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Transkript:

2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Millionen, Milliarden, Abermilliarden Das Geld und die Macht der Nullen Autor: Redaktion: Regie: Hans-Otto Reintsch Rudolf Linßen der Autor Sendung: Donnerstag, 23.02.12 um 10.05 Uhr in SWR2 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte der Sendungen SWR2 Tandem auf CD können wir Ihnen zum größten Teil anbieten. In jedem Fall von den Vormittagssendungen. Bitte wenden Sie sich an den SWR Mitschnittdienst. Die CDs kosten derzeit 12,50 Euro pro Stück. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-6030. Einfacher und kostenlos können Sie die Sendungen im Internet nachhören und als Podcast abonnieren: SWR2 Tandem können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/leben.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 1

MANUSKRIPT Über Geld spricht man nicht. Das hat man. Gepflegt unterm Lüster in irgendeiner Lobby stehen, Schampus in der Hand und dezent ein paar Andeutungen. Das reicht. Der Rest ist am Brillengestell und am Kostüm zu erkennen. Diese Idylle muss gefühlte 150 Jahre her sein. Plötzlich ist Geld Thema eins. Ohne Geld keine Debatte, keine Nachricht, keine Talkshow, kein Film, kein Theater - die ganze Gegenwart ist voll davon. Es muss dem Geld schlecht gehen, sonst würden nicht plötzlich alle drüber reden. Das Wort Finanz ist ohne Krise heute nicht mehr zu haben. Wer noch immer in der Lobby steht und Welche Krise? sagt, macht sich verdächtig. Die Mehrheit sagt Geld nicht mehr ohne Angstschweiß im Gesicht. Und es hört sich immer wie Rinderwahnsinn an. Das liebe Geld. Als es noch klein war. War doch alles ganz einfach. Der Fuffi im Portemonnaie am Monatsanfang. Ehrlich verdient. Für Pausenbrot, Miete, Auto. Fertig. Notfalls am Monatsende was geborgt. Die Mutigen nahmen einen Kredit auf und stellten ein Haus an den Stadtrand. Gut durchgerechnet spätestens für die Kinder eine saubere Sache. Und jetzt? Geld. Worüber sprechen wir hier überhaupt? Ich glaube, dass wir eine andere Vokabel brauchen, worüber wir hier sprechen. Denn unter Geld verstehen wir alle eigentlich das Gleiche, ich mache mein Portemonnaie auf, ich hole den Fuffi raus, und weiß: das ist mein Geld. Aber das, worüber wir sprechen, gerade hier, das ist nicht dieses, ja, haptisch-monetäre sondern das ist etwas völlig Fiktives - wo wir eigentlich, ja, sogar gedanklich gar nichts mit anfangen können, aber wir nennen es trotzdem Geld. Michael Böke ist Generalmanager. Unternehmer. Stellt Computerprogramme her. Verdient gut. Sehr gut. Versucht ein Wort zu finden für das, was ihm gerade die Sprache verschlägt. Was ist nur aus dem Geld geworden? 2

Es ist jetzt etwas, was wir vielleicht noch mal lernen müssen, was uns erklärt werden muss, wie das Ganze funktioniert Also noch mal ganz auf Anfang. Geld verdient, wer etwas tut, etwas unternimmt. Und heißt dann Unternehmer. Irgendwie hat das mit Ökonomie zu tun. Mit Soll und Haben. Kann sich noch jemand erinnern? Dr. Christoph Emminghausen: Das Unternehmensprinzip ist ja eigentlich ganz einfach: Ein Unternehmen hat Ausgaben und hat Einnahmen und ist dann erfolgreich, wenn es mehr Einnahmen als Ausgaben hat. Ach ja. Stimmt ja. Und der Gewinn, Geld, liegt auf der Bank. Wer hat sich eigentlich das Wort