Erdbeben und Talsperren

Ähnliche Dokumente
Pumpspeicherkraftwerk Atdorf Erdbebensicherheit

Erdbebensicherheit von Böschungen und Dämmen

Erdbebensicherheit: Anforderungen für kleinere Stauanlagen

Abschluss-Workshop MAGS-Projekt

Pfiffner Engi Schlunegger Mezger Diamond. Erdwissenschaften. 2. Auflage. basics

AUSWIRKUNGEN VON ERDBEBEN AUF DEN STANDORT NECKARWESTHEIM

DHM-Basel: Feststellungen 1

Erdbebengefährdung Schweiz. Wann, wo und wie oft ereignen sich bestimmte Erschütterungen in der Schweiz?

Lokale seismische Gefährdungsanalyse Von zerstörerischen Bodenerschütterungen und Erdbeben-induzierten Phänomenen

Aufbau der Erde und Plattentektonik Vulkane. Erdbeben und Tsunamis Erdrutsche Halbe Probe

Erdbebenzonenkarte für Baden-Württemberg

Erdbebengefährdung für die Bemessung von Stauanlagen nach DIN 19700

1. Induzierte Seismizität in Deutschland 2. Fluid-induzierte Seismizität 3. Maßnahmen zur Begrenzung der Seismizität

Einführung in das Erdbebeningenieurwesen. Prof. Dr.-Ing. Uwe E. Dorka

SGVC - Fachtagung "Erdbebensicherheit im Anlagenbau" Erfahrungen im In- und Ausland

Erdbebengefährdungskarten für die Bemessung von Stauanlagen nach DIN 19700

Inhaltsverzeichnis. Symbolverzeichnis... XIII

Warum die Erde bebt. Eduard Kissling. Winterthur, 7. Nov. 2012

Was ist geschehen? Mit ShakeMaps und Schütter karten schnell über die Auswirkungen eines Erdbebens informiert

Tiefengeothermie und induzierte Seismizität

Restkörperanalyse zur Beurteilung der Gefahr des globalen Versagens bei Erdbebeneinwirkung für Staudämme

Was ist die Magnitude eines Erdbebens?

Erdbebensicherheit von Erddämmen

Erdbebengerechte Bauten und Infrastruktur -

Seismischer Entwurf und Bemessung in der Geotechnik Conception et dimensionnement sismique en géotechnique

Research Collection. Report. ETH Library. Author(s): Fäh, Donat; Havenith, Hans. Publication Date: 2006

Erdbeben-Gefährdungszonenkarten für die Talsperrenbauten im Freistaat Thüringen

Forschungskollegium Physik des Erdkörpers (FKPE) AG Induzierte Seismizität

Ausstellung BergeBeben! Erdbeben und Gebirgsbildung Antworten zum Multiple choice Fragebogen markus weidmann, Donnerstag, 12.

2 Sicherheitstechnischer Hintergrund und Bewertungsmaßstäbe

GEOBEST-CH. Kompetente seismologische Beratung bei Tiefengeothermieprojekten. Stadt Basel. Nicht spürbar (Magnitude < 2) 1000 m.

Tiefe Geothermie und Seismizität

Erdbebenrisiko in Liechtenstein

DMT Fachstelle für Erschütterungsmessungen

CH-Erdbebenkatalog

Seismologische Überwachung Geothermieprojekt St. Gallen

SEISMIZITÄT UND GEOTHERMIE. Schlagworte

Monitoring. Univ.-Prof. Dr. habil. Marco Bohnhoff. Hannover, 24. Juni Sektion 3.2: Geomechanik und Rheologie. Einsatz von mikroseismischem

Erdbebenzone Oberrheingraben

Fracking und seismische Ereignisse

AKW Fessenheim Kritik der Bestimmung der Erdbebengefährdung

Die zeitabhängige Durchströmung von Dämmen

Prof. Dr. -Ing. habil. Heinz Konietzky, Dipl.-Geophys. Reinhard Mittag, Dipl.-Geophys. Holger Schütz

Erdbeben, Erdbebenstärke und Opferzahlen. Quelle: Wikipedia Commons

Die Schweiz weist eine niedrige bis mittlere Erdbebengefährdung. Seismische Standortanalyse: Bestehende Gebäude sicher und effizient verstärken

66 Gefährdung durch Erdbeben. Erdbebenschäden in L Aquila, Italien (Foto: GFZ)

Seismische Mikrozonierung Obwalden Berücksichtigung der Erdbebengefahr in Raumplanung und Baubewilligungsverfahren

