Die klassische Geflügelpest und die Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel*

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Transkript:

Für Studium und Praxis 375 Die klassische Geflügelpest und die Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel* Diagnose, Bekämpfungsmaßnahmen und praktische Erfahrungen E. F. Kaleta Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische, Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen Schlüsselwörter Vogelgrippe, Diagnostik, Epidemiologie, Pathogenität, Therapie, Oseltamivir, Impfstoffe Zusammenfassung Als Erreger der anzeigepflichtigen klassischen Geflügelpest gelten nur hoch- und niedrigpathogene aviäre Influenza-A-Viren der Hämagglutinin-Subtypen H5 und H7 sowie solche anderer Hämagglutinin-Subtypen, wenn deren intravenöser Pathogenitätsindex größer als 1,2 ist. Die Geflügelpest-Verordnung unterscheidet zwischen hochpathogenem Influenza-A-Virus der Subtypen H5 und H7, wenn multiple basi - sche Aminosäuren im Spaltbereich des Hämagglutininmoleküls durch Virus-, Antigen- oder Genomnachweis vorliegen, und niedrigpathogenen aviären Influenzaviren der Subtypen H5 und H7, wenn entwe - der der intravenöse Pathogenitätsindex kleiner als 1,2 ist oder keine basischen Aminosäuren im Spaltbereich des Hämagglutininmoleküls vorliegen. Zur klassischen Geflügelpest werden Aspekte der Diagnose, Bekämpfung einschließlich Tötung, Therapie und Impfung beschrie - ben. Derzeitige Optionen und die engen Grenzen einer oralen Therapie der Geflügelpest mit Neuraminidase-Hemmern (z. B. Oseltamivir) wer - den dargestellt. Auf genehmigten Antrag dürfen einzeln gekennzeichnete Zoo- und Ziervögel mit zugelassenen Inaktivatimpfstoffen immunisiert werden. Vektorvakzinen kamen in Deutschland bisher nicht zum Einsatz. Influenza-A-Viren mit anderen Hämagglutininen (H1 H4, H6, H8 H18) können ebenfalls Infektionen und schwere Krankheitsverläufe hervorrufen. Diese unterliegen keiner gesetzlichen Reglementierung und durch zeitgerechte Impfung mit Inaktivatvakzinen lassen sich Erkrankungen verhindern. Key words Fowl plague, diagnosis, epidemiology, pathogenicity, vaccines, thera - py, oseltamivir Summary The causes of the notifiable fowl plague are high and low pathogenic avian influenza A viruses of the haemagglutinin subtypes H5 and H7 but also other haemagglutinin subtypes If the intravenous pathogenicity index is greater than 1.2. The German fowl plague order (Geflügelpest-Verordnung) differentiates between highly pathogenic influenza A viruses of the subtypes H5 and H7, if multiple basic amino acids at the cleavage site of the haemagglutinin molecules are detected by virus isolation, antigen or genome determination and low pathogenic avian influenza A viruses of the subtypes H5 and H7 if ei - ther the intravenous pathogenicity index is lower than 1.2 or no basic amino acids are present at the cleavage site of the haemagglutinin molecule. Aspects of diagnosis, control including culling, therapy and vaccination are reviewed. The currently available means and their limitations of a therapy of fowl plague by oral administration of neuraminidase inhibitors (e. g. oseltamivir) are described. Following gran - ted permission, individually marked valuable zoo and pet birds may be vaccinated using licensed inactivated vaccines. Vector vaccines have not been used in Germany so far. Avian influenza A viruses of other haemagglutinin subtypes (H1 H4, H6, H8 H18) may also cause infections and severe disease. These subtypes are not subject to governmental interventions and disease can be prevented by timely use of inactivated vaccines. Korrespondenzadresse Prof. Dr. Dr. h. c. Erhard F. Kaleta Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische Fachbereich Veterinärmedizin Justus-Liebig-Universität Gießen Frankfurter Straße 91 93 35392 Gießen E-Mail: Erhard.F.Kaleta@vetmed.uni-giessen.de Fowl plague and avian influenza A viruses of poultry and birds. Diagnosis, control measures and practical experiences Tierärztl Prax 2014; 42 (G): 375 385 http://dx.doi.org/10.15653/tpg-140681 Eingegangen: 7. August 2014 Akzeptiert nach Revision: 7. Oktober 2014 Epub ahead of print: 17. November 2014 * Der Text basiert auf einem anlässlich des 420. Frankfurter Referierabends am 28. Mai 2014 gehaltenen Vortrag.

376 E. F. Kaleta: Klassische Geflügelpest und Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel Einleitung Von der Erstbeschreibung im Jahr 1878 durch Eduardo Perroncito (40) bis in die Gegenwart verursachen hochpathogene aviäre Influenza-A-Viren (HPAIV) der Subtypen H5 und H7 in Asien, Afrika und Europa schwere Verluste beim Hausgeflügel. Auch bei mehr als 100 frei lebenden Wildvogelarten wurden diverse Influenza-A-Viren unterschiedlicher Pathogenität nachgewiesen (42). Die Zahl des an Geflügelpest gestorbenen, der moribund getöteten und des seuchenverdächtigen Geflügels und der Säugetiere ist nicht bestimmbar, liegt aber nach zuverlässigen Schätzungen im Bereich zigfacher Millionen Tiere. Auch Menschen, die in Berührung mit infiziertem Geflügel kamen, erkrankten und starben an den Folgen dieser Infektion. Die WHO nennt für den H5N1-Seuchenzug (2003 2014) in asiatischen und afrikanischen Ländern insgesamt 650 erkrankte und davon 386 gestorbene Menschen (63). In Europa trat 2003 eine Infektion mit Todesfolge bei einem Menschen und zahlreiche milde Infektionen, meist Konjunktivitiden, durch ein H7N7-Virus auf. Zu solchen Infektionen kam es laut einer Mitteilung des CDC (http://cdc.gov/flu/avianflu/) in den Niederlanden, Belgien und Deutschland. Im Jahr 2013 wurde in China ein bisher unbekanntes H7N9-Virus nachgewiesen, das schwere Atemwegserkrankungen auslöste (15). Dieser Beitrag resümiert die heutigen Kenntnisse und praktische Erfahrungen bezüglich der anzeigepflichtigen klassischen Geflügelpest sowie der zahlreichen nicht anzeigepflichtigen Influenza-A-Virus-Infektionen des Hausgeflügels und der frei lebenden Vögel. Ätiologie Sämtliche Geflügelpestviren werden der Familie Orthomyxoviridae und dem Genus Influenza-A-Virus mit nur einer Spezies, dem Influenza-A-Virus, zugeordnet (8, 36). Alle Influenza-A-Viren enthalten eine in acht Segmente gegliederte einsträngige Ribonukleinsäure (RNS), die für zehn Proteine kodiert. Sie besitzen ein Kapsid und eine lipidhaltige Hülle, die die bisher bekannten Hämagglutinine und Neuraminidasen enthält. Elektronenmikroskopisch