ausgedacht. Bank. Hört sich beruhigend an. Klingt nach Stadtpark, nach Erholung und Milchschnitte. Bank ist ein Ort Dr. Christoph Emminghausen: Wo man sein Geld lagert, ein Lager für Geld. : Dr. Christoph Emminghausen ist Politologe. Und Wirtschaftsprüfer. Und Geschäftsführer der Ramboll Management Consulting. Einer Beraterfirma also. Die unter anderem das Deutsche Wirtschaftsministerium berät. Was macht eine Bank noch mal? Dr. Christoph Emminghausen: Verwaltet das Geld, macht es einfacher, ich muss mein Geld nicht mehr irgendwohin bringen persönlich, sondern ich kann es der Bank geben, die gibt es weiter. Gibt mir noch ein paar Zinsen dafür, wobei ich glaube, mittlerweile kriegt man kaum noch Zinsen. Ja, also eigentlich ein Ort, dem man vertrauen muss, auf jeden Fall. : Kaum spricht man mal von Geld, ist von Vertrauen die Rede. Das mathematische Äquivalent für irgendein reales Produkt, Geld. Es ist gnadenlos eng mit etwas - tja, subjektiv Interpretierbaren verbunden. Vertrauen. Aber wer vertraut, befindet sich augenblicklich im Reich der Unschärfe, des Glaubens. Kaum spricht man von Geld, befindet man sich quasi im Bereich des Psychologischen, Spirituellen. Das sieht man dem Fuffi ja nicht an. Wer also noch glaubt, mehr als den Fuffi nicht ausgeben zu können, täuscht sich. Oder Vertraut der Bank. Dr. Christoph Emminghausen: Dann verlässt es sozusagen das Niveau der Sendung mit der Maus. Dann kommen die Kredite ins Spiel. Natürlich kann ich, wenn ich nicht genug Geld habe, erstmal Geld leihen. 3

Ab jetzt reden wir nicht mehr von Geld, sondern von Schulden. Bleiben sie am Apparat. Gerd Dehnel: Schulden haben schon auch eine wirtschaftsfördernde, wirtschaftssteigernde Funktion. Klar Ohne Schulden, und sei es einfach nur bei der Omma, wäre auch Microsoft niemals Microsoft geworden. Das geht gar nicht anders. Sagen Wirtschaftsjournalisten wie Gerd Dehnel. Dabei hatte Oma noch gesagt, wer Schulden macht, ist selber Schuld. Jetzt ist Oma tot. Da haben wir vor drei Tagen, oder war es gestern, noch über den Pfandbon einer Kassiererin von eins neunzig diskutiert. Das ganze Land erhitzte sich, ob die Angestellte mit dem eingelösten Bon Schuld hatte. Deutschland hielt für eins neunzig den Atem an. Da muss die Welt noch in Ordnung gewesen sein. Heute fliegen uns Eurobonds um die Ohren, die den Kontinent retten sollen, und wir müssen, eh wir in Rente gehen, erstmal fragen. Bei Renten, wenn man das im Fernsehen hört, denkt man immer es geht um meine Rente, dass, was ich nachher bekomme. Im Prinzip sind das aber Schuldverschreibungen von Staaten oder Firmen, die halt Renten genannt werden. Und diese Schuldverschreibungstitel nennt man halt Bonds. Aber es sind Renten. Hat mit Rente, die du oder ich kriegen, überhaupt nichts zu tun. Dieses ganz normale Geschäft wie Aktien aber auch Rentenhandel, so dieses Standardgeschäft, wie sich Firmen finanzieren. Ist von Bonds die Rede, sind also Schulden gemeint. Michael Böke ist IT Spezialist und Geldversteher. Seine Firma Spider Software produziert Computerprogramme für Banken und Investmentinstitute. Böke liefert hoch komplexe und weit fortgeschrittene Werkzeuge, mit denen der Renten- und Devisenhandel Hochgeschwindigkeit erreicht. Vollautomatisch. Wir arbeiten unter anderem für die Deutsche Börse und wir haben ein Produkt, welches