4 Schwangerenvorsorge



Ähnliche Dokumente
Ersttrimesterscreening. US-Aufbaukurs

Dr. Jung und Dr. Mansfeld informieren: Erweiterte Schwangerschaftsvorsorge

Pränatales Screening auf Chromosomenstörungen. Pränatales Screening. Leitfaden für werdende Mütter und Väter. Leitfaden für werdende Mütter und Väter

Information zur Schwangerenvorsorge

Labortests für ihre Gesundheit. Gerinnungsstörungen Vorbeugung für Mutter und Kind 12

Labortests für Ihre Gesundheit. Suchtests bei Schwangeren und Neugeborenen 25

Schwangeren-Vorsorge

Fruchtbarkeit ist messbar!

Der Gesundheitskompass für die junge Frau

Patienteninformation Ich bin schwanger. Warum wird allen schwangeren Frauen ein Test auf

Screening Das Programm. zur Früherkennung von Brustkrebs

Schwangerenbetreuung in der Praxis für Frauenheilkunde Dr. Annegret Gutzmann

Krebsvorsorge. Jährliche Kontrolle: Frauen ab 20 - Männer ab 45. Gemeinschaftspraxis

Cytomegalie & Co. Häufige Virusinfektionen in der Schwangerschaft. Deutsches Grünes Kreuz e.v.

Was sind die Gründe, warum die Frau, der Mann, das Paar die Beratungsstelle aufsucht?

Empfohlene Untersuchungen in der Schwangerschaft

Sie werden von Patientinnen gewünscht, sind medizinisch sinnvoll, dürfen aber nicht von der GKV auch nicht aus Kulanz- gezahlt werden.

Präkonzeptionelle Beratung durch die Hebamme eine Zukunftsvision

Alcaiseda,

ANAMNESEBOGEN. ausgefüllt am: - 1

Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch

Sandoz Pharmaceuticals AG

3D-Ultraschall-Aufnahmen. Eine Fachinformation Ihrer Abteilung für Geburtshilfe

Name des Kindes Vorname des Kindes. Geburtsdatum: Geburtsort: Geschlecht: w. Adresse. Krankenkasse des Kindes Hauptversicherter

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

1. Tag. Spermien erreichen die Eileiter, in denen sich reife Eizellen befinden. 2. Tag. Befruchtung der Eizellen in der Eileiterampulle. 3.

Atlas der morphologischen Plazentadiagnostik

Empfehlungen zur immunhämatologischen Betreuung in der Schwangerschaft im Bereich des Wiener Krankenanstaltenverbundes

Patienteninformation: Gentestung bei familiärem Brust- und Eierstockkrebs (Basis-Information):

Roche Pharma AG Hämatologie / Onkologie Grenzach-Wyhlen, Deutschland. Vorsorgepass

Biochemisches Grundpraktikum. Elektrophoretische Trennung von Proteinen

OECD Programme for International Student Assessment PISA Lösungen der Beispielaufgaben aus dem Mathematiktest. Deutschland

Vorsorge im Alter Was ist möglich? Oder Vorsorge für wen und wie?

Microsoft Update Windows Update

Die monatliche Selbstuntersuchung der Brust

Herzlich Wil kommen!

Ihre Protein Analyse

B0200 Bösartige Neubildungen (C00 C97)

Der Einfluss der Geburtshelfer auf den Geburtsverlauf

Behandlung von Diabetes

Nabelschnurblutspende Informationen für werdende Eltern

3.9 Brustdrüse der Frau

24-STUNDEN-SAMMELURIN

Vorlesung - Medizinische Biometrie

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Übungsbuch für den Grundkurs mit Tipps und Lösungen: Analysis

? Kann ich mit Karotten zu viel Vitamin A

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Häufig wiederkehrende Fragen zur mündlichen Ergänzungsprüfung im Einzelnen:

Fragebogen zum Projekt Erkrankungen durch Imprinting Defekte: Klinisches Spektrum und pathogenetische Mechanismen

Moderne Brustdiagnostik Dr. Karin Nüssle-Kügele Dr. Andrea Reszt

Inhaltsübersicht Produktinformationsblatt zur Jahres-Reiserücktritts-Versicherung der Europäische Reiseversicherung AG

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Richtlinie. des Gemeinsamen Bundesausschusses. zur Umsetzung der Regelungen in 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte ( Chroniker-Richtlinie )

Selbstuntersuchung der weiblichen Brust

Wie funktioniert ein Mieterhöhungsverlangen?

Was ist Progesteron?

Vor- und Nachteile der Kastration

!!! Folgeerkrankungen

Schwangerschaftsbedingte g Veränderungen des mütterlichen Organismus

Nicht-invasive Untersuchung auf Chromosomenstörungen beim ungeborenen Kind

Patientenleitfaden für das Gespräch mit dem Arzt. Liebe Patientin, lieber Patient!

Diabetische Netzhauterkrankung

Dieser Ablauf soll eine Hilfe für die tägliche Arbeit mit der SMS Bestätigung im Millennium darstellen.

1x1. der Blutdruckmessung. Premium-Qualität für die Gesundheit

EMIS - Langzeitmessung

Spracherwerb und Schriftspracherwerb

Fragebogen für Eltern von Kindern mit einem nephrotisches Syndrom im Kindesalter Seite 1/6

INFORMATIONEN ZUR NACHSORGE VON ZAHNIMPLANTATEN

Welche Unterschiede gibt es zwischen einem CAPAund einem Audiometrie- Test?

