Seite 1 von 8 Predigt 22. April 2012 Wo wohnt Gott? Joh. 14, 15-27 Vor einiger Zeit befassten wir uns im Männerforum mit der Stiftshütte und den Umständen, unter denen sie gebaut wurde. Gott hatte Mose den Auftrag gegeben, ihm ein Heiligtum zu bauen, das die aus Ägypten befreiten Israeliten mit sich in das verheissene Land bringen sollten, ein Heiligtum, in dem Gott sein Volk auf seiner langen Reise begleitete. In der Bibel finden wir verschiedene Bezeichnungen für dieses Heiligtum, so zb Haus Gottes, Stätte des Zeugnisses, ja sogar Wohnstätte Gottes. Ich hatte grosse Mühe mit der Bezeichnung, die von der Vorstellung ausgeht, Gott wohne in einem von Menschen gebauten Haus. Und weil ich damit verbundene Gedanken noch längere Zeit wälzte, kam es zu dieser Predigt unter dem Thema Wo wohnt Gott? Wohnt Gott überhaupt? Kann und will er so wohnen, wie wir es uns unter wohnen eben vorstellen? Braucht er ein Haus? Das wäre ja dann ein Gotteshaus. - Ist Gott aber überhaupt willens in einem von Menschen gebauten Haus zu wohnen? Es ist erstaunlich, welchen Antworten wir begegnen, wennn wir der Frage nachgehen, wo Gott wohne. Im Himmel und In der Kirche sind angeblich die zwei häufigsten Antworten. Gott wohnt da, wo man ihn einlässt haben wir bereits gehört, wie auch Neben Aldi. Gott wohnt in unseren Köpfen meinen einige, Im Kindergarten antworten andere. Die Vorstellungen darüber, wo Gott sich aufhalte und wo seine Gegenwart möglicherweise zu spüren sei, sind ganz stark an das gebunden, das der einzelne Mensch von Gott hat. Und weil viele Menschen so unterschiedliche Gottesbilder haben, fallen auch die Antworten auf unsere Frage so unterschiedlich aus. Menschen haben immer versucht, Gott ihrem Gott ein Haus zu bauen. David, der Gott einen Tempel bauen wollte, es aber nicht durfte, und Salomo, der den Tempelbau dann ausführte, sind beredte Beispiele dafür. Der Mensch sehnt sich nach einem Ort, wo er Gott begegnen kann. Gilt das nicht auch für uns? Wenn wir doch nur mit Sicherheit wüssten, wo und wie wir vor Gott treten und ihm unsere Anliegen vortragen können. Sei es Lob, sei es Dank, seien es Bitten, seien es Klagen. Wir suchen einen Ort, von dem wir glauben, er werde Gott gerecht und deshalb sei ER an diesem Ort gegenwärtig.
Seite 2 von 8 So glauben wir denn eine Linie zu erkennen von der unter Verwendung edelster Materialien erstellten Stiftshütte über die grossartigen Tempel in Jerusalem zu den unzählbaren Kirchen und Kathedralen christlicher Zeit. Wir könnten jetzt sehr lange über Gotteshäuser sprechen und uns Gedanken darüber machen, ob sie dem Anspruch, Wohnstätte Gottes zu sein, gerecht werden, oder ob nicht da und dort noch ganz andere Motive zum Bau der Häuser geführt haben. Nicht jedes Haus, das Gotteshaus genannt wird, ist auch ein Ort der Gegenwart Gottes. Wir spüren doch ganz genau, dass eine solche Diskussion unsere Frage nach dem Ort, wo Gott ist, nicht beantworten kann. Seht, die Fragestellung Wo wohnt Gott? ist eine falsche Fragestellung. Es ist eine theoretische Frage, die wir 1. gar nicht beantworten können, die sich aber 2. hervorragend eignet, über Gott zu sprechen, ohne sich mit ihm auseinandersetzen zu müssen und die damit 3. vom Wesentlichen der Beziehung Gottes zu uns Menschen ablenkt. Die eigentliche, wichtige Frage heisst: Wo und wie offenbart sich Gott? Wo Gott sich offenbart, wo er in unser Menschsein eintritt, da begegnen wir ihm, da ist er gegenwärtig. Und so hat der Rabbi recht, der sagt, Gott sei überall. Aber auch der andere Rabbi hat recht, der sagt: Gott ist da, wo man ihn einlässt. Dieser zweite hat recht, weil der, der Gott nicht einlässt, seine Gegenwart nicht erkennen kann. Wir haben miteinander eine Linie gezogen, die durch Gotteshäuser gekennzeichnet war: Die Stiftshütte, den Tempel, unsere Kapellen, Kirchen, Dome und Kathedralen. Aber es gibt eine zweite Linie, die nicht durch Gebäude, sondern durch Offenbarungen Gottes gekennzeichnet ist. Wohl haben Menschen Gott, da wo sie ihn auf ganz besondere Art erfahren haben, Altäre oder Gotteshäuser erstellt manchmal auf Geheiss Gottes als innerungsstätte, manchmal aus eigenem Antrieb in Dankbarkeit oder in der hoffnung, Gott werde sich an derselben Stelle wieder offenbaren. Aber Gott lässt sich nicht fassen! lässt sich nicht einsperren in Gebäude, wie schön und wie heilig diese auch erscheinen mögen. lässt sich nicht festlegen auf Orte, selbst wenn er sich da auf unvergessliche Art offenbarte. lässt sich auch nicht festlegen auf Liturgien und Rituale, wie fromm oder theologisch richtig diese auch erscheinen mögen.
Seite 3 von 8 Wohl erkennen wir eine Linie von Gottesoffenbarungen, die sich auch über die Stiftshütte zum Tempel zieht, die dann aber eine ganz unererwartete Wendung nimmt: In dem Moment, in dem Gottes Sohn, Jesus Christus, am Kreuz stirbt, zerreisst Gott im Tempel den schweren Vorhang, der das Allerheiligste vor allen andern Tempelbereichen verbirgt. Der zerrissene Vorhang und das offene Allerheiligste werden zum sichtbaren Zeichen, dass Gott sich in seinem Sohn den den Menschen offenbarte. Der schwere Vorhang verhüllte das Allerheiligste, der zerrissene Vorhang lässt Gottes Liebe, seine Gnade und seine Barmherzigkeit unverhüllt erscheinen. Und von da dürfen nun Linien von Gotteserfahrungen weitergezogen werden zu jedem Ort und jedem Gebäude, wo Gott angebetet wird. innern Sie sich an die Frau, mit der Jesus am Jakobsbrunnen sprach? Wir finden die Aufzeichnung jenes seelsorgerlichen Gesprächs im 4. Kapitel des Johannesevangeliums. Ich lese die Verse 19 23: Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet - [sie nimmt Bezug auf den Berg Garizim und den Tempel, den die Samaritaner dort errichtet hatten] - ; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss. Jesus sprach zu ihr: Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht kennt; wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden. Aber die Stunde kommt und ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. Diese Frau zielte mit ihrer Frage auch auf den Ort, an dem Gott angebetet werden wolle, ob auf dem Berge Garizim, wie ihre Landsleute sagen, oder auf dem Berge Zion, im Tempel der Juden. - Jesus gibt ihr zu verstehen, dass Gott er nennt IHN auch ihr gegenüber Vater weder im einen, noch im andern Tempel zu Hause ist. Gott wolle im Geist und in der Wahrheit angebetet werden. Das heisst doch mit andern Worten: Es ist eine neue Zeit angebrochen. Um beten zu können, ist es nicht mehr wichtig, das an einem bestimmten Ort zu tun, denn Gott ist immer und überall bereit, mit uns zu sein, wenn wir bereit sind, IHN in seinem Geist und in Wahrheit - das wird doch heissen: ohne egoistische Hintergedanken anzubeten. Wenden wir uns zum Schluss noch unserer Lesung aus dem Neuen Testament zu. Es ist die erste von drei Reden, die Jesus im Blick auf seinen Abschied und sein Sterben an seine Jünger richtet. spricht über seine bevorstehende Verherrlichung und dass er zu seinem Vater gehen werde, und er werde den Vater bitten, dass ER ihnen, den Zurückbleibenden,
Seite 4 von 8 einen Beistand zukommen lassen werde, der sie leiten und immer bei ihnen bleiben werde. sprach vom Heiligen Geist, der kommen werde. Durch ihn, den Heiligen Geist, würden sie erkennen, dass er, Jesus, in seinem Vater ist und dass sie, die Jünger, in ihm seien, und er, Jesus in ihnen. Ich lese nocheinmal die Verse 20 und 23 aus Johannes 14: An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir, und ich bin in euch. Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. Jesus nimmt uns in die Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, und Gott ist bereit, in uns Menschen Wohnung zu nehmen. Gott will bei uns und in uns wohnen und so mit uns Gemeinschaft haben. Wir sind nie mehr allein! [Predigt von Caroline Schröder Field vom 20. Mai 2007, Sonntag nach dem Himmelfahrtstag]. Was für ein Wunder! Gott ist nicht an einen Ort und nicht an ein Ritual gebunden. ist bei uns Menschen. Wenn sich die Gemeinde in der Kirche versammelt, ist Gott da, nicht weil es in einem Gotteshaus geschieht, sondern weil er in uns Menschen gegenwärtig ist. Kirchengebäude sind nur sichtbares Zeichen der Gegenwart Gottes unter uns Menschen. Paulus schreibt im 1. Korintherbrief 3,16 an Gemeindeglieder, die ihm in vielem Mühe bereiten: Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Ich bitte Euch nun, in einem Moment der Stille darüber nachzudenken, was es für jede und jede unter uns persönlich bedeutet, dass Gott, der Heilige, der Allgegenwärtige und Schöpfer Himmels und der de und Herr über Zeit und Ewigkeit hier gegenwärtig ist und in uns Wohnung nehmen will. [Stille] In der erwähnten Abschiedsrede an seine Jünger sagte der Herr Jesus auch: Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht [Joh. 14,27] Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Seite 5 von 8 Gebet Grosser, heiliger Gott, Herr über Zeit und Ewigkeit, Du lässt es zu und Dein Sohn, Jesus Christus lehrt es uns dass wir Dich Vater nennen. Was ist das für ein Vorrecht! Wir danken Dir für Deine Gegenwart. Danke, dass Du bei uns bist. Herr, wir möchten uns Dir immer wieder neu öffnen. Schaffe Du Dir Raum in uns, räume aus, was Dir im Wege steht, und lass uns zu Deiner Ehre leben. Herr, wir bekennen, dass wir nicht immer Deiner Bestimmung gemäss leben. barme Dich unser und vergib uns, wo uns so viel anderes wichtig ist, wo Sorgen uns davon abhalten, auf Dich zu sehen. Vergib uns auch, wo wir lieber über Dich, als mit Dir reden. Nimm, Herr, dieses Gebet als Ausdruck unseres Wünschens und Wollens, mit Dir zu reden und unserer Bereitschaft, Dir in uns Raum zu geben. Danke für diesen Sonntag, den Du uns schenkst. Wir bitten Dich: Sei und bleibe mit uns! Und höre unsere persönlichen Gedanken, die wir mit dem Gebet vor Dich bringen, das uns Dein Sohn, unser Herr, Jesus gelehrt hat: Unser Vater im Himmel Amen
Seite 6 von 8 Ein Hinführungsdialog zum Predigtthema Haben unsere Kinder eigentlich auch gefragt: Wo wohnt der liebe Gott? Was hast Du ihnen dann geantwortet? Oder was würdest Du antworten, wenn Du heute so gefragt würdest? Das ist gar nicht so einfach. Je nach Alter des Kindes müsste ich anders antworten. Aber Kinder sollen immer wissen, dass Gott bei uns ist, dass wir ihm vertrauen dürfen, dass wir mit ihm reden dürfen, und ihm danken dürfen dafür, dass er alles so schön gemacht hat. Viele Kinderbücher beginnen mit der Frage Wo wohnt der liebe Gott? So wird in einem gefragt: Wohnt Gott im Wind? oder hier frägt Benjamin. Wohnt Gott im Himmel? Ja, aber was ist das für ein Himmel, den sich Kinder vorstellen? Das ist heute gar nicht so einfach, nachdem jedes Kind schon er vom Weltall und aus dem Weltall gesehen hat:
Seite 7 von 8 Dort ist es kalt und unendlich einsam. Kaum ein Kind wird glauben, dass Gott dort anzutreffen ist. Es ist aber auch spannend, zu hören und zu sehen, welche Vorstellungen unsere Mitmenschen mit der Frage Wo wohnt Gott? verbinden. Da sind zum Beispiel die esoterisch Angehauchten, die sich Gott als Energiewolke vorstellen oder in einem ganz speziellen Lichte wohnend: Geht es denn nicht etwas konkreter? wie zum Beispiel bei jener Person, die sagte, Gott wohne neben Aldi. Dabei dachte sie an den Raum der Stille im Einkaufszentrum. Es gibt aber auch noch viele andere Gottesräume zwischen Bahnhofskirche und der Unendlichkeit des Alls: Denk nur an die unzählbaren vielen grossartigen Kirchenbauten:
Seite 8 von 8 Aber ist Gott denn überhaupt bereit, in Häusern zu wohnen, die von Menschenhand gebaut sind? Was sagen denn die Vertreter des Volkes Gottes dazu? Die Juden? Martin Buber überliefert uns die Geschichte, dass ein Rabbi bei gelehrten Männern zu Gaste war. überraschte seine Gastgeber mit der Frage: Wo wohnt Gott? Sie lachten über ihn: Was redest Du? Ist doch die Welt von seiner Herrlichkeit voll! Der Rabbi aber beantwortete seine eigene Frage: Gott wohnt, wo man ihn einlässt! Das erinnert mich an eine ähnliche Überlieferung, nach der einem Rabbi Geld geboten wurde, wenn er die Frage beantworten könne, wo Gott wohne. Der Rabbi überlegte kurz und bot dann dem Fragesteller die doppelte Summe, wenn er ihm sage, wo Gott nicht wohne. Wir haben vorhin miteinander Verse aus Psalm 84 gelesen. Da spricht David von den Wohnungen Gottes und den Vorhöfen, nach denen er sich sehnt. Diesem Gott möchte er eine feste Wohnung auf den bauen. Das wurde mir vor einigen Tagen wieder so sehr bewusst, als wir in Psalm 132 lasen: Ich werde mein (eigenes) Haus nicht mehr betreten, ich lege mich nicht mehr auf mein Bett bis ich einen Platz gefunden habe, wo der Herr wohnen kann, der starke Gott Jakobs! [Ps. 132, 3.5.] Davids Wunsch ging nicht in füllung. Gott verwehrte es ihm, beauftragte aber seinen Sohn Salomo mit dem Bau eines Gotteshauses, dem Tempel. (zur Gemeinde): Ich lese aus dem 1. Buch Könige, aus Kapitel 8, Verse über die Einweihung des Tempels: Verse 10 13 Wie wenn er doch nicht so sicher wäre, ob er so über Gott verfügen dürfe, sagt Salomo später im gleichen Gebet: Verse 27 30 Und jetzt wollen wir auch als Gemeinde wieder Gott loben! wir singen Lied 445, alle drei Strophen: Komm her, freu dich mit uns, tritt ein Lesung Joh. 14, 15 27 ( Der Herr Jesus sagt: Wenn ihr mich liebt )