Wie lernt man Statistik und wie nutzt man sie im Studium und später im Beruf?



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Wie lernt man Statistik und wie nutzt man sie im Studium und später im Beruf? Peter von der Lippe (11. Januar 2015) Statistik fällt in vieler Hinsicht aus dem Rahmen, weil es anders ist als andere Fächer im wirtschaftswissenschaftlichen Studium. Es ist nicht unbedingt sinnvoll, viele Bücher zu lesen, zumal in ihnen ohnehin meist das Gleiche steht, nur mit anderen Worten und mit anderen Symbolen in den entsprechenden Formeln. Vor allem aber ist es völlig sinnlos, etwas auswendig zu lernen, was man nicht verstanden hat. Es ist schwer, sich Sinnloses zu merken, auch wenn es nur wenig ist. Aber es ist vergleichsweise leicht, etwas zu überblicken, auch wenn es viel Stoff ist, wenn man es verstanden hat, d.h. wenn man Zusammenhänge und dahinter stehende Prinzipien erkannt hat. Bloß muss man erst einmal bis zum Verstehen kommen und viele haben damit die größten Schwierigkeiten (weshalb es ja auch gerade auf diesem Gebiet so viele Bücher und für sie immer noch genug Käufer gibt), weil man dazu leider auch viel Zeit und Übung braucht. Das und natürlich auch die hohen Durchfallquoten, sowie das verbreitete Vorurteil, man brauche so etwas nur für den "Schein" und später nicht mehr (ein Vorurteil basierend auf der unbewiesenen Behauptung, dass ein großer Schaden entsteht, wenn man zu viel gelernt hat), machen das Fach Statistik ausgesprochen unbeliebt. Statistik ist nicht leicht zu verstehen und es ist ein Quatsch zu meinen, man verstünde es besser mit den heutzutage so beliebten wortreichen besser: geschwätzigen Büchern, die einem versprechen, dass man alles mit ihnen auch ganz ohne Formeln und Mathematik super leicht versteht. Niemand versteht Statistik, der nur darüber geredet hat und sich nicht die Mühe gemacht hat, einen genauen Blick auf die Formeln zu werfen und auch das eine oder andere Rechenbeispiel durchzurechnen. Es reicht eben nicht aus, etwas einmal gehört oder gelesen zu haben. Jeder kennt das: man glaubt, etwas in der Vorlesung oder in einem Buch verstanden zu haben und bei einer konkreten Frage oder Rechenaufgabe steht man dann trotzdem "auf dem Schlauch". Ganz wichtig ist es, sich klar zu machen, dass Statistik nicht Mathematik und auch nicht Rechnen ist. Anders als viele Mathematiker glauben, kann man Statistik auch ohne die in der Mathematik obligatorischen Beweise verstehen. Statistik ist aber auch nicht Rechnen. Zwar sind Rechenbeispiele unbedingt notwendig, um zu sehen, was genau bei einer Formel "gespielt" wird, aber die Zahlenbeispiele müssen nicht realistisch sein. Denn bei Beispielen mit wirklichen Daten hat man meist unheimlich viele Zahlenangaben und kann das dann ohnehin nicht auf einem Blatt Papier und mit dem Taschenrechner, sondern nur mit dem Computer durchrechnen. Durch Mausclick allein hat aber noch nie jemand einen Rechengang verstanden. Viel nützlicher sind kleine fiktive Beispiele, die dann meist auch mit wenigen "glatten" Zahlen auskommen und die man schnell mit dem Taschenrechner durchrechnen kann. Dass mehr Motivation und Spaß aufkommt, wenn man stattdessen mit ellenlangen Listen von tatsächlichen Daten einer Firma F oder eines Lands L rechnet, ist sehr zu bezweifeln. Auf der Website www.von-der-lippe.org des Autors finden Sie unter Downloads-Bücher ganze Bücher mit den üblichen Formelsammlungen und Rechenbeispielen sowie Klausuraufgaben zum freien Download. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ebenfalls kostenlos downloaden kann man dort unter Downloads-Allgemein (dann unter Nummer 16, 21, 22 und 25/25a) Aufsätze, die besonders für Studierende der Wirtschaftswissenschaften zu empfehlen sind 1. Statistik für Schaumschläger (16) 2. Wie argumentiert man gegen eine Statistik, die einem nicht passt? (21) 3. Lügen mit Statistik (22) 4. Das statistische Paralleluniversum in der BWL (25a und 25 worauf sich 25a bezieht)