erscheinen die Viruspartikel meist rundlich bis oval, manchmal sind sie filiform oder liegen nur als Fragmente vor ( Abb. 1). In der Hülle aviärer Influenza-A-Viren befinden sich jeweils eines der 16 Hämagglutinine (HA) und je eine der neun Neuraminidasen (NA) (59, 60). In jüngster Zeit konnten in Peru aus Fledermäusen zusätzlich die HA-Subtypen HA17 und HA18 isoliert werden, die bei Vögeln bisher unbekannt waren (55, 64). Am häufigsten wurden bisher beim Vogel Nachweise des HA3, HA4 und HA6 publiziert; alle weiteren HAs traten deutlich seltener auf (24). Auch die Häufigkeit der NA-Nachweise unterliegt beträchtlichen Schwankungen, wobei NA2, gefolgt von NA8, NA6 und NA1, dominieren. Theoretisch ist jeweils eines der HAs mit je einer der NAs frei kombinierbar. Eine Auswertung der Literatur hinsichtlich der bislang beschriebenen Influenza-A-Viren zeigt, dass längst nicht alle der 144 theoretisch möglichen HA- NA-Kombinationen in gleicher Häufigkeit isoliert werden konnten. Eine plausible Deutung dieser Diskrepanzen wurde noch nicht publiziert (24). Nach gleichzeitiger Infektion einer empfänglichen Zelle durch zwei oder mehr Influenza-A-Viren mit unterschiedlichen Hämagglutininen, Neuraminidasen bzw. anderen Gensegmenten können Viruspartikel mit neuer Zusammensetzung entstehen, die veränderte phänotypische Eigenschaften aufweisen. Unter Reassortment versteht man den Austausch von Gensegmenten. Betrifft der Austausch lediglich das Hämagglutinin- oder Neuraminidasen- Gen, wird dieser Vorgang als antigenic shift bezeichnet, die spontane Mutationen in einzelnen Genen bei der Virusvermehrung als genetic drift (60). Beides kommt recht häufig nach spontanen natürlichen Infektionen vor. Definition Abb. 1 Elektronenmikroskopische Darstellung des Virus der klassischen Geflügelpest, Influenza-A-Virus (H7N1), isoliert aus einem Erlenzeisig (Carduelis spinus) im embryonierten Hühnerei (Foto: Rita Jank-Ladwig). Fig. 1 Electron microscopic appearance of the virus of fowl plague, influenza A virus (H7N1), isolated from a siskin (Carduelis spinus) in embryonated eggs (photo: Rita Jank-Ladwig). Die Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest (Geflügelpest- Verordnung) vom 18. Oktober 2007 in der letztgültigen Fassung vom 17. April 2014 (2) definiert die Begriffsbestimmung der Geflügelpest: (1) Im Sinne dieser Verordnung liegen vor: 1. Geflügelpest, wenn a) hochpathogenes aviäres Influenza-A-Virus der Subtypen H5 oder H7, das für multiple basische Aminosäuren im Spaltbereich des Hämagglutininmoleküls kodiert, durch Virus-, Antigen- oder Genomnachweis (virologische Untersuchung) oder b) andere als in Buchstabe a genannte Influenzaviren mit einem intravenösen Pathogenitätsindex von mehr als 1,2 in sechs Wochen alten Hühnern durch virologische Untersuchung (hochpathogenes aviäres Influenzavirus) bei einem Tierärztliche Praxis Großtiere 6/2014 Schattauer 2014

E. F. Kaleta: Klassische Geflügelpest und Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel 377 gehaltenen Vogel oder, im Falle des Buchstaben a, bei einem Wildvogel nachgewiesen worden sind. 1. Verdacht auf Geflügelpest, wenn a) das Ergebnis der virologischen, serologischen, pathologischanatomischen oder klinischen Untersuchung unter Berücksichtigung der epidemiologischen Erkenntnisse den Ausbruch der Geflügelpest bei einem gehaltenen Vogel oder b) aviäres Influenza-A-Virus der Subtypen H5 oder H7 durch virologische Untersuchung bei einem Wildvogel nachgewiesen worden ist. 1. niedrigpathogene aviäre Influenza, wenn durch virologische Untersuchung a) aviäres Influenza-A-Virus der Subtypen H5 und H7 mit einem intravenösen Pathogenitätsindex von weniger als 1,2 in sechs Wochen alten Hühnern oder b) aviäres Influenza-A-Virus, das nicht multiple basische Aminosäuren im Spaltbereich des Hämagglutininmoleküls kodiert (niedrigpathogenes Influenzavirus) bei einem gehaltenen Vogel nachgewiesen worden ist. Die im Wortlaut aus der Geflügelpest-Verordnung 2014 zitierten Definitionen sind im Rechtsbereich Deutschlands verbindlich und somit auf alle Vögel der Klasse Aves anzuwenden. Auch die Definition der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) (38) bezieht den Anwendungsbereich des neuen Begriffs highly pathogenic avian influenza der früheren Fowl-Plague-Vorschrift wiederum auf das gesamte Hausgeflügel und auf alle frei lebenden Vögel (38). Demgegenüber begrenzt die Definition der Richtlinie 2005/94 EU (3) die Geflügelpest auf das Hausgeflügel. Als Geflügelpest ( highly pathogenic avian influenza ) gilt eine Infektion von Hausgeflügel oder in Gefangenschaft gehaltener Vögel anderer Spezies, verursacht durch Influenzaviren des Typs A der Subtypen H5 und H7, wenn mit einem intravenösen Pathogenitätstest ein Wert von über 1,2 bei sechs Wochen alten Hühnern nachgewiesen wurde. Bereits im Jahr 1971 (modifiziert im Jahr 1980) beschrieb und publizierte die WHO in einem Memorandum ein detailliertes System der Nomenklatur der Influenza-A-Viren (60-62). Demnach besteht die vollständige Nennung eines Influenza-A-Virus aus dem Typ (A, B, C), dem Namen der Vogelart, aus der das Isolat stammt, einer Referenz- oder Tagebuchnummer, dem Land, in dem das Virus erstmalig isoliert wurde, dem Jahr der Isolierung und in Klammern dahinter dem Hämagglutinin- und Neuraminidase-Subtyp. Derzeit sind bei Vögeln 16 Hämagglutinin-Subtypen und neun Neuraminidase-Subtypen bekannt. Ein Beispiel: Aus der Bezeichnung A/chicken/NL/1927 (H7N7) ist ablesbar, dass ein Influenzavirus des Typs A aus einem Huhn in den Niederlanden im Jahr 1927 isoliert wurde, das ein Hämagglutinin (HA) des Subtyps H7 und eine Neuraminidase (NA) des Subtyps N7 besitzt. Nach Nennung dieser langen, aber sehr informativen Bezeichnung können Autoren selbst gewählte Kurzformen verwenden. Wesentlich ist die Tatsache, dass Influenza-A-Viren der Subtypen H1 bis H4 und H6 sowie H8 bis H16 gemäß der Geflügelpest- Verordnung keinerlei rechtlichen Bestimmungen unterliegen. Solche Subtypen können durchaus leichte bis schwere Krankheitsformen verursachen und besitzen deshalb differenzialdiagnostische Relevanz und praktische Bedeutung bei der Wahl der Bekämpfungsstrategie. Die Herstellung von inaktivierten Impfstoffen ist statthaft und die Therapie gegebenenfalls diagnostizierter bakterieller oder mykotischer Begleitinfektionen möglich. Es empfiehlt sich jedoch, die Bestimmung des HA- und NA-Subtyps