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Patienteninformation Ich bin schwanger. Warum werden allen schwangeren Frauen drei Basis-Ultraschalluntersuchungen. angeboten?

AZK 1- Freistil. Der Dialog "Arbeitszeitkonten" Grundsätzliches zum Dialog "Arbeitszeitkonten"

Dr. med. univ. Christoph Bierbamer

U. Werfel Ev. Huyssensstiftung Kliniken Essen-Mitte

SUBSTANZABHÄNGIGKEIT - PROBLEMSTELLUNG IN DER BEURTEILUNG DER FAHRTAUGLICHKEIT

Gefährlich hohe Blutzuckerwerte

Wir sind für Sie da. Unser Gesundheitsangebot: Unterstützung im Umgang mit Ihrer Depression

Patientenverfügung. Was versteht man genau unter einer Patientenverfügung? Meine persönliche Patientenverfügung

Kindervorsorgeuntersuchungen

INFORMATIONEN FÜR TYP-2-DIABETIKER. Warum der HbA 1c -Wert für Sie als Typ-2-Diabetiker so wichtig ist!

Geld vom Staat - Jetzt Pflegezulage sichern. Besser Barmenia. Besser leben. Deutsche-Förder- Pflege

In diesem Tutorial lernen Sie, wie Sie einen Termin erfassen und verschiedene Einstellungen zu einem Termin vornehmen können.

EINKAUFSLEITLINIE FÜR FETT-, ZUCKER

Profil A 49,3 48,2 50,7 50,9 49,8 48,7 49,6 50,1 Profil B 51,8 49,6 53,2 51,1 51,1 53,4 50, ,5 51,7 48,8

ERHEBEN NICHT ERGEBEN! Warum wir weder unseren Beruf noch die Mütter verkaufen.

Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung in der HIV-Diagnostik

Informationen für werdende Eltern Ultraschall-Untersuchungen in der Schwangerschaft Pränatale Diagnostik

Gesundheitsvorsorge in der Schule

Zentrum für Kindesentwicklung Sozialpädiatrisches Zentrum Dr. Flehmig GmbH Ärztl. Ltg.: Dr. med. Matthias Schmutz

ST. NIKOLAUS-HOSPITAL EUPEN Hufengasse 4-8 B EUPEN Tel.: 087/ Transoesophageale Echokardiographie (TEE) PATIENT

Das NEUE Leistungspaket der Sozialversicherung. Mehr Zahngesundheit für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Fragen und Antworten

Unser aller Dilemma: so viele Möglichkeiten so wenig Zeit

Knochendichtemessung

Berechnung der Erhöhung der Durchschnittsprämien

Baby-friendly Hospitals: Informationen für Mütter und Eltern. Quelle: Fotolia

LÄNGER LEBEN BEI GUTER GESUNDHEIT

Transkript:

Schwangerenvorsorge 4 Schwangerenvorsorge Schwangerenvorsorge und pränatale Diagnostik 4.1 Diagnose der Frühschwangerschaft A. Strauss 4.1.1 Feststellung der Frühschwangerschaft Die zuverlässige Diagnose einer Frühschwangerschaft lässt sich durch Anamnese, klinische Untersuchung, laborchemische Parameter und Sonografie stellen [1, 2, 5, 6, 9]. Tab. 4.1 fasst unsichere, wahrscheinliche und sichere Schwangerschaftszeichen zusammen. Anamnese. Die Anamnese liefert Informationen über subjektive Veränderungen (Amenorrhö, Zyklusanamnese, Übelkeit, Erbrechen, Brustspannen). Ab der 18. SSW ist das Fühlen von Kindsteilen möglich. Ab der 18. 20. SSW können Kindsbewegungen von der werdenden Mutter als Zeichen einer Schwangerschaft bemerkt werden. Gynäkologische Untersuchung. Die gynäkologische Untersuchung (Inspektion und bimanuelle Palpation) liefert körperliche Hinweise auf das Vorliegen einer Schwangerschaft: Vulva/Vagina/Zervix: Zunehmende Durchblutung von Haut und Muskulatur sowie Flüssigkeitsretention führen zu einer charakteristischen Violettverfärbung (Chadwick-Zeichen). Es besteht eine vermehrte Scheidensekretion und Sekretbildung der Zervixdrüsen (Anstieg des vaginalen ph-werts). Die Hypertrophie der Zervixschleimhaut ist als Schwangerschaftsektropium sichtbar, welches bei Kontakt leicht blutet. Uterus: Größen- und Gewichtszunahme, v. a. bedingt durch eine Muskelhypertrophie im Korpus- und Fundusbereich. Die Organvergrößerung ist ab der 5. SSW post menstruationem tastbar. Die Myometriumdicke nimmt dabei von 2 3 cm in der Frühgravidität auf 1 2 cm präpartal ab. Auflockerung des Uterus: Piskaček-(Dickinson-)Zeichen: einseitige, weiche Vorwölbung des Uterus im Bereich der Nidationsstelle; Hegar-Zeichen: Durch Auflockerung des Isthmus uteri kommt es zur palpablen Trennung der festen Cervix uteri vom weichen Corpus uteri. Uteruskontraktionen. Osiander-Zeichen: ausgehend vom Scheidengewölbe seitlich am Uterus tastbare Pulsation der Arteria uterina. Brust/Haut/Bindegewebe: Volumenzunahme der Brust wird oft frühzeitig als Spannungsgefühl empfunden (Zunahme des Drüsengewebes, Zellhypertrophie und verstärkte Durchblutung). Im letzten Trimenon kann Kolostrum (Vormilch) aus den Mamillen austreten. Eine Hyperpigmentierung der primär stärker pigmentierten Hautbezirke, z. B. Areolae mammae, Linea alba (Linea fusca), des Nasenrückens, der Wangen und der Stirn (Chloasma uterinum) ist möglich. Striae distensae an Bauch, Brust und Hüfte können durch den erhöhten Kortisolspiegel entstehen. Bei Prädisposition kommt es zur Ausbildung von u. U. schmerzhaften Varizen durch Zunahme des venösen Drucks. β-hcg. β-hcg gibt als laborchemischer Test qualitative (Urin) und quantitative (Serum) Hinweise auf hormonproduzierendes Throphoblastgewebe. Bei intakter Früh- Tabelle 4.1 Schwangerschaftszeichen (Quelle [11]). Unsichere Wahrscheinliche Sichere Übelkeit/Erbrechen sekundäre Amenorrhö β-hcg gesteigerter Appetit auf ungewohnte Speisen Uterusvergrößerung und -auflockerung sonografischer Nachweis von Embryo und seiner Herzaktion emotionale Unausgeglichenheit Uteruskontraktionen Hören von Herztönen (ab 12. SSW) Schwindel/Kreislaufdysregulation Brustspannen Fühlen von Kindsteilen (ab 18. SSW) Pollakisurie Gewichts-/Bauchumfangszunahme Obstipationsneigung Hyperpigmentierung der Areolae/Linea fusca livide Verfärbung von Introitus und Vagina Striae distensae Verspüren von Kindsbewegungen (ab 18. 20. SSW) 124

