1 Recycling von Verbundwerkstoffen im Automobil Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Andreas Marek (Referent) Dipl.-Chem. Klaus Bolze Dipl.-Ing. Till Joachim Dipl.-Ing. Olaf Jung Prof. Dr. Hartmut Widdecke 1 Einleitung Bedingt durch die europäische Altautoverordnung ist das Recycling von Automobilen und deren Bauteile noch stärker in den Blickpunkt gerückt. Abbildung 1: Einsatz von Kunststoffen im Automobil Standardkunststoffe Duroplaste 21% 31% 48% Technische Thermoplaste Quelle: VKE AA Statistik und Marktforschung
2 Diese Verschiebung geht hauptsächlich zu Lasten der Stahl- und Eisenfraktion. Die Kunststofffraktion im Automobil besteht überwiegend aus Thermoplasten, wie Abbildung 1 zeigt. So prognostiziert der VKE für das Jahr 2000 einen Kunststoffanteil von 14 % in den Fahrzeugen. Dabei sind die Kreisläufe der nichtmetallischen Werkstoffe deren Anteil in Fahrzeugen wachsend ist, nicht oder nur mangelhaft geschlossen. Aus diesem Bereich stellen besonders die Verbundwerkstoffe u.a. die faserverstärkten Thermoplasten eine Herausforderung für das Recycling dar. 2 Faserverstärkte Thermoplaste Eine Gruppe der Verbundwerkstoffe sind die faserverstärkten Thermoplaste. Diese können nach verschiedenen Kriterien eingeteilt werden. Die Thermoplaste lassen sich nach der Länge der Verstärkungsfasern in kurz-, langund endlosfaserverstärkte Kunststoffe differenzieren. Tabelle 1 zeigt die Einteilung der drei Gruppen. Verarbeitungsverfahren Wickeln, Flechten Formpresse Form-/Fließpressen Fließpressen Spritzgießen, Extrudieren Tabelle 1: Einteilung von Faserverbundwerkstoffen Faserverstärkung Faserlängen Halbzeuge Endlosfaserverstärkung Endlos Fadenprepregs Bauteillänge Organobleche Langfaserverstärkung Zuschnittlänge GMT > 10 mm Langfasergranulat Kurzfaserverstärkung < 10 mm Granulat Theoretisch könnte ein Recyclingprozeß die Stoffströme dieser Gruppen miteinander verbinden, wie in Abbildung 2 dargestellt. In der Praxis treten jedoch Probleme auf. So können endlosfaserverstärkte Thermoplaste nicht in langfaserverstärkte Bauteile überführt werden. Bei den notwendigen Zerkleinerungs- und Aufarbeitungsprozessen tritt oftmals eine starke Längenreduzierung der Faser auf, so dass das Rezyklat nur für den Einsatz in kurzfaserverstärkten Granulaten geeignet scheint.
3 Erste Ansätze über Auflösen der Matrix könnten auf diesem Gebiet Erfolge erbringen. Es besteht aber noch ein weitreichender Forschungsbedarf. Eine weitere Gruppierung ist die Aufteilung nach Art der Verstärkungsfaser. Neben der Glas- und Kohlefaser, ist gerade für das Recycling die Gruppe der Naturfaserverbundwerkstoffe interessant. Die Naturfaser hat neben ihren ökologischen auch technische Vorteile, die für potentielle Applikationen berücksichtigt werden sollten. Abb. 2: Theoretisch möglich Verbindung von Stoffströmen Quelle: RWTH-Aachen, Umwelt-Forum 3 Recyclingstrategien Ein Recyclingprozeß kann in unterschiedlichen Stufen beginnen. Man unterscheidet: In der Entwicklung - recyclinggerechte Konstruktion - recyclinggerechte Werkstoffauswahl In der Produktion - Produktionsabfallrecycling