eigentlich nach außen hin völlig ungefährlich ist. Nämlich, es stellt sogenannte Schnittstellen zur Verfügung, das heißt, ein Prozess A wird mit einem Prozess B verbunden. Ob es ein sogenanntes Pricingsystem ist, oder eine Bank, eine Börse oder sonst irgendwas. Was Informationen zur Verfügung stellt. Dann laufen diese Informationen wie in einen schwarzen Kasten hinein. Und das, was wir dann machen, ist ein sogenanntes Algorithmic-Trading. Das heißt, die Bank liefert eine hochkomplizierte Formel, die wird von einem Computersystem abgearbeitet. Und nach dieser Formel, und nach den Informationen, die in dieses System hineinlaufen, passiert etwas. Es wird gehandelt. 4

Es wird verkauft, es wird gekauft, und so weiter. Und wir haben über unsere Systeme Handelsvolumina, die sind atemberaubend. Also 50.000 Handelsprozesse pro Sekunde ist nichts. Langsam. Wie bitte? Also 50.000 Handelsprozesse pro Sekunde ist nichts. Das haben wir jetzt letztlich auch wieder gesehen. Wenn Kurse fallen, reagieren dann diese Maschinen, die vorprogrammiert sind, automatisch. Die fangen dann selbst auch an, zu verkaufen, versuchen sich selbst zu schützen, und schwupp die wupp rasselt der Kurs fast ins Bodenlose. Da haben wir den Salat. Kommt irgendwer noch mit? Highspeedrechner. Sie beobachten tausende kleinste Kursschwankungen und entscheiden schneller als das Licht. Kaufen, verkaufen, machen Geld. Und Böke liefert die Software. Seine Wundermaschinen stehen überall in der Welt, in der Deutschen Bank, der Börse. Wir stellen im Prinzip das Gehäuse zur Verfügung.Ich war einmal mit in der Börse - das ist wie ein Bunker. Sieht aus wie ein Bunker. Man darf Handy und so was, Computer alles nicht mitnehmen. Dort, im Bunker, sitzt eine kleine, mathematische Elite, die seine Maschinen mit der geheimen Intelligenz der Banken füttert. Ab dann jagen die Milliarden durch die Welt. Wer diese Menschen sind und was sie genau tun, wird geschützt wie ein Staatsgeheimnis. Und die Intelligenz oder dieser Algorithmus, so heißt es dann, der wird von wirklich klugen Menschen an der Börse, aber auch bei Banken, wo diese automatischen Handelssysteme installiert sind, gehütet wie der Augapfel. Also da werden sie auch niemanden kriegen, ans Mikrofon bekommen, der ihnen erzählt, wie er dort den Algorithmus strukturiert. Wir stellen im Prinzip diese Grundstruktur zur Verfügung. Die Formeln, die die dort reinpacken, die sehen wir nicht. Keiner weiß die Formel. Von Ökonomie redet eigentlich gar keiner mehr. Man sagt, das Geld hat sich vom Acker gemacht. Und keiner ist schuld. Und der Mensch wird durch das Highspeedtrading völlig überflüssig gemacht. Die Software macht das alles alleine, die Software kann alleine denken, entscheiden, was sie tun will und was sie für gut hält. 5

Peter Schikora ist Inhaber der Shikon Holding GmbH. Unternehmensberatung und Beteiligungsmanagement-Gesellschaft. Investiert in Branchen, in denen er glaubt, dass er dort eine hohe Rendite erzielen kann. Investmentbanking. Die wundersame Welt der Geldvermehrung auf den Finanzjahrmärkten. Die Schikon Holding ist 50-prozentige Tochter der Spider Software von Böke. Sie sitzen auf der gleichen Etage in Berlin Kreuzberg. Und verdienen eine Menge Geld. Liefert der eine das Insiderwissen, investiert der Andere. Die Shikon Holding wird oft als