Diagnose der Frühschwangerschaft gravidität beträgt die Verdopplungszeit des β-hcg im Verlauf der ersten 10 12 Tage einer Gravidität 1,3 Tage. Die höchsten Werte (50 000 100 000 mie/ml) werden in der 10. SSW erreicht. Danach fallen die Werte kontinuierlich bis auf 10 000 20 000 mie/ml in der 20. SSW ab, um im Weiteren bis zur Geburt konstant zu bleiben. Sonografie. Die (transvaginale) Sonografie ermöglicht die Diagnose des Implantationsortes, den Nachweis der Fruchthöhle, die Darstellung des Dottersackes und embryonaler Strukturen (Morphologie und Biometrie SSL), von Vitalitätszeichen (Herzaktion, Bewegungen) und die Bestimmung der Fruchthöhlen-/Embryonenzahl (Ein- oder Mehrlinge). Bei Diskrepanz zwischen der Höhe der β-hcg- Werte und dem sonografischen Befund und/ oder dem nach Anamnese errechneten Gestationsalter ist an eine gestörte Frühgravidität wie auch an eine ektope Schwangerschaftslokalisation oder eine Trophoblasterkrankung zu denken. 4.1.2 Allgemeine Laborchemie Hämoglobinbestimmung Untersuchung des Mittelstrahlurins (Urinsediment) auf Eiweiß, Zucker, Erythrozyten, Leukozyten, Nitrit und Bakterien, ggf. kulturelle bakteriologische Untersuchung Bestimmung der Blutgruppe inkl. des Rhesusfaktors, Antikörpersuchtest Infektions-Screening: Lues-TPHA, Röteln-HAH-Test, ggf. HIV Abb. 4.1 Transvaginale Sonografie einer intrauterinen Schwangerschaft in der 7. SSW: echoleere Fruchthöhle mit rundem, zeitgerecht entwickeltem Dottersack. Daneben randständig der Embryo (SSL 3 mm) mit Herzaktion. Ungünstige Ultraschallkriterien im 1. Trimenon: Herzfrequenz < 80 bpm (6. SSW), < 100 bpm (7. SSW) Dottersack > 8 mm oder sehr klein irreguläre Form des Dottersacks Laut Mutterschaftsrichtlinien ist die 1. Ultraschall-Screening-Untersuchung für die 9. 12. SSW vorgesehen [8]. Chromosomenaberrationen und Fehlbildungen. Daneben wurde in den letzten Jahren die Nackentransparenzmessung zur nicht invasiven Risikoeinschätzung für Chromosomenaberrationen oder kongenitale fetale Anomalien (z. B. Herzfehler, Syndrome, Skelettdysplasien) 4 4.1.3 Ultraschalldiagnostik in der Frühschwangerschaft Die Ultraschalluntersuchungen in der Frühschwangerschaft dienen der Feststellung und Diagnosesicherung einer Schwangerschaft. Dabei wird der Zugang aufgrund des höheren Auflösungsvermögens (Ultraschallsonden 7,5 MHz) üblicherweise transvaginal gewählt. Sonografische Detailinformationen wie der Nachweis und die Lokalisation der Fruchthöhle, aber auch die Darstellung trophoblastärer Strukturen spielen dabei die führende Rolle (Abb. 4.1). Biometrische Messungen (SSL) können im 1. Trimenon zur Überprüfung des Gestationsalters herangezogen werden (Tab. 4.2) [7, 10]. Sonografische Kriterien der ungestörten Entwicklung einer Frühschwangerschaft: runde, exzentrisch gelegene, scharf begrenzte Fruchthöhle mit echoreichem Randsaum runder Dottersack (4 7 mm) Herzfrequenz > 120 bpm Tabelle 4.2 Ultraschalluntersuchung im 1. Trimenon. Untersuchungsbefunde Beurteilung des weiblichen inneren Genitales (Uterusformanomalien, Myome, Zysten, Hämatome) Lokalisation der Schwangerschaft Darstellung des Dottersacks Darstellung embryonaler Strukturen Vitalitätsnachweis (Herzaktionen) Anzahl der Embryonen Messung der SSL zur Berechnung des Gestationsalters Festlegung der Eihautverhältnisse bei Mehrlingsschwangerschaften Ausschluss embryonaler Fehlbildungen (Anenzephalus, großer Bauchwanddefekt, Amelie, Herzfehler) Nackentransparenzmessung Gestationsalter stets ab 5. SSW 5./6. SSW 6./7. SSW 6./7. SSW ab 6./7. SSW ab 7. SSW ab 7./8. SSW ab 10. SSW 12. 14. SSW 125