4 Nach Ende des Lebenszyklusses - Weiterverwendung/-verwertung - Wiederverwendung/-verwertung 3.1 Recycling von Türseitenverkleidungen Die Schwierigkeit für ein hochwertiges Recycling von komplexen Bauteilen liegt in der Trennung der Materialien. Dies kann durch Demontage und/oder Aufbereitungsverfahren erfolgen. Zunächst werden bei den Türseitenverkleidungen durch Demotage die Abfolge möglicher Zerlegungsschritte, deren Dauer und die entfernten Materialien dokumentiert. Man erhält Demontagevorrang-, Teileverbindungsgraph sowie ein Zerlegeprotokoll. Daraus erzielt man wichtige Erkenntnisse z.b. für konstruktive Verbesserungen. Für eine Aufbereitung ist die Demontage von Metallteilen und Anbauteilen mit großer Masse empfehlenswert. Anschließend werden die Seitenverkleidungen einer mechanischen Zerkleinerung zugeführt. Die durchgeführte Siebanalyse der zerkleinerten Türseitenverkleidungen brachte das in Tabelle 2 dargestellte Ergebnis. Tabelle 2: Ergebnisse der Siebanalyse Siebnummer Maschenweite x i [mm] Teilmasse m i [g] Bemerkung 1-7 1,00 872,90 Mischfraktion Faser mit unterschiedlicher 8-10 0,50 87,70 Verschmutzung 11-17 31,30 204,70 Fasern 18 0,00 40,90 Faserstaub Die Faserfraktion kann über die Compoundierung als Füll- oder Verstärkungsmaterial in thermoplastische Matrices eingebracht werden, um so eine sinnvolle Verwertungsschiene zu erschließen. Beispielhaft sind für diesen Weg zwei Alternativen untersucht worden. Der Kunststoff auf der Basis von Celluloseacetat zeigt mit steigendem Faserezyklatanteil auch eine Zunahme der mechanischen Werkstoffeigenschaften.
5 Dieses Verhalten ist auf die polare Kunststoffmatrix zurückzuführen, die eine bessere Faserhaftung ermöglicht. Beim unpolaren Polypropylen bringt der Faserzusatz keine Verbesserung der mechanischen Eigenschaften. Hier wirkt sich der progressive Faseranteil negativ aus. Zwar steigt der E-Modul ebenfalls an, dies beruht aber nicht auf dem Zuwachs der Zugfestigkeit, sondern auf die steigende Versprödung des Werkstoffes mit höheren Fasergehalten. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen Tabelle 3. Der Einsatz von Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen ist für diesen Bereich durchaus sinnvoll. Tabelle 3: Eigenschaften der Rezyklate Material Anteil des Faserrezyklats Zugfestigkeit σ B Zugdehnung ε B E-Modul E Z % N/mm 2 N/mm 2 CA 24,30 1350 10 25,23 3,197 1830 20 30,19 2,624 2633 30 30,29 2,041 3633 PP 34,00 1400 10 29,16 7,200 1691 20 27,70 5,390 2030 30 24,07 2,942 3284 Neben den Auswirkungen auf die Werkstoffeigenschaften bietet diese Verwertung einen weiteren positiven Aspekt. Das Einbringen hoher Faserrezyklatgehalte ermöglicht eine Senkung der Kosten für Biopolymere, was sich fördernd auf die Verbreitung dieser Kunststoffgruppe auswirken könnte. Die PU-/PVC-Fraktion könnte über die Glykolyse verwertet werden. Allerdings kann dieses Recyclingkonzept über sinnvolle Konstruktion der Bauteile und recyclinggerechte Werkstoffauswahl weiter optimiert werden. Das komplette Konzept zeigt Abbildung 3.