privat equiti Unternehmen gesehen. Also als Beteiligungsgesellschaft im Sinne von einem heuschreckenartigen Investor. Der dann negativ gesehen Firmenteile oder gerade auch angeschlagene Firmen aufkauft, umbaut, unter Umständen auch den ganzen Vorstand raus wirft und dann neu ersetzt. Das haben wir in der Vergangenheit auch gemacht! Aber: Wir grenzen uns wirklich ab davon, dass wir nicht schnelle Investments machen, unter ein bis drei Jahren. Wo wir reingehen das kurzzeitig aufblähen und dann wieder verkaufen, egal was mit den Leuten da passiert, sondern wir bemühen uns, wenn wir da reingehen, dass wir sanieren. Wir zerschneiden nicht und verkaufen, sondern wir sanieren langfristig. Dass Arbeitsplätze erhalten bleiben, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden - die Rendite ist dann zwar etwas geringer, als wenn wir es aufblähen und verkaufen würden, aber die Rendite ist nachhaltig und kommt dann jedes Jahr. Aber das ist eher die Ausnahme. Investmentbanking. Geld gebiert Geld gebiert Geld. Funktioniert so ähnlich wie freeklimbing. Klettern ohne Seil. Alle wissen, am Ende liegt einer tot im Tal. Aber Shikora redet eigentlich von einem Prinzip. Im Kern vom Sharholdermodell. Es ist das Modell der Profite ohne Investitionen. Das Geld hat sich im Vollzug dieses Modells ein gefährliches Problem zugelegt. Einen Berg von Nullen. Dr. Christoph Emminghausen: Die Finanzkrise zeigt das gerade, dass Summen, über die man vorher nicht nachgedacht hätte, dass man diese Summen jemals ausgeben kann, plötzlich zur Verfügung gestellt werden müssen, woher sie auch immer kommen, um noch größere Gefahren abzuwenden. Also ich glaube das ist für fast niemanden mehr nachvollziehbar, über welche Summen jetzt gerade geredet wird. Man sieht es dann in den Balken, die länger werden, was Staatsverschuldung angeht. Oh, da kommt das Geld her! 221 Milliarden, die glaube ich gestern im Gespräch waren, die sind doch für keinen Menschen vorstellbar. Und was bürgen heißt, dann auch nicht. Also von daher sind die Summen für niemanden vorstellbar, genauso wie für ein Kind ganz andere Summen nicht vorstellbar sind. Irgendwann wird es auch egal! Ob da zwei, drei Nullen mehr dahinter sind - ist so unvorstellbar, dann wird s auch wieder nichts mehr. 6

Wenn man sich überlegt 100.000 kann ich mir noch vorstellen. Eine Million kann ich mir noch vorstellen. 10 Millionen auch noch. Hundert Millionen kann ich mir schon nicht mehr vorstellen. Der UBS Banker hat 1,5 MILLIARDEN Verlust verursacht. Das kostet jetzt real die Bank 6.000 Arbeitsplätze. Und dass diese Summe - eintausendfünfhundert Millionen Euro - das kann man sich nicht mehr vorstellen. Das Beiwerk dieser Umtriebe sind Abermilliarden von Euros und Dollar, die dort bewegt werden. Die mal eben weg sind. Und wieder was weg. Und dann eine halbe Million reingekriegt, wieder eine halbe Milliarde weg. Das ist überhaupt nicht mehr überschaubar und fühlbar, wie viel Geld da vernichtet wird. Und wie viele Existenzen. Das Prinzip Geld. Erfunden, um irgendeinen realen Wert abzubilden. Klammheimlich hat es sich davon gemacht, das Geld. Ins Fiktive. Ins Reich der Einsen und Nullen. Die fliegende Buchhaltung der Weltwirtschaft hat längst angefangen, übergesetzliche Ergebenheit zu fordern. Glauben. Wie ein rätselhafter Gott, von dem sich keiner ein