnt werden. Implantate als ideale Verankerung Es ist seit längerem bekannt, dass osseointegrierte Implantate die für eine orthodontische Behandlung erforderlichen Kräfte aufnehmen können 4,16,17,20,21,22,27, 32,33. Im Gegensatz zur prothetischen Belastung, wo hohe, intermittierende Kräfte möglichst axial einwirken, handelt es sich in der Kieferorthopädie um kontinuierliche, niedrige, extraaxial, oft horizontal oder extrusiv ansetzende Kräfte 10,24,37. In verschiedenen Studien am Tier konnte mittlerweile gezeigt werden, dass unter derartiger Belastung die Osseointegration eines Implantates erhalten bleibt 21,24,28, 32,33,36,40. Es wurden sogar unter orthodontischer Krafteinwirkung eine marginale Knochenapposition am Implantat sowie Remodellingvorgänge am periimplantären Knochen im Sinne einer Anpassung an die Belastungssituation beobachtet 23,33,36,40. Die Position des Implantates ändert sich dabei nicht, d. h. es tritt kein Verankerungsverlust ein. Somit stellen Implantate eine ideale, complianceunabhängige Verankerung dar 9,16,30,35. Einzige Voraussetzung ist die Osseointegration der Implantate bei Belastungsbeginn 1,2,16,18. Eine Sofortbelastung nach Insertion kommt also in der Regel nicht in Betracht 26,29,38. In Abhängigkeit von der periimplantären Knochensituation muss eine ausreichend lange, unbelastete Einheilphase von zwei bis sechs Monaten abgewartet werden 10,23. Danach können die Implantate für alle Arten der Zahnbewegung je nach Indikationslage genutzt werden, d. h. Mesiali- Prof. Dr. Dr. Dr. Helmut H. Lindorf Studium der Medizin und Zahnmedizin mit Promotion zum Dr. med. und Dr. med. dent. Universität Erlangen- Nürnberg Facharztausbildung zum Arzt für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und plastische Operationen Universität Erlangen-Nürnberg und Denver/USA 1980 Habilitation zum Dr. med. dent. habil. 1980 Gastprofessur in Denver/USA 1981 Niederlassung in Nürnberg mit Belegabteilung Klinikum Hallerwiese 1983 Ermächtigung zur Weiterbildung von Zahnärzten im Gebiet der Oralchirurgie 1986 Ernennung zum Professor 1988 Internationaler wissenschaftlicher Beirat des Journal of Craniofacial Surgery 1995 Liste der führenden Medizinforscher 2001 Diplomatenstatus des International Congress of Oral Implantologists Leiter des N-I-Z, Nürnberger Implantologie Zentrum 97 wissenschaftliche Veröffentlichungen, zahlreiche Vorträge 1 Monographie Zahlreiche Patente und Gebrauchsmuster für chirurgische Instrumente zur Durchführung neuer Operationsmethoden Arbeitsschwerpunkte: Implantologie (BDIZ), Dysgnathiechirurgie 16

Dr. Renate Müller-Herzog Studium der Zahnmedizin mit Promotion zum Dr. med. dent. Universität Erlangen-Nürnberg Seit 1983 Ausbildungs- und Weiterbildungsassistentin in Praxis Prof. Dr. Dr. Lindorf, Nürnberg, später angestellte Zahnärztin 1987 Gebietsbezeichnung Oralchirurgie Seit 1997 Gemeinschaftspraxis mit Prof. Dr. Dr. Lindorf, Dr. B. Janus und Dr. E. Körner in Nürnberg Zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen und Vorträge Jahrespreis der Arbeitsgemeinschaft Kieferchirurgie gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Lindorf Arbeitsschwerpunkte: Chirurgische Zahnerhaltung; Parodontologie; Implantologie sierung, Distalisierung, Achsenkorrektur, Intrusion, Extrusion etc 10. Sie können dabei wahlweise als alleinige Verankerung oder zur zusätzlichen Stabilisierung von Zähnen oder Zahngruppen dienen, gegen die die gewünschte Zahnbewegung durchgeführt wird. Orthodontische Implantate Implantate können aus rein orthodontischer