und der Virulenzmerkmale aller neuen Isolate vom Nationalen Referenz - labor für Aviäre Influenza (AI)/Geflügelpest im Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), Riems, bestimmen bzw. bestätigen zu lassen. Epidemiologie der Influenza-A-Viren Frei lebendes Wassergeflügel (engl. aquatic birds ) bildet die größte und häufigste Quelle für AIV-Infektionen des Hausgeflügels (engl. terrestrial birds ). Zum Wassergeflügel zählen insbesondere Entenvögel, aber auch Vögel anderer Ordnungen und Genera wie z. B. Rallen, Kraniche, Watvögel, Möwen, Alken, Pelikane und Störche. Den terrestrischen Vögeln gehören an: Huhn, Pute, Perlhuhn, Fasan, Wachtel sowie die zahlreichen Arten der Sperlingsvögel (16). Viele unterscheidbare Influenza-A-Viren konnten bisher aus spontan infizierten und erkrankten oder gesund erscheinenden Vögeln isoliert werden. Hergarten (22) lieferte eine umfassende Literaturübersicht und fand Virus- und/oder Antikörpernachweise bei Vögeln aus 15 Ordnungen. Mit großem Abstand dominierten zahlenmäßig die Anatiformes (Enten, Gänse, Schwäne) und Galliformes (Hühner, Puten, Fasane, Wachteln). Deutlich weniger häufig wurden Passeriformes (Sperlinge, Amadinen), Columbiformes (Tauben) und Psittaciformes (Kakadus, Sittiche, Wellensittiche) genannt. Nach Kohls et al. (27) spielen in Deutschland gehaltene Haustauben (Columba livia f. dom.), verwilderte Hausoder Straßentauben sowie frei lebende Ringeltauben (Columba palumbis) keine bedeutende Rolle bei der Übertragung des H5N1-Virus. Die Empfänglichkeit dieser Tauben für Influenza-A- Viren des Subtyps H5 wird von einigen Autoren verneint oder als gering ( minimal susceptible ) bezeichnet (33, 39, 56), aber für den Subtyp H7 bejaht (24). Kohls et al. (28) konnten in Trachealund Kloakenabstrichen von 953 Falken mittels RT-PCR kein In - fluenzavirus nachweisen, was auf eine relativ hohe Resistenz der Falken gegenüber spontanen Influenza-A-Virusinfektionen hinweisen dürfte. Schon wenige Stunden bis einige Tage post infectionem befindet sich Influenzavirus in hoher Konzentration im Blut. Während der Virämie und noch vor erkennbaren Krankheitssymptomen wird Virus mit Speichel, Nasensekret und Kot kontinuierlich und in großen Mengen ausgeschieden. Die resultierende Kontamina - tion von Ausläufen, Gerätschaften, Tränkwasser und Futter führt zur schnellen horizontalen Ausbreitung des Virus in einem Tierbestand (38). Die Inkubationszeit beträgt nach natürlicher Infek - tion mit hochvirulentem Influenza-A-Virus der hochgradig empfänglichen Hühner und Puten weniger als einen Tag bis zu 3 Tage.

378 E. F. Kaleta: Klassische Geflügelpest und Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel Somit entwickeln sich erste Symptome deutlich schneller als bei der Newcastle-Krankheit, für die 4 7 Tage, maximal 25 Tage angegeben werden (25). Kontrovers werden die Wege des Viruseintrags in weit entfernte, nicht infizierte Bestände diskutiert. Allgemein wird angenommen, dass der häufigste Eintrag in Hausgeflügelbestände durch virusausscheidendes Wassergeflügel erfolgt. Erläutert wird die bedeutende Rolle des Wassergeflügels mit den relativ häufigen Virusnachweisen beim frei lebenden Wassergeflügel und dessen mögliche direkte Kontakte mit Hausgeflügel in Ausläufen. Das FLI publizierte 2006 eine Landkarte von Deutschland mit Markierung der Orte mit erfolgten Nachweisen von H5N1-Viren (14). Die meisten Virusnachweise aus Wassergeflügel gelangen demnach bei Fundorten entlang der Ostseeküste sowie in der Nähe von Flüssen und Seen. Von dort so wird gefolgert müsste das Virus in einen Hausgeflügelbestand gelangt sein. Weil die aus Wassergeflügel gewonnenen Isolate identische Eigenschaften haben, gilt Wasser - geflügel als plausible Infektionsquelle für Hausgeflügel. Allerdings konnte im Jahr 2006 nur ein Geflügelbetrieb in Sachsen als H5N1-positiv erkannt werden. Trotz intensiver epidemiologischer Nachforschungen blieb im Einzelfall die Herkunft/Infektionsquelle für das frei lebende Wassergeflügel fast immer unbekannt. Weil zahlreiche Spezies aquatisch lebender Vögel im Herbst und Frühjahr mitunter große Strecken in kurzer Zeit zurücklegen, wird weiter gefolgert, dass solche Zugvögel irgendwo in einem virushal - tigen Milieu das Virus aufnehmen und vermehren, aber nicht umgehend erkranken und deshalb eine bedeutende Rolle als biologische Vektoren besitzen (49). Da nicht in jedem Fall der Beweis für einen direkten Wechsel des Virus vom infizierten Wassergeflügel zum Hausgeflügel gelang, muss auch eine Virusverschleppung mit kontaminierten Gerätschaften, Transportfahrzeugen (periodische Futterlieferungen), durch technisches Personal, Berater, aber auch Tierärzte berücksichtigt werden. Die Fachliteratur benennt viele denkbare Wege der nationalen und internationalen Virusausbreitung, wovon etliche eher spekulativ sind und bisher ohne exakten Beweis blieben. Völlig neu war die 2004 in Thailand gewonnene bittere Erkenntnis, dass sich außer Geflügel auch Säugetiere und Menschen (5) mit aviären Influenzaviren, und zwar mit den damals zirkulierenden hochpathogenen H5N1-Viren, infizieren und sterben. Hauskatzen, Haushunde (46), Tibetkatzen, Steinmarder und Tiger verendeten an den Folgen einer solchen Infektion (29, 44, 45, 52). Beim Tiger konnte eine Übertragung von Tier zu Tier bewiesen werden (54). Nach einer Publikation des FLI im Jahr 2006 (13) erfolgt die Infektion der Hauskatzen durch Verzehr von Fleisch des an Geflügelpest gestorbenen Geflügels. Die Katzen zeigen nach einer H5N1-Infektion hohes Fieber, Mattigkeit, Vorfall des dritten Augenlids und Konjunktivitis sowie Symptome vonseiten des unteren Respirationstrakts. Durchfall entsteht nicht. Die Erkrankung führt innerhalb einer Woche nach der Infektion regelmäßig zum Tod. Zu Lebzeiten erfolgt die Ausscheidung von infektiösem Virus über die Schleimhäute des Respirations- und Verdauungstrakts. Dies sollten Kontaktpersonen berücksichtigen und entsprechende Vorsicht beim Umgang mit erkrankten Katzen walten lassen (13). In Deutschland gelang der bisher letzte Nachweis eines H5N1-Virus im Januar 2009 bei Haus- und Wildgeflügel, einer Hauskatze und einem Steinmarder (12). Die kontinuierlich erscheinenden Berichte der Food and Agricultural Organisation Animal Influenza Disease Emergency (12) enthalten hinsichtlich des Artenspektrums infizierter Tiere wenig Details. Meist lautet die Angabe domestic poultry und wild