Zertifikat Nr. 000358/

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Kurzinfo Atom. Die atomare Katastrophe. Fukushima und Tschernobyl heute. www. greenpeace. de

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Transkript:

Zertifikat Nr. 000358/ Greenpeace e.v., Große Elbstr. 39, 22767 Hamburg; Fotos Robert Knoth/Greenpeace; Stand 03/2006 verstrahlt verdrängt vergessen Greenpeace-Ausstellung mit Fotos von Robert Knoth zum Gedenken an die Opfer der Atomkraft Gomel, Weißrussland. Anja Pesenko (15) hat einen Gehirntumor. Sie kam in Sakoptje zur Welt, einem Dorf, das schwer verseucht wurde und letztendlich evakuiert und zerstört werden musste. Mit vier bekam sie ihren ersten Gehirntumor, inzwischen hat sie einen zweiten. www.greenpeace.de/tschernobyl

Am Anfang war der Wille zur Zerstörung. Das Hauptmotiv für die Entwicklung der Atomtechnik: die Optimierung einer Bombe. Tod und Verderben begleiten seit Hiroshima und Nagasaki aber nicht nur die Atombombe, sondern auch die wirtschaftliche Nutzung der Atomkraft. Jeder Kabelbrand, jedes geplatzte Rohr kann aus einem Atomkraftwerk innerhalb von Minuten eine Bombe machen, kann ein neues Hiroshima auslösen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis es tatsächlich dazu kommen sollte. Am 26. April 1986 um 1.23 Uhr war es so weit. Die Explosion im Block 4 des Atomkraftwerkes Tschernobyl geschah, im Gegensatz zum Angriff auf Hiroshima, unbeabsichtigt. Sie wurde aber in Kauf genommen. Mit der Nutzung der Atomkraft wird ein lebensgefährliches Risiko toleriert, verschwiegen, vergessen. Nur: Sieben Millionen Menschen haben nicht den Luxus, Tschernobyl vergessen zu können, mahnt der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan. Sieben Millionen Männer, Frauen und Kinder leiden jeden Tag unter den Folgen der Katastrophe. Kaum einem sind diese Menschen namentlich bekannt. Selbst auf den Krankenakten sind sie nur mit einer anonymen Nummer registriert: Zertifikat Nr. 000358/ ist beispielsweise die Nummer für das Leiden von Anja Pesenko. Letztlich ist die Frage der Nutzung der Atomkraft eine zivilisatorische, ja philosophische: Haben wenige Menschen das Recht, viele andere einer so großen Gefahr auszusetzen? Die Fotos dieser Ausstellung erzählen von den Folgen, die die Atomkraft in Teilen der Ukraine, in Weißrussland, Russland und Kasachstan verursacht hat: von Menschen, die dafür bezahlt haben, dass andere meinten, Atomkraft beherrschen zu können. Der Fotograf Robert Knoth hat in Schwarz-Weiß-Portraits das Leid der betroffenen Menschen festgehalten, ihren Alltag unter schwierigen Bedingungen, ihre Versuche, dem Leben trotzdem ein wenig Glück abzuringen. Die Texte, auf Basis von Interviews mit den Betroffenen, stammen von der Journalistin Antoinette de Jong. www.greenpeace.de/tschernobyl

Wesnowo, Weißrussland. Natascha Popowa (12) und Wadim Kuleschow (8). Natascha kam mit einer Mikrozephalie zur Welt, ihr Kopf ist zu klein. Wadim leidet an einer Knochenkrankheit und ist zudem geistig behindert. Tschernobyl Tschernobyl ist ein kleines Dorf im Norden der Ukraine direkt an der Grenze zu Weißrussland, 130 Kilometer nördlich der heutigen Hauptstadt Kiew. Acht Kilometer von Tschernobyl am Flüsschen Pripjat wurden in den siebziger Jahren die Atomreaktoren und eine eigene Stadt für Arbeiter und ihre Familien gebaut. Die Reaktoren gehörten zu einer russischen Baureihe, denen man relativ leicht Plutonium für Atombomben entnehmen kann. Zehn Kraftwerke sollten am Pripjat entstehen. Vier Atommeiler waren bereits in Betrieb, zwei weitere im Bau, als in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1986 kurz nach ein Uhr der Reaktor 4 in Tschernobyl explodierte: Der Super-GAU, der nicht mehr zu beherrschende Unfall in einem Atomkraftwerk, war eingetreten. Eine erste radioaktive Wolke zog über Polen nach Skandinavien. Am 28. April 1986 löste sich im schwedi- schen Atomkraftwerk Forsmark der automatische Alarm aus: Die Strahlung auf dem Gelände war so hoch, dass man zunächst einen Unfall in Forsmark vermutete. Erst dadurch erfuhr die Weltöffentlichkeit von einem der gravierendsten Unfälle der Industriegeschichte in Tschernobyl. Die radioaktive Belastung in Weißrussland, der Ukraine und Russland ist bis heute katastrophal: Ganze Regionen sind beispielsweise für die Produktion von Nahrungsmitteln auf Jahrhunderte verloren. In den betroffenen Gebieten sind die meisten Menschen heute krank. Von den jungen Menschen, die zu Aufräumarbeiten im verstrahlten Gebiet gezwungen wurden, sind bis 2002 allein nach ukrainischen Angaben bereits 15.000 gestorben.