Bild machen darf. Dabei sind Inflation, Geldentwertung und Wirtschaftskrise vor allem eins: Von Menschen gemachte Probleme. Viele fragen sich, Welche Kraft um Gottes Willen das Geld ins Niemandsland der völlig durch geknallten Nullenreihen getrieben hat. Gibt es ein Wort dafür? Der Investmentunternehmer Peter Schikora erlangt im Geschäft göttliche Gewinne. Und findet das Wort. Wir haben bei den Menschen, die dafür verantwortlich sind, immer das Streben nach mehr. Das ist genau der Punkt. Es ist immer dieses Streben nach mehr. Mehr. Mehr Geld verdienen. Mehr. Ein kleines Wort. Verblüffend klar, nicht zu hinterfragen. Wort ohne Eigenschaften. Sucht irgendjemand im hochkomplexen Finanzgetöse nach der entscheidenden Kraft, die alles treibt, stößt er auf das Wort. Mehr. Mehr ist der kleinste gemeinsame Nenner. Immer mehr Finanzprodukte schaffen mehr. Produkt? Was für ein Produkt? War ein Produkt nicht mal etwas Konkretes, Berechenbares? Haben da die Buchungsjongleure ein Wort okkupiert, um uns in Sicherheit zu wiegen? So wie das Wort Zertifikat? Heißt eigentlich Beglaubigung, oder Zeugnis. Zertifikate sind entwickelte Finanzprodukte der Finanzwirtschaft, um mehr Geld zu verdienen. Schneller Geld zu verdienen. Je höher das Risiko ist, desto höher ist der Gewinn. Und dadurch, dass ich nicht mein eigenes Geld verwetten muss, sondern das Geld von meinen Anlegern, oder das Geld von den Steuerzahlern später nachgereicht - warum soll ich nicht mit 100 Millionen wetten, oder mit 200 oder mit einer Milliarde, wie es der UBS-Banker gemacht hat 7

Wetten wie Kweku Adoboli von der UBS. Seine Wettschuld bewegt sich in der Unschärfe von ein bis zwei Milliarden. Moment. Wetten. Noch so ein Wort, auf das keiner vorbereitet war. Hat sich einfach ins Geldgeschäft eingeschlichen. Wetten. Inzwischen weit verbreitete Formel. Formel wofür? Schikora ist als Investmentunternehmer des allgemeinen Bankenbashings eigentlich unverdächtig. Er weiß nicht nur, wovon er redet, er weiß auch, wie es funktioniert. Wenn ich jetzt zum Beispiel wetten gehen möchte, dann muss ich mein Geld nehmen und gehe damit wetten. Und wenn es weg ist, ist es weg. Die Bank beispielsweise, die Deutsche Bank zum Beispiel oder die Hypo Vereinsbank, die nehmen das Geld ihrer Anleger, das Geld, was auf den Konten ist, und wetten dann darauf, dass der Kurs, der Deutschen Bank beispielsweise, in den nächsten sechs Monaten um 10 Euro steigen wird. Sie wetten darauf 100 Millionen. Und wenn das nicht der Fall ist, dann sind die 100 Millionen weg. Als wenn ich die Würfel werfe. Nur dass die Nullen. Da sind viel mehr Nullen dran. Klar? Nichts ist klar. Als würde sich der gesunde Verstand ab einer unbestimmten Zahl weigern, zu folgen. Wendet sich einfach ab. Bringt sich in Sicherheit und verweigert die Analyse. Wir hatten vor kurzem ein Gespräch mit der Allianz, mit dem Finanzchef für Kapitalmarkt, und der erklärte, dass man die Charts nicht analysieren muss und was der Grund ist, warum Aktien steigen: Aktien steigen und fallen nicht nach dem Wert des Unternehmens, sondern nach dem, was man kaufen will. Das heißt, wenn ich jetzt sagen will, ich will die Deutsche Bank kaufen und andere sagen es auch, dann geht der Wert hoch. Selbst wenn die Bank schlecht dasteht. Das ist völlig egal. Es ist nur wichtig, wer will dieses Produkt