Indikation auch bei einer vollständig vorhandenen Dentition eingesetzt werden. Dabei müssen Knochenangebote außerhalb der Zahnreihe genutzt werden, die allerdings nur im begrenztem Umfang vorhanden sind. Beispiele sind mediane oder paramediane palatinale Implantate 8,25,31,34,35,36,39 oder retromolare Implantate 9,22,23. Die Anwendung wird am jugendlichen oder erwachsenen Patienten empfohlen, im Kindesalter ist unabhängig von der Wachstumsproblematik in der Regel das Knochenangebot nicht ausreichend 7,19. Nachteilig ist, dass aufgrund des begrenzten Knochenangebotes oft ein spezielles Implantatdesign, z. B. besonders kurze Implantate benötigt werden. Es konnte aber gezeigt werden, dass auch sehr gering dimensionierte osseointegrierte Implantate geeignet sind, die orthodontischen Kräfte aufzunehmen 36,40. Gelegentliche Implantatverluste während der unbelasteten Einheilphase sind zwar beschrieben worden 32, ziehen aber in dieser Behandlungsphase noch keine weitreichenden Konsequenzen nach sich. Die osseointegrierten Implantate waren dann unter Belastung stabil 32. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass die Implantate nur temporär benötigt werden und in der Regel nach der Behandlung wieder entfernt werden. Dies ist auf Grund der geringen Dimensionierung aber nicht allzu aufwendig. Der Vorteil dieser rein orthodontischen Implantate ist in einer zuverlässigen Verankerung in Problemsituationen unabhängig von der Compliance des Patienten zu sehen 34. Es kann dadurch Verankerungsverlust vermieden und z. B. auf unbeliebte extraorale Apparaturen verzichtet werden. So werden elegante kieferorthopädische Lösungen ermöglicht. Da es inzwischen konfektionierte Implantate für diese Indikation gibt und auch bei der kieferorthopädischen Behandlung nicht mehr improvisiert werden muss, dürfte die Implantatverankerung bei Jugendlichen und Erwachsenen zukünftig an Bedeutung gewinnen 38. Orthodontisch-prothetische Implantate Implantate mit zunächst orthodontischer und später prothetischer Nutzung kommen im Lückengebiss zur Anwendung 30. Eine weitere Voraussetzung stellt der Abschluss des skelettalen Wachstums dar 26,29,38, wie er in der Regel auch bei rein prothetischen Implantaten gefordert wird. Die oben genannten Nachteile der rein orthodontischen Implantate gelten hier nicht: Es können normal dimensionierte Implantate im Alveolarfortsatz in zahnbegrenzte Lücken oder Freiendlücken inseriert werden, d. h. es kann das gesamte Spektrum der prothetischen Implantologie mit standardisierten Techniken und vorhersagbar guten Erfolgsraten genutzt werden. Es müssen keine besonderen kieferorthopädischen Techniken zum Einsatz kommen. Das orthodontische Vorgehen ist analog dem mit einer guten dentalen Verankerung. Konfektionierte Aufbauten, z. B. Healing-Abutments oder Gingivaformer können zum Anbringen eines Brackets genutzt werden. Die Implantate werden nach Abschluss der orthodontischen Therapie prothetisch versorgt und somit doppelt genutzt. In manchen Situationen werden dadurch orthodontische Behandlungen überhaupt erst ermöglicht 30, z. B. wenn bei einer Freiendlückensituation ein frontaler Engstand aufgelöst und dazu Prämolaren distalisiert werden sollen. Aber selbst in weniger extremen Fällen, wo eine präprothetische kieferorthopädische Behandlung von der Dentition her noch möglich ist, kann durch die optimale Verankerung, die ein Implantat darstellt, die Behandlung erleichtert oder beschleunigt werden. Zumal ist ja von vornherein absehbar, dass eine spätere prothetische Lückenversorgung erfolgen müsste. Bei der Planung können dabei prothetische Belange optimal berücksichtigt werden, d. h. das Implantat wird in die später gewünschte prothetische Position inseriert 17