Gomel, Weißrussland, Kinderkrankenhaus. Darja Sachantschuk (6) hat ein Herzleiden. Nach Angaben des Krankenhausdirektors Wjatscheslaw Ischakowski kommen erblich bedingte Krankheiten seit 1985 mehr als viermal häufiger vor, besonders Herzkrankheiten, die vor Tschernobyl nur selten bei Kindern diagnostiziert wurden.

Kiew, Ukraine. Galina Miroschnitschenko (34) hat Schilddrüsenkrebs.

Naroditschi-Distrikt, Ukraine. Ein Fußballspiel am Sonntagnachmittag zwischen Zone-2 und Zone-3 in der Nähe von Tschernobyl. Zone-2 ist stärker radioaktiv kontaminiert. Auf eigenen Wunsch dürfen die Menschen dort wohnen bleiben, aber es wird ihnen empfohlen umzuziehen. Zone-1 ist Sperrgebiet. Zone-3 hat das Fußballspiel gewonnen. Naroditschi-Distrikt, Ukraine. Sonntagnachmittag in Naroditschi, einer kleinen Stadt wenige Kilometer vom stark radioaktiv kontaminierten Sperrgebiet entfernt. Das Dorf liegt in der Zone-2, d.h. Menschen dürfen sich hier nicht niederlassen, sondern nur wegziehen. Der Erdboden im Dorf und in der Umgebung ist radioaktiv kontaminiert. Eine Umsiedlung ist schwierig, denn die wenigsten haben das nötige Geld dazu.

Kiew, Ukraine, Institut für Schilddrüsenkrebs. Nila Bandarenko aus Schitomir wird zum dritten Mal an der Schilddrüse operiert. Der Chirurg Igor Komisarenko meint, nach der zweiten Operation seien mikroskopische Teilchen des Krebs in ihre Blutbahn gelangt und hätten angefangen, dort zu wachsen. Nila hat außerdem Nierenkrebs. Pripjat, Ukraine, das ehemalige Kino. Einige Gebiete in den Sperrzonen um Tschernobyl sind so stark radioaktiv kontaminiert, dass sie für die nächsten 900 Jahre abgeriegelt bleiben müssen.

Kurmanowo, Russland. Ramsis Faisullin (16): Fast jede Woche tragen wir in diesem Dorf jemanden zu Grabe. Ramsis hat einen Wasserkopf. Der Druckaufbau in seinem Kopf bereitet ihm Probleme, deswegen muss er teure Medikamente einnehmen. Außerdem leidet er unter starken Kopfschmerzen. Ich gehe nicht gerne in die Schule, denn die anderen Jungs hänseln mich. Die Mädchen gehen mir aus dem Weg und wollen nicht mit mir ausgehen. Hoffentlich bekomme ich keine Kinder, die so aussehen wie ich. Majak Einer der größten aktiven Atomkomplexe der Welt liegt in den Bergen des Ural an der Grenze von Russland zu Kasachstan. Der Atomkomplex Majak bei Tscheljabinsk ist keine einzelne Anlage, sondern eine regelrechte Atom-Kleinstadt. Seit den 40er Jahren war sie das Zentrum der sowjetischen Plutoniumproduktion. Hauptaufgabe war, aus abgebrannten Brennstäben Plutonium zu gewinnen und für die Verwendung in Atombomben weiterzuverarbeiten. Am 29. September 1957 führte ein defektes Kühlsystem in Majak zum damals größten Unfall in einer Atomanlage, der heute lediglich von Tschernobyl in den Schatten gestellt wird. Radioaktive Partikel wurden durch die Explosion großflächig freigesetzt und in die Atmosphäre geschleudert. Majak ist so etwas wie ein permanenter GAU: Durch zahlreiche Unfälle und die bewusste Freisetzung von Radioaktivität wurden in den vergangenen Jahrzehnten 272.000 Menschen hohen, gesundheitsschädlichen Strahlendosen ausgesetzt. Die Region gilt heute als eine der verstrahltesten der Welt. Zentrum des Leidens ist das Dorf Musljumowo, 30 Kilometer vom Atomkomplex entfernt. Kaum einer ist hier gesund. Die Menschen leiden an chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck, Herzproblemen, Arthritis und Asthma. Jeder zweite Erwachsene ist unfruchtbar, jedes dritte Neugeborene kommt mit Missbildungen zur Welt, jedes zehnte Kind wird zu früh geboren. Die Zahl der Krebserkrankungen ist drastisch erhöht.

