Ingrid Floss *1970 in Köln Studium der Malerei an der Kunstakademie München bei Jerry Zeniuk, Franz-Bernhard Weißhaar und Nikolaus Lang lebt in München Ingrid Floss verortet ihre Malerei zwischen der Tradition für die u. a. Adolf Hölzel steht, und der der heutigen Zeit. Ihre Bilder setzen sich aus dicht gesetzten Farbflächen zusammen. Geschlossene opake wechseln mit offenen Farbformen, die aus wenigen Pinselstrichen bestehen, intensive Buntfarben mit Grautönen. In ihren neuen Bildern setzt sie verstärkt die Linie ein, um farbige Flächen zu beleben oder zu brechen, Übergänge zu schaffen und Tiefenunterschiede auszugleichen. Aufbau und Ordnung ihrer Bilder sind komplex und erschließen sich aufgrund der Fülle von Details nicht auf den ersten Blick. Durch das Vor- und Zurücktreten der Farben, das im spannungsvollen Ausgleich zueinander steht, entsteht Räumlichkeit. Der Malprozess, der viele Überlegungen und Entscheidungen einschließt, ist oft ein langes Ringen mit dem Bild. Bei jedem einzelnen versucht sie wieder über ihre eigenen Grenzen hinauszugehen. In all dem drückt sich aus, wie ich die Welt und das Leben sehe: als reiche, unendliche Vielfalt, bei der alles miteinander in Verbindung steht, sozusagen vernetzt ist. Jedes Element ist gleich wichtig. Wenn ich etwas weglasse, verliert das Bild sein Gleichgewicht. So entsteht wie bei Hölzel ein malerischer Bildraum, nur in Bezug auf unsere heutige Zeit. "Hommage an Hölzel", 2015 80 x 90 cm Öl auf Baumwolle
o.t., 2014 Öl auf Aluminium 90 x 223 cm Doris Hahlweg *1957 in São Paulo, Brasilien Studium der Malerei an der Kunstakademie München bei Rudi Tröger und Hans Ladner lebt in München Die Entstehung eines Bildes beginnt bei Doris Hahlweg, und das ist heutzutage selten, mit der Herstellung ihrer Farben, die sie aus historischen und modernen Pigmenten mit Öl anmischt. Die profunde Kenntnis maltechnischer Zusammenhänge ist ihr Handwerkszeug. Dass sie es souverän beherrscht, zeigt die große Bandbreite des in allen denkbaren Nuancen gezielt eingesetzten Farbmaterials. Selbst der metallische Glanz der Aluminiumplatten, ihrer Bildträger, wird bei lasierenden Farbaufträgen wirkungsvoll genutzt. Durchaus spielerisch-experimentelle Züge trägt ihr Vorgehen, das Schritt für Schritt reflektiert, aber ohne Kalkül erfolgt. Immer wieder werden neue, ungekannte Farbkonstellationen ausprobiert, Farbflächen verwischt, übermalt, abgekratzt oder zur Seite geschoben, so dass nur feine Randstreifen manchmal noch ahnen lassen, wie viele Vorstufen zu diesem Ergebnis geführt haben. Formen entstehen während des langwierigen malerischen Prozesses allein aus der Farbe heraus, Ihre Setzungen wurden in den letzten Jahren zunehmend direkter. Lineare Elemente kamen hinzu und durch Spuren flüssiger Farbmasse auch zeichnerische. Das schöne, gefällige Bild war nie ihr Ziel, sondern eines, das sie nie zuvor gesehen hat.