Zusammenhänge zwischen makroseismischen Intensitäten und Antwortspektren, Erdbebendauer und Bauwerksvulnerabilität

2000 Jahre Seismizität in den Alpen

PRESSEMITTEILUNG

Erdbebensicherheit von Hochwasserrückhaltebecken. Kompendium für Betreiber und Wasserbehörden

Grundlagen. Erdbebengerechter Entwurf. Thomas Wenk. Wenk Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik GmbH Zürich

ERDBEBEN Fachgebiet: Verkehrswegebau Referent: Fabian Schlömer

Monika Gisler, Donat Fäh Hrsg. Nachbeben

Der Schweizerische Erdbebendienst (SED)

Erdbebenstatistik. Stefan Wiemer

Ausschuss für Rohrfernleitungen (AfR) Die Beurteilung der Gefährdung von eingeerdeten Rohrfernleitungen durch Erdbeben in deutschen Erdbebengebieten

Die Schweizer Erdbebennorm und der Eurocode 8

Von Peter Fink (Versicherungsmathematiker, Tübingen) Erstellt für die BI Aubrunnen, 3. April 2017

Vergleich der Erdbebenrichtlinie für Stauanlagen in der Schweiz mit denjenigen der Nachbarländer Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien

Das Kooperationsprojekt SiMoN+: Die Nachfolge von SiMoN

Die Erdbebenkatastrophe 1356 in Basel eine Beurteilung im Kontext der regionalen seismischen Gefährdung

Welchen Nutzen haben 3D-Modelle für die Tiefengeothermie?

Fünf Jahre Hessischer Erdbebendienst (HED)

Kurzbericht aus Sicht des Kantons, Stand der Politik

13. Wahlperiode

Einführung in das geotechnische Erdbebeningenieurwesen

Nachweis der Erdbebensicherheit von Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg. Arbeitshilfe für die praktische Durchführung

Seismologie und Geodynamik in der Schweiz: Was kann GNSS beitragen?

Probabilistische seismische Gefährdungsanalysen auf der Grundlage von Epizentrendichten und ihre ingenieurpraktischen Anwendungsgebiete

Erdbebengerechtes Bauen in Horw

Aspekte der Erdbebengefährdung im Zusammenhang mit dem Deep Heat Mining Projekt in Basel

Geotechnike Bauwerke unter Erdbeben HADI DAABUL

Erdbebensicherheit - SIA 261

ERDBEBENAUSLEGUNG NACH KTA 2201 AUSLEGUNG DER BAULICHEN ANLAGEN UND ANLAGENTEILE

Originally published as: Grünthal, G. (1981): Zur Seismizität des Territoriums der DDR. - Gerlands Beiträge zur Geophysik, 90, 3,

Erdbeben und Erdbebenvorsorge in Sachsen-Anhalt. Ivo Rappsilber

Daraus ergibt sich: Eine Steigerung der Lokal-Magnitude um 1 entspricht einer Verzehnfachung des Ausschlags (denn 10 + M

MAURER SIP-Adaptive. Gleitpendellager der 2. Generation. forces in motion

Die Magnitude. Markus Weidmann, Büro für Erdwissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit, Chur

Unter den Erdbeben der jüngsten Vergangenheit wies dasjenige von Marly im Jahr 1999 eine Magnitude von 4,3 auf, das Erdbeben in den Abruzzen im Jahr

MAGS2 - EP5: Stand der Arbeit

Wasserkraftwerk Mühleberg (Wohlensee-Staumauer) Unregelmässigkeiten beim Erdbebennachweis M. Kühni, Dipl. Ingenieur ETH

Können Erdbeben vorhergesagt werden?

Sitzungsvorlage für die 154. Sitzung des Braunkohlenausschusses am 03. März 2017

Erdbebensicherheit von Brücken

DIN 1054:2005. Lastfall hängt von der Einwirkungskombination auf der Lastseite und der Sicherheitsklasse auf der Widerstandsseite ab:

Erläuterungen Erdbebenmikrozonierung Region Basel Seite 1

Konzept Beweissicherung

Umweltauswirkungen von hydraulischen Gesteinsbehandlungen in der tiefen Geothermie Seismizität

Tobias Horstmann 1, Andrea Brüstle 2 Thomas Spies 1, Jörg Schlittenhardt 1, Bernd Schmidt 2. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 2

Analysen zur induzierten Erdbebensequenz St. Gallen Prof. Stefan Wiemer Schweizerischer Erdbebendienst, ETH Zürich

Überblick (Di ) Teil 2 Tafeljura (Do )

Probabilistische seismische Gefährdungsabschätzungen

Die seismische Struktur der Arava-Störung, Totes-Meer-Transform

Geothermie in der Schweiz hat grosses Potential - auch nach St. Gallen und Basel

Anforderungen gemäß SiAnf Umsetzung in KTA Bewertung 2.4 (1) Alle Einrichtungen, die erforderlich sind, den

Basisdokument zu dem Nachweis der Erdbebensicherheit

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Vertretungsstunden in Klassen Das komplette Material finden Sie hier:

Einstiegstext: Erdbeben können zerstören...