Schwangerenvorsorge Schwangerenvorsorge und pränatale Diagnostik Abb. 4.2 Transabdominelle Sonografie in der 13. SSW: Nackentransparenzmessung (2,1 mm). etabliert (Abb. 4.2). Suffiziente Messergebnisse lassen sich dazu in einem Gestationsalter zwischen 11 + 0 und 13 + 6 SSW erheben. Weitere Marker als frühe Hinweiszeichen auf eine mögliche chromosomale Aberration beim Fetus (im ersten Schwangerschaftstrimenon) sind die Untersuchung des fetalen Nasenbeins (Nasenbein fehlend: Risikoerhöhung für Trisomien), des frontomaxillofazialen Winkels (Oberkieferhypoplasie: Risikoerhöhung für Trisomien), des Blutflusses im Ductus venosus (reverse A-Welle: Risikoerhöhung für Trisomien oder Herzfehler) und des Blutflusses über der fetalen Trikuspidalklappe (Klappeninsuffizienz: Risikoerhöhung für Trisomien oder Herzfehler). Die sonografische Risikobestimmung angeborener kindlicher Störungen kann durch die Kombination dieser Ultraschallparameter mit biochemischen Serummarkern (freie β-kette des hcg und schwangerschaftsassoziiertes Plasmaproteins A, PAPP-A) aus dem mütterlichen Blut, zu verlässlicherer Vorhersagekraft (+10 %) der Untersuchung führen (Tab. 4.3). Eine Trisomie 21 wird durch ein hohes freies β-hcg (2 MoM) und ein niedriges PAPP-A (0,5 MoM), eine Trisomie 18 und 13 wie auch das Turner- Syndrom durch niedrige Werte für beide Parameter wahrscheinlicher. Tabelle 4.3 Sonografisches Bild und β-hcg-werte während der Frühschwangerschaft. Gestationsalter Sonografisches Bild 5. SSW exzentrisch gelegene Chorionhöhle β-hcg-wert (mie/ml) 1000 1500 (Sensitivität 90%, Spezifität 98%) 5./6. SSW Dottersack ab 2000 6. SSW Embryo ab 2000 3000 6./7. SSW Herzaktion ab 10 000 Die Ultraschalluntersuchung im 1. Trimenon sollte folgende Fragen beantworten: Lokalisation der Schwangerschaft Vitalität des Embryos/Fetus Entwicklung des Embryos/Fetus morphologische Auffälligkeiten Anzahl der Embryonen Chorion-/Amnionverhältnisse im Rahmen einer Mehrlingsschwangerschaft Auffälligkeiten des inneren Genitales (Mutter) Bestimmung der Nackentransparenz ± Serumbiochemie (optional) Abschließend ist die schriftliche (+Bild-)Dokumentation sämtlicher Befunde unerlässlich. 4.1.4 Bestimmung des Gestationsalters und des Geburtstermins Die Dauer einer (Einlings-)Schwangerschaft post menstruationem (p.m.) beträgt durchschnittlich 281,5 Tage, 40 Wochen bzw. 10 Lunarmonate. Post conceptionem gerechnet beträgt die Schwangerschaft dagegen 267 Tage, 38 Wochen bzw. 9,5 Mondmonate. Allerdings erfolgen nur 3,9% aller Geburten tatsächlich am errechneten Termin (ET). Dagegen werden 26,4 % aller Kinder in der Woche um den 282. Tag, 66,6% in den drei Wochen um den errechneten Termin (ET) und 88 % in dem Zeitkorridor ET±14 Tage geboren. Zur Bestimmung des Gestationsalters und des zu erwartenden Geburtstermins sind anamnestische Daten wie der Beginn der letzten Menstruation, die Zyklusanamnese und, falls bekannt, der Konzeptionstermin zu verwenden [12]. Berechung des Gestationsalters/Geburtstermins nach der erweiterten Nägele-Regel: ET = 1. Tag der letzten Menstruation 3 Monate + 7 Tage + 1 Jahr ± x (x = Abweichung vom 28-tägigen Menstruationszyklus) Die Ultraschallbiometrie, vorzugsweise des Embryos (SSL), bietet explizit in der Frühgravidität die exakteste Methode zur Bestimmung des Gestationsalters, zumal nur im ersten Schwangerschaftstrimenon eine nahezu lineare Beziehung zwischen (Gestations-)alter und Körperlänge (SSL) besteht. Abweichungen des sonografisch bestimmten vom rechnerischen Gestationsalter sind häufig durch Zyklusschwankungen bzw. Zusatz-(Implantations-)blutungen zu erklären. Die sonografische Einschätzung des Gestationsalters gelingt im 1. Trimenon (bis zu einer SSL < 35 mm) mit einem Konfidenzintervall von 3 5 Tagen [10]. 126