birds. Hin und wieder werden genannt: Hauskatze, Hausschwein, Haushund, Nerz, Steinmarder, Waschbär, Fuchs sowie Zoovögel. Bei allen diesen Fällen handelt sich um H5N1-Einzelnachweise in Europa und Asien, die aber in keinem Fall Epidemien auslösten (49). Zur Diagnostik bei der Katze eignen sich Tupferproben aus dem Oropharynx, die dem zuständigen Veterinäruntersuchungsamt mit dem Hinweis auf eine mögliche Influenzavirusinfektion in seuchenrechtlich bereits gemaßregelten Gebieten zuzusenden sind. Bisher liegen keine Hinweise auf eine denkbare Beteiligung infizierter Katzen an der Verbreitung des H5N1-Virus vor (38). Haushund und Rotfuchs sowie weitere wild lebende karnivore Säugetiere (Marder, Waschbär) entwickeln nach experimenteller H5N1-Infektion lediglich milde und vorübergehende Symptome wie Fieber, Atemnot, Gleichgewichtsstörungen und Paralyse der Hintergliedmaßen (46). Die Wege der Virusausscheidung und der Dia gnostik entsprechen denen bei der Katze (13, 14, 19). Wildschweine sind für viele Influenza-A-Viren des Menschen und der Vögel hochgradig empfänglich; sie erkranken und sterben nach Infektion mit den humanen Subtypen H1N1 und H3N3. Nachweise über ein H5N1-Virus liegen von Wildschweinen bisher nicht vor (41, 57, 58). Jäger, Förster und Waldwanderer sind jedoch gehalten, direkte Kontakte mit Fallwild zu vermeiden, aber den Behörden tot aufgefundene Tiere zu melden, um diagnostische Unter suchungen zu veranlassen. Pferde wurden früher, derzeit jedoch nicht mehr, für die Herstellung von Immunseren gegen Geflügelpestpräparationen verwendet (30). Sie gelten deshalb als infektions-, aber nicht als krankheitsempfänglich. Publikationen zur Empfänglichkeit der Kühe und des Schalenwilds liegen nicht vor, wohl weil diese Spezies sich bisher als resistent erwiesen. Sie könnten jedoch als mechanische Vektoren des Virus fungieren. Klinische Symptomatik und Diagnostik Klinisch zeigen sich nach Infektion mit hochpathogenem Influenzavirus beim terrestrisch lebenden Huhn, bei Pute, Wachtel, Fasan, Strauß, Wanderfalke und vielen Sperlingsvögeln sistierende Futter- und Tränkwasseraufnahme, Apathie, Atemnot, Zyanose der Kopfanhänge, Diarrhö, Rückgang bis vollständiges Sistieren der Legetätigkeit, Ödeme im Kopfbereich ( Abb. 2) und schließlich hohe Verluste (bis zu 100% eines Bestandes). Erkrankte Putenund Hühnerherden verhalten sich auffallend ruhig, die Tiere sind hochgradig apathisch, sitzen viel und erheben sich nicht beim Betreten des Stalles durch das Personal. Die Ausprägung der klini- Tierärztliche Praxis Großtiere 6/2014 Schattauer 2014

E. F. Kaleta: Klassische Geflügelpest und Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel 379 Abb. 2 Ödem des Kopfes einschließlich der Augenlider eines Hühnerkükens nach experimenteller Infektion mit hochpathogenem aviärem Influenza-A-Virus (H7N1) Fig. 2 Edema of the head including the eyelids of a chick experimentally infected with a highly pathogenic avian influenza A virus (H7N1). Abb. 3 Punkt- und flächenhafte Blutungen und Butons im Darmkanal eines experimentell mit hochpathogenem aviärem Influenza-A-Virus (H7N1) infizierten Huhns Fig. 3 Pinpoint and extended haemorrhages and butons in the intestine of a chicken experimentally infected with a highly pathogenic avian influenza A virus (H7N1). schen Symptomatik hängt ab von der Pathogenität und Wirtsspezifität des aviären Influenzavirus (AIV), einer eventuell bestehenden erworbenen Immunität, aber auch vom Vorliegen von Infektionen mit immunsuppressiven Viren (60). Entenvögel, Möven und andere aquatisch lebende Vögel weisen nach einer Infektion mit hochpathogenen AIV (HPAIV) nur milde, kaum bemerkbare Symptome auf (38). Auch niedrigpathogene aviäre Influenzaviren (LPAIV) verursachen bei aquatischen Vögeln keine oder nur sehr milde respiratorische Symptome. Verluste bei Enten bilden eher eine Ausnahme (50). Die frühzeitige Erkennung einer Infektion durch den Tierhalter hat große Bedeutung. Im Verdachtsfall ist er verpflichtet, unverzüglich durch einen Tierarzt das Vorliegen einer Infektion mit HPAIV oder LPAIV durch geeignete Untersuchungen ausschließen zu lassen. Genannt werden im 4 (i) der Geflügelpest-VO (2) mindestens 3% Verluste innerhalb von 24 Stunden in Hühneroder Putenbeständen unter 100 Tieren, (ii) mehr als 2% der Tiere des Bestandes bei einer Bestandsgröße von mehr als 100 Tieren, (iii) erhebliche Veränderungen der Legetätigkeit oder der Gewichtszunahme. Für Enten- und Gänsebestände gilt die Verpflichtung zur diagnostischen Untersuchung, wenn während 4 Tagen Verluste von mehr als der dreifachen üblichen Sterblichkeit der Tiere des Bestandes oder eine deutlich verringerte Gewichtszunahme oder Legeleistung von mehr als 5% festgestellt wurden. Die zuständige Behörde kann anordnen, dass der Tierhalter einen Geflügelbestand untersuchen lässt, wenn dies aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung erforderlich ist. Pathologisch-anatomisch finden sich bei terrestrisch lebenden Vögeln nach Infektion mit HPAIV stets hochgradige Hämorrhagien, wobei die Tiere wegen der kurzen Krankheitsdauer eine noch gute Bemuskelung und voll entwickeltes Gefieder aufweisen. Auffallend sind die oft sehr ausgeprägten, noch frischen, flächenförmigen Blutungen unter der Kopfhaut, in inneren Organen, vor allem Drüsen- und Muskelmagen sowie Darmkanal ( Abb. 3), und auf der Serosa der Leibeshöhle. Nach protrahiertem Verlauf einer Infektion mit HPAIV zeigen sich bei Huhn, Pute und anderen terrestrischen Vögeln im Dünndarm Butons, ovale erhabene Nekroseherde. Beim Wassergeflügel fehlen in der Regel ausgeprägte Veränderungen an den inneren Organen. Bakteriologisch und mykologisch wird meist kein spezifischer Keimgehalt in den inneren Organen festgestellt. Eher als Zufalls - befunde lassen sich gelegentlich Enterobacteriaceae, grampositive Kokken und Bazillen isolieren (41). Parasitologischen Befunden kommt keine Bedeutung als Krankheits- oder Todesursache zu. Labordiagnose der Geflügelpest: Beachtet werden muss, dass weder das Gesamtspektrum der klinischen Befunde noch die vollständig erhobenen pathologisch-anatomischen Befunde pathognomonisch sind. Vielmehr bedarf es der Virusisolierung aus mehreren Organen (Pharynx- und Kloakentupfer, Trachea, Lungen, Nieren, Leber und Darm) sowie des molekulardiagnostischen Nachweises des HA-, NA-, Matrix- oder anderer Teile des Genoms. Auch die Bestimmung des intravenösen Pathogenitätsindex mittels Tierversuch ist zur Seuchenfeststellung notwendig. Eine Detailbeschreibung der diagnostischen Vorgehensweise enthält die vom FLI publizierte Methodensammlung (4). Die solide virologische Diagnose der klassischen Geflügelpest und der Ausschluss von Differenzialdiagnosen lässt sich unter didaktischen Gesichtspunkten in zehn aufeinander folgende Schritte einteilen: (i) Erhebung möglichst vieler epidemiologischer Be - gleitumstände, (ii) Erfassung möglichst aller klinischen Befunde, (iii) Feststellung aller (histo)pathologischen Veränderungen, ge - gebenenfalls auch Befunde immunhistologischer und immunhistochemischer Untersuchungen, (iv) Ausschluss anderer Erreger, (v) Virusanzüchtung im embryonierten SPF-Hühnerei aus inne-

