5. Hörgeräte-Technologien und Hörgeräte-Typen -I 5.1 Allgemeines Dank der grossen technologischen Fortschritte, die die Hörgeräteindustrie in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, können heute in der Gehör-Rehabilitation deutlich bessere Leistungen erbracht werden als noch vor wenigen Jahren. Das Hör-Gerät wird damit immer mehr zu einem»versteh-gerät«. Die Wiedergabequalität, Klangfarben und Klangnuancen werden besser. Vom Hör-Gerät zum»versteh-gerät«hörgeräte werden heute zu Unrecht als einfacher Klangverstärker im Sinn eines Hörrohres betrachtet, als System, das die Klänge der Umgebung aufnimmt, einheitlich verstärkt und so an das Trommelfell des Schwerhörigen leitet. Ein modernes Hörgerät ist jedoch nicht einfach nur ein Klangverstärker, sondern vielmehr eine äußerst leistungsfähige HiFi-Anlage in Miniaturformat mit weitgehenden technischen Möglichkeiten. Die Klangverarbeitungsprozesse werden individuell und präzise in vier verschiedenen Verstärkungskurven abhängig vom Eingangs-Schalldruck-Pegel (siehe Kapitel 2 Das Ohr ) an das Resthörvermögen des Schwerhörigen angepasst. So werden die eingehenden Töne spezifisch ihres Verständnisses unterschiedlich in Tonhöhe und Eingangs-Lautstärke verstärkt. Im Idealfall entsteht eine auf den Hörverlust zugeschnittene Klang-Entzerrung, die von den Betroffenen als»normales Hören«empfunden wird. Signale nicht nur verstärken, sondern in der Tonhöhe entzerren! Schwerhörigkeit ist genau genommen eine»fehlhörigkeit«. Die Töne werden zum einen leiser wahrgenommen. Zum andern werden Wortteile in Abhängigkeit von den Tonhöhen (tiefe Töne, hohe Töne) oft nur noch bruchstückhaft, teilweise überhaupt nicht verstanden. Die Sprache wird verzerrt wahrgenommen. Dynamik - Lautstärke Moderne Hörgeräte-Technologien gehen also auf das Erfordernis ein, dass nicht alle Eingangslautstärken in gleichem Maße verstärkt werden. Leises wird sehr stark verstärkt, Lautes wird dagegen leiser gemacht (komprimiert). Die modernen Hörgeräte kompensieren diese beiden Sachverhalte. Umgekehrt erscheinen nach dieser Auffüllung die neuen Wortteile einem Normalhörenden als ein unverständliches Klanggemisch. Der Effekt ist etwa vergleichbar mit dem Eindruck, der entsteht, wenn sich eine Person mit normalem Sehvermögen die Brille eines stark Fehlsichtigen auf die Nase setzt.
5. Hörgeräte-Technologien und Hörgeräte-Typen -II 5.2 Die wichtigsten Formen von Hörgeräten Vereinfachend können die heutigen aktuellen Hörgeräte in 8 Grundtypen unterschieden werden. Alle 8 Hörgeräte-Typen teilen sich in 4 Bauelemente auf: 1. Mikrophon = Empfänger, 2. Verstärker, 3. Verbindungsteil zum Ohr als offener Schlauch oder Kabel, Batterie und zuletzt 4. Hörer = Lautsprecher. Ursprünglich, am Anfang der Hörgeräte-Entwicklung, in den 50-iger Jahren, wurden im HdO-Gerät (Typ 1.a) mit Ausnahme des Verbindungsschlauches selbst alle Bauelemente in einem Gehäuse konzentriert, das hinter dem Ohr lag. Heute wird immer mehr den Anforderungen der Technologie und der Hörsituation entsprochen und die Bauelemente funktionsorientiert aufgeteilt. Die aktuellste Entwicklung zeigt sich besonders im Typ 2, dem HdO-Gerät mit externer Hörer-Technologie. Der Einsatz der verschiedenen Geräte-Typen hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Form und Grad des Hörverlustes, sowie Verlust der Tonhöhe oder Anatomie des äußeren Ohres. Je nach Schwerhörigkeit reicht der Schlauch aus, die Töne an das Ohr weiterzuleiten. Im Extremfall, bei hoher Schwerhörigkeit, müssen die Töne mit Hilfe eines zusätzlichen Passstückes im äußeren Gehörgang verstärkt werden. 