Grundlagen der Schwangerenvorsorge 4.2 Grundlagen der Schwangerenvorsorge A. Strauss 4.2.1 Übersicht Die Schwangerenvorsorge umfasst nicht nur zahlreiche medizinische Maßnahmen zur Diagnostik und Therapie in einer Schwangerschaft, sondern beinhaltet auch eine umfangreiche Beratung der Schwangeren. Die Inhalte dieser Informationsvermittlung orientieren sich an den geburtshilflichen Erfordernissen der verschiedenen Schwangerschaftsphasen. Ziel dieser Schwangerenvorsorge ist die Begleitung der unauffällig verlaufenden Gravidität wie auch die frühzeitige Erkennung einer möglichen Gefahrensituation während Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett. Diesen Schwangeren ist, folgerichtig aus den erhobenen Befunden abgeleitet, eine dem Risiko für Mutter und/oder Kind angepasste intensivierte Betreuung anzubieten [1, 2, 5, 6, 7, 9]. Körperliche Untersuchung Allgemeine körperliche Untersuchung der Schwangeren: Allgemein-/Ernährungszustand, RR, Puls, Temperatur, Köpergröße/-gewicht (auch im Verlauf: 1. Trimenon 170 g/woche, 2. Trimenon 370 g/woche, 3. Trimenon 450 g/woche), Konstitution, Inspektion der Haut (Ödeme, Varikosis, Exantheme, Striae, Mammae), Perkussion und Auskultation von Herz und Lunge Äußere geburtshilfliche Untersuchung der Schwangeren: Inspektion der Michaelis-Raute zur Abschätzung der Beckenform und -größe, Palpation (Leopold-Handgriffe 1 4 zur Untersuchung von Fundusstand, Poleinstellung, Lage) (Abb. 4.3 u. Abb. 4.4) Vaginale Inspektion/Palpation: Vagina, Zervixlänge, -konsistenz und -position, Öffnung des Muttermundes, Höhenstand des führenden Kindsteils, Fruchtblase, innere Beckenaustastung, Abtasten des Schambeinwinkels (nur bei der Erstuntersuchung). Fakultativ: vaginaler ph-wert (Norm 3,8 4,2, ph-wert > 4,5 als Indiz für bakterielle Vaginose, Trichomoniasis oder Zervizitis u. a. durch Chlamydien = erhöhtes Frühgeburtsrisiko) Amnioskopie (heute obsolet): direkte transzervikale Inspektion des unteren Eipols zur Beurteilung der Farbe des Fruchtwassers: klar oder gelb bzw. grün bei Mekoniumabgang (V. a. abgelaufene Hyoxiephase); V. a. Indikation: Plazentainsuffizienz, Übertragung; Voraussetzung: Muttermundsweite 2cm Labordiagnostik Blutgruppenbestimmung inkl. Rhesusfaktor Mikrobiologie: Zervixabstrich auf Chlamydien Nativabstrich (fakultativ), bakteriologisch kulturelle Abstrichuntersuchung bei Auftreten von Zervixinsuffizienz oder vorzeitigen Wehen, vorzeitigem Blasensprung (PROM), maternalem Fluor und/oder Pruritus Streptokokken-Gruppe-B-Abstrich (GBS): empfohlen in der 35. 36. SSW 4 a b Abb. 4.3 Die äußere Untersuchung der Schwangeren Leopold-Handgriffe. a 1. Leopold-Handgriff: Die mit den ulnaren Kanten auf den Fundus aufgelegten Hände bestimmen den Höhenstand des Uterus (Diagnose u. a. des Gestationsalters, fetaler b 2. Leopold-Handgriff: Die seitlich auf den Uterus aufgelegten Hände kontrollieren die Stellung des Rückens bzw. der kleinen Teile (Diagnose der Stellung). biometrischer Abweichungen, Fruchtwasserpathologie, Mehrlingsschwangerschaft). Fortsetzung 127

Schwangerenvorsorge Schwangerenvorsorge und pränatale Diagnostik c Abb. 4.3 Fortsetzung c 3. Leopold-Handgriff: Kontrolle des Ballottements des vorangehenden Kindsteils oberhalb der Symphyse (Diagnose der Art des vorangehenden Kindsteils). d d 4. Leopold-Handgriff: Von kranial seitlich oberhalb der Leisten aufgesetzte Finger ermitteln den Höhenstand des vorangehenden Kindsteils (Diagnose der Einstellung und des Höhenstands des vorangehenden Kindsteils). 36 40 32 28 24 20 16 Infektionsserologie: Lues-TPHA, Röteln-HAH-Test, HbsAg (32. SSW), ggf. HIV Antikörpersuchtest: Wiederholung zwischen 24. und 27. SSW (bei negativem Befund) Hämoglobinbestimmung (alle 4 Wochen): Eine behandlungsbedürftige Anämie (Hb < 11 g/dl) findet sich bei 30% aller Schwangeren. Bei Bedarf Ergänzung durch die Messung der Ferritin- (< 10 ng/ml) und Transferrinspiegel. Hb-Werte < 10 g/dl sind mittels Differenzialblutbild abzuklären. Leukozytenbestimmung (bei klinischem Verdacht) (Mittelstrahl-)Urinuntersuchung Urinsediment (alle 4 Wochen): Protein, Zucker, Ketonkörper, Erythrozyten, Leukozyten, Nitrit und Bakterien, ggf. Mikrobiologie Oraler Glukosetoleranztest (ogtt) fakultativ in der 24. 28.SSW (bei anamnestischen Risiken bereits in der 20. SSW) Zytologie Zytologischer Abstrich (bei Diagnose der Schwangerschaft, im 1. Trimenon), wenn Intervall zur letzten Krebsvorsorgeuntersuchung > 1 Jahr oder kontrollbedürftiger (makro- oder mikroskopisch auffälliger) Befund Abb. 4.4 Höhenstand des Fundus uteri in Abhängigkeit vom Gestationsalter (16. 40. SSW) nach Westin. Apparative Diagnostik Tokografie/Kardiotokografie (CTG): bei unkomplizierter Schwangerschaft Herztonableitung ab 32. SSW (ggf. früher oder Tokogramm bei V. a. vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitigen Blasensprung) 128