v. d. Lippe zusätzlicher für das Buch "Brückenkurs " geschriebener Text Seite 2 Es sind sehr einfach zu lesende, meist etwas ironische und satirische Texte, die aber ernst zu nehmende Probleme und Fehlentwicklungen bei der Anwendung von Statistik betreffen: 1. Gerade weil viele Statistik und Mathematik als schwierig empfinden, kann man mit so etwas Eindruck machen, zumal sich nur wenige Menschen trauen, Defizite in ihren Statistikkenntnissen zuzugeben. Man erlebt also nicht selten in der Wissenschaft Schaumschlägerei vor Hörern, die sich mit gewichtiger (Verstehen signalisierender) Miene den ganzen Unsinn anhören und bemüht sind, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie in Wahrheit nur Bahnhof verstehen. 2. Ganz anders kann es unter Praktikern der Wirtschaft zugehen, vor allem dann, wenn es um (viel) Geld geht. Dort ist nicht Zuhören mit einer nach Durchblick aussehenden Miene angesagt, sondern Kopfschütteln, Widerspruch und den Gegner auseinandernehmen. Für diesen Fall ist es beruhigend zu wissen, dass man immer wirkungsvoll gegen eine Statistik argumentieren kann die einem nicht passt, auch dann, wenn man nur wenig Ahnung von Statistik hat. Man findet immer etwas, was an der Methode auszusetzen wäre oder was zumindest als "problematisch" hingestellt werden kann. 3. Sehr beliebt ist das bei genauem Hinsehen allerdings ausgesprochen alberne Gerede über "Lügen" mit Statistik. Natürlich kann man alles, je nach Bedarf, in hellem oder dunklem Licht erscheinen lassen (nicht nur mit Zahlen). Viel reifer und fortgeschrittener ist es zu sehen, dass die zahlenmäßige Beschreibung der Wirklichkeit schnell an natürliche Grenzen stößt. Wie will man z.b. das "Glück" messen, oder ob und in welchem Maße A "glücklicher" ist als B? Was immer man hier ausrechnet, wird schon wegen des vagen Begriffs "Glück" leicht als "Lüge" bezeichnet werden können. Die Krankheit ist nicht die Statistik, sondern der Glaube mit ihr alles messen zu können und zu sollen. 4. Eine andere Krankheit ist, zu glauben man müsse einen Signifikanztest rechnen, auch da wo so etwas eigentlich ziemlich unsinnig ist, nur weil alle anderen das auch so machen oder weil andernfalls die Arbeit als "unwissenschaftlich" belächelt wird. Viele glauben, eine Arbeit wird umso "wissenschaftlicher", je mehr in ihr mit komplizierten statistischen Methoden herumgewirbelt wird. Dabei beschränken sich die Methodenkenntnisse solcher Leute oft nur auf einige einführende Texte z.b. bei Wikipedia oder in den Handbüchern zur Statistiksoftware. Das ist nicht weiter schlimm, weil man ja oft auch gar nicht die viele Zeit hat, die nötig ist, um sich in Statistik so zu vertiefen, dass man sie wirklich versteht. Schlimm ist es nur, wenn man sich auf einer solchen Basis sein eigenes "Paralleluniversum" aufbaut und meint, Statistiker seien überflüssig. Es ist kein Zufall, dass es heutzutage gerade in Sachen Statistik so viel Schaumschlägerei und Besserwisserei gibt; denn beide Dinge sind ein Produkt der enorm gestiegenen Bedeutung der Statistik und sie haben viel gemeinsam: man glaubt, man blamiert sich, wenn man nicht versucht, "Erkenntnisse", die eigentlich kaum der Rede wert sind mit neuesten statistischen Methoden zu "veredeln" und man will unbedingt den Eindruck erwecken, dass man mitreden kann und einem nichts zu kompliziert ist (mit der Zeit glaubt man selbst daran, vor allem wenn man nur unter Seinesgleichen verkehrt). Klar dass man sich dann auch von Leuten, die sich hauptberuflich mit Statistik beschäftigen nichts sagen lassen will. Wer wirklich etwas von Statistik versteht, wird so etwas nur kindisch und albern finden und er/sie wird nur zu genau wissen, dass man auf diesem Gebiet nicht einfach mal so eben und ganz nebenbei zu einem Experten wird und dass man sich auch nicht schämen muss zuzugeben, dass man bei manchen Methoden der Statistik keine Ahnung hat oder selbst große Schwierigkeiten hat, sie zu verstehen.