haben. Analysten beispielsweise machen nichts anderes, wenn sie eine Kaufempfehlung abgeben. Sie machen nichts anderes, als das Interesse an einer Aktie wach zu halten, dadurch geht der Preis hoch. Das Analysieren hat überhaupt nichts damit zu tun in der Realität, ob dieses Papier was wert ist, ob die Firma was wert ist. Das ist bedeutungslos. Nur das Interesse muss wach gehalten werden. Und parallel dazu werden dann auf Kursausschläge nach oben und nach unten gewettet. Das heißt, der Analyst weiß ganz genau, wenn ich jetzt diese Aktie pusche, steigt sie um zwei, zweieinhalb halb Prozent, dann wette ich exakt darauf und ich kriege das hin. Sagen die, die die Werkzeuge für dieses Handwerk liefern. Skrupel? 8

Also eine Software liefern an eine Bank, mit der sie durchaus diese unmoralischen Dinge tun kann - da wäre es wert, drüber nach zu denken. Ob mein Moralbegriff wirklich das schon mit beinhaltet. Also ich glaube, wenn unsere Mathematiker hingehen müssten und genau diese Programm schreiben müssten, die im Prinzip dieses Unmoralische dann auslösen, also diese Gierprogramme, die Programme, wo es darum geht, es muss noch schneller, es muss noch voluminöser, noch ein Stück riskanter werden - da würde ich sagen, das würden wir auch nicht machen. Aber ich sage mal, das Auto zu liefern ist ok. Das Auto zu liefern und damit einen Sprengstoffanschlag zu machen, ist eine andere Geschichte. Das Wissen um das tatsächliche Geschehen im digitalen Finanzsektor. Herrschaftswissen? Scheint so. Der wählende Rest ahnt das Unheil. Und tappt im Nebel. Ein Bild muss her. Auf der einen Seite Die Finanzmärkte. Der entfesselte Geist. Auf der anderen Seite die Versuche der Politik, mit immer höheren, in den Raum gerufenen fiktiven Summen die Finanzmärkte zu beeindrucken. Den Geist zurück in die Flasche zu zwingen. Absurder Wettbewerb. Erinnert an das atomare Wettrüsten des kalten Krieges. Behauptete die eine Seite, mit seinem Arsenal die Welt viermal in die Luft zu jagen, beeindruckte die andere Seite mit der achtfachen Zerstörungskraft. Woraufhin bald der Gegner mit der 16-fachen Kraft konterte. Und so weiter. Es hörte, gegen alle Logik, die Welt real nur einmal in die Luft jagen zu können, bei 1.000-facher Zerstörungspotenz lange nicht auf. Milliarden wurden verheizt. Und es gab, wie bekannt, am Ende keine Gewinner. Gerd Dehnel: Wenn man den Banker fragt, sagt er, das ist ganz naturnotwendig nötig, damit auf der einen Seite die Gewinne um der Gewinne willen immer größer werden. Aus diesem Gewinn werden angeblich wieder die Kredite für die Wirtschaft herausgenommen. Daran darf man große Zweifel haben. Es gibt eine ganze Menge klügere Leute, Hans Werner Sinn fällt mir da ein, die das ganz stark bezweifeln. Das ursprüngliche, das eigentliche Bankgeschäft, hat mit dieser Gewinnmaschine, mit dieser Art Roulettespiel, wo Wetten abgeschlossen werden auf alles und jedes, auf die Entwicklung einer Aktie, auf den Getreidepreis, auf das Wetter des nächsten Jahres, das hat nichts mehr mit der eigentlichen Wirtschaft zu tun. Hat da jemand Wirtschaft gesagt? Thomas Greizke Ja. Von der betriebswirtschaftlichen Wirklichkeit hat es sich entfernt Thomas Greizke, Banker. 9