Grundlagen der Schwangerenvorsorge Tabelle 4.4 Zeitpunkte und Frequenz der Vorsorgemaßnahmen (Quelle: [11]). Gestationsalter Untersuchungen 6. 12. SSW Feststellung der (Früh-)Schwangerschaft, äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert, Anlage Mutterpass, Sonografie, Blutgruppen- und Antikörperbestimmung, Röteln-Immunitätstest, Lues- und nach Einwilligung HIV- Serologie 9. 12. SSW 1. Ultraschall-Screening-Untersuchung 11.-14. SSW Nackentransparenzmessung 16. SSW äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), Herztöne auskultieren, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, U-Stix, Hb 19. 22. SSW 2. Ultraschall-Screening-Untersuchung 20. SSW äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), Herztöne auskultieren, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, U-Stix, Hb 24. SSW vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), Herztöne auskultieren, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, U-Stix, Hb 24. 27. SSW Antikörpersuchtest-Wiederholung (bei negativer Erstbestimmung) 28. SSW äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), Herztöne auskultieren, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, U-Stix, Hb, bei Rh-negativer Mutter Anti-D-Gabe zur Prophylaxe eines Morbus haemolyticus neonatorum, fakultativ ogtt 29. 32. SSW 3. Ultraschall-Screening-Untersuchung ab 30. SSW ggf. Geburtsvorbereitungskurs (-gymnastik): Rezept für 12 Übungsstunden, Damm-Massage, Stillvorbereitung 32. SSW äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), CTG, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, U-Stix, Hb, Hepatitis-B-Serologie 34. SSW äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), CTG, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, U-Stix 35. SSW Beginn des Mutterschutzes, Bescheinigung über ET zur Vorlage bei der Krankenkasse 34. 37. SSW ggf. Besuch der Geburtsklinik, Kreissaalführung 36. SSW äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), CTG, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, U-Stix, Hb 38. SSW Äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), CTG, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen ET ET+6 ET+8 ET+10 äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), CTG, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, U-Stix, Hb, Sonografie (Fruchtwassermenge, Plazenta, Biometrie, ggf. Nabelschnur) äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), CTG, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, sonographische Fruchtwassermengenkontrolle Äußere und vaginale Untersuchung+pH-Wert (fakultativ), CTG, Kindsbewegungen, RR, Gewicht, Ödeme, Varizen, sonografische Fruchtwassermengenkontrolle Vorbereitung zur Geburtseinleitung bzw. stationäre Aufnahme, äußere und vaginale Untersuchung, sonografische Fruchtwassermengenbestimmung, CTG 4 Tab. 4.4 fasst die Vorsorgenmaßnahmen im Schwangerschaftsverlauf zusammen. 4.2.2 Präkonzeptionelle Evaluation und Beratung Bereits vor einer geplanten Schwangerschaft ist die Patientin in ausreichendem Maße ärztlich zu untersuchen und zu beraten. Die Beratung soll sich auch auf die Risiken von Infektionserkrankungen und ihre Auswirkungen für Mutter und Kind (z. B. HIV-Infektion bzw. AIDS-Erkrankung, Hepatitis, Lues, Röteln und weitere Kinderkrankheiten) erstrecken. Dabei soll der Arzt auch über die Infektionsmöglichkeiten und deren Häufung bei bestimmten Verhaltensweisen informieren. Darüber hinaus soll der Arzt bedarfsgerecht über die Bedeutung der Mundgesundheit für Mutter und Kind aufklären. In die ärztliche Beratung sind auch ernährungsmedizinische Empfehlungen als Maßnahme der Gesundheitsförderung einzubeziehen. 129