1.a 1.b 1. Hinter dem Ohr getragenes Gerät (HdO-Gerät) mit Verbindungsschläuchen Die einfachste Form eines direkt am Körper getragenen Hörge-rätes stellt das Hinter-dem-Ohr-Gerät dar. Es ist bei Typ 1.a etwa 8 mm, bei Typ 1.b etwa 4 mm hoch. Die Länge beträgt bei Typ 1.a 30 mm und bei Typ 1.b 20 mm. Es wird mit seiner gebogenen, dem Ohr angepassten Form hinter das Ohr gehängt. Erst bei näherem Hinsehen ist es erkennbar. Mikrofon (Empfänger), Verstärker und Hörer (Lautsprecher) befinden sich zusammen in einem Gehäuse hinter dem Ohr. Der Verbindungsschlauch zum Gehörgang hat einen Aussendurchmesser von 3 mm (Typ 1.a) oder 2 mm (Typ 1.b). Die Industrie bietet neuerdings beide Typen mit unterschiedlichen Anschlussmöglichkeiten der Typen 1.a u. 1.b (Ohrbogen = Hörwinkel) an jeweils dicken oder dünnen Schläuchen an. Die Abbildung 1.b zeigt das kleinere Gehäuse und den dünnen Schlauch. Im Ohr befindet sich die Schlauchhalterung oder ein Ohrpassstück. Der Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Offene Versorgung (siehe Ziffer 4.3 und Kapitel 2 Geschäfts-Schwerpunkt ). Hier bieten sich die Typen 1.a u. 1.b mit ihren Variationen der Anschlussmöglichkeiten an.
5. Hörgeräte-Technologien und Hörgeräte-Typen -III 2 2. Hinter dem Ohr getragenes Gerät (HdO-Gerät) mit ausgelagertem Hörer Der Hörer ist ausgebaut und befindet sich im Gehörgang. Ein Kabel mit einem Durchmesser von 2 mm verbindet den Hörer mit Mikrophon und Verstärker. Je nach Schwerhörigkeit können die Hörer mit Domes (Silikon-Schirmchen) oder nach Maß gefertigten Ohrpassstücken ergänzt werden. Der Vorteil liegt in einem größeren Breitbandspektrum, in der Übertragung und in einem klareren Klangbild wegen der Nähe des Hörers zum Trommelfell. Durch den Wegfall des Schlauches (Typ 1.a und Typ 1.b) gibt es weniger Verzerrungen. 3 3. Im-Ohr-Gerät (IdO-Gerät) Das Im-Ohr-Gerät wird im Gehörgang getragen. Dort sitzen Mikrophon, Verstärker und Hörer. Das IDO-Gerät ist auch bei näherem Hinsehen kaum erkennbar. Es hat den Vorteil, dass wegen der größeren Nähe des Hörers zum Trommelfell nur eine geringere Verstärkung benötigt wird. Nachteilig ist die unangenehme Trageweise (Verschluss-Effekt) sowie die verhältnismäßig starke Übertragung von Störgeräuschen. 4 4. Halboffenes Im-Ohr-Gerät mit ausgelagertem Mikrophon (Empfänger) Das Mikrophon und der Hörer sind baulich getrennt und durch ein Kabel verbunden. Das Mikrophon sitzt geschützt in der oberen Ohr-Falte. Verstärker, Batterie und Hörer sind in einem kleinen Gehäuse vereint. Das Hörer-Modul sitzt halboffen im Gehörgang. Für hochgradige Schwerhörige gibt es das Hörer-Modul ähnlich dem Im-Ohr-Gerät als Ohrpassstück. Es dichtet den Gehörgang besser ab.
5. Hörgeräte-Technologien und Hörgeräte-Typen -III 5 5. Hörbrille Die Hörbrille stellt die einfachste Form der Hörgeräte dar. Sie wird wie eine Brille aufgesetzt. Ein passender Kunststoff-Adapter verbindet das Hinter-dem-Ohr-Gerät mit dem Brillenbügel. Dieser wiederum wird um die Hälfte seiner Länge gekürzt und ist mit dem Adapter vergossen. Zum Gehörgang führt ein größerer Schlauch mit einem Durchmesser von 3 mm. Im Bedarfsfall gibt es auch noch ein kleines Ohrpassstück.