6 Abbildung 3: Recycling von Türseitenverkleidungen Türseitenverkleidungsträger Vordemontage von Bauteilen Zerkleinerung in einer Schneidmühle Siebung Thermoplast Faserfraktion Schaum- und Folienfraktion Glykolyse Compoundieren Spritzgießen PU Oligomere PVC Produkt
7 3.2 Recyclinggerechte Werkstoffauswahl (Verbundwerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen) Eine Alternative in bezug auf Recycling sind Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen. In diversen Projekten sind am Institut für Recycling verschiedenen Naturfaserverbundwerkstoffe mit einem gleichläufigen Doppelschneckenextruder der Fa. Leistritz vom Typ ZSE 40 GL-32D generiert worden. Aufbauend aus den positiven Untersuchungen an unverstärkten Biokunststoffen und den Erfahrungen mit den Faserrezyklaten (vgl. Kap. 3.1), wurden je ein Kunststoff auf Basis von Polymilchsäure und Cellulose als Matrixwerkstoff ausgewählt. Die Proben sind auf einer Spritzgußmaschine der Fa. Arburg vom Typ Allrounder 420 C hergestellt worden und unmittelbar vor der Prüfung min 16 Stunden bei 23 C und 50 % rel. Feuchte gelagert worden Als Fasern wurden Sisal und Miscanthus ausgewählt. Beide Stoffe wurden zerkleinert über eine gravimetrische Dosiereinheit der Fa. K-tron vom Typ K2MLT20 zu ca. 20 % in den Extruder eingebracht. 3.2.1 Verbundwerkstoffe auf der Basis von Polylactid Die Eigenschaften der Werkstoffe sind aufgrund der besseren Übersicht in Tabellenform angegeben (vgl. Tabelle 3). Tabelle 1: Eigenschaften von PLA-Verbunden Mittelwerte für Einheit PLA- Miscanthus PLA- Sisal PLA Zugfestigkeit MPa 51,04 57,9 51,91 Zug-E-Modul MPa 4222,5 3857 2076,4 Biegefestigkeit N/mm² 83,1 67,4 65,2 Biege-E-Modul N/mm² 3830,75 3523 3509,8 Kerbschlagzähigkeit nach Charpy kj/m² 3,4 3,4 2,6 Die Ergebnisse zeigen, dass die Auswahl des Zusatzes entscheidend für die Veränderung der mechanischen Eigenschaften ist. So verbessert Sisal die
8 Zugeigenschaften, während Miscanthus sich mehr auf die Biegeeigenschaften von PLA auswirkt. 3.2.2 Verbundwerkstoffe auf der Basis von Cellulose Die Ergebnisse der Werkstoffcharakterisierung sind in der Tabelle 2 dargestellt. Auch hier wird deutlich, dass Sisal eine Verbesserung der Zugeigenschaften bewirkt. Allerdings zeigt Sisal in Verbindung mit Celluloseacetat auch einen positiveren Einfluß auf die Biegeeigenschaften als Miscanthus. Tabelle 2: Eigenschaften von CA-Verbunden Mittelwerte für Einheit CA- Miscanthus CA- Sisal CA Zugfestigkeit MPa 34,03 54,5 28,06 Zug-E-Modul MPa 2705,85 4079,82 1452,23 Biegefestigkeit N/mm² 50,9 59,3 36,9 Biege-E-Modul N/mm² 2421,72 2881,91 1341,66 Kerbschlagzähigkeit nach Charpy kj/m² 6,2 k.a. 5,4 4 Zusammenfassung Eine gute Recyclingstrategie beginnt besonders bei den Verbundwerkstoffen durch eine recyclinggerechte Konstruktion und eine geeignete Werkstoffauswahl. Hier verbirgt sich ein erhebliches Potential. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen eine gute Alternative zu den klassischen Werkstoffen sein können. Im Bereich der Kunststoffe sind diese Materialien vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Wirtschaft von Interesse. In den Verarbeitungseigenschaften und dem Werkstoffprofil ist diese Kunststoffgruppe mit den herkömmlichen vergleichbar. Sie können durch gezielte Zugabe von Naturfasern in den gewünschten Bereichen sogar noch verbessert werden. Dafür ist es jedoch nötig, die gewünschte Anwendung zu kennen, um das Eigenschaft- dem Anforderungsprofil zu adaptieren.
9 Allerdings ist in diesem Zusammenhang die Forderungen aus der Altautoverordnung besonders wichtig, die in jetziger Form den Einsatz nachwachsender Rohstoffe unverständlicher Weise nicht fördert. Die Autoren bedanken sich beim Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen (MWK) / Arbeitsgruppe Innovative Projekte (AGIP) für die finanzielle Unterstützung.