Schwangerenvorsorge Schwangerenvorsorge und pränatale Diagnostik Dabei ist insbesondere auf eine ausreichende Jodzufuhr (200 μg Jodid/d) und den Zusammenhang zwischen Ernährung und Kariesrisiko hinzuweisen. Die Schwangere soll über ihren Rechtsanspruch auf Beratung zu allgemeinen Fragen der Schwangerschaft nach 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) unterrichtet werden. Ergeben sich im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge Anhaltspunkte für ein genetisch bedingtes Risiko, so ist der Arzt gehalten, die Schwangere über die Möglichkeiten einer humangenetischen Beratung und/oder humangenetischen Untersuchung aufzuklären. Eine präkonzeptionelle Untersuchung der Patientin soll vorbestehende Befunde oder Erkrankungen, welche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind während der geplanten Schwangerschaft haben, aufdecken und abklären. Konkret sind neben der detaillierten Anamneseerhebung eine allgemeine körperliche und gynäkologische Untersuchung empfohlen [2, 5]. 4.2.3 Untersuchungen und Maßnahmen während der Schwangerschaft Eigenanamnese und Vorerkrankungen Eigenanamnese: Vorerkrankungen wie Infektionen, Operationen, Unfälle, Bluttransfusionen, Allergien, Krebsvorsorgeuntersuchung Geburtshilfliche Anamnese: Konzeptionsmodus (z. B. Kinderwunschbehandlung), vorangehende Schwangerschaften und Geburten, frühe oder späte Fehlgeburten, Schwangerschaftsabbrüche, Schwangerschaftsverlauf, Kindsbewegungen Medikamentenanamnese/Genussmittelabusus: (regelmäßige) Medikamenteneinnahme; Nikotin-, Alkohol-, Drogenabusus Sozialanamnese: Alter, Ausbildung, Beruf, Familienstand, Alter und Beruf des Kindsvaters, besondere sozioökonomische Rahmenbedingungen (z. B. Minderjährigkeit) Familien- oder Umgebungsanamnese: familiäre Belastung durch angeborene Störungen (z. B. Herzfehler) oder Erbkrankheiten, Hypertonus, Stoffwechselerkrankungen, Tumoren, Thrombosen, Embolien, Zwillinge oder Mehrlinge in der Familie, Infektionserkrankungen (auch in der nahen Umgebung, z. B. Kindergarten) Blutgruppenserologische Untersuchungen und Anti-D-Immunglobulin-Prophylaxe Schwangerschaft und Geburt bedingen durch die anatomische Nähe von Mutter und Kind die besondere Gefahr der fetomaternalen Bluttransfusion. Der Blutaustausch mit konsekutiver Sensibilisierung der Mutter erfolgt durch die Reaktion des maternalen Immunsystems auf die Inkompatibilität der Blutgruppenmerkmale zwischen Mutter und Fetus. Besonders Unverträglichkeiten hinsichtlich der Blutgruppeneigenschaft des Rhesussystems (Rh) spielen aufgrund ihrer Häufigkeit wie auch ihrer Präventions- und Interventionsmöglichkeiten eine für die Schwangerenvorsorge wichtige Rolle. Bei jeder Schwangeren sollten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in der Schwangerschaft aus einer Blutprobe folgende Parameter bestimmt werden: Blutgruppe und Rh-Faktor: Die Bestimmung der Blutgruppe und des Rh-Faktors entfällt, wenn entsprechende Untersuchungsergebnisse bereits vorliegen (z. B. Mutterpass einer vorangehenden Schwangerschaft). Antikörpersuchtest (Ak): Eine Wiederholung dieses Antikörpersuchtests ist bei allen testnegativen Schwangeren (Rh-negativen wie auch Rh-positiven) in der 24. 27. SSW durchzuführen. Sind bei Rh-negativen Schwangeren keine Anti-D-Antikörper nachweisbar, ist in der 28. 30. SSW aus Gründen der Primärprävention einer Rh-Sensibilisierung der Schwangeren eine Standarddosis (300 μg) Anti-D-Immunglobulin zu injizieren. Jeder Rh-negativen Schwangeren ist unmittelbar nach Blutungen im Verlauf der Schwangerschaft oder nach invasiver Pränataldiagnostik und/oder -therapie eine Standarddosis Anti-D-Immunglobulin (300 μg) als Rh- Prophylaxe zu applizieren. Ebenso soll post abortum bzw. nach Schwangerschaftsabbruch der Rh-negativen Mutter innerhalb 72 Stunden Anti-D-Immunglobulin gegeben werden. Post partum ist diese Anti-D-Immunglobulin-Prophylaxe immer dann vorzunehmen, wenn die Blutgruppenbestimmung des Kindes das Vorhandensein des Merkmals Rh-positiv ergibt. Serologische Untersuchungen Bei jeder Schwangeren sind zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in der Schwangerschaft aus einer Blutprobe folgende Parameter zu bestimmen: TPHA (Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest) als Lues-Suchreaktion (LSR). Ist die Lues-Suchreaktion positiv, sind aus derselben Blutprobe die üblichen serologischen Untersuchungen auf Lues (u. a. VDRL) durchzuführen. Bei der Lues-Suchreaktion ist lediglich die Durchführung und nicht das Ergebnis der Untersuchung im Mutterpass zu dokumentieren. Röteln-Hämagglutinationshemmungstest (Röteln-HAH): Ein positiver Antikörpernachweis gilt ohne zusätzliche Untersuchungen als erbracht, wenn der HAH-Titer mindestens 1 : 32 beträgt. Bei niedrigeren HAH-Titern ist die Spezifität des Antikörpernachweises durch weitere Untersuchungen zu sichern oder auszuschließen. Immunität und damit Schutz vor Rötelnembryopathie für die bestehende Schwangerschaft ist anzunehmen, wenn spezifische Antikörper rechtzeitig vor Eintritt dieser Schwangerschaft nachgewiesen worden sind. Liegen Befunde aus der Vorschwangerschaftszeit vor, die auf Immunität schließen lassen, so besteht Schutz vor einer Rötelnembryopathie. Im serologischen Be- 130

