B e s c h l u s s. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht II. Strafsenat 2 Ss 201/09 (90/09) in der Strafsache gefährlicher Körperverletzung

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Transkript:

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht II. Strafsenat 2 Ss 201/09 (90/09) B e s c h l u s s in der Strafsache w e g e n gefährlicher Körperverletzung Auf die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Strafrichters des Amtsgerichts Rendsburg vom 11. September 2009 hat der II. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig nach Anhörung der Staatsanwaltschaft einstimmig gemäß 349 Abs. 4 StPO am 17. November 2009 beschlossen: Das angefochtene Urteil wird, auch betreffend den Angeklagten S., mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Rendsburg zurückverwiesen.

2 G r ü n d e : I. Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Amtsgericht Rendsburg die Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung schuldig und verhängte jeweils eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten. Die Vollstreckung der Strafen wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Sachverhaltsfeststellungen griffen die Angeklagte am 25. Dezember 2008 zwischen 2.00 und 3.00 Uhr die Zeugen G., W., A. und L., die sich in einem Pkw an der Kreuzung Friedrichstädter Straße/Fockbeker Chaussee befanden, körperlich an. Vorausgegangen waren, so die Feststellungen, in der Tiefgarage einer Diskothek zunächst verbale Auseinandersetzungen und im Nachgang hierzu Provokationen durch die genannten Zeugen mittels Nachfahren, Lichthupe, dichtes Auffahren, gewagte Überholmanöver, Ausbremsen pp.. Nähere Beschreibungen dazu enthält das Urteil nicht. Als beide Fahrzeuge an einer Lichtzeichenanlage anhalten mussten, verließen die Angeklagten ihr Fahrzeug. Weiter heißt es in den Feststellungen: Der Angeklagte zu 1. (d.i. der Angeklagte S.) lief zur Beifahrerseite des anderen Fahrzeuges und geriet mit dem auf dem Beifahrersitz sitzenden Zeugen W. in eine Rangelei. Der Zeuge W. stieg aus, es kam zu wechselseitigen Schlagen. Sodann wurde der Zeuge W. vom Angeklagten zu Boden gebracht und diesem ohne rechtfertigenden Anlass in das Gesicht bzw. in den Bereich des linken Auges geschlagen. Während der beschriebenen Auseinandersetzung W./ S. drang der Angeklagte zu 2. (R.) auf den Zeugen G. Fahrer des Fahrzeuges der Zeugen ein, indem er diesen mehrfach durch die geöffnete Seitenscheibe schlug. Überdies erhielt der Zeuge A. auf dem Rücksitz/Fahrerseite sitzend vom Angeklagten zu 2. einen Faustschlag auf die Nase, die daraufhin einige Zeit blutete. Der Angeklagte zu 2. wollte den Zeugen G. unablässig

3 veranlassen, sich abzuschnallen, auszusteigen und mit ihm in eine direkte körperliche Auseinandersetzung vor dem Fahrzeug einzutreten.. Das Amtsgericht sprach die Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung nach 223, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB schuldig mit der Begründung, Die beiden Angeklagten gingen nämlich gegen die Zeugen in Kenntnis der Anwesenheit des anderen am Tatort vor. Nähere Ausführungen zur inneren Tatseite, etwa auch zur Frage eines gemeinsamen Tatplans oder einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Absprache, enthält das Urteil nicht. Rechtfertigende Umstände vermochte das Amtsgericht nicht zu erkennen; wahrscheinliche Provokationen im Vorfeld seien allenfalls auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen. Zur Strafzumessung führt das allein Urteil aus: Solchermaßen war jeweils auf eine tat- und schuldangemessene Freiheitsstrafe von 6 Monaten zu erkennen. Bei dem nicht einschlägig vorbelasteten Angeklagten konnte es beim gesetzlichen Mindeststrafrahmen bleiben. Gegen das Urteil legte der Angeklagte R., nunmehr vertreten von einem Verteidiger, Revision ein und begründete diese frist- und formgerecht. II. Die gemäß 335 Abs. 1 StPO statthafte und in zulässiger Weise angebrachte und begründete Revision des Angeklagten R. hat mit der ausgeführten Sachrüge vorläufig Erfolg. Das angefochtene Urteil weist sachlich-rechtliche Fehler auf (1.). Die gemäß 354 Abs. 2 StPO gebotene Aufhebung und Zurückverweisung erstreckt sich gemäß 357 StPO auf den Angeklagten S. (2.). 1.) Die Darlegungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung nach 223, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht. Es fehlt an Feststellungen zur äußeren und inneren Tatseite der gemeinschaftlichen Tat im Sinne des 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer

4 die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Nach der Neufassung der Norm durch das 6. StrRG ist nunmehr zwar das Zusammenwirken eines Täters und eines Gehilfen bei der Begehung der Körperverletzung ausreichend. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass mindestens zwei Tatbeteiligte am Tatort bewusst zusammenwirken (vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl., 224, Rz. 10 mit Rechtsprechungsnachweisen). Worin der Strafrichter hier das bewusste Zusammenwirken gesehen hat, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Allein die Kenntnis der Anwesenheit des jeweils anderen Angeklagten am Tatort reicht dafür nicht aus. Feststellungen und Erörterungen hätte es bereits deshalb bedurft, weil sich nach den Schilderungen jeder Geschädigte nur jeweils einem Angreifer und dies zudem auf unterschiedlichen Fahrzeugseiten ausgesetzt sah. Die den Qualifikationsgrund der Norm bildende erhöhte Gefährlichkeit folgt daraus, dass dem Geschädigten in der Regel mehrere Angreifer gegenüber stehen und er deshalb in seiner Verteidigungsmöglichkeit tatsächlich oder vermeintlich eingeschränkt ist. Eine derartige Situation ergeben Feststellungen bisher nicht. Darüber hinaus lässt sich die Darstellung, für die Annahme von rechtfertigenden Umständen sei nichts ersichtlich gewesen auch unter Wahrung der gebotenen revisionsrechtlichen Zurückhaltung nicht überprüfen, weil die vorausgegangenen verbalen Auseinandersetzungen und die wahrscheinlichen Provokationen der später Geschädigten nicht ausreichend beschrieben sind. Schließlich halten die angesichts der Tatvorgeschichte ohnehin sehr knapp gehaltenen Strafzumessungserwägungen rechtlicher Prüfung nicht Stand. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, ob sich der Strafrichter bewusst war, in minderschweren Fällen eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren verhängen zu können. Vielmehr ist nach der Darstellung, es habe beim gesetzlichen Mindeststrafrahmen bleiben können und der Verhängung einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten zu befürchten, dass der Tatrichter die Möglichkeit, den Ausnahmestrafrahmen anzuwenden, verkannt hat. 2.) Gemäß 354 Abs. 2 StPO war das Urteil schon aufgrund des fehlerhaften Schuldspruches aufzuheben.

5 Da die sachlich-rechtlichen Erwägungen gegen den fehlerhaften Schuldspruch zur gleichen Entscheidung zugunsten des Nichtrevidenden, des Angeklagten S., geführt hätten, liegt ein gemeinsamer Revisionsgrund vor, der zur Erstreckung gemäß 357 StPO auf den Mitangeklagten führt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., 357 Rz. 14 mit Rechtsprechungsnachweisen). Eine zuvorige Anhörung des Angeklagten S. konnte unterbleiben. Zwar hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28. Oktober 2004 5 StR 276/04, NJW 2005, 374, 376) eine Anhörung des Nichtrevidenden für erforderlich gehalten, wenn ihm eine nicht unmittelbar begünstigende, ihn nach Zurückversetzung der Sache möglicherweise belastende Entscheidung droht, verbunden mit der Möglichkeit, die Erstreckung durch Widerspruch zu verhindern. Einer Vertiefung der Frage, wie dies mit dem Gebot der Prüfung von Amts wegen (Meyer-Goßner a.a.o.rn. 16) zu vereinbaren ist und welche rechtlichen und tatsächlichen Konsequenzen ein etwaiger Widerspruch haben kann, sowie mit den dagegen erhobenen Bedenken (vgl. BGH 1. Strafsenat, Beschluss vom 9. Mai 2006 1 StR 57/06, Abs. 29 a. E., zitiert nach juris; KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., 357 Rn. 17 f m. w. N.) bedarf es allerdings nicht. Bei der hier zu entscheidenden Fallkonstellation sind angesichts des fehlerhaften Schuldspruchs und der fehlerhaften Strafzumessungserwägungen derartige Nachteile für den Angeklagten S. kaum anzunehmen.