und dann nur vorübergehend orthodontisch genutzt. Dabei ändert sich die Implantatposition nicht. Klinisches Vorgehen anhand von Fallbeispielen Eine klassische Indikation stellt die Freiendlücke oder mangelnde Verankerung distal dar, wenn z. B. zum Derangement eines frontalen Engstandes Zähne distalisiert oder eine protrudierte Front korrigiert werden sollen. Im Oberkiefer kommen dazu noch extraorale Verankerungen in Betracht, die aber für den Patienten eine erhebliche Belastung darstellen, im Unterkiefer ist das Problem kaum lösbar. Anhand von zwei Fallbeispielen mit Langzeitbeobachtung soll das Vorgehen exemplarisch gezeigt werden. Kasuistik 1 Auflösung eines frontalen Engstandes im Unterkiefer bei Distalbisslage und parodontal geschädigtem Lückengebiss Die damals 27-jährige Patientin stellte sich im Januar 1985 erstmals bei uns vor. Bei der Eingangsuntersuchung wurde eine mandibuläre Retrognathie mit tiefem Biss, Protrusion der Oberkieferfront, Engstand der Unterkieferfront mit Eckzahnaußenstand sowie eine Schaltlücke im rechten Unterkiefer und eine Parodontitis marginalis profunda diagnostiziert (Abb. 1 a,b,i,l). Nach einer systematischen Parodontalbehandlung sollte zunächst eine kieferorthopädische Ausrundung der Zahnbögen, Korrektur der Zahnachsen und Auflösung des frontalen Engstandes mit Einordnung der Zähne 33 und 43 erfolgen. Danach wurde eine Vorverlagerung des Unterkiefers in toto zur chirurgischen Dysgnathie-Korrektur mit zusätzlicher Kinnrandverschiebung zur Profilverbesserung geplant. Diese Planung warf allerdings kieferorthopädische Probleme auf: Im rechten Unterkiefer wäre eine Distalisierung von 44 und Einordnung von 43 zur Auflösung des frontalen Engstandes nicht möglich gewesen, da der endständige parodontal geschädigte Molar im rechten Unterkiefer keinerlei Verankerung bot. Deshalb wurde am 15.02.1985 regio 46 ein IMZ- Implantat gesetzt mit dem Ziel, es zunächst für kieferorthopädische Zwecke zu nutzen und später möglichst für die prothetische Versorgung der Lücke (Abb. 1 c). Abb. 1 a: Ausgangsbefund im Fallbeispiel 1: Distalbisslage, tiefer Biss, Engstand Unterkieferfront, Gingivitis und Parodontitis Abb. 1 b: Ausgangsbefund im Fallbeispiel 1: Distalbisslage, tiefer Biss, Protrusion der Oberkieferfront Abb. 1 c: Insertion eines IMZ-Implantates regio 46 zur Verankerung bei mesial gekipptem, parodontal geschädigtem 47 Zum damaligen Zeitpunkt lagen noch keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über das Verhalten von Implantaten unter orthodontischer Belastung vor. Das Implantat wurde deshalb auch nicht wie heute in einer aus prothetischer Sicht geplanten optimalen Position inseriert, sondern etwas nach distal geneigt, um einen möglichst guten Widerstand gegen die nach mesial ansetzenden Zugkräfte zu gewährleisten. Heute wissen wir, dass dies nicht erforderlich ist (Abb. 1 m). Während der Einheilphase erfolgte eine systematische Parodontalbehandlung in allen Quadranten. Am 27.08.1985 wurde dann das Implantat freigelegt. Zum damaligen Zeitpunkt waren noch keine konfektionierten Gingivaformer verfügbar, die heutzutage das Anbringen eines Brackets und die Verwendung als Kfo- Pfeiler sehr einfach machen. Es musste deshalb improvisiert und eine Kronenbasis verwendet werden (Abb. 1 d). Außerdem wies das Implantat damals noch keine Rotationssicherung auf. Trotzdem erfüllte