v. d. Lippe zusätzlicher für das Buch "Brückenkurs " geschriebener Text Seite 3 Bemerkungen zu Motiven und Hintergedanken des vorstehenden Texts (23.01.2015) Es hat sich gezeigt, dass dieser von mir speziell für das Buch "Brückenkurs" geschriebene Text nicht ganz unproblematisch ist. Dem Verlag war sehr daran gelegen, ihn mehr auf Sprache und Denkweise der zu erwartenden jungen Leserschaft abzustellen. Wir mussten dabei aber einsehen, dass dies kaum möglich war, wenn zugleich meine ursprünglichen Akzentsetzungen und Absichten, die mir sehr wichtig waren unverändert weiter voll zum Ausdruck kommen sollten. Wir mussten daher in Kauf nehmen, dass vielleicht die "Botschaft" dieses Textes von den Lesern angesichts ihrer aktuell meist noch ziemlich geringen Kenntnis des Gegenstands "Statistik" nicht gleich in seiner vollen Tragweite erfasst werden kann. Das war aber wohl deshalb zu verschmerzen, weil es unsere noch größere Sorge war, ob der erkennbar nicht klausurrelevante Text überhaupt gelesen wird. Es ging mir darum, gegen verbreitete Vorurteile von Studienanfängern in den Wirtschaftswissenschaften gegenüber der Statistik was das Besondere dieses Faches im Studium und die Rolle, die Statistik später "im Beruf" spielen könnte betrifft anzugehen. Dem entspricht auch die deutliche Zweiteilung meiner obigen Ausführungen (erkennbar an der gestrichelten Linie -----). Und was das Studium betrifft, so haben wir vor allem zwei Vorurteile 1. ich brauche Statistik nur für die Klausur, aber nach dem Studium nicht mehr und 2. man kann Statistik auch ganz ohne Formeln und Mathematik verstehen. Beide Aussagen sind beliebt und sie werden dies wohl auch immer sein einfach deshalb, weil sie eine Rechtfertigung für die Bequemlichkeit liefern, die uns ja allen mehr oder weniger eigen ist. Gemeinsam ist ihnen, dass es schön wäre, wenn sie richtig wären: es wäre zu schön, wenn man Statistik allein schon mit ein wenig Blabla begreifen könnte und es wäre noch schöner, wenn man sich erst gar nicht mit dieser wenig Spaß machenden Materie beschäftigen müsste. Die Auffassung, dass man nur das lernen sollte, was man auch später braucht, ist schon von den Schülern zur Zeit der alten Griechen überliefert. Es ist schwer, ohne ausreichende Kenntnis eines Fachs (also bevor man überhaupt damit begonnen hat, sich mit einem Fach zu beschäftigen) etwas Fundiertes über dessen Nützlichkeit im späteren Leben zu sagen. Nicht nur, dass man sein künftiges Leben noch nicht kennt, es hängt auch davon ab, welche Ansprüche man an dieses Leben stellen möchte. Je bescheidener die geistigen Ansprüche an den Beruf (und damit auch an das zu erwartende Gehalt), desto mehr wird sich auch später vom Gelernten als überflüssig herausstellen. Danach müssten eigentlich die, die es am wenigsten weit gebracht haben am ehesten Schadensersatzansprüche wegen Zuviel-Lernens gegen Lehrer und Professoren stellen können. Der angehende Ökonom weiß natürlich auch, dass es nicht ausreicht zu beweisen, dass er später keine Statistik brauchen wird, was schon schwer genug sein dürfte, er muss genau genommen auch zeigen können, dass das, was er in der durch Nichtlernen von Statistik gewonnenen Zeit tut später für ihn von größerem Nutzen sein wird. Nichts lernen und sich für nichts interessieren, was über das absolut Notwendige hinausgeht kann heutzutage kein zeitgemäßes Bildungsideal sein. Im (frühen) Mittelalter reichte es noch aus, schreiben und lesen zu können, um groß herauszukommen und sich für hohe Staatsämter zu qualifizieren. Aber die Zeiten