Vorlesung - Medizinische Biometrie
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- Norbert Kappel
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1 Vorlesung - Medizinische Biometrie Stefan Wagenpfeil Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Medizinische Informatik Universität des Saarlandes, Homburg / Saar
2 Vorlesung - Medizinische Biometrie Vorlesung 2: Wahrscheinlichkeitsrechnung Interpretation bei klinischen Studien Anwendung bei diagnostischen Tests
3 Wahrscheinlichkeit ist ein Maß für die relative Häufigkeit des Auftretens eines Ereignisses bei Auswahl mehrerer Möglichkeiten ein Maß für die Unsicherheit zukünftiger Ereignisse In der Medizin kommt der Begriff der Wahrscheinlichkeit in verschiedenen Situationen vor: Erkrankungswahrscheinlichkeit (Inzidenz, Prävalenz) Heilungswahrscheinlichkeit bzw. Risiko für das Auftreten eines Ereignisses, z. B. Sepsis nach OP Bei diagnostischen Tests: Wahrscheinlichkeit für einen positiven Test bei Vorliegen einer Krankheit Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Krankheit bei positivem Test. Wahrscheinlichkeitsrechnung 3
4 Definition der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Ereignis A: P (A) : = Anzahl der tatsächlichen Fälle Anzahl der möglichen Fälle wobei 0 P(A) 1 P(A) = 0 => A heißt unmögliches Ereignis P(A) = 1 => A heißt sicheres Ereignis Komplementärsatz: P( A) = 1 - P(A) Wahrscheinlichkeitsrechnung 4
5 Wissenschaftler beschäftigen sich seit langem mit dem Begriff der Wahrscheinlichkeit. Ausgangspunkt war das Glücksspiel z. B.: a) Roulette, 18 rote Zahlen, 18 schwarze Zahlen, 0 Sie setzen auf Rot P (Gewinn) = < Wahrscheinlichkeitsrechnung 5
6 b) Lotto P (6 Richtige) = Mio = c) Würfeln P (6) = 1/6 P (2 6) = 1/36 Wahrscheinlichkeitsrechnung 6
7 2 Ereignisse A und B: z. B.: A = Alter 75 J. B = Krankheit K Vereinigung von A und B: A B entweder A oder B tritt auf P(A B) = P(A) + P(B) - P(A B) Durchschnitt von A und B: A B A und B treten gleichzeitig bzw. gemeinsam auf A B P( A B) =? Wahrscheinlichkeitsrechnung 7
8 Bedingte Wahrscheinlichkeiten a) für Alter 75 J.(=A) bei Personen mit der Krankheit K = P (A K) b) für die Krankheit K bei Personen mit einem Alter 75 J. = P (K A) A A A A K A B K A = Alter 75 J. K = Krankheit P (A K) = P (A K) P (K) = P (K A) P (A) Wahrscheinlichkeitsrechnung 8
9 Diagnose Wie wahrscheinlich ist es, dass der Patient an einer Krankheit K leidet? z. B. Therapieentscheidung; Entscheidung über weitere diagnostische Maßnahmen Wahrscheinlichkeitsrechnung 9
10 Konsequenzen bei Therapieentscheidungen Mortalität nach Herzinfarkt 235 Todesfälle von 2613 Pat. Mortalitätsrate nach 5 Jahren = 11% LVEF 30% 52 / 146 Pat. Mortalitätsrate nach 5 Jahren = 42 % Mortalitätsrate LVEF > 30% 183 / 2467 Pat. Mortalitätsrate nach 5 Jahren = 9 % Zeit nach Infarkt ( Jahre) Wahrscheinlichkeitsrechnung 10
11 Diagnostischer Test Validität und Reliabilität Die Validität ist eine qualitative Eigenschaft für den Grad der Genauigkeit, mit dem ein Test das erkennt, was er erkennen soll. Krankheit liegt vor Test positiv a = T + richtig positiv negativ c = T falsch negativ a+c Kranke ja (= K + ) nein (= K - ) b falsch positiv d richtig negativ b+d Gesunde a+b Testpositive c+d Testnegative a+b+c+d = n Wahrscheinlichkeitsrechnung 11
12 Sensitivität: P (T+/K+) = Spezifität: P (T /K ) = Richtig positive a = Kranke a + c Richtig negative d = Gesunde b + d Prädiktiver Wert: P (K+/T+) = (des positiven Testergebnisses) Prädiktiver Wert: P (K /T ) = (des negativen Testergebnisses) Richtig positive a = Test positive a + b Richtig negative d = Test negative c + d Wahrscheinlichkeitsrechnung 12
13 Übereinstimmung Vergleich von 2 Tests oder Wiederholung eines Tests Reliabilität Wahrscheinlichkeitsrechnung 13
14 Beispiel: Mortalität nach Herzinfarkt Mortalität LVEF positiv ( < 30%) = T + 52 richtig positiv negativ ( 30%) = T 183 falsch negativ ja (= K + ) nein (= K - ) 94 falsch positiv richtig negativ 146 Testpositive Testnegative Wahrscheinlichkeitsrechnung 14
15 Häufig werden Kranke und gesunde Kontrollen untersucht. Damit können die Sensitivität und die Spezifität berechnet werden. Die prädiktiven Werte hängen von der Prävalenz ab. Satz von Bayes In der ärztlichen Diagnostik interessiert, wie wahrscheinlich liegt eine Krankheit K+ vor, wenn ein bestimmter Test positiv ausfällt, d.h. P(K+/T+) =? Mit dem Multiplikationssatz für abhängige Ereignisse gilt: P(T+ K+) = P(K+) P(T+ K+) = P(T+) P(K+ T+) Satz von Bayes: P (K+ T+) = P(K ) P(T K ) + P(T ) Wahrscheinlichkeitsrechnung 15
