umwandelt, bzw. ein up-quark des Protons in ein down-quark übergeht. Die unten stehenden Abbildungen zeigen die entsprechenden Feynman-Diagramme



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Transkript:

Die Schwache Kraft Das bereits erschienene Tutorial Standardmodell der Teilchenphysik ist eine zusammenfassende Darstellung der Elementarteilchen und der zwischen ihnen wirkenden fundamentalen Kräfte. In diesem Tutorial soll die Schwache Kraft näher untersucht werden. Die Schwache Kraft wirkt auf Quarks und Leptonen. Sie ist verantwortlich für die Umwandlung von Quarks in andere Quarks und von Leptonen in andere Leptonen. Im Quartett der vier fundamentalen Kräfte ist die Schwache Kraft die einzige, die eine Änderung des Quark-Flavours (deutsch: Geschmack) bewirken kann. Als Überträger der Schwachen Kraft dienen drei unterschiedliche Eichbosonen (Austauschteilchen): das elektrisch neutrale Z 0 -Boson, das elektrisch positive geladene W + - und das negativ geladene W -Boson. Zu den bekanntesten durch die Schwache Kraft verursachten Prozesse zählen die Umwandlung eines Protons in ein Neutron, der Zerfall freier Neutronen in Protonen, der Beta-Zerfall unter Aussendung eines Elektrons oder eines Positrons und der Einfang eines Elektrons durch den Kern eines Atoms. Ferner ermöglicht die Schwache Kraft den Aufbau von Elementen, die massereicher sind als Eisen und die nicht durch Kernfusion erzeugt werden können. Bei allen genannten Prozessen kommt es zu einem Wechsel des Quark-Flavours. Die Schwache Wechselwirkung ist eine extrem schwache Kraft. Bezeichnet man die relative Stärke der stärksten elementaren Kraft, der Starken Kraft, mit 1, so hat die Schwache Kraft nur eine relative Stärke von 10-13. Und da die drei Bosonen eine relativ große Masse besitzen (Masse Z 0 = 91,2 GeV/c 2 und Masse der W-Bosonen = 80,4 GeV/c 2 ), ist auch die Reichweite der Schwachen Kraft, entsprechend der im Tutorial Die Starke Kraft angegebene Formel, mit 2,2 x 10-18 Meter bzw. 2,5 x 10-18 Meter extrem klein. In etwa ist das ein Tausendstel des Durchmessers eines Protons. Betrachten wir die Prozesse der Schwachen Wechselwirkung im Detail. Zur Veranschaulichung benutzen wir, wie in den vorangegangenen Tutoren, Feynman- Diagramme. Zunächst zur Erinnerung: Neutronen und Protonen bestehen aus je drei Quarks, das Neutron aus einem up- und zwei down-quarks, das Proton aus zwei upund einem down-quark. Die Umwandlung eines Neutrons in ein Proton bzw. eines Protons in ein Neutron vollzieht sich im Inneren dieser Kernbausteine, indem sich beim Neutron, unter dem Einfluss eines W-Bosons, ein down-quark in ein up-quark 1

umwandelt, bzw. ein up-quark des Protons in ein down-quark übergeht. Die unten stehenden Abbildungen zeigen die entsprechenden Feynman-Diagramme Im linken Bild emittiert das down-quark ein negativ geladenes W-Boson, das vom down-quark (elektrischen Ladung 1/3) eine negative Ladung von 3/3 abzieht und es damit in ein up-quark (elektrische Ladung +2/3) transformiert. Der Ladungstausch berechnet sich zu 1/3 ( 3/3) = 1/3 + 3/3 = +2/3. (1) Für die Umwandlung eines up-quarks in ein down-quark (rechtes Bild) sorgt ein positiv geladenes W-Boson, das dem up-quark eine positive Ladung entzieht und ein down-quark hinterlässt. In diesem Fall gilt: +2/3 (+3/3) = +2/3 3/3 = 1/3. (2) Tritt anstelle der geladenen W-Bosonen ein neutrales Z-Boson, so ändert der Austausch des Bosons nichts (siehe unten stehende Diagramme). Das down-quark bleibt ein down-quark bzw. das up-quark bleibt ein up-quark. Gleiches gilt für den Austausch eines neutralen Z-Bosons zwischen zwei Leptonen: Es ändert sich nichts. In der unten stehenden Abbildung ist das am Beispiel eines Elektrons bzw. eines Elektron-Neutrinos dargestellt. 2