Michael Toenges *1952 in Pfaffenhofen an der Ilm Studium an der Werkkunstschule Krefeld und an der Kunstakademie Düsseldorf bei Fritz Schwegler lebt in Köln und Leverkusen Sichtbarmachen durch Überdecken ist das Grundprinzip der Malerei von Michael Toenges:...erst wenn meine Vorstellung oder Idee von einem Bild restlos zugrunde gegangen ist, habe ich das Gefühl zu arbeiten, bekannte er 2008. Zum Auslöschen oder Wegmalen benutzt er Ölfarben, die nicht nur (bewegte) Formen, sondern ganze Farbräume entstehen lassen. Indem sie den Malgrund als pastose Masse bedecken, die allseits über die Ränder des Bildträgers hinausragt, handelt es sich gleichzeitig um Farbreliefs. Gegenstand seiner Bilder ist das Malen, die Malerei selbst, deren Farbklang am Ende auch eine bestimmte emotionale Qualität haben muss. Vollenden wird sich das Bild dann ohnehin erst in der gleichermaßen subjektiven aktiven Wahrnehmung des Betrachters. 19 15, 2015 Ölfarbe auf Leinwand 40 x 35 cm 18 15, 2015 Ölkreide, Graphit, Kaffee und Ölfarbe auf Papier 160 x 120 cm
Zwischenbemerkung, 2008 Eitempera auf Leinwand 30 x 24 cm shadows in the rain, 2010 Eitempera auf Nessel 140 x 120 cm Susanne Zuehlke *1962 in Duisburg Studium der Malerei an der Kunstakademie Karlsruhe bei Harry Kögler und Helmut Dorner lebt in Karlsruhe Auslöser für Susanne Zuehlkes Bilder sind Eindrücke von Landschaften, die sie in kleinen Skizzen festhält und auf den Malgrund überträgt. Im Lauf der Bildentstehung löst sie deren Elemente immer mehr in Farbflächen auf. Unterstützt von Bildtiteln, die vielfältige Assoziationen zulassen, wecken ihre Farbräume auch beim Betrachter nur noch ferne Erinnerungen an Landschaftliches oder Natur. Aus horizontalen und vertikalen Elementen aber auch kurvigen Formen fügt sie Bildräume zusammen, die über einen komplexen Aufbau verfügen. In kraftvollen Strichen mit dem breiten Pinsel übermalt sie farbige Gründe, die durch die nächstoberen Schichten hindurchscheinen und erzeugt so differenzierte farbliche Nuancen. Die Anwendung der traditionellen Eitempera-Maltechnik ermöglicht gleichermaßen lasierende wie pastose Farbschichtungen, ohne dass der matte Farbauftrag die intensiven Buntfarben aufdringlich wirken lässt.
aus derfarbe
aus derfarbe Hundert Jahre nach Adolf Hölzel Petra Amerell, Claudia Desgranges, Ingrid Floss, Doris Hahlweg, Michael Toenges und Susanne Zuehlke Neue Galerie Dachau 4. Dezember 2015 bis 6. März 2016 Ein gutes Jahrhundert nachdem sich die Farbe in der Malerei vom Gegenstand löste und autonom wurde, zeigt die Neue Galerie Dachau um eine kleine Farbstudie Adolf Hölzels herum Arbeiten von sechs zeitgenössischen Vertretern der Farbmalerei. Gehörte Hölzel, die zentrale Persönlichkeit der Dachauer Künstlerkolonie, um 1905 zu den Pionieren der abstrakten Malerei, ist für die Künstler heute die Farbe ganz selbstverständlich das eigentliche Thema ihrer Bilder. Dafür sehen sie sich mit ihren handgemalten Werken inzwischen einer Flut von elektronisch erzeugten Bildern gegenüber. Ohne Anlehnung an einen Gegenstand entstehen ihre Gemälde während des Malprozesses ganz aus der Farbe heraus, deren Zusammenspiel und -klang dabei im Fokus steht. Intuitiv, aber nicht unkontrolliert setzen sie farbige Formen, Flächen und Linien nebeneinander und übereinander, lasieren, kratzen ab und übermalen, bis ein spannungsvolles Gleichgewicht erreicht ist. Dabei entstehen Kompositionen, die eine Ordnung haben, ein Oben und Unten, ein Zentrum und Tiefe. Dass sich in dieser Richtung der zeitgenössischen Malerei sehr unterschiedliche künstlerische Ansätze ausgeprägt haben, ist an den Arbeiten von Petra Amerell, Claudia Desgranges, Ingrid Floss, Doris Hahlweg, Michael Toenges und Susanne Zuehlke zu sehen, die sich in Bildfindungsprozess, Technik und Format deutlich unterscheiden. Sie zeigen, dass Künstler heute immer wieder neue Wege finden, diese tradierte Art der Malerei, die in Dachau einen ihrer Ursprünge hatte, weiter zu entwickeln.