380 E. F. Kaleta: Klassische Geflügelpest und Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel ren Organen (bevorzugt Trachea, Lunge, Leber, Milz, Nieren und Darmkanal), (vi) Bestimmung der mittleren Zeit zwischen Virus - inokulation und Embryotod ( mean death time ), (vii) Nachweis der Hämagglutination der virushaltigen Allantoisflüssigkeit mit Hühnererythrozyten, (viii) Nachweis der Hemmung der Häm - agglutination durch ein monospezifisches Antiserum, (ix) aus - bleibende Hemmung der Hämagglutination durch ein mono - spezifisches Serum gegen das Virus der Newcastle-Krankheit, (x) elektronenmikroskopische Untersuchung von Größe, Gestalt und Oberflächenstrukturen des Geflügelpestvirus (38, 53). Alle diese Untersuchungen erfolgen üblicherweise in Veterinärunter - suchungsämtern oder (häufiger als früher) in privaten Labors. Während der vielen spontanen Geflügelpestfälle konnten wegen Überlastung der Labors nicht alle Tierkörper vollständig und lege artis untersucht werden, sodass die günstige Gelegenheit zur Erweiterung der noch lückenhaften Kenntnisse über Wildvogelkrankheiten ungenutzt vorüberging. Diese 10 Untersuchungsschritte sind Labordiagnostikern, nicht aber allen praktizierenden Tierärzten bekannt. Vor ca. 15 Jahren kam die Polymerasekettenreaktion zum Nachweis der Gene von Hämagglutinin und Neuraminidase, des Fusions- und Matrixgens sowie die Sequenzierung dieser Gene oder Teile davon hinzu (47, 51, 53). Diese molekularbiologischen Methoden werden im Nationalen Referenzlabor für AI/Geflügelpest des FLI durch geführt und dienen der Verifikation der Diagnose klassische Geflügelpest durch Bestimmung der Aminosäuren an der Spaltstelle des Hämagglutinins und damit auch dem Nachweis der Virulenz fraglicher Isolate. Die Resultate des FLI werden umgehend den zuständigen Orts- und Landesbehörden sowie den Einsendern der Isolate mitgeteilt. Dem folgt die amtliche Feststellung des Vorliegens der Geflügelpest mit anschließender Einleitung von Bekämpfungsmaßnahmen und letztlich der erfolgreichen Eradikation des Seuchenfalls. Nach gelungenem und offiziell bestätigtem Virusnachweis besteht in Deutschland, aber auch in nahezu allen anderen europäischen Ländern und in Übersee die Anzeigepflicht für jeglichen Nachweis eines Geflügelpestvirus des Subtyps H5 und H7 (2). Zum Nachweis von Antikörpern im Serum rekonvaleszenter Vögel sowie zur Unterscheidung der HA-Subtypen dient der Häm - agglutinations-hemmungstest (38). Der Nachweis subtypspezifischer Antikörper gegen die Neuraminidase ermöglicht eine Differenzierung zwischen infektions- und impfungsbedingten Antikörpern (DIVA-Strategie), wenn die NA im Impfstoffvirus bekannt ist (10). Mittels Agargel-Präzipitationstest können nur typspezifische Antikörper erkannt werden (7). Deshalb eignet sich dieser Test besonders gut als Suchtest zur Erfassung aller Influenza-A-Viren der Vögel und Mammalier. Für die Untersuchung zahlreicher Seren empfiehlt sich der ELISA (43, 48, 51, 53). Differenzialdiagnosen In der Frühzeit der Influenza-Forschung (1778 bis ca. 1950) dominierten hinsichtlich Häufigkeit und Ausmaß der Verluste die Geflügelcholera (Pasteurella multocida), die herpesvirusbedingte infektiöse Laryngotracheitis und weitere bakterielle Infektionskrankheiten. Ab ca. 1927 musste auch die Newcastle-Krankheit, eine Paramyxovirusinfektion, als wichtige Differenzialdiagnose ausgeschlossen werden (25). Im deutschen Tierseuchenrecht wurde zwischen der Geflügelpest als der klassischen Geflügelpest und der Newcastle- Krankheit als der atypischen Geflügelpest unterschieden. Praktische Erfahrung lehrt das Vorkommen schwer verlaufender Mykotoxikosen beim Geflügel und Vergiftungen (z. B. Todesfälle bei Gänsen durch Verbiss von Blättern der Pflanze Gänsesterbe [Erysimum crepidifolium]). Auch Verluste durch Hitzeperioden oder mehrtägige Unterbrechung der Tränkwasserversorgung müssen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Bekämpfung In Deutschland enthält die Geflügelpest-VO von 2014 (2) auf der Grundlage des aktuellen Tiergesundheitsgesetzes die rechtliche Basis für alle Voraussetzungen und Maßnahmen zur Bekämpfung der Geflügelpest. In jedem Bundesland wurden Notfallpläne geschaffen und unter Simulation eines Ausbruchs praktisch erprobt. Der amtlichen Feststellung der Geflügelpest folgen unmittelbar die Ausmerzung aller infizierten und ansteckungsverdächtigen Tiere, die unschädliche Beseitigung der mitunter massenhaft anfallenden Kadaver, die anschließende Reinigung, Desinfektion und ein zeitlich begrenzter Leerstand der Stallungen von mindestens 21 Tagen bis zur genehmigten Wiederbelegung. Um den Seuchenherd wird ein Sperr- und ein Beobachtungsgebiet eingerichtet. Serologische und gegebenenfalls virologische Kontrolluntersuchungen dienen der Überwachung aller Geflügelbestände hinsichtlich weiterer Fälle der Geflügelpest. Tötung infizierter Bestände Aufgrund der geringen Aussichten auf eine spontane Genesung und wegen der Unheilbarkeit des erkrankten Geflügels mit den früher verfügbaren Arzneimitteln stand die Ausmerzung betroffener Bestände von Anfang an im Vordergrund aller Bekämpfungsmaßnahmen (21). Im Gegensatz zu asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern ist die Ausmerzung in Deutschland gemäß Geflügelpest-VO von 2014 vorgeschrieben (2). Die Methoden der Tötung und die Kadaverentsorgung sind ein ethisches, aber auch praktisch-technisches Problem. Folgende Kriterien werden dabei als unabdingbar angesehen: (i) schneller und möglichst schmerzarmer Eintritt des Todes, (ii) Vermeidung des Austritts von Blut, um die Virusstreuung mit Blut zu unterbinden, (iii) Vermeidung der Kontamination der näheren Umgebung von Stallungen und der Umwelt mit infektiösen Ausscheidungen, Federn oder technischem Gerät, (iv) Verwertbarkeit der Kadaver zu Tierkörpermehlen oder analogen Produkten, (v) weitgehende Reduktion des Infektionsrisikos für das beteiligte Personal und für Haussäugetiere. Tierärztliche Praxis Großtiere 6/2014 Schattauer 2014