Ein Austausch geladener W-Bosonen führt dagegen zu einer Umwandlung von Leptonen. Auch hier nimmt das vom Elektron emittierte negativ geladene W-Boson dessen negative Ladung mit und hinterlässt ein ungeladenes Elektron-Neutrino. Desgleichen verwandelt ein positiv geladenes W-Boson ein Elektron-Neutrino in ein Elektron (Abbildungen unten). Bei der Umwandlung von Leptonen ist zu beachten, dass der Wechsel stets nur innerhalb einer Leptonen-Familie stattfindet. So kann sich beispielsweise ein Elektron nur in ein Elektron-Neutrino, nicht aber in ein Myon- oder ein Tau-Neutrino umwandeln. Die bisher dargestellten Diagramme bezeichnet man übrigens als primitive oder auch fundamentale Vertices (Knoten), deren Abläufe so nicht beobachtbar sind. Zur Darstellung realer, in der Natur vorkommender Ereignisse muss man mindestens zwei primitive Vertices zu einem Prozess mit mindesten zwei Knotenpunkten kombinieren. Kommen wir zu den wichtigsten durch die Schwache Wechselwirkung vermittelten Prozessen. Das betrifft insbesondere das in den Sternen ablaufende Wasserstoffbrennen. Wie alle in diesem Stadium befindlichen Sterne gewinnt auch unsere Sonne ihre Energie aus der Verschmelzung von vier Protonen zu einem Heliumkern. Wie im Tutorial Die Starke Kraft in Bild 14 dargestellt, startet der 3

Prozess mit der Verschmelzung zweier freier Protonen zu einem aus einem Proton und einem Neutron bestehenden Deuteron. Beschreiben wir kurz, was geschieht: Damit eines der Protonen in ein Neutron umgewandelt werden kann, müssen sich zunächst die beiden positiv geladenen Protonen so nahekommen, dass die Kernkräfte mit ihren kurzen Reichweiten über die abstoßende Coulomb-Kraft dominieren. Dazu muss eines der Protonen den Coulomb-Wall des anderen Protons überspringen. Die dazu nötige Energie beträgt rund 1 MeV. Aufgrund der Temperatur von ca. 10 7 Kelvin im Kern der Sonne besitzen die Protonen jedoch nur eine kinetische Energie von circa 1 kev. Für einen Sprung des Protons über den Coulomb-Wall ist das um den Faktor 1000 zu wenig. Im Rahmen der klassischen Physik sollten sich daher die beiden Protonen nicht ausreichend nahekommen können. Dass es dennoch geschieht, verdankt sich dem quantenmechanischen Tunneleffekt, wonach für das gegen den Coulomb-Wall anlaufende Teilchen eine gewisse, wenn auch sehr geringe Wahrscheinlichkeit besteht, den Wall zu durchtunneln. Sind sich zwei Protonen schließlich ausreichend nahe, so emittiert eines der zwei up-quarks eines Protons ein positiv geladenes W-Boson, wobei sich das up-quark in ein down-quark umwandelt. Der Ladungswechsel erfolgt gemäß Gleichung (2). Anschließend zerfällt das W-Boson in ein Positron und ein Elektron- Neutrino. Man bezeichnet diesen Prozess auch als Beta-plus-Zerfall (β + -Zerfall). Die unten stehende Abbildung zeigt links das entsprechende Feynman-Diagramm auf der Ebene der Fermionen, rechts die Umwandlung auf der Nukleonen-Ebene gemeinsam mit dem am Prozess beteiligten up- bzw. down-quark und den unbeteiligten sogenannten Zuschauer-Quarks. (Bildquelle: http://cronodon.com/atomic/ewt.html) 4

Nach der Umwandlung fusioniert das entstandene Neutron mit dem zweiten Proton zu einem Deuteron. Fazit: Ohne die Schwache Kraft könnte in den Sternen die Energie liefernde pp-kette nicht ablaufen. Auch bei Atomkernen mit einer großen Anzahl an Protonen kann es zu einem Betaplus-Zerfall kommen. Dabei wandelt sich ein im Atomkern gebundenes Proton entsprechend den obigen Feynman-Diagrammen in ein Neutron um. Bezeichnet man die Kernladungszahl, d.h. die Anzahl der Protonen im Atomkern, mit Z, die Anzahl der Neutronen mit N, so hat das aus dem Mutterkern X durch den Beta-plus-Zerfall entstandene Isotop Y ein Proton weniger, dafür aber ein Neutron mehr. Wieder werden ein Positron und ein Elektron-Neutrino emittiert. Die folgende Beziehung beschreibt den Prozess: X Y+e +ν (3) Der Beta-plus-Zerfall verschiebt das resultierende Isotop in der Nuklidkarte relativ zum Mutterkern nach rechts unten (Bild). Das den Atomkern verlassende Positron wird meist sofort von einem Elektron aus der den Kern umgebenden Elektronenwolke abgefangen, wobei sich das Positron und das Elektron gegenseitig zu einem Gamma-Quant vernichten. Weitaus häufiger ist der sogenannte Beta-minus-Zerfall (β - -Zerfall) zu beobachten, den viele Nuklide mit einem Neutronenüberschuss im Kern zeigen. Dabei wandelt 5