sind vorbei. Eine ebenfalls sehr beliebte lernfeindliche Ausrede ist, dass man sowieso alles später wieder vergessen wird. Das Problem dabei ist, dass daraus folgt, am besten überhaupt gar nichts zu lernen, auch das nicht, was später nützlich sein wird. Und das war noch nie eine rationale Strategie. Weil in der Regel Unwissen nicht wertvoller ist als Wissen kann Lernen im Zweifel kein Schaden sein. Schlimmer als gar nicht zu lernen ist es unökonomisch zu lernen weil man dann Anstrengung und keinen Erfolg hat. "Falsch-lernen" kann besonders dann sehr bitter sein, wenn man sich ohnehin mit dem Fach nur äußerst ungern und am liebsten gar nicht beschäftigt. Wie oft habe ich als Professor für Statistik gehört "ich habe doch so viel für dieses Fach getan, viel mehr als für alle anderen Fächer" (was meist auch sogar zutraf) oder "in allen anderen Fächern habe ich gute Noten, nur in Statistik nicht" (was meist nicht zutraf und wohl heißen sollte, dass es

v. d. Lippe zusätzlicher für das Buch "Brückenkurs " geschriebener Text Seite 4 nicht an fehlender Intelligenz sondern am Fach "Statistik" liegen muss). Das Übel ist hier aber nicht Statistik oder mangelnde Intelligenz, sondern Falschlernen. Ich habe schon erlebt, dass ein Student eine komplette (frühere) Klausuraufgabe auswendig gelernt hatte, und diese dann nicht nur mit den Zahlen der Aufgabenstellung, sondern auch mit allen Zahlen der Lösung in der Klausur hingeschrieben hatte. Statt sich nur den Rechengang zu merken hat er sich ihn zur Sicherheit gleich mit allen Zahlen gemerkt. Sein Pech war, dass in der Klausur eine andere (wenn auch ähnliche) Aufgabe drankam, er also einen enormen Aufwand für nichts betrieben hatte. Es war mir deshalb auch sehr wichtig, Studienanfänger davor zu bewahren, viel Kraft auf Unnützes zu verwenden und zu zeigen, wie wichtig das Verstehen gerade im Fall der Statistik ist. Verstehen bedeutet, dass man wie es oben heißt "Zusammenhänge und dahinter stehende Prinzipien erkannt hat". Der angenehme Nebeneffekt dabei ist, dass man sich nicht nur viel leichter etwas merken kann, wenn man weiß, warum etwas so ist, sondern auch viel mehr merken kann, (es ist sehr viel schwerer, sich z.b. eine sinnlose Ansammlung von Wörtern zu merken). Neben der Ökonomie des Lernens ging es mir aber auch darum, dass das Lernen auch Spaß machen sollte und dass dies auch bei einer Materie, die allgemein als sehr trocken gilt möglich ist. Daher auch meine Bemerkungen zur Art der Rechenaufgaben, mit denen man den Lehrstoff im Studium üben sollte. Anders als viele Statistikerkollegen bin ich entschieden der Meinung, dass in der Statistik einfache Beispiele mit fiktiven Zahlen angebracht sind, nicht nur bei Anfängern, auch bei Fortgeschrittenen. Das heißt natürlich nicht, dass man sich nicht auch intensiv mit Statistik Software wie SPSS oder SAS beschäftigen sollte. Bei mir waren deshalb Statistikaufgaben auch immer ganz bewusst kurze lustige Geschichten mit Comics von Don Martin aus MAD 1 (die dann auch als Merkhilfe, quasi als "Anker" für einen bestimmten Lehrinhalt fungierten) Ich bin aber auch genau deswegen immer wieder kritisiert worden, weil realistischere Aufgaben angeblich motivierender seien, indem sie den Studenten mehr zeigen, wofür Statistik eigentlich gut ist. Ich bin davon ganz und gar nicht überzeugt: Es ist sicher nützlich, am Computer auch umfangreiche realitätsnahe Statistikanwendungen durchzurechnen, aber ich bezweifle, dass man so Formeln besser versteht und so plötzlich, das ungeliebte Fach Statistik spannend findet. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Zurück zur Wichtigkeit oder Nützlichkeit von Statistik für den angehenden Betriebs- oder Volkswirt. Der ganze zweite Teil meiner obigen Ausführungen, wo es um Statistik im Beruf geht zeigt eigentlich, dass heutzutage Statistik in den meisten Berufen zu den Dingen gehört, die man sehr wohl "braucht" (wenn auch evtl. nur weil man glaubt, es sich nicht leisten zu können im Vergleich zu anderen nicht mithalten zu können). Er zeigt dies allerdings auf eine etwas indirekte Art, nämlich anhand von typischen Vorurteilen und Fehleinstellungen gegenüber der Statistik, die aber nach meinem Eindruck gerade deshalb so oft vorkommen, weil sich heute jeder genötigt sieht, etwas Statistisches aufzufahren, obgleich er/sie aus eigenem Antrieb eigentlich gar keinen Draht zu so etwas hat. Es geht also um (durch Herdentrieb verstärkte) modische Vorurteile und Fehleinstellungen gegenüber der Statistik ganz allgemein. Man kann natürlich darüber streiten, ob eine elementare Einführung in die Statistik, wie das Brückenkurs-Büchlein der richtige Ort ist, so etwas zu thematisieren. Wir, d.h. der Verlag und ich waren uns aber darüber einig, dass so etwas durchaus in das Buch gehört, allerdings an das Ende und nicht an den Anfang, weil wir nicht der verbreiteten Unsitte Vorschub leisten wollten, sich über ein Fach auszulassen schon bevor man überhaupt damit begonnen hat, die einfachste Grundbegriffe dieses Faches kennenzulernen. Es gibt viele Bücher über Fehlanwendungen der Statistik, die jedoch meistens mit konkreten Methoden zu tun haben, 2 wie z.b. falsches Rechnen mit Prozentsätzen oder Verwechseln von Korrelation mit Kausalität usw. Was ich dagegen hier ansprechen wollte sind Fehleinstellungen, nicht Fehlanwendungen. 1 Siehe hierzu die im Oldenburg Verlag erschienenen Bücher Nr. 10 und 11 auf der Seite http://www.von-derlippe.org/downloads4.php. 2 Ein Beispiel ist das Buch "Misused Statistics" von Herbert und Louise Spirer und (ursprünglich von) A. J. Jaffé; Verlag Marcel Dekker 1998. Es kommt dort nichts von den in meinem Text im Fokus stehenden Einstellungen vor.

v. d. Lippe zusätzlicher für das Buch "Brückenkurs " geschriebener Text Seite 5 Was damit gemeint ist, hängt und das mag überraschend klingen gerade mit der gestiegenen Bedeutung der Statistik zusammen, einfach deshalb weil es dann auch immer mehr überforderte Statistikanwender wider Willen gibt. Sich gleich zu Beginn mit Einstellungen zu einem Fach zu beschäftigen kann nicht falsch sein, denn wie alles im Leben, ist auch das Lernen in einem hohen Maße eine Sache der (richtigen) Einstellung. 3 Der Verlag und ich hatten versucht, für die vier hier aufgeführten Papiere eine Struktur zu finden, obgleich die Vierteilung eigentlich nur chronologisch zu verstehen war (das Papier 21 habe ich eben zeitlich nach dem Papier 16 und vor dem Papier 22 geschrieben). Die ersten drei Texte konnte man überschreiben mit Statistik in der Wissenschaft, in der Wirtschaftspraxis und im Alltag. Das Gliederungsprinzip war also wo wird Statistik angewendet. Aber man kam dann mit dem vierten Text (Paralleluniversum) in Schwierigkeiten, weil dieser auch wieder, wie schon der erste Text, nur die Wissenschaft betrifft. 