E. F. Kaleta: Klassische Geflügelpest und Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel 381 Nur in kleineren Beständen lässt sich eine manuelle Tötung durch Genickbruch ohne Blutaustritt durchführen. Eine Dekapi - tation geht unweigerlich mit Blutaustritt und Kontamination der Umgebung einher und ist deshalb nicht statthaft. Der Einsatz von überdosierten Narkotika kann die Gesundheit des Personals beeinträchtigen und behindert die Verwertbarkeit der Kadaver. Stets zu beachten sind tierseuchenrechtliche Vorgaben und Tierschutzaspekte sowie die Fürsorge hinsichtlich gesundheitlicher Gefährdungen der an den Aktionen beteiligten Menschen. Die Tötung kann sowohl in speziell konzipierten Containern als auch vorzugsweise im belegten Stall vorgenommen werden. Im bestätigten Seuchenfall stehen die Zuverlässigkeit des an - geordneten Tötungsverfahrens und die Sicherheit des beteiligten Personals im Vordergrund. Das Einleiten von Kohlendioxid gilt derzeit als Verfahren der ersten Wahl. Hierzu sind zuerst die Stallungen luftdicht zu versiegeln, um die Umgebung nicht durch austretendes Gas zu belasten. Dem folgt die Einleitung des Kohlen - dioxids aus Stahlflaschen in genügender Menge, gleichmäßiger Verteilung im Stallraum und korrekter Konzentration. Nach überprüftem Eintritt des Todes aller Tiere sind die begasten Räume hinreichend zu belüften. Erst danach werden die Tierkörper eingesammelt und zu Tierkörperverwertungsanstalten oder Verbrennungsanlagen transportiert. Abschließend sind Stallungen, deren Umgebung, die Transportfahrzeuge sowie die Kleidung des Per - sonals zu reinigen und zu desinfizieren. Die praktische Ausführung der skizzierten Vorgehensweise erfordert umfangreiches Wissen und praktische Erfahrungen, die nicht überall und jederzeit erwartet werden können. Dies sowie verheerende Ausbrüche der Geflügelpest in einigen Nachbarländern und in Deutschland waren 2008 Anlass zur Gründung der GESEKO GmbH (Gesellschaft für Seuchenvorbeuge und die Anicon Vorsorge GmbH) durch die Geflügelwirtschaft unter Beteiligung einschlägig befasster Behörden. Deren Ziel ist eine tierschutzgerechte, schnelle und effiziente Bestandsräumung in Seuchenfällen (9). Impfung gegen die Geflügelpest Daubney et al. (11) erzielten 1949 mit einer Inaktivatvakzine, hergestellt aus formalinisierten Geweben inokulierter Embryonen und einer Wasser-in-Öl-Emulsion, einen 12 14 Monate anhaltenden Schutz, der durch Belastungsinfektionen nachgewiesen wurde. Schon früher von Maue (31) beschriebene Immunisierungsversuche mit Organpräparationen schlugen dagegen fehl. Daubney s Impfstoff wurde in vielen Ländern mit Geflügelpestproblemen recht erfolgreich eingesetzt. Die genannte Zusammensetzung und bewiesene Wirksamkeit der Daubney-Vakzine muss als Vorläufer unserer heutigen sehr potenten adjuvantierten Inaktivatvakzinen gewürdigt werden. Grad und Dauer einer postvakzinalen Immunität werden von der Subtyp- oder gar Stammspezifität des Impf antigens in Bezug zum zirkulierenden Feldvirus nachhaltig beeinflusst. Die 8 12 der aktuellen Geflügelpest-VO regeln das Verbot der Schutzimpfungen. Ausnahmen vom Impfverbot sowie Maßnahmen nach erfolgter Impfung werden detailliert dargestellt. Heute sind in Deutschland und nahezu allen anderen Ländern Europas die Schutzimpfungen mit inaktivierten Influenzaviren der Subtypen H5 und H7 grundsätzlich verboten. Gemäß dem Terminus grundsätzlich gibt es Ausnahmen, die nach Antrag bei der örtlich zuständigen Behörde, nach Anhörung und Billigung des Paul-Ehrlich-Instituts und des einschlägig befassten Bundesministeriums für einzeln gekennzeichnete und gut abgeschirmte Vögel genehmigt werden können. Allerdings wird von dieser Option kaum Gebrauch gemacht. Nur hin und wieder werden aus Gründen der Arterhaltung selten gewordener Vögel und solche zur Erzeugung einer größeren Zahl von Nachkommen in zoologischen Einrichtungen mit Inaktivatvakzinen immunisiert. In mehreren asiatischen Ländern kommen heute noch inaktivierte Impfstoffe nach dem von Daubney et al. (11) empfohlenen Herstellungs- und Prüfungsverfahren im großen Stile zum Einsatz. Die geimpften Hühner bleiben klinisch gesund, scheiden aber nach spontanen Feldvirusinfektionen virulentes Virus aus. In Ägypten, China, Vietnam und Indonesien werden derzeit sowohl Inaktivat- als auch gentechnisch hergestellte Impfstoffe eingesetzt (6, 18, 48). Ein Versagen des Schutzes nach erfolgten Impfungen kann mehrere Ursachen haben (23). Insbesondere Differenzen zwischen Impfvirus und Feldvirus führen zu mangelhaftem Schutz (4), ferner Qualitätsmängel der Impfstoffe (zu geringer Antigen - gehalt, Entmischung der Einzelkomponenten nach [irrtümlichem] Einfrieren und Auftauen der Vakzine), Applikationsfehler (zu geringes Volumen, Verfehlen der korrekten intramuskulären oder subkutanen Injektionsstelle) (17, 23). Auch bei fehlender Immunkompetenz durch immunsuppressive Infektionen (Gyro-, Leukose- oder Marekvirus) ist mit einem teilweisen oder völligen Ausbleiben des Impfschutzes zu rechnen (18, 26). Es muss betont werden, dass nur Impfungen gegen die Influenza-A-Subtypen H5 und H7 einem behördlichen Genehmigungsvorbehalt unterliegen. Dagegen sind Impfungen gegen aviäre Influenzaviren aller weiteren 14 Hämagglutininsubtypen möglich, wenn die Vakzineherstellung gemäß guter Laborpraxis erfolgt und nachweislich Fachkenntnisse der Hersteller vorliegen. Weil die Verneinung des Impfstoffeinsatzes gegen die Geflügelpest in der Öffentlichkeit, aber auch in einigen Fachkreisen immer wieder hinterfragt wird, sei auf die möglichen Leistungen und Fehlleistungen von Impfstoff und Impfung ausführlicher eingegangen. Anvisierte Ziele einer Impfung sind: (i) Schutz vor Krankheit und Tod sämtlichen Hausgeflügels, aller Hobbyvögel und Zoo - vögel, (ii) Reduzierung der Vermehrung und Ausscheidung von virulentem Feldvirus durch Hausgeflügel, (iii) Schutz frei lebender Vögel gegen Viruseintrag aus infizierten Hausgeflügelbeständen, (iv) Reduzierung von Feldvirus bei Hausenten zum Schutz von Puten und Hühnern, (v) Verminderung des Expositionsrisikos für Menschen, Hauskatzen und andere empfängliche Säugetiere. Nutzen und Grenzen einer aktiven Immunisierung sind unverkennbar. Ein belastbarer Schutz besteht erst nach zwei bis drei Injek - tionen ca. 2 Wochen nach der letzten Injektion. Die so bewirkte