5. Hörgeräte-Technologien und Hörgeräte-Typen -IV 5.3 Die Technik der offenen Versorgung als Arbeitsschwerpunkt der Firma Wiebke Hörsysteme Die beginnende Altersschwerhörigkeit mit ihrem typischen Hochtonverlust, der durch das nicht mehr mögliche Erkennen von Konsonanten und Zischlauten eine Fehlhörigkeit zur Folge hat, sollte möglichst offen versorgt werden. damit ist gemeint, daß so wenig Schlauch/Ohrpassstück wie möglich im Gehörgang sich befindet. Das Ziel einer solchen Versorgung ist ja die Anhebung (Verstärkung) der hohen Frequenzen bei gleichzeitigem Erhalt des tief-frequenten Höreindrucks. Die natürliche Gehörgangsresonanz wird hierbei erhalten; sie bewirkt eine Verstärkung der hohen Frequenzen mit einem Maximum zwischen 2000 und 4000 Hz von ca. 20 db. Ein geschlossenes Ohrpassstück verändert diese natürliche Gehörgangsresonanz massiv. So ist das Problem vieler Hörgeräteversorgungen, der technische Klang, der durch den Verschlusseffekt entsteht, erklärt. Die offene Versorgung erlaubt ebenfalls den ungehinderten Zugang von Richtungsinformationen im tief-frequenten Bereich. Bislang galten ein Crosschlauch bzw. eine Schlauchhalterung schon als offene Ver-sorgung. Eine weiter Verbesserung wurde durch die aktuelle Slim-/Microtube- Schlauchanbindung mit ihrer großartigen visuellen Unauffälligkeit erreicht. Hierbei wirkt der offene Gehörgang als Störgeräuschunterdrückung und die eigene Stimme bleibt in ihrer Natürlichkeit erhalten. Diese Schlauchanbindungen sind darüber hinaus beinahe nicht spürbar. 5.4 Technologische Konzepte für die Hörgeräte und Ihre Leistungsmomente Nach Technologien und Leistungskategorien gegliedert umfasst die aktuelle Produktpalette folgende Gerätetypen und -modelle: Digital programmierbare Geräte. Diese werden mit dem Computer oder einem speziellen Programmiergerät ans Hörvermögen der Schwerhörigen angepasst. Die meisten modernen Geräte verfügen heute über digitale Programmierungen. Fernsteuerbare Geräte verfügen über ein Steuerkästchen, mit dem je nach Hörsituation auf weitere Programme -z. B. für Musik, Gespräch, Strasse- zugegriffen und außerdem die Lautstärke reguliert werden kann. Zoom- oder Multimikrofon-Geräte, die über spezielle, zuschaltbare Richtmikrofone für Dialoge in lärmiger Umgebung verfügen.
5. Hörgeräte-Technologien und Hörgeräte-Typen -V Mehrkanalgeräte mit zwei oder mehr Kanälen für bestimmte Frequenzabschnitte. Deren spezielle Eignungen liegen unter anderem im Ausgleich starker Hörverluste im Tiefton-, Sprach- oder Hochtonbereich. Digital verarbeitende Hörgeräte. Diese wandeln die analogen akustischen Signale in digitale Daten um, verarbeiten diese in einem Minicomputer und verwandeln sie wieder in Analogsignale zurück. Diese Hörgerätetypen ermöglichen eine besonders präzise Signalverarbeitung. Automatik-Geräte. Diese reagieren sensibel auf den Pegel der Umgebungsgeräusche und passen ihre Leistungen selbstregulierend an das jeweilige Hörumfeld an. Geräte mit externer Hörertechnologie. Hier ist der Lautsprecher, der normalerweise am Geräteausgang liegt, in den Gehörgang platziert worden (siehe Ziffer 5.2, Typ 2). Durch die größere Nähe zum Trommelfell baut sich ein erhöhter Schalldruck auf und so ein klareres und lauteres Hören. Die Verbindung zwischen dem elektromagnetischen Hörer und dem Verstärker geschieht über eine elektrische mit transparentem Kunststoff ummantelte Kabelverbindung.
5. Hörgeräte-Technologien und Hörgeräte-Typen -VI 5.5 Die Zusammenarbeit mit der Industrie Individuelles Empfinden steht über technischen Vorgaben Die Industrie bietet immer anspruchsvollere und scheinbar perfekte Anpassvorschläge mit den passenden Sollkurven an. Es entsteht dabei oft ein Gegensatz zwischen Empfindungen des Patienten und den Vorschlägen bzw. Aussagen der Anpasssoftware. Die individuellen Empfindungen der verschiedenen Kunden können natürlich nicht sämtlich von der Industrie erfasst werden. Es muß versucht werden, diese Aussagen und Empfindungen des Patienten mit den Vorgaben der verschiedenen Firmen in Übereinstimmung zu bringen. Hierbei werden von mir unabhängig die Vorteile aller Anbieter genutzt. Wesentliche Anbieter sind WIDEX