Musljumowo, Russland. Samstagabends findet im Gemeindehaus eine Disco für Jugendliche statt. Die meisten Jugendlichen wollen die Gegend wegen der nuklearen Verseuchung, der Armut und sozialer Probleme verlassen. Musljumowo, Russland. Eröffnung der Entenjagdsaison. Fast alle Männer gehen am Wochenende jagen oder angeln.

Hudaiberdinsk, Russland. Iljas Garew (13) ist so schwach, dass er sich jeden Tag ausruhen muss, wenn er von der Schule kommt. Für sein Alter ist er sehr klein, er hat ein schwaches Immunsystem. In der Schule fällt es ihm schwer, sich zu konzentrieren und sich Sachen zu merken. Sein Vater macht sich große Sorgen um seine Zukunft. Vielen anderen Kindern in seinem Dorf geht es genauso. Musljumowo, Russland. Die Karl-Marx-Straße in Musljumowo, in der Nähe des Flusses Tetscha. Viele Häuser stehen hier leer. Die Strahlenbelastung ist immer noch zu hoch.

Semei (ehem. Semipalatinsk), Kasachstan. Bajan Beisengaljewa (15) war 6 Jahre alt, als die Ärzte bei ihr einen Gehirntumor feststellten. Sie wurde in Deutschland behandelt. Dieses Bild entstand in der onkologischen Abteilung, wo Bajan eine Chemotherapie bekam, ein Jahr nachdem ein weiterer Gehirntumor entdeckt worden war. Semipalatinsk Semipalatinsk Polygon ist ein ehemaliges Testgebiet für Atombomben in der kasachischen Steppe, 480 Kilometer östlich der Hauptstadt Astana. Mit rund 18.000 Quadratkilometern war es das größte Testgebiet der Sowjetunion. Zwischen 1949 und 1989 zündete die sowjetische Regierung hier etwa 500 Atomsprengköpfe. Bis 1962 geschah dies oberirdisch, später in Stollen oder Bohrlöchern, was aber die radioaktive Freisetzung in die Umwelt keineswegs verhinderte. Vier Jahrzehnte verteilte sich radioaktiver Fallout weit über die Region hinaus. Kontaminiert wurden etwa die Stadt Ust-Kamenogorsk 450 Kilometer östlich oder die Altai-Region etwa 300 Kilometer nordöstlich in Russland. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass der Fallout aus Semipalatinsk mehrere hunderttausend Menschen radioaktiv belastet hat. Nach Untersuchungen von Prof. Dr. Saim Balmuchanow sind die Folgen für die Menschen der Region verheerend: Die Sterblichkeitsrate liegt fast zweieinhalb Mal so hoch wie in nicht verseuchten Gebieten, 80 bis 90 Prozent der Kinder und Frauen leiden an Blutarmut, 60 bis 70 Prozent an Störungen der Schilddrüse. Etwa die Hälfte der betroffenen Bevölkerung weist Fehlfunktionen am Bewegungsapparat auf. Am 29. August 1991 wurde das Testgebiet Semipalatinsk geschlossen. Mit den Folgen werden aber Generationen von Kasachen noch leben müssen: Sie atmen weiterhin radioaktive Partikel ein oder nehmen sie über Lebensmittel auf etwa über die Milch ihrer Kühe, die auf belasteten Weiden grasen.

Semei (ehem. Semipalatinsk), Kasachstan. Ainagul (6) ist seit ihrem dritten Lebensjahr nicht mehr gewachsen. Ihr Vater stammt aus dem Dorf Snamenk nahe dem Polygon-Testgebiet. Ainaguls Eltern schämen sich ihrer Tochter und haben sie von der Schule genommen. Sie überlegen, sie in ein Waisenhaus zu geben, weil sie nicht genug Geld haben, um richtig für sie zu sorgen. Jetzt versucht Ainagul, zu Hause zu lernen.