4 Dabei ist vermutlich für die ganz große Mehrheit der potenziellen Leser des "Brückenkurs"-Buchs "Wissenschaft" überhaupt gar kein Thema, bzw. sie fällt unter den Punkt "Studium" und existiert weder vor, noch nach dem Studium. Und genau genommen sind heute auch "Wirtschaftspraxis" und "Alltag" gar nicht mehr so klar von "Wissenschaft" zu trennen. Man meint jetzt auch in der Wirtschaftspraxis, nicht ohne Tabellen, Graphiken und Studien von Statistikern bzw. Ökonometrikern auskommen zu können, wenn man nicht gleich glaubt, dies auch auf eigene Faust genauso gut hinzukriegen. Früher, als man noch versuchte, die Richtigkeit seines Standpunkts durch philosophische und historische Betrachtungen zu untermauern war das mitnichten so und es ist auch bezeichnend, dass man auch jetzt noch quasi als Relikt bereitwillig und schnell alle Zahlen mit emotionalen Verbalausführungen und persönlichen Eindrücken beiseiteschiebt wenn es mal hart auf hart kommt (nach dem Motto: "gemessen an dem, was ich in meinem Umfeld so sehe sind Ihre Zahlen falsch"). 5 In unserer Zeit, wo Argumente ohne Zahlen so gut wie keine Argumente sind, werden viel mehr Menschen als früher mit Statistik behelligt, auch solche, die "von Haus aus" lieber Gedichte als Tabellen sehen und für die Seiten voller mathematischer Gleichungen ein Horror sind. Sie werden nicht einfach nur "behelligt", sondern eher schon gequält, weil sie sich zusammenzureißen müssen, um etwas zu lernen was unbeliebt ist und als schwierig gilt. Kein Wunder, dass dann die Einstellung zur Statistik ambivalent ist. Wir haben nicht nur Verheißungen wie "Statistik kinderleicht, ist auch ganz ohne Formeln zu lernen", sondern auch Reden über "Lügen mit Statistik". Beides ist Quatsch, aber beides wird begierig und dankbar aufgenommen. Warum ist das so? "Alles kinderleicht" und "ist ja nur eine Hilfswissenschaft, heutzutage aber für jeden ein Muss" verleitet zu "kann ich auch", wenn nicht zu noch Schlimmeren ( Paralleluniversum); "Lügen mit Statistik" ist beruhigend für alle, die Statistik nicht verstehen. Man kommt mit Nichtverstehen einer Sache besser zurande, wenn viele sie ohnehin für Humbug halten. Interessant ist dass beide Einstellungen gleichzeitig vorkommen. Es lohnt sich darüber weiter nachzudenken, warum das so ist. Was aber schon jetzt deutlich wird: was in allen vier Texten und auch in den Ausführungen zum richtigen Studieren der Statistik gesagt wurde, dreht sich letztlich nur um nur ein Thema, um die (nicht nur für das Lernen) so wichtige richtige Einstellung zu einer nicht ohne Grund so umstrittenen Sache wie Statistik. 3 Man sieht das deutlich an der allgemein üblichen Verteufelung der Statistik, die nicht wenig Schaden anrichtet. Wenn man sich mit einer Sache nur sehr widerwillig beschäftigt wird man darin auch nicht sehr erfolgreich sein. 4 Der Unterschied zwischen Angeberei (Schaumschläger) und Besserwisserei (Paralleluniversum) mag nur graduell sein, aber er ist erheblich: "Angeben" hat wenig Konsequenzen, aber Kultivieren von Falschem, abgeschottet unter Seinesgleichen (wo man auch weniger Gefahr läuft, sich als Dummkopf zu dekuvrieren) bringt ganze Heerscharen von Jungwissenschaftlern dazu, unverstandene statistische Methoden anzuwenden, auch dort wo sie ganz unangebracht sind, einfach deshalb, weil andere das auch so tun und weil man erwartet, dass die Herausgeber von Fachzeitschriften dies so verlangen. Abschottung macht es auch leichter, sich gegenseitig zu versichern, dass man es nicht mehr nötig hat, in puncto Statistik etwas zu lernen. Das dumme und überhebliche Gerede von der angeblichen (nur) "Hilfswissenschaft" Statistik ist auch eine Zutat für Selbstüberschätzung und Besserwisserei ( Text 25a). 5 Das wird im Text 21 mit der Gegenüberstellung von "statistischer" und "impressionistischer" Methode gesagt: