Investitionsklima und -risiken Litauen
Litauen (März 2012) Internationale Wettbewerbsfähigkeit seit 2008 gestiegen / Spürbarer Fachkräftemangel Vilnius (gtai) - Die Währung des EU-Mitglieds Litauen ist zum festen Wechselkurs an den Euro gekoppelt. In internationalen Rankings belegt das südbaltische Land im Vergleich zu anderen ehemals sozialistischen EU-Staaten in der Regel einen der mittleren oder oberen Ränge. Die ausländischen Direktinvestitionen pro Kopf sind in Litauen jedoch geringer als im Schnitt dieser östlichen EU-Mitglieder. Deutschland ist dabei nach Schweden und Polen das drittwichtigste Herkunftsland. Investitionsklima Litauens Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sich 2011 um real 5,9% erhöht, womit das südbaltische Land an die Dynamik der Vorkrisenzeit anknüpfen konnte. Das jährliche Wachstum hatte zwischen 1997 und 2001 im Schnitt 4,8%, von 2002 bis 2006 im Mittel 8,0% und 2007 sogar 9,8% erreicht. Nach einer Konjunkturabschwächung 2008 (+2,9%) ist es 2009 dann zu einer der stärksten Rezessionen in der EU gekommen (-14,8%). Dank sinkender Löhne und anderer fallender Preise hat Litauen in der Krise aber auch seine internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern können, sodass die Wirtschaft bereits 2010 wieder um 1,4% gewachsen ist. Dabei hat zuerst der Export angezogen, in der Folge sind Industrieproduktion und die Investitionstätigkeit gestiegen. In Litauen hat das verarbeitende Gewerbe eine höhere gesamtwirtschaftliche Bedeutung als in den baltischen Nachbarländern Estland und Lettland. Im Februar 2012 prognostizierte die EU-Kommission, dass Litauen im Gesamtjahr das mit einem Plus von 2,3% zweithöchste Wirtschaftswachstum in der EU erreichen wird. In einer Umfrage der Deutsch-Baltischen Handelskammer (AHK) haben Unternehmen mit deutscher Beteiligung Litauens Standortattraktivität 2011 mit einer Durchschnittsnote von 2,8 bewertet. Damit erhält das südbaltische Land die gleiche Einschätzung wie das Nachbarland Polen in einer Erhebung der dortigen AHK. Gleichzeitig erreichte Litauen 2011 aber auch eine bessere Bewertung als fast alle anderen Transformationsländer in entsprechenden AHK-Umfragen. Einen noch besseren Wert erzielte nur Estland (2,1). Die positivsten Noten bekam Litauen von Befragten in punkto EU-Mitgliedschaft, Arbeitskosten, politischer Stabilität, Qualifikation, Produktivität und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer, Qualität der lokaler Zulieferer sowie auch der Möglichkeit, von Litauen aus andere Absatzmärkte in der Region zu erschließen. Die schlechtesten Bewertungen gab es für Litauen in der AHK-Umfrage für Bereiche, die im Wesentlichen der öffentlichen Hand obliegen. Hier ist in erster Linie die Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen zu nennen. Hinzu kommen die Qualität des Berufsausbildungssystems, die Bekämpfung von Korruption und Kriminalität, die Flexibilität des Arbeitsrechtes und die Bedingungen für Forschung und Entwicklung. Im Index von Transparency International, der eine Einschätzung von Geschäftsleuten zum Korruptionsgrad in 183 Ländern widerspiegelt, liegt Litauen weltweit an 50. Stelle und innerhalb der EU nur auf dem 19. Platz. Im Vergleich zu den zehn anderen neuen östlichen EU-Staaten belegt Litauen den vierten Rang. Anfang 2012 laufen Überprüfungen zur korrekten Verwendung von EU-Fördermitteln, weswegen sich die Auszahlung weiterer Gelder teilweise verzögert. Germany Trade & Invest www.gtai.de 1
Litauen (März 2012) In der Einschätzung zur globalen Wettbewerbsfähigkeit des Weltwirtschaftsforums in Davos (World Economic Forum, WEF) befindet sich Litauen Anfang 2012 unter 164 untersuchten Ländern auf dem 44. Rang und in der EU an 17. Stelle. Damit erhält Litauen auch eine bessere Einschätzung als die anderen östlichen EU-Mitglieder mit Ausnahme von Estland (12. Position), Tschechien (14.) und Polen (15.). WEF-Länderrating 2011, Litauen (wirtschaftlicher Rang von insgesamt 142 Ländern) Kriterien Litauen Lettland Deutschland Gesamtrang 44 64 6 1 Institutionen 62 66 19 2 Infrastruktur 43 61 2 3 Makroökonomisches Umfeld 73 93 30 4 Gesundheit und Grundschule 46 49 23 5 Höhere Bildung und Ausbildung 26 34 7 6 Effizienz der Gütermärkte 64 60 26 7 Effizienz des Arbeitsmarkts 54 47 64 8 Entwicklung des Finanzmarkts 89 60 39 9 Technologische Reife 34 46 14 10 Marktgröße 79 95 5 11 Qualität des Geschäftsumfeld 54 71 4 12 Innovation 48 59 7 Quelle: World Economic Forum: Global Competitiveness Report: www.weforum.org/issues/global-competitiveness Eine noch bessere Einschätzung erteilt Litauen der Doing-Business-Report der Weltbank, welcher jährlich die aus Unternehmenssicht relevanten Rahmenbedingungen für Investitionen in 183 Ländern bewertet. In diesem Ranking befindet sich Litauen 2011 weltweit an 27. und innerhalb der EU sogar an 9. Stelle. Unter den zehn östlichen EU-Ländern sind nur Lettland (21.) und Estland (24.) weiter vorn. Die besten globalen Platzierungen bekommt Litauen beim Schutz von Eigentumsrechten (7.), dem Vertragsabschluss (15.) und dem Im- und Exportverfahren (28.). Am schlechtesten fallen die Bewertungen zum Investorenschutzes (65.), der Elektrizitätsversorgung (81.) und der Unternehmensgründung (101.) aus. Trotz einer weiterhin hohen Arbeitslosigkeit, deren Quote 2011 im Schnitt bei 15,4% lag (2010: 17,8%), kann es durch den jüngsten Aufschwung bei gefragten Qualifikationen inzwischen wieder schwierig sein, Mitarbeiter zu finden oder unter Umständen auch zu halten. Dies gilt insbesondere für Facharbeiter mit besonderer Qualifikation, Beschäftigte mit herausragenden Fremdsprachenkenntnissen sowie Ingenieure, IT-Spezialisten und andere gesuchte Akademiker. Solche Personen können oft einen Arbeitgeber im In- und Ausland wählen und wieder höhere Forderungen stellen. Bei einfacheren Tätigkeiten - etwa in der Produktion oder Logistik - ist es leichter, Personal zu finden, welches freilich oft auch noch zu schulen ist. Die Rate der Langzeitarbeitslosen ist 2011 entgegen dem Gesamttrend auf 8,0% gestiegen (2010: 7,4%), weil Menschen mit geringer oder veralteter Qualifikation auch im Aufschwung noch keinen neuen Job finden. 2 Investitionsklima und -risiken
Stand und Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen Der litauische Bestand an ausländischen Direktinvestitionen summierte sich Ende des 3. Quartals 2011 auf 10,7 Mrd. Euro oder 3.309 Euro pro Kopf. Mit Ausnahme von 2008 hat das südbaltische Land dabei seit 2000 einen kontinuierlichen Anstieg erlebt, selbst im schweren Rezessionsjahr 2009 gab es eine Zunahme um 370 Mio. Euro. Allerdings liegt Litauen einer Untersuchung des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) zufolge bei den ausländischen Direktinvestitionen noch unter dem Niveau von vielen anderen Transformationsländern. Laut WIIW hatten die zehn, seit 2004 beigetretenen EU-Mitglieder im Jahr 2010 einen durchschnittlichen Pro-Kopf-Bestand an ausländischen Direktinvestitionen von 4.618 Euro, während Litauen auf einen Wert von 3.134 Euro kam. Der lettische Bestand lag bei 3.713 Euro und der estnische bei 9.156 Euro. Im Vergleich zu den beiden baltischen Nachbarstaaten ist in Litauen jedoch der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an den gesamten ausländischen Direktinvestitionen besonders hoch. Die Quote lag Ende des 3. Quartals 2011 bei etwa 31,6%, während sie in Estland zum gleichen Zeitpunkt bei 17,3% und in Lettland bei 12,3% betrug. Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes waren die mit 1,1 Mrd. Euro beziehungsweise einer Quote von 10,7% meisten Investitionen in die Raffinerietätigkeit geflossen, vor allem in die Anlage des polnischen Orlen-Konzerns. Aber auch in der Chemieund Pharmaindustrie ist das ausländische Engagement mit 621 Mio. beziehungsweise 398 Mio. Euro nicht gering. Weitere interessante Branchen für ausländische Investoren sind die Nahrungsmittel-, Getränke und Tabakverarbeitung (391 Mio. Euro) und die Holz-, Papier- und Druckindustrie (199 Mio. Euro). Neben dem verarbeitenden Gewerbe hatte der Handel mit 13,9% einen besonders hohen Anteil an den ausländischen Direktinvestitionen in Litauen. Auch das Finanzwesen (12,4%), der Immobilienbereich (11,3%), der IT- und Kommunikationssektor (9,5%) und die Energiewirtschaft (6,7%) waren gefragt. Das Land mit dem mit Abstand höchsten Bestand an Direktinvestitionen in Litauen war Ende des dritten Quartals 2011 Schweden (1.540 Mio. Euro), vor Polen (1.397 Mio. Euro) und Deutschland (1.059 Mio. Euro). Insgesamt 75,4% der Gesamtsumme stammt aus anderen EU-Ländern und 6,9% aus den GUS-Staaten. Sehr stark ist Litauen bei ausländischen Direktinvestitionen mit dem Ostseeraum verflochten, denn 55,6% des Gesamtkapitals waren aus deren EU-Anrainern geflossen. Einen Anteil von zusammen 30,3% hatten die nordischen Länder Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland, weitere 7,8% entfielen auf die beiden baltischen Nachbarn Lettland und Litauen. Entwicklung ausländischer Direktinvestitionen 2009 2010 2011 *) Kumulierter Bestand (in Euro) 9.560 10.297 10.734 Nettotransfers 370 737 437 1) zum Jahresende; 2) zum Ende des 3. Quartals Quelle: Litauische Zentralbank Für deutsche Investoren sind die wichtigsten Zielbranchen für Direktinvestitionen der Immobiliensektor, wohin bis Ende September 2011 etwa 28,6% des gesamten Kapitals aus der Bundesrepublik geflossen waren, ferner die Energiewirtschaft (23,0%), der Handel (18,3%), das Versicherungswesen (6,5%), die Kfz- Industrie (6,3%) und diverse andere Zweige des verarbeitenden Gewerbes mit Germany Trade & Invest www.gtai.de 3
Litauen (März 2012) zusammen 7,4%. Laut neuester offizieller Statistik gab es in Litauen 2010 insgesamt 430 Unternehmen, in die deutsche Firmen investiert haben. Vor der Krise 2008 waren es 443 Gesellschaften gewesen. Zu den in Litauen tätigen Unternehmen mit deutschem Kapital zählen unter anderem die Versicherung Ergo Lietuva UADB, der zur Panther International GmbH gehörige Fahrradfertiger Baltik vairas UAB, der Metallbearbeiter HI-Steel LV UAB, der Hersteller von Möbelteilen BHK Lietuva UAB, der Agrarbetrieb KTG Agrar UAB sowie im Logistiksektor Cargotrans UAB, Göllner Spedition UAB und Rhenus Svoris UAB. Deutsche Direktinvestitionen 2007 2008 2009 Kumulierter Bestand (in Euro) 811 1.397 1.275 Nettotransfers 252 586-122 Quelle: Deutsche Bundesbank Zu den Wirtschaftszweigen, die für ausländische Investoren an Bedeutung gewinnen dürften, zählt zum einen der Energiesektor. Hier steht in den kommenden Jahren der Bau des geplanten Atomkraftwerkes in Visaginas im Vordergrund, wofür 2011 Hitachi als strategischer Partner ausgewählt wurde. Auch erneuerbare Energien sollten mehr im Fokus stehen. Weitere Branchen sind das Logistikgewerbe und einige Zweige des verarbeitenden Gewerbes, etwa die Metall-, Chemie-, Holz-, Möbel- und Nahrungsmittelindustrie. Die öffentliche Agentur zur Investitionsförderung Invest Lithuania sieht besonderes Potenzial auch bei Forschung und Entwicklung, im ITK-Bereich, in der Elektronikindustrie und Lasertechnik, der Biotechnologie, der Medizintechnik, der Umwelttechnik und bei Verwaltungstätigkeiten von internationalen Unternehmen. Über konkrete Projekte informieren wir Sie detailliert und aktuell auf www.gtai.de. Kontaktanschriften: Wirtschaftsministerium der Republik Litauen (Lietuvos Republikos ukio ministerija) Gedimino pr. 38; 01104 Vilnius Tel.: 00370 8/70 66 48 45; Fax: -47 62 E-Mail: kanc@ukmin.lt; Internet: www.ukmin.lt Invest Lithuania Jogailos g. 4; 01116 Vilnius Tel.: 00370 5/262 74 38; Fax: -212 01 60 E-Mail: info@investlithuania.com; Internet: www.investlithuania.com Deutsch-Baltische Handelskammer in Estland, Lettland, Litauen - Büro Vilnius Vinco Kurdikos g. 6; 03105 Vilnius Tel.: 00370 5/213 11 22; Fax: -10 13 E-Mail: info.lt@ahk-balt.org; Internet: www.ahk-balt.org 4 Investitionsklima und -risiken
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