Polygon, Kasachstan, Ground Zero. Ground Zero ist der Ort, an dem die Sowjetunion im August 1949 ihre erste Atombombe zündete. Zwischen 1949 und 1989 zündete die sowjetische Regierung im Testgebiet Semipalatinsk etwa 500 Atomsprengköpfe. Mehr als 100 Atombombentests wurden oberirdisch durchgeführt. Balapan-See, Kasachstan. Die Familie Sultanat hat einen Bauernhof wenige Kilometer vom Balapan-See entfernt, der aus einer Atombombenexplosion entstand.

Naumowka, Russland. Lubow Kabuschewa (45) und Lidia Trofimowa (49). Lubow wurde aus dem verseuchten Dorf Georgijewka evakuiert und soll an der Schilddrüse operiert werden. Sie versucht Lidia davon zu überzeugen, sie zu begleiten. Auch Lidia wurde empfohlen, sich die Schilddrüse entfernen zu lassen, sie zögert aber noch. Sewersk/Tomsk-7 Weit in Sibirien, 3000 Kilometer östlich von Moskau, liegt am Fluss Tom eine der militärisch bedeutendsten russischen Atomanlagen: das Sibirische Chemiekombinat Sewersk, früher bekannt unter dem Namen Tomsk-7. Der Komplex besteht aus fünf Atomkraftwerken, einer Anlage zur Plutoniumgewinnung aus abgebrannten Brennstäben, Fabriken zur Verarbeitung von Uran und Plutonium, Lagergebäuden für Atommüll und einer Anlage, die flüssigen Atommüll ins Erdreich pumpt. Die Atomreaktoren, von denen zwei noch in Betrieb sind, dienten zur Herstellung von Plutonium für sowjetische bzw. russische Atomwaffen. Am 6. April 1993 explodierte im Sibirischen Chemiekombinat Sewersk/Tomsk-7 ein Tank der Uran- und Plutoniumfabrik. In die Atmosphäre geschleuderte radioaktive Partikel kontaminierten ein Gebiet von über 120 Quadratkilometern. Zahlreiche Dörfer mussten evakuiert werden, sie sind dauerhaft unbewohnbar. Noch heute leiden die Menschen in der Region an den Folgen. Viele zeigen dieselben Symptome wie die Opfer von Tschernobyl und Majak: Krebs, Blutkrankheiten, Schädigung des Erbguts. Die Kontamination der Region geht schleichend weiter. Immer noch wird flüssiger Atommüll einfach in den Boden gepumpt, auf dem Gelände sammelt sich mehr und mehr Atommüll an. Deutschland und andere westeuropäische Länder verseuchen mit: Die französische Atomfirma Cogema und das deutsch-britisch-niederländische Unternehmen Urenco zu einem Drittel im Besitz von RWE und E.ON entsorgen strahlenden Müll aus ihren Urananreicherungsanlagen im Sibirischen Chemiekombinat Sewersk/Tomsk-7.

Tomsk, Russland. Dimitri Baranow (12) und sein Hund Sonja. Dimitri hat eine schwere Nierenkrankheit und benötigt dreimal pro Woche eine Dialyse. Er darf nicht zur Schule gehen, soll sich schonen und ruhig spielen, z.b. nicht schnell laufen. In zwei Tagen darf er nur 0,8 Liter Flüssigkeit inklusive Früchten zu sich nehmen. Manchmal lässt ihn seine Mutter etwas schummeln: Ich sage ihm dann, dass er sich eine Hand voll Trauben nehmen darf. Niemand bekommt mehr Trauben auf eine Hand als Dima!

Tschernaja Retschka, Russland. Der Fluss Tom in der Nähe des Sibirischen Chemiekombinats Sewersk/Tomsk-7. Angeln und Schwimmen sind wegen der radioaktiven Kontamination untersagt. Sie reicht bis in die Arktis, wo der Fluss ins Polarmeer mündet. Samus, Russland. Witali Fedakow (60). 33 Jahre lang hat er als Kapitän auf dem Baggerschiff Obksi 402 gearbeitet. Nach einem Schlaganfall musste er in Rente gehen. Witalis Arzt ist der Ansicht, er hätte nicht auf dem verseuchten Fluss arbeiten dürfen. Der radioaktive Sand aus dem Fluss wird an den Ufern abgeladen, auf den Feldern verteilt und beim Bau von Häusern und Straßen eingesetzt.