sich ein im Atomkern gebundenes Neutron in ein Proton um und der Kern stößt ein Anti-Elektron-Neutrino und ein Elektron, ein sogenanntes Beta-Teilchen, aus. Derartige Radionuklide bezeichnet man daher auch als Beta-Strahler. Beim Betaminus-Zerfall entführt ein negativ geladenes W-Boson einem der down-quarks des Neutrons eine negative Ladung und wandelt es in ein up-quark um. Die unten stehenden Grafiken zeigen wieder die entsprechenden Diagramme. (Bildquelle: http//:cronodon.com/atomic/ewt.html) Die für den Beta-minus-Zerfall geltende Beziehung lautet: X Y+e +ν. (4) Dementsprechend verschiebt der Beta-minus-Zerfall das resultierende Isotop in der Nuklidkarte relativ zum Mutterkern nach links oben (siehe Bild Seite 5). Auch freie ungebundene Elektronen unterliegen dem Beta-minus-Zerfall. Nach einer mittleren Lebensdauer von rund 885,7 Sekunden, entsprechend einer Halbwertszeit von 10,2 Minuten, zerfallen sie gemäß der bereits aus den obigen Feynman- Diagrammen bekannten Beziehung n p+e +ν. (5) Diese Reaktion war insbesondere kurz vor dem Einsetzen der primordialen Nukleosynthese (pn) von Bedeutung, bei der die ersten Atomkerne der leichten Elemente entstanden. Dazu kurz gefasst das Wesentliche: Im frühen Universum gab es ursprünglich gleich viele Protonen und Neutronen, die sich über die Schwache Wechselwirkung fortwährend ineinander umwandelten. Da aufgrund der Expansion 6

des Kosmos die Temperatur im Universum stetig sank, verschob sich das Reaktionsgleichgewicht mit der Zeit immer mehr in Richtung der Umwandlung von Neutronen in Protonen. Als schließlich die Temperatur so weit gefallen war, dass die Umwandlungsprozesse ganz zum Erliegen kamen man spricht vom Ausfrieren der Prozesse, hatte sich ein Verhältnis von Protonen zu Neutronen von 6 zu 1 eingestellt. Bis jedoch die Nukleosynthese in vollem Umfang einsetzen konnte, musste die Temperatur noch weiter sinken, denn die für die Synthese nötigen, aus einem Proton und einem Neutron bestehenden Saatkerne, die Deuteronen, waren noch nicht stabil. Bis zum Einsetzen der pn zerfielen also weitere Neutronen, bis letztlich ein p zu n Verhältnis von 7 zu 1 erreicht war. Jetzt war auch die Temperatur so weit abgesunken, dass die nötigen Deuteronen nicht mehr in ihre Bestandteile zerfielen und die Synthesereaktionskette starten konnte. Dabei verbanden sich nahezu alle verbliebenen Neutronen mit den Protonen zu Helium und Spuren von Beryllium. Ab da setzt sich die baryonische Materie im Kosmos nach Masse aus rund 25 Prozent Helium und 75 Prozent Wasserstoff zusammen. Wären die Neutronen nicht zerfallen und wäre es bei dem p zu n Verhältnis von 6 zu 1 geblieben, dann bestünde die Materie heute aus 28,6 Prozent Helium und aus nur 71,4 Prozent Wasserstoff. Auf die Frage, ob auch freie Protonen zerfallen, gibt es keine eindeutige Antwort. Hält man sich an das Standardmodell der Teilchenphysik, so lautet die Antwort: nein. Denn entsprechend diesem Modell ist die Baryonenzahl eine Erhaltungsgröße. Bislang hat man auch noch keinen Zerfall eines Protons beobachtet. Im Rahmen der großen vereinheitlichten Theorie (englisch GUT = Grand Unified Theory), in der bis auf die Gravitation alle Fundamentalkräfte in einer einzigen Kraft vereinheitlicht sein sollen, könnte die Erhaltung der Baryonenzahl jedoch aufgehoben sein. Das Proton könnte demnach zerfallen. Allerdings berechnen die Theoretiker dafür eine unvorstellbar lange Halbwertszeit im Bereich von 10 31 bis zu 10 36 Jahren. Der Schwachen Kraft und dem Beta-minus-Zerfall verdankt das Universum auch die massereichen Elemente jenseits von Eisen. Bei den Fusionsprozessen in den Sternen werden ja nur die Elemente bis zum Eisen aufgebaut. Massereichere Elemente können nicht mehr durch Kernfusion entstehen, da bei einem derartigen Prozess keine Energie mehr frei würde, vielmehr Energie aufzuwenden wäre. Nichtsdestotrotz entstehen auch die wirklich massereichen Elemente wie Blei, Gold 7

oder Uran in den Sternen aber auf andere Weise. In einer Umgebung mit einem sehr hohen Neutronenangebot, wie z.b. in der Helium brennenden Schale in Roten Riesensternen, oder noch ausgeprägter hinter der nach außen rasenden Schockwelle einer Supernova des Typs II, kommt es zu Neutronendichten von 10 8 bis 10 29 Neutronen pro Kubikzentimeter. In einem derartigen Umfeld fangen sich die leichten Atomkerne ein oder mehrere dieser Neutronen ein. Die somit entstehenden Isotope sind in der Regel instabil und bauen den Neutronenüberschuss im Kern über den Beta-minus Zerfall wieder ab, d.h. aus einem Kernneutron wird entsprechend der Beziehung (5) ein Proton. Damit hat sich die Anzahl der Kernprotonen um eine Einheit vermehrt. Das ist gleichbedeutend mit einer Erhöhung der Kernladungszahl Z, die man auch als Ordnungszahl bezeichnet. Eine Erhöhung von Z um eine Einheit entspricht im Periodensystem einer Verschiebung um eine Stufe in Richtung schwererer Elemente. Dieser Prozess, Neutroneneinfang und Zerfall, kann sich mehrmals wiederholen. Auf diese Weise klettern die Atomkerne Schritt für Schritt die Stufenleiter zu immer schwereren Elementen empor. Am Ende dieser Kette stehen dann die wirklich massereichen Elemente, mit denen die Sterne am Ende ihres Lebens das interstellare Medium füttern. Gelegentlich bedienen sich die Atomkerne auch bei den Elektronen der sie umgebenden Elektronenwolke. Diesen Prozess bezeichnet man als K-Einfang, englisch: electron capture. K-Einfang deswegen, weil sich in den überwiegenden Fällen der Atomkern ein Elektron aus der innersten Elektronenschale, der K-Schale, schnappt. Anschließend kommt die Schwache Kraft zum Zug und wandelt entsprechend der Beziehung (6) ein Proton in ein Neutron und das Elektron in ein Elektron-Neutrino um, das den Kern verlässt. p+e n+ν (6) Die nachstehende Grafik zeigt das entsprechende Feynman-Diagramm links auf der Quark- und rechts auf der Leptonen-Ebene. Derartige Prozesse nennt man auch semileptonisch. 8

Die Lücke, die das Elektron nach dem K-Einfang in der innersten Schale hinterlassen hat, wird meist unmittelbar durch ein Elektron von einer weiter außen liegenden Schale geschlossen, mit dem Ergebnis, dass ein Gamma-Quant emittiert wird. In weit größerem Umfang ereignet sich dieser Prozess auch in den Supernovae des Typs II. Hat ein massereicher Stern die letzte Brennstufe, die Fusion von Silizium zu Eisen, abgeschlossen, so erlischt das nukleare Feuer endgültig. Wie schon erwähnt, können schwerere Elemente als Eisen nicht mehr fusioniert werden, da Eisen die höchste Bindungsenergie pro Nukleon aufweist und eine Fusion zu noch schwereren Elementen nur unter Zufuhr von Energie möglich wäre. Da in diesem Stadium der den Stern stabilisierende Strahlungsdruck wegfällt, gewinnt ab dem Brennschluss die Gravitation die Oberhand. Der Eisenkern wird komprimiert, Druck und Temperatur steigen rapide und die Eisenkerne werden größtenteils in Protonen und Neutronen dissoziiert. In diesem hochenergetischen Umfeld fangen die freien Protonen die allgegenwärtigen Elektronen ein und verschmelzen mit ihnen entsprechend der Beziehung (6) zu einem vornehmlich aus Neutronen bestehenden Neutronenstern. Man bezeichnet diesen durch die Schwache Kraft verursachten Prozess auch als Neutronisierung. Die dabei entstehenden Elektron-Neutrinos rasen durch die Sternhülle nach außen und heizen sie auf. Berechnungen haben gezeigt, dass ohne den gewaltigen Neutrinofluss die Supernova-Explosion nicht zustande käme. Epilog Da dieses Tutorial die Schwache Kraft zum Thema hat, sind die Prozesse der Nukleosynthese wie auch die zur Entstehung von Neutronensternen nur grob skizziert. Detaillierte Betrachtungen bleiben späteren Tutorials vorbehalten. 9