382 E. F. Kaleta: Klassische Geflügelpest und Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel Immunität erhält die Tiergesundheit, garantiert den Erhalt bisheriger Leistungen wie Eier-, Fleisch-, Schmalz- und Federerzeugung. Aus epidemiologischer Sicht darf eine Verdrängung von virulentem und avirulentem Virus aus immunisierten Vogelpopulationen erwartet werden. Aus ökonomischer Sicht garantiert immunes Hausgeflügel die Einhaltung von Lieferverträgen und Schlachtterminen. Auch darf mit einer angemessenen Gewinnspanne bei den Geflügelhaltern gerechnet werden. Nicht zuletzt muss in Schutzimpfungen eine eindeutig tierschutzkonforme Maßnahme gesehen und gewürdigt werden. Deutliche Nachteile einer Impfung mit Vakzinen, die inaktiviertes Virus enthalten, umfassen: (i) eine Immunität ist bei Huhn und Pute in den ersten 3 4 Lebenswochen wegen der noch nicht ausgebildeten Immunkompetenz kaum erreichbar, (ii) beim Jungmastgeflügel (Broiler) ist wegen der sehr kurzen Lebensspanne von ca. 5 Wochen nur gegen Ende der Mastperiode wenn überhaupt eine belastbare Immunität zu erwarten, (iii) immunsuppressive Virusinfektionen (Gyro-, Bursitis-, Marek- und Leukoseviren) vermindern oder verhindern die Entwicklung einer aktiven Immunität, (iv) aus unterschiedlichen Gründen erkranktes und sonstwie geschwächtes Hausgeflügel ist nicht erfolgreich immunisierbar, (v) frei lebende Vögel, wie Wildgänse, Wildenten, Wat-, Stelz- und Sperlingsvögel, lassen sich zur Impfung kaum fangen und entziehen sich somit einer Impfung. Eine faire abwägende Bewertung des Pro und Kontra der Impfungen gegen Influenza-A-Virus-Infektionen ergibt Folgendes: Die postvakzinale Virusausscheidung wird als Nachteil anerkannt, jedoch billigend in Kauf genommen, um Leben und Gesundheit des geimpften Geflügels zu erhalten und Massentötungen zu vermeiden. Die Rettung der exponierten und auch der infektionsverdächtigen Tiere ist besonders in asiatischen und südamerikanischen Ländern sehr willkommen zur notwendigen Eier- und Fleischgewinnung für die darbende Bevölkerung. Dem wird entgegengehalten, dass die Tötung einiger Bestände dem Erhalt von zahlreichen, noch nicht infizierten Beständen dient. In Mexiko werden Vektorvakzinen in großem Stil zur Vermeidung von Tierverlusten und damit zur Abwendung wirtschaftlich bedeutender Einbußen verwendet. Auch Vektorvakzinen können das Fortbestehen zirkulierender virulenter H5N1-Viren nicht aufhalten. Die Firmen Intervet, Boxmeer, NL (H5N2) und Merial, Lyon, Frankreich (H5N9) vertreiben gentechnisch hergestellte Vektorimpfstoffe, die z. B. in Mexiko nach gebührender Abwägung aller Vor- und Nachteile weit verbreitete Anwendung gefunden haben (37). In Deutschland ist die Anwendung dieser Impfstoffe an eine EU-Genehmigung des Impfplans gebunden, die bisher noch niemals erteilt wurde. Lebendvirus enthaltende Geflügelpest-Impfstoffe zur Anwendung beim Geflügel waren, sind und bleiben in Deutschland und seinen Nachbarländern weiterhin verboten. Eine Ausnahme bilden Vektorvakzinen, die in Mittel- und Südamerika zur Anwendung kommen. Als stichhaltige Begründung für das zwingende Anwendungsverbot von attenuierten Lebendimpfstoffen werden das bekannte Risiko der Reversion zu Virulenz und die Reassortierung durch genetic drift und genetic shift genannt. In überwiegend ethisch argumentierenden Diskussionsrunden Europas werden trotz alledem Schutzimpfungen als machbare Alternative zu Massentötungen immer wieder gegeneinander abgewogen, wobei der aktiven Immunisierung der Vorrang eingeräumt wird (20). Angesichts der Impfmöglichkeiten im Ausland und des Impfverbots in Deutschland und den zum Teil recht kontrovers geführten Diskussionen deutscher Politiker und einheimischer Sachverständiger über Sinn und Unsinn von Impfungen bedurfte es einer ausführlichen Erörterung des Pro und Kontra. Anlässlich einer Anhörung von Geflügelfachleuten im Jahr 2006 durch den damaligen Bundesminister Horst Seehofer wurden einvernehmlich folgende Maßnahmen empfohlen: Tötung der Tiere im diagnostizierten Seuchenfall, Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen der Stallungen samt Außenbereich, der kontaminierten Transportfahr - zeuge, der Tierkörperverwertungsbetriebe nach Anlieferung infektiöser Kadaver sowie Ganzkörper-Schutzkleidung, Reinigung für das an diesen Maßnahmen beteiligte Personal, Schadnagerund Arthropodenbekämpfung und umfassende sachgerechte Information der Öffentlichkeit. In den Jahren nach 2005 entstanden aufgrund der unvorhersehbaren dramatischen Seuchenlage in Asien, Europa und Afrika, der teilweise hektischen Reaktionen der zuständigen Ämter und der Bundesbehörden in kurzer Zeit die Neufassungen des Tierseuchengesetzes, neun Verordnungen in Deutschland sowie 31 Entscheidungen auf EU-Ebene unter anderem zu Diagnostik, Bekämpfungs- und Schutzmaßnahmen (42). Therapie der Influenza-A-Virus-Infektionen Alle früheren Therapieversuche mit diversen Hausmitteln, aber auch mit Seren aus rekonvaleszenten Tieren und Immunseren vom Pferd zeigten keinerlei Erfolg. Es blieb als zunächst einzige Möglichkeit die Ausmerzung des gesamten infizierten Geflügels mit Tilgung des Seuchenerregers (1). Die Entwicklung von Wirkstoffen, die die Synthese der Neuraminidase hemmen, schien neue Wege zu einer erfolgversprechenden kausalen Therapie aller Influenza-A-Virus-Infektionen zu eröffnen (1). Zuerst wurde an Mäusen, danach am Menschen die Wirksamkeit von Amantadin erprobt (34). Dieser Stoff hemmt den M2-Ionenkanal, der zum uncoating des Virus essenziell ist. Zu den Neuraminidase-Inhibitoren zählen Oseltamivir (Tamiflu ) und Zanamivir (Relenza ). Zwingend ist die möglichst frühzeitige Anwendung, d. h. innerhalb weniger Stunden nach einer erfolgten oder vermuteten H5N1-Virusinfektion von Menschen. Angesichts der 2005 erkennbaren und in der deutschen Öffentlichkeit (zu Unrecht) gepriesenen Wirksamkeit von Tamiflu und der Notwendigkeit einer möglichst sofortigen Einnahme erwarben die Landesregierungen vorsorglich beachtliche Mengen an Tamiflu. Im Bedarfsfall sollten zuerst besonders Influenzavirus-exponierte Personen (z. B. humanmedizinisches Personal, infektions - gefährdete Tierärzte) Zugriff auf das Medikament haben. Tamiflu Tierärztliche Praxis Großtiere 6/2014 Schattauer 2014