Thomas Greizke: hat es sich entfernt, und die Computersysteme tragen dazu bei, dass sie sich noch weiter entfernt. Aber nicht endlos! Weil, nach einer bestimmten Zeit arbeiten die Gehirne wieder und sind in der Lage, mit zu arbeiten. Greizke ist Vorstandsmitglied und das Gehirn der Kochgruppe Automobile AG. Also ein Mann der Wirtschaft. Auto Koch betreibt mehrere Autohäuser in Deutschland und Polen, mittelständisches Unternehmen, etwa 250 Mitarbeiter. Das Autogeschäft kränkelt noch immer an der Krise von 2008. Die Firma braucht Frisches. Also Geld. Greizke, der Banker, weiß, wie das geht. Deshalb tritt die Firma in diesen Tagen die Flucht nach vorn an und geht an die Börse. Für den Erfolg der Aktion kann er im Moment keine Wette annehmen. Greizke ist nervös. Wie die Märkte. Thomas Greizke: Also wir haben eine gefährliche Situation. Weil unabhängig davon, was passiert, spielt jetzt wieder die Psychologie eine große Rolle. Wenn ein Mensch nicht weiß, was passiert, dann geht er erstmal auf Nummer sicher. Und im Moment ist die Situation super geeignet dafür, sich unsicher zu fühlen. Und das bedeutet, man gibt eher ungern Geld aus, man nimmt eher ungern einen Kredit auf. Und das ist für uns schlecht. Wenn es einen Funken gibt an dem aktuell vorhandenen Pulverfass. Dann wird es einen neuen Rettungsschirm geben. Der mit den gleichen hochspekulativen Hebelgesetzen hantiert, wie die, die damit gebändigt werden sollen. Die Alchimie der Pulverisierung des Geldes macht das Fass immer voller. Und macht das Geld asozial. Denn Geld hat viele Funktionen. Es funktioniert, wenn es bei Verstand ist, wie eine gesellschaftliche Übereinkunft. Betonung auf Gesellschaft. Und vor allem: Geld ist ein Geschöpf der Rechtsordnung. Also Anspruch und Anrecht. Schwer zu verstehen? Geld kann man nicht verstehen. Man muss es mögen. Vielleicht aber ist alles viel einfacher. Die nervösen, unberechenbaren, ungezogenen Märkte. Befeuert in den geschützten Räumen der Banken, den Bunkern der Börsen, den Hinterzimmern der Fonds. Von Bankern, Tradern - also von begabten Menschen. Von Menschen wie Böke, Schikora und Greizke. Sie wissen, was Menschen wie sie antreibt. Manchmal denke ich, dieses Solide und dass, was eigentlich so den Banker ausmacht, auch den Investmentbanker ausmacht - das ist irgendwo so ein bisschen weggerutscht in: Ja, man muss auch Spaß haben, es muss Risiko dabei sein. Wenn sie nach Monte Carlo fahren und am Rouletttisch sitzen, ist das gleiche Risiko. 10

Peter Schikora Das ist heute, seit 2000, Tagesgeschäft. Gier ist gut, Geiz ist geil, das ist das Tagesgeschäft. Mit der Gier geht einher der Nervenkitzel. Thomas Greizke: Das System ist einfach menschlich. Es ist einfach die Natur des Menschen. Also machen wir mal ein Beispiel. Wenn sie zehn Männer in ein Haus einsperren, dort eine Bierleitung rein verlegen und sagen: Ihr könnt immer so viel trinken, wie ihr wollt! Was passiert?? Die Frage ist doch nur: Wann stirbt der erste!? Und so funktionieren auch alle Geschäfte und so funktionieren auch alle Staaten. Klingt nach Droge. Also sehr menschlich. Vielleicht gehören bei der unendlichen Suche nach Lösungsideen der Finanzkrise nicht nur Freaks wie Schikora und Böke mit an den Kabinettstisch, sondern auch Spezialisten der Suchtberatung. Michael Böke Der Therapeut, der sich mit Wettopfern, der sich darum kümmert, der sollte sich auch mal um Banken und insbesondere um diese Fondmanager da kümmern! 11