es seinen Zweck und diente als sichere Verankerung. In den folgenden Wochen wurden die Zähne 35, 45 (nicht erhaltungswürdig) und 14 extrahiert, dann erfolgte die geplante kieferorthopädische Ausrundung der Zahnbögen (Kfo: Frau Dr. U. Macher, Nürnberg) (Abb. 1 e, f). Am 08.05.1987 wurde der Unterkiefer mittels sagittaler Ramusosteotomie in toto nach anterior verlagert, mittels OP-Splint eingestellt und funktionsstabil nach der Tandem-Methode verschraubt 11,12,13. Nach Abb. 1 d: Improvisierter Aufbau zur Ermöglichung einer kieferorthopädischen Nutzung 18

Abb. 1 e:ausrundung des Zahnbogens im Unterkiefer mit Auflösung des frontalen Engstandes, Distalisierung von 44 und Einordnung von 33, 43 Abb. 1 f: Fortsetzung der kieferorthopädischen Behandlung im Ober- und Unterkiefer mit Ausrundung der Zahnbögen und Retraktion der Oberkieferfront Abb. 1 g: Abschlussergebnis nach kieferorthopädischer Behandlung, chirurgischer Dysgnathie-Korrektur und prothetischer Versorgung Abb. 1 h: 10 Jahre nach Behandlungsabschluss: stabile neutrale Verzahnung Abb. 1 i: Patientin en face bei Behandlungsbeginn knöcherner Konsolidierung erfolgte die kieferorthopädische Feineinstellung und Retentionsphase. Ca. 1 Jahr postoperativ, im Juli 1988, wurde die Patientin vom behandelnden Zahnarzt (Dr. Niederalt, Nürnberg) prothetisch versorgt. Dabei wurde das Implantat als Brückenpfeiler genutzt, der parodontal geschädigte distale Molar wurde mit einbezogen mit der Option, ihn bei Problemen abtrennen und extrahieren zu können (Abb. 1 m). Eine vorgeschlagene zusätzliche Kinnkorrektur im Sinne einer Kinnrandverschiebung zur Verbesserung des kosmetischen Ergebnisses wurde von der Patientin zum damaligen Zeitpunkt nicht gewünscht. Sie zeigte sich nach der durchgeführten, rein funktionell orientierten Therapie mit dem Ergebnis und der resultierenden kosmetischen Verbesserung sehr zufrieden. Die Behandlung wurde am 24.09.1991 von uns abgeschlossen (Abb. 1 g, k). 10 Jahre nach Behandlungsabschluss erfolgte 2001 eine Kontrolluntersuchung (Abb. 1 h, m). Dabei zeigte sich ein in jeder Hinsicht sehr stabiles Ergebnis. Das Implantat weist nach 16 Jahren in situ keinerlei Knochenabbau auf. Auch der parodontale Zustand ist stabil geblieben, der als fragwürdig prognostizierte Molar 47 ist nach wie vor in Funktion. Zur Entfernung des Osteosynthesematerials und Abb. 1 k: Patientin en face bei Behandlungsabschluss eine ergänzende Kinnkorrektur lehnte die Patientin ab Abb. 1 l: Orthopantomogramm bei Behandlungsbeginn Abb. 1 m: Orthopantomogramm 10 Jahre nach Behandlungsabschluss einer ergänzenden Kinnplastik, wie von uns vorgeschlagen, konnte sich die Patientin bis jetzt noch nicht entschließen. Die Langzeitbeobachtung zeigt eindrucksvoll, dass selbst mit den vor 16 Jahren noch nicht optimalen Mitteln (nicht rotationsgesichertes Implantat, kein konfektionierter Aufbau etc.) ein auch aus heutiger Sicht sehr gutes Ergebnis erzielt werden konnte, das die Patientin voll zufrieden stellt. Ohne Einsatz eines Implantates wäre der Fall mangels Verankerung kieferorthopädisch kaum zufriedenstellend lösbar gewesen. 19