Adolf Hölzel (1853 1934) Während seiner Dachauer Zeit, die von Herbst 1887 bis November 1905 dauerte, beschäftigte sich Adolf Hölzel intensiv mit dem Phänomen der Farbe. Als Maler war er immer auf der Suche nach einer neuen Bildsprache. Immer wieder wechselte er seinen Malstil und schuf 1905 in Dachau das erste annähernd abstrakte Bild, die Komposition in Rot, die heute im Sprengel Museum Hannover verwahrt wird. Als Leiter einer großen privaten Malschule entwickelte er um 1903 eine Farbtheorie, die er zunächst seinen Dachauer Schülern und später in Stuttgart an der Akademie seinen Studenten vermittelte. Namhafte Schüler wie Johannes Itten, Oskar Schlemmer, Willi Baumeister und Ida Kerkovius verbreiteten seine theoretischen Überlegungen über die Farbe im Bild am Bauhaus. Diese dienten der nachfolgenden Malergeneration als Grundlage. Die kleine Studie ist eine Komposition in den Farben Rot, Gelb und Blau. Die einzelnen Farbfelder sind wie bei einem Glasfenster durch kräftige schwarze Stege voneinander geschieden. Wie in all seinen Farbkompositionen lassen sich auch hier figurale Andeutungen erkennen. Das Verhältnis von Farbe und Form im im Bild beschäftigte Adolf Hölzel bis an sein Lebensende. o. T. (Farbstudie), 1920er-Jahre Pastell auf Papier 22,7 x 29 cm Zweckverband Dachauer Galerien und Museen
ohne Titel, 2014 Pigmente und Binder auf Leinwand 180 x 200 cm Petra Amerell *1962 in München Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste München bei Heinz Butz und Jürgen Reipka lebt in München und Zürich Petra Amerell zeichnete und malte in ihren ersten Studienjahren gern nach der Natur, löste sich dann aber nach und nach vom Gegenständlichen und Figurativen, da ihr die Freiheit der abstrakten Malerei als größere Herausforderung erschien. Ihre Farben, die sie selbst aus Pigmenten und Binder herstellt, sind kraftvoll und leuchtend. 2014 widmete sie sich in einer Serie von Bildern dem großen Format, das nicht nur Erfahrung und Sicherheit verlangt, sondern auch verstärkten Körpereinsatz. Petra Amerell sagt von sich, dass das Zusammenspiel von Farben sie in unterschiedliche emotionale Zustände versetzt. Ihre Farblandschaften, die Vitalität und meist Lebensfreude ausstrahlen, vermitteln intensives Erleben und ziehen den Betrachter rasch in ihren Bann.
Claudia Desgranges *1953 in Frankfurt am Main Studium der Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf, Abt. Münster 2014 Förderung durch die Pollock-Krasner Foundation, NYC lebt in Köln und München Claudia Desgranges bezeichnet ihre seit Beginn des 21. Jahrhunderts entstandenen Bilder als Zeitstreifen. Sie erscheinen wie ein festgehaltener momenthafter Eindruck von schnell vorbeiziehenden Bildern, etwa während Zugfahrt oder in einem Film. Mit präzise gesetzten Pinsel- oder Bürstenstrichen trägt sie Farbe auf Aluminiumplatten auf, in langgezogenen Horizontalen, manchmal kurz abgesetzt wie in den dots, manchmal mit Vertikalen verwoben. In Ihren Streifen zerfließen Farben ineinander und überlagern sich durchscheinend. Teilweise schimmert der metallene Untergrund spiegelnd durch die dünnen Schichten oder bleibt stehen. In den letzten Jahren stellt sie bevorzugt mehrere unabhängig voneinander entstandene Bildtafeln zu composite paintings zusammen. Mit ihnen schafft sie einen Rhythmus aus Dauer und Pause, Ruhe und Bewegung. Die unterschiedlichen, zum Teil gegensätzlichen Farbfelder werden hier zu einem spannungsvoll harmonischen Ganzen komponiert. Nicht das Versinken in einem Bild ist das Ziel, das Auge des Betrachters soll angeregt umherwandern. dots #3 210309, 2009 Acryl auf Aluminium 40 x 60 cm Kho Kho Khao #040313, 2013 Acryl auf Aluminium 3-teilig, 82 x 280 cm
Text Jutta Mannes Konzept Jutta Mannes, Ingrid Floss, Doris Hahlweg Ausstellungstechnik Jürgen Hartmann Graphische Arbeiten Büro Langemann, Danièle Appel Druck Pinguin Druck Berlin Titelseite Ingrid Floss, "Verlorene Heimat", 2015 (Ausschnitt) 140 x 120 cm, Öl auf Baumwolle Fotos Petra Amerell, Carl Victor Dahmen, Wolfgang Pulfer, Jürgen Rösner, Michael Toenges Kombiführungen zu Adolf Hölzel in der Gemäldegalerie und der zeitgenössischen Farbmalerei in der Neuen Galerie Dachau am 17. Januar und 14. Februar 2016, 14 15.30 Uhr, 5 Euro zzgl. Eintritt Führung am letzten Ausstellungstag 6. März 2016, 14 15 Uhr, 3 Euro zzgl. Eintritt Finissage mit Künstlergespräch 6. März 2016, 16 Uhr, Eintritt frei Neue Galerie Dachau Konrad-Adenauer-Str. 20 85221 Dachau Di So, Feiertag 13 17 Uhr www.dachauer-galerien-museen.de geschlossen am 24., 25. und 31.12.2015, sowie am 6. und 9.2.2016