Ratten- und Mäusebekämpfung mit Hilfe von Rodentiziden

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Transkript:

Ratten- und Mäusebekämpfung mit Hilfe von Rodentiziden Quelle: Denise / pixelio.de Seit dem 1.Januar 2013 dürfen Nagetierbekämpfungsmittel, die gerinnungshemmende Wirkstoffe (Antikoagulantien) der zweiten Generation enthalten, nur noch von Sachkundigen verwendet werden. Produkte, die Antikoagulantien der ersten Generation enthalten wie beispielsweise Warfarin, dürfen dagegen weiterhin von nicht sachkundigen Personen (z.b. Verbrauchern) entsprechend der Produktangaben verwendet werden. Dieser Fachartikel beschäftigt sich nicht mit dem Vorgehen bei der Ratten- und Mäusebekämpfung, sondern zeigt die Problematik im Umgang mit den Wirkstoffen von derzeit im Handel angebotenen Fertigködern auf. Diese Wirkstoffe sind besonders gesundheits- und umweltrelevant und bergen umfangreiche Risiken in sich, die im Folgenden betrachtet werden. Bei Themen rund um die oberirdische Bekämpfung von Ratten außerhalb von Gebäuden wenden Sie sich bitte an die Stadt Oberhausen / Allgemeine Ordnungsangelegenheiten: http://www.oberhausen.de/de/index/rathaus/verwaltung/buergerservice-oeffentlicheordnungsport/oeffentliche-ordnung/allg-ordnungsangelegenheiten/rattenbekaempfung.php. Quelle: Denise / pixelio.de 1

Inhaltsverzeichnis Warum sollten Ratten und Mäuse bekämpft werden? Was ist ein Rodentizid? Welche Anwendungsformen gibt es auf dem Markt? Welche Wirkstoffe enthalten die im Handel erhältlichen Rodentizide? Wie wirken Blutgerinnungshemmer (Antikoagulantien)? Wird das Inverkehrbringen von Rodentiziden überwacht? Aspekte des Zulassungsverfahrens Welche Probleme ergeben sich bei der Anwendung von Rodentiziden? Umweltrisiken Resistenzen Vergiftungsgefahr für Menschen Warum werden keine weniger problematischen Wirkstoffe eingesetzt? Wie wird sichergestellt, dass unerwünschte Nebeneffekte verhindert werden? Welche Gesetze regeln die Anwendung von Rodentiziden? Wer darf Rodentizide mit Antikoagulantien verwenden? und wer ist sachkundig? und was ist die gute fachliche Anwendung (GfA)? Schutzmaßnahmen bei Mensch und Haustier Gegenmittel bei Vergiftungen Ein letzter Apell Weitere links 2

Wohnung mit Notausgang; Quelle: uschi dreiucker / pixelio. de Warum sollten Ratten und Mäuse bekämpft werden? Diese Nagetiere können Krankheiten übertragen und sind daher Gesundheitsschädlinge. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Bekämpfung dieser Schadorganismen im Sinne der Biozid- Verordnung (Gesundheitsschutz). Zudem soll die Vernichtung von Lebensmitteln, Schäden und Verschmutzungen durch die Tiere möglichst gering gehalten werden. Was ist ein Rodentizid? Ein Rodentizid (lat. rodentia Nagetiere und caedere töten ) ist ein chemisches Mittel zur Bekämpfung von Nagetieren und zählt als Untergruppe zu den sogenannten Bioziden (zur Schädlingsbekämpfung eingesetzte Chemikalien und Mikroorganismen). Es