Abb. 2 a: Ausgangsbefund im Fallbeispiel 2: Distalbisslage, tiefer Biss, frontaler Engstand im Oberkiefer Abb. 2 c: Ausgangsbefund im Fallbeispiel 2: Freiendlücke linker Oberkiefer, frontaler Engstand, Oberkieferkompression Abb. 2 e: Nutzung der Implantate als Verankerung für die orthodontische Behandlung mittels verlöteter Bänder Abb. 2 b: Ausgangsbefund im Fallbeispiel 2: Distalbisslage, tiefer Biss, Freiendlücke linker Oberkiefer nach Entfernung von 27 Kasuistik 2 Auflösung eines frontalen Engstandes im Oberkiefer bei Distalbisslage, tiefem Biss und einseitiger Freiendlücke im Oberkiefer Die damals 28-jährige Patientin hat sich erstmals im Dezember 1993 bei uns vorgestellt. Diagnostiziert wurden eine mandibuläre Retrognathie mit tiefem Biss, Engstand im Ober- und Unterkiefer sowie nicht erhaltungswürdigem 27 bei fehlendem 26 und 28. Nach Entfernung von 27 resultierte also eine Freiendlücke im linken Oberkiefer regio 26 bis 28 (Abb. 2 a, b, c, i). Außerdem klagte die Patientin über zeitweilige Kiefergelenksbeschwerden. Extraorale Verankerungshilfen lehnte die Patientin ab. Darüber hinaus wünschte sie einen festsitzenden Zahnersatz im Bereich der Freiendlücke. Es bot sich also an, regio 26 und 27 zwei Implantate zu setzen. Am 05.07.1994 wurden zwei Brånemark-Implantate mit Durchmesser 5 mm und Abb. 2 d: Insertion von 2 Branemark-Implantaten regio 26, 27. Die Planung der Implantatposition erfolgte nach prothetischen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der geplanten kieferorthopädischen und chirurgischen Korrekturen Länge 6 mm, ein Prototyp ohne Schulter, regio 26 und 27 unter Nutzung des ortsständigen Knochenangebotes inseriert 15 (Abb. 2 d). Es erfolgten also keine zusätzlichen augmentativen Maßnahmen z. B. im Sinne eines Sinuslifts. Der ortsständige Knochen wies eine Dichte D3 nach Misch 14 auf. Die Implantate wurden in Bezug auf Achsenrichtung und Abstand zum distalen Pfeilerzahn mittels Bohrschablone so gesetzt, dass nach der geplanten kieferorthopädischen Therapie eine prothetisch sinnvolle Position resultieren würde (Abb. 2 d, f). Während der Einheilphase erfolgte eine Aufbissschienen-Therapie mit einer modifizierten Shoreschiene zur Therapie der Kiefergelenksbeschwerden. Am 13.02.1995 wurden die Implantate regio 26 und 27 freigelegt und es wurden konfektionierte Healing-Abutments mit möglichst großer Bauhöhe für das Anbringen von Brackets (Abb. 2 f) eingesetzt. Die elongierten Zähne 37 und 38 Abb. 2 f: Nach Abschluss der kieferorthopädischen Therapie stehen die Implantate in prothetisch korrekter Position Abb. 2 g: Abschlussergebnis nach kieferorthopädischer Behandlung, chirurgischer Dysgnathiekorrektur und prothetischer Versorgung Abb. 2 h: Abschlussergebnis mit stabiler neutraler Verzahnung 20

Abb. 2 i: Patientin im Profil bei Behandlungsbeginn Abb. 2 k: Patientin im Profil bei Behandlungsabschluss wurden zu diesem Zeitpunkt etwas eingeschliffen. Außerdem erfolgte eine Hemisektion 36 mit Entfernung der mesialen Wurzel aus kieferorthopädischer Indikation, um Platz für die Distalisierung der Zähne 34 und 35 zu erhalten. Die beiden Implantate wurden dann als Kfo-Verankerung für die erforderliche Distalisierung im Oberkiefer benutzt (Kfo: Dr. S. Ziegler, Regensburg). Sie wurden durch verlötete Bänder verblockt, um trotz der geringen Implantatlänge und der problematischen D3- Knochenqualität eine verlässliche Stabilität über den gesamten Behandlungszeitraum zu gewährleisten (Abb. 2 e). Nach Ausrundung der Zahnbögen erfolgte am 24.04.1997 die chirurgische Vorverlagerung des Unterkiefers in toto nach sagittaler Ramusosteotomie mit übungsstabiler Tandemverschraubung 11, 12,13 (Abb. 2 l, m). Nach kieferorthopädischer Feineinstellung und Retentionsphase wurde im Juni 1998 zunächst der Unterkiefer prothetisch versorgt. Im September 1998 wurden auf den beiden Implantaten im Oberkiefer individualisierte TiAdapt-Abutments und zementierte Kronen eingesetzt (prothetische Versorgung: Frau Dr. Poizat, Beratzhausen). Auch hier zeigten Kontrolluntersuchungen ein bis jetzt absolut stabiles Ergebnis (Abb. 2 g, h, k). Die langjährige Verlaufskontrolle zeigt, dass selbst gering dimensionierte Implantate in nicht gerade idealen Knochenverhältnissen die auftretenden Belastun- 21