16 Sensitivität und Spezifität sind testimmanent, die prädiktiven Werte hängen von der Prävalenz ab. Beispiel: Sensitivität = Spezifität = 90% a) Prävalenz = 10% b) Prävalenz = 20% T+ K+ 9 K- 9 Σ 18 T Σ T+ K+ 18 K- 8 Σ 26 T Σ P(K+ T+) = 9/18 = 50% P(K+ T+) = 18/26 = 69.2% Wahrscheinlichkeitsrechnung 16
17 P(K+)... Prävalenz (ggf. Inzidenz) von K P(T+/K+)... Sensitivität des diagnostischen Tests P(T+) =? P(T+) = P(T+ K+) + P(T+ K ) = = P(K+) P(T+ K+) + P(K ) P(T+ K ) = = P(K+) Sensitivität+ (1 - P(K+)) (1 - Spezifität) P (K+ T+) = + P(K ) Sensitivität + P(K ) Sensitivität + (1 - P(K+)) (1-Spezifität) (Berechnung mittels Prävalenz, Sensitivität und Spezifität) P(K+)... a-priori- bzw. Vortest-Wahrscheinlichkeit P(K+ T+)... a-posteriori- bzw. Nachtest-Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeitsrechnung 17
18 Beispiel: PSA- Test und Prostatakarzinom Inz. pro Prostata-Karzinom Alter Wahrscheinlichkeitsrechnung 18
19 Beispiel: PSA-Test und Prostatakarzinom Wahrscheinlichkeitsrechnung 19
20 Frage: Wann wird ein Test als positiv bzw. negativ eingestuft? PSA n cancer non cancer Sensitivität Spezifität ,00 0, ,82 0, ,54 0, ,37 0, ,25 0,92 > ,05 0,98 Test ist negativ Test ist positiv 0,00 1,00 Summe Wahrscheinlichkeitsrechnung 20
21 K + K - Σ T + (PSA 4) T - (PSA < 4) Σ Sensitivität (%) 24,7 Spezifität (%) 92,3 prädiktiver Wert von T+: P (K+ T +) = 299/631 = 47.4% Prävalenz: P (K+) = 1211/5519 = 21.9% Wahrscheinlichkeitsrechnung 21
22 1 0,9 0,8 0,7 PSA und Prostatakarzinom Darstellung der Sensitivität im Vergleich zur Spezifität durch die ROC-Kurve Sensitivität 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 x x Unterteilung bei PSA 3 = T+ Sensitivität = 37.3%; Spezifität = 84.0% Unterteilung bei PSA 4 = T+ Sensitivität = 24.7%; Spezifität = 92.3% 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 1-Spezifität ROC = Receiver Operating Characteristic Wahrscheinlichkeitsrechnung 22
23 Nachtest-Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine männliche Person Prostatakarzinom hat, ist... wenn der PSA-Test positiv ist (PSA 4) (Sensitivität = 24.7%; Spezifität = 92.3%) mit Vortest-Wahrscheinlichkeit ( = Prävalenz): P(K+) = 1.5% = 0.015: P (K+ T +) = + P(K ) Sensitivität + + P(K ) Sensitivität +(1 P(K )) (1 Spezifität) ( ) ( ) = = 4.7% Fällt der Test positiv aus, so wird eine weitere Untersuchung durchgeführt. Wahrscheinlichkeitsrechnung 23
24 Nachtest-Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine männliche Person Prostatakarzinom hat, ist... wenn der PSA-Test negativ ist (PSA < 4) P (K+/T -) = + P(K ) (1 Sensitivität) + + P(K ) (1 Sensitivität) +(1 P(K )) Spezifität ( ) ( ) +( ) = = 1.2% D.h. bei einem negativem PSA-Test (PSA < 4) beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient ein Prostatakarzinom hat, noch 1.2%. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit von 1.5% auf 1.2% Wahrscheinlichkeitsrechnung 24
25 Wahrscheinlichkeitsrechnung 25
26 RR= 0.79 (95% CI: ); p = RR = 1.09 (95% CI : ); p >
27 27
28 Wahrscheinlichkeitsrechnung 28
29 X Wahrscheinlichkeitsrechnung 29
30 Beispiel für bedingte Wahrscheinlichkeiten Das klassische Ziegenproblem Situation: Spielshow mit 3 Türen, dahinter 2 Ziegen bzw. 1 Auto Wahrscheinlichkeitsrechnung 30
31 Ablauf: (1) Kandidat (K) wählt eine Tür. (2) Moderator (M) öffnet eine der beiden anderen Türen mit einer Ziege dahinter. (Hinter einer der beiden muss eine Ziege stehen.) (3) K darf jetzt nochmals wählen, d.h. bei seiner Wahl in (1) bleiben oder zu der in (2) nicht geöffneten Tür wechseln. (4) M öffnet die von K in (3) gewählte Tür, K gewinnt den Inhalt. Frage: Was ist die bessere Strategie für K: In Schritt (3) wechseln (W) oder nicht (NW)? Wahrscheinlichkeitsrechnung 31
32 Multiple Choice Aufgabe: Welche Aussage zu einem diagnostischen Test ist richtig? a) Die Sensitivität ist stets größer oder gleich der Spezifität. b) Die Spezifität ist stets größer oder gleich der Sensitivität. c) Die Spezifität und Sensitivität sind stets gleich groß. d) Die Nachtestwahrscheinlichkeit kann aus der Sensitivität, der Spezifität und der Prävalenz berechnet werden. e) Die Nachtestwahrscheinlichkeit kann nicht aus der Sensitivität, der Spezifität und der Prävalenz berechnet werden. Wahrscheinlichkeitsrechnung 32
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