Transkript:

Öffentliche Mittwoch 28. April 2010 Wehr Erdbeben und Talsperren Dr. Jost A. Studer, Zürich 1

Gliederung Erdbeben in Baden-Württemberg, Vergleich mit anderen Ländern Ermittlung der Erdbebengefährdung Verletzlichkeit von Talsperren bei Erdbeben Zusammenfassung 2

Messen der Erdbebenstärke Intensität: Beobachtung von Schäden Natur Lebewesen Bauten Magnitude: Messen der abgestrahlten Erschütterungen 3

Messeinheiten der Erdbebenstärke 1 - Magnitude aus Messung mit Seismograph 2 - Bruchfläche 3 - Erdbebenherd 4 - Epizentrum 5 - Intensitätsverteilung aus Beobachtung 4

Gefährdung: Europa, Mittelmeerraum B-W Quelle : Projekt SESAME schwach mittel stark sehr stark 5

Seismizität seit 1000 Jahren (SED) MSK 6

Intensitäten in Mitteleuropa - Wiederkehrperiode 475 Jahre 7

Erdbebengefährdung in Deutschland Erdbebengefährdungskarte der Spitzenbodenbeschleunigung Erdbebenüberschreitenswahrscheinlichkeit 4% in 100 Jahren, entsprich einer Wiederkehrperiode von 2500 Jahren Grünthal et al. (2009) 8

Ermittlung der Erdbebengefährdung Erschütterungen: Deterministische Methode DSHA - Deterministic Seismic Hazard Analysis Probabilistische Methode PSHA - Probabilistic Seismic Hazard Analysis Methode zur Ermittlung der Gefährdung in Baden-Württemberg Verwerfungen: Deterministisch 9

Bodenbewegung Gefährdungsfunktion Anzahl Erebeben Probabilistische Seismische Gefährdungsanalyse Quellencharakteristik Erdbebenverteilung Seismotektonische Quellen Verwerfung Totale Gefährdung am Standort Region Magnitude Abminderungs -gesetze Bodenbewegung Distanz 10

Seismizität aus Erdbebenkatalogen, Bsp. Bujagali - Uganda Verwendete Kataloge: International Seismology Centre US Geological Survey Standort Magnitude 4 5 6 7 8 11

Geologische und Seismotektonische Bedingungen, Ostafrika Strukturgeologische Karten 12

Seismische Quellzonen der PSHA Bestimmen der Seismischen Quellzonen Grundlage geologische, tektonische und seismologische Randbedingungen Quellzonen mit ähnlichen Erdbebencharakteristiken 2 7 6 3 1 4 9 Standort 8 Magnitude 4 5 6 7 8 5 10 13

Abminderungsgesetze Ambraseys et al. (2004) Campbell & Bozorgnia (2003) Boore, Joyner & Fumal (1997) 14

Ergebnis der PSHA für PGA 15

Verwerfungen Verwerfungen könne problematisch sein, wenn: aktiv und durch Fundation / Flanken / Reservoir der Talsperre gehen bestimmte Stärke (Potential) aufweisen Verschiebungen erzielen Beurteilung einer Verwerfung Potential einer Verwerfung: hängt von Länge und Grösse der Bruchfläche ab Erfahrungswerte aus weltweiten Daten Aktivität: aus topographischen Gegebenheiten Untersuchung der Versatzbewegung etablierte Methoden vorhanden 16

Erdbeben von Basel 1356 stärkstes Erdbeben nördlich der Alpen, Magnitude 7 Bestandteil des Rheingrabens Epizentrum linksrheinisch von Basel (Blauen) relativ gut erforscht Verwerfungen im interessierenden Gebiet sind nicht Bestandteil der Verwerfungen des Basler Bebens 17