Abb. 2 l: Fernröntgenseitbild vor chirurgischer Dysgnathiekorrektur gen durch die orthodontische Therapie und spätere prothetische Versorgung aufnehmen konnten. Durch die orthodontische Krafteinwirkung kam es im Sinne eines progressive bone loading zu Remodellingvorgängen im periimplantären Knochen, was sich klinisch durch zunehmend niedrige Periotestwerte zeigte. Die prothetische Wertigkeit der Implantate wurde dadurch sogar verbessert. Das gute Ergebnis konnte mit relativ geringem Aufwand erreicht werden. Diskussion und Zusammenfassung Abb. 2 m: Fernröntgenseitbild nach Vorverlagerung des Unterkiefers mittels sagittaler Ramusostoetomie und Tandemverschraubung Implantate stellen für die kieferorthopädische Behandlung ein ideales Verankerungselement dar. Rein kieferorthopädisch genutzte temporäre Implantate können spezielle Verankerungsprobleme lösen und/oder den Einsatz extraoraler Verankerungshilfen überflüssig machen. Sie zeigen keinen Verankerungsverlust, sind complianceunabhängig einsetzbar und weisen somit wohl ein deutlich größeres Indikationsspektrum auf als bisher genutzt wird. Durch speziell konfektionierte gering dimensionierte Formen sind sie ohne allzu großen Aufwand auch beim vollbezahnten Patienten in extraalveolären Lokalisationen nutzbar. Die Indikation ist beim jugendlichen und erwachsenen Patienten zu sehen, der vollbezahnt ist oder nur kleinere Lücken aufweist, die im Zuge der kieferorthopädischen Behandlung geschlossen werden sollen. Bei Implantaten mit kombiniert kieferorthopädisch-prothetischer Indikation ist der doppelte Nutzen besonders augenfällig und somit auch dem Patienten gut vermittelbar. Es können die normalen aus der Prothetik bekannten Implantatformen im Sinne einer Standard-Therapie eingesetzt werden. Alle Implantatsysteme bieten inzwischen geeignete Abutments, die eine orthodontische Behandlung ohne besonderen Aufwand ermöglichen. Die Indikation ist nach Abschluss des skelettalen Wachstums gegeben, wenn im Lückengebiss eine präprothetische kieferorthopädische Therapie erfolgen soll. Dabei kann es sich um umfangreichere Dysgnathie-Behandlungen handeln, wie in den Fallbeispielen gezeigt. Es können aber auch kleinere präprothetische Maßnahmen, wie z. B. Aufrichtung gekippter Pfeilerzähne, Korrektur einer aufgefächert protrudierten Front im parodontal geschädigten Gebiss oder ähnliches durchgeführt werden. Durch die sichere Verankerung werden derartige präprothetische kieferorthopädische Therapien vereinfacht und der Zeitaufwand reduziert. Sowohl unsere klinischen Erfahrungen, die wir anhand ausgewählter Langzeitfälle vorgestellt haben als auch verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zu dieser speziellen Implantatindikation zeigen, dass es sich dabei um eine bewährte Therapieform handelt, die zu vorhersagbar guten Ergebnissen führt und somit in Zukunft an Bedeutung gewinnen dürfte. Die Literaturliste kann bei der Redaktion angefordert werden. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Dr. Dr. H. Lindorf Dr. R. Müller-Herzog Fürther Straße 4a 90429 Nürnberg Tel.: 0911/2870770 Fax: 0911/269851 E-mail: info@professor-lindorf.de Mehr zum Thema Implantologie finden Sie im zahnmedizinischen Internetportal www.dentall.de / implantologie 22