Grundlagen der Schwangerenvorsorge fund ist wörtlich auszudrücken, ob Immunität angenommen werden kann oder nicht. HBsAg-Bestimmung (> 32. SSW): Die Untersuchung entfällt, wenn Immunität (z. B. nach Schutzimpfung) nachgewiesen ist. Ggf. HIV-Test: Hierbei ist lediglich die Durchführung und nicht das Ergebnis der Untersuchung im Mutterpass zu dokumentieren. Ultraschalldiagnostik Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft dienen unterschiedlichen Untersuchungszielen. Diese reichen von der Diagnose der Schwangerschaft, über die Erkennung von Fehlbildungen und Erkrankungen des Kindes bis zur Überwachung der kindlichen Versorgung/ Wachstums und dem Nachweis pathologischer Befunde auf Seiten der werdenden Mutter. Voraussetzung dieser Sonografien in der Schwangerschaft ist die angemessene Aufklärung der Patientin über die Voraussetzungen, den Nutzen, die Risiken, die Grenzen und die möglichen Konsequenzen dieser nicht invasiven Form der pränatalen Diagnostik [10]. Doppleruntersuchungen (Funktionsdiagnostik der Blutflüsse in der fetomaternalen Einheit) sind nur in Risikoschwangerschaften bei entsprechender Indikation angezeigt. 9. 12. SSW 1. Screening-Untersuchung: Sitz der Schwangerschaft (Intra-/Extrauteringravidität), Anzahl der Fruchthöhlen und Embryonen, SSL, kindliche Herzaktion und Bewegung, Körperform (Kopfform, Bauchwand, Extremitäten) 19. 22. SSW 2. Screening-Untersuchung: differenziertes kindliches Organ-Screening, Biometrie, Plazentalokalisation, Fruchtwassermenge, ggf. uterine Perfusion (Dopplersonografie) 29. 32. SSW 3. Screening-Untersuchung: Kindslage und -größe, Beurteilung der fetalen Wachstumsgeschwindigkeit, Plazentalokalisation, Fruchtwassermenge (neuerliche differenzierte Organbeurteilung bei V. a. fetale Anomalie, u. a. Herz) Zusätzliche Ultraschall- (z. B. Zervixlängenmessung) bzw. Dopplerkontrollen (fetoplazentare Funktionseinheit) bei entsprechender Indikation und in variablen Intervallen, abhängig vom Schweregrad der zu überwachenden fetalen Gefährdungssituation. 4.2.4 Erkennung und besondere Überwachung der Risikoschwangerschaft Risikoschwangerschaften sind Schwangerschaften, bei denen aufgrund der Vorgeschichte oder erhobener Befunde mit einem erhöhten Risiko für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind zu rechnen ist. Anamnese schwere Allgemeinerkrankungen der Mutter (z. B. renal, hepatisch), erhebliche Adipositas Zustand nach Sterilitätsbehandlung, wiederholten Aborten oder Frühgeburten vorausgehendes totgeborenes oder geschädigtes Kind vorausgegangene Entbindung von einem hypertrophen (> 4000 g) oder hypotrophen Kind bzw. von Mehrlingen Zustand nach Uterusoperationen, z. B. Sectio caesarea (Schnittführung), Myomenukleation (Kavumeröffnung) Komplikationen bei vorangegangenen Entbindungen (z. B. Placenta praevia, vorzeitige Lösung der Plazenta, Geburtsverletzungen, Atonie oder sonstige Nachgeburtsblutungen, Gerinnungsstörungen, Krämpfe, Thromboembolie) Erstgebärende < 18 Jahren oder > 35 Jahre Mehrgebärende > 40 Jahre, Vielgebärende mit mehr als 4 Kindern (Plazentainsuffizienz, genetische Defekte, geburtsmechanische Komplikationen) Sucht, Medikamenten- und Genussmittelabusus Befund schwangerschaftsinduzierter Hypertonus/Präeklampsie (RR > 140/90 mmhg, Proteinurie > 1 g/d, Ödeme, Gewichtszunahme > 500 g/woche im letzten Trimenon); Bakteriurie oder Pyelonephritis (Keimzahlen > 100 000) Anämie (< 10 g/dl) Diabetes mellitus uterine Blutung Blutgruppeninkompatibilität Diskrepanz zwischen Uterus- und Kindsgröße bzw. Gestationsalter (z. B. unklarer Geburtstermin, IUGR, Makrosomie, Molenbildung, Poly-/Oligohydramnion, Myom) Uterusfehlbildung drohende Frühgeburt (vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz) Mehrlinge, pathologische Kindslage Überschreitung des Geburtstermins Bei Risikoschwangerschaften sind häufigere als 4- wöchentliche Untersuchungen (bis zur 32. Woche) bzw. häufigere als 2-wöchentliche Untersuchungen (in den letzten 8 SSW) angezeigt. Zusätzlich sind neben den im Vergleich häufigeren Untersuchungen risikoadaptiert Zusatzuntersuchungen (Sonografie, invasive Pränataldiagnostik, kardiotokografische Untersuchung) anzubieten. Nicht zuletzt hat die Empfehlung/Zuweisung zur Entbindungsklinik unter dem Gesichtspunkt zu erfolgen, dass die Klinik über die nötigen personellen und apparativen Möglichkeiten zur Betreuung von Risikogeburten und/ oder Risikokindern verfügt (Perinatalzentrenkonzept) [12]. 4 131