Schutzziele bei Talsperren (DIN 19700) MCE Maximum Credible Earthquake Sicherheitsniveau Schaden am Damm ist zulässig Unkontrollierter Ausfluss des Reservoirs muss verhindert werden Sicherheitsrelevante Einrichtungen müssen funktionstüchtig bleiben Wiederkehrperiode des Bemessungserdbebens 2500 Jahre OBE Operating Based Earthquake Gebrauchstauglichkeit Kein struktureller Schaden am Damm ist zulässig (keine Rissbildung) Alle Einrichtungen müssen funktionstüchtig bleiben Wiederkehrperiode des Betriebserdbebens 500 Jahre 18

Erdbebenschäden bei Talsperren Erdschüttdamme Mauern Erfahrungen zeigen gutes Verhalten, wenn: genügend Sicherheit bei statischen Lasten geeignetes Damm und Fundationsmaterial gute Verdichtung gutes massives Bauwerk (nicht aufgelöst) Flanken stabiler Fels Probleme bei: lockergelagerte kohäsionslose Materialien, z.b. Hydraulic Fill Probleme bei: differentiellen Deformationen in der Maueraufstandsfläche Erprobte Analysemethoden vorhanden 19

Verletzlichkeit von Erd- und Schüttdämmen Direkter Einfluss der Verwerfung Zerreissen des Dammes, wenn auf aktiver Verwerfung Verlust des Freibordes und überspülen der Dammkrone infolge differenzieller Setzungen Gegenmassnahmen: geeignete Standortwahl Direkte Einwirkung des Bebens auf den Dammkörper und Fundation Überspülen infolge Setzungen und Sackungen Stabilitätsverlust der Böschungen Versagen der Fundation als Folge von induzierten Porenwasserdrücken Gegenmassnahmen: günstige Querschnittsgestaltung Bei Entstehung von Rissen Gefahr innerer Erosion Breite Kern- und Filterzonen, "selbstheilendes" Dichtmaterial verwenden 20

Verletzlichkeit von Erd- und Schüttdämmen Indirekte Gefährdung - ungünstiges Verhalten des Reservoirs Überspülen des Dammes infolge Rutschungen der Uferböschungen Überspülen durch Wellenschlag aus Eis-, Fels- und Schneelawinen Überspülen durch bebeninduzierte Wellen Untersuchung der Uferböschungen, höheres Freibord, Erosionsschutz Indirekte Gefährdung durch Versagen von Nebenanlagen Zerstörung der Entnahmebauwerke oder Hochwasserentlastung kann evtl. Überspülen zufolge haben Nebenanlagen müssen auch erdbebensicher dimensioniert sein Erdbebensicherheit umfasst nicht nur Dammstabilität 21

Relative Verschiebung Beschleunigung Böschungsdeformationen unter Erdbebeneinwirkung a c Gleitblock Potentielle Gleitfläche Analogie zum Blockgleiten Newmark (1965) 22

Beispiel: oberflächengedichteter Damm Lastfall: Stauziel oberflächennaher, hangparalleler Böschungsbruch brechen der Oberflächendichtung Prüfen der hydraulischen Stabilität des Dammes Gleitkreis Asphaltdichtung Äussere Zone Vorschüttung 23

Zusammenfassung (I) Seismizität Baden-Württemberg schwache bis mittlere Seismizität gute Datengrundlage vorhanden moderne probabilistische Gefährdungsberechnung vorhanden Verwerfungen Methoden zur Beurteilung vorhanden (international angewendet und akzeptiert) gute Kenntnisse der Verhältnisse vorhanden 24

Zusammenfassung (II) Talsperren wenig empfindlich auf Erdbeben international anerkannte Analyse- und Berechnungsmethoden (ICOLD, DIN, Arbeitshilfe Baden-Württemberg) Mehrstufige Genehmigungsverfahren (unabhängige Prüfingenieure, Behörden) Projektbeteiligte haben bezüglich Talsperren und Erdbeben internationale Erfahrungen (von schwacher bis starker Seismizität, alle Talsperrentypen) 25

Reserve 26

Reservoir induzierte Seismizität Weltweit mitunter beobachtet Ursache: Gewicht des Wassers Erhöhung Porenwasserdruck im Untergrund ungünstiger Spannungszustand im Untergrund Kombinationen Beurteilung (ICOLD): möglich bei Sperrenhöhen grösser 100 m und grossem Reservoirvolumen max. induziertes Erdbeben max. Potential der näheren Region 27

Amplitude (g) Gefährdungsspektrum der PSHA 1.00 Uniform Hazard Spectra (annual probability of exceedance 1 / 10,000) 0.10 0.01 0.01 0.1 1 10 Period (s) 28