E. F. Kaleta: Klassische Geflügelpest und Influenza-A-Viren des Hausgeflügels und der Vögel 383 musste niemals beim Menschen im großen Stil angewendet werden und nach Ablauf der vom Hersteller garantierten Dauer der Haltbarkeit und Wirksamkeit wurden die Tamiflu -Vorräte vernichtet. Therapeutische Gaben der Neuraminidase-Hemmer zu längeren Zeiten nach einer Infektion haben keinen nachweisbaren Einfluss auf die De-novo-Synthese des Influenza-A-Virus (32). Diese Autoren stellten bei ihren In-vivo-Studien mit Oseltamivir bei Hühnern und Enten fest, dass nur die vorherige oder noch besser die zeitgleiche Wirkstoffapplikation bei der Verhütung der Virusinfektion erfolgreich ist. Leider entwickeln die Zielviren recht bald Resistenzen gegen Neuraminidase-Inhibitoren, die bei vorbeugender oder therapeutischer Anwendung zum Verlust der Wirksamkeit führen. Deshalb erscheinen rückblickend die Neuraminidase-Inhibitoren zuerst sehr vielversprechend, letztlich aber als ein erfolgloser Versuch zur Prophylaxe und Therapie der Influenza-A-Virus-Infektionen bei Mensch und Tier (1). Vorbeugende Maßnahmen Heute ist erkennbar, dass die Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder in ihrer Gesamtheit in Verbindung mit tatsächlich getroffenen Entscheidungen der Behörden bei aktiver Unterstützung praktizierender Tierärzte zur nahezu vollständigen Eliminierung der Geflügelpest führten (12). Die in asiatischen und afrikanischen Ländern noch immer diagnostizierte Geflügelpest (17) mahnt auch für die Verhältnisse in Deutschland dringlich zur Beibehaltung des flächendeckenden Monitoring des Hausgeflügels, der virologischen Untersuchung erkrankter oder gestorbener Wildvögel und Säugetiere sowie zur fundierten Differenzialdiagnostik grippeähnlicher Erkrankungen bei Menschen. Auch in der heutigen Zeit findet sich das Virus der klassischen Geflügelpest, besonders das H5N1-, aber neuerdings auch das H7N9-Virus, in vielen Arten des frei lebenden Wassergeflügels sowie vieler terrestrischer Vögel in Ländern, deren Hausgeflügel - bestände mit inaktivierten oder Vektorimpfstoffen gegen die Geflügelpest geschützt werden sollen (12). Von diesen Quellen muss durch den internationalen Handel mit Einschleppungen in ein - heimische Hausgeflügelbestände gerechnet werden. Zudem ist ein Viruseintrag durch infiziertes Wassergeflügel möglich, das in kurzer Zeit große Flugstrecken zurücklegen und Kontakte zu Hausgeflügel haben kann. Die Verhütung der Einschleppung der HPAIV und der LPAIV in Hausgeflügelbestände ist somit oberstes Gebot aller Maßnahmen. Dies erfordert sowohl organisatorische als auch bautechnische Maßnahmen. Durch stetiges serologisches und gegebenenfalls virologisches Monitoring aller Bestände wird der Infektionsstatus frühzeitig und noch rechtzeitig erkannt. Die dokumentierte Abwesenheit des Geflügelpestvirus beim Hausgeflügel ermöglicht folgerichtig unbehinderten nationalen und internationalen Handel mit lebendem Geflügel und Geflügelprodukten. Zur Verhütung der Viruseinschleppung gehören hygienische Maßnahmen wie die regelmäßige Reinigung und Desinfektion der Stallungen, der Transportfahrzeuge für Tiere und Futter, die Schadnagerund Arthropodentilgung und nicht zuletzt eine sorgfältige Hygiene des Personals (13). Nach erkannter Einschleppung des Geflügelpestvirus erfolgt die Bekämpfung in Deutschland und vielen Nachbarländern auf der Basis von Krisenplänen, die inzwischen entwickelt und praktisch erprobt wurden. Gegenwärtig besteht eine gewisse Seuchenruhe beim Hausgeflügel, was bedeutet, dass in Europa nur noch vereinzelte, lokal begrenzte Ausbrüche diagnostiziert werden. Ermöglicht durch fest etabliertes Monitoring werden solche Fälle sehr frühzeitig erkannt und eliminiert. Folglich wird die Ausmerzung infizierter Bestände auch zukünftig das vordringlichste Ziel im Seuchenfall sein. Diese stringente Vorgehensweise konnte bisher Sekundärausbrüche nach Eliminierung der vom Indexfall betroffenen Tiere verhindern. Allerdings kam es in den 1990er Jahren zu lokalen Ausbrüchen nach Infektionen mit LPAIV der Subtypen H1, H6, und H9. In den Jahren 2008/09 ließen sich durch serologisches Monitoring in Puten- und Legehennenbeständen ebenfalls LPAIV der Subtypen H5N3 und H7N3 identifizieren und die betroffenen Herden wurden eliminiert. Im Jahr 2013 erfolgten Nachweise von HPAIV der Subtypen H9N2 und H7N7 bei Puten, Legehennen und Mastenten mit Tötung aller Tiere der infizierten Herden. Anfang November 2014 trat in einem größeren Putenbestand in der Uckermark ein hochgradig virulentes Virus auf, das das FLI als HPAIV des Subtyps H5N8 mit einem intravenösen Pathogenitätsindex von 3,0 identifizierte. Die Mortalität betrug nahezu 90%. Die wenigen noch lebenden Puten der beiden betroffenen Herden wurden euthanasiert. Untersuchungen des Hausgeflügels im Sperrgebiet (1 km Radius) führten zu keinen weiteren Virusnachweisen. Dennoch erfolgte auf behördliche Anordnung eine Tötung von sämtlichem Geflügel im Sperrgebiet, wodurch für Züchter wertvolle Rassetiere vernichtet wurden. Der Ursprung dieses bisher noch nicht nachgewiesenen H5N8-Virus konnte bis dato nicht eruiert werden. Bei dortigen frei lebenden Enten und anderen Wildvögeln waren keine erhöhten Verluste zu beobachten. Ein Vergleich des Genoms des Uckermark-Virus mit neuen Isolaten aus Südkorea spricht für einige Übereinstimmungen. Möglicherweise ist der Ursprung dieses Virus in Südasien zu suchen und es gelangte von China nach Südkorea. Die potenziellen Wege und die Art der Verschleppung von Asien nach Nordost-Deutschland sind jedoch derzeit völlig ungeklärt. Kurze Zeit nach dem Geflügelpestausbruch in der Uckermark wurde auch in einem niederländischen Legehennenbetrieb und in einem Entenzuchtbetrieb in England ein hochvirulentes Virus des Subtyps H5N8 nachgewiesen. Schutzimpfungen können im Einzelfall in Deutschland nach bewilligtem Antrag bei in Menschenhand gehaltenem, einzeln gekennzeichnetem Zoo- und Ziergeflügel erfolgen (2). Grad und Dauer des Schutzes sind nicht für alle empfänglichen Vogelarten dokumentiert (48). In Analogie zu Versuchsergebnissen beim Huhn darf aber mit einem gewissen Schutz dieser exotischen Vögel nach Impfung mit Inaktivatvakzinen gerechnet werden (18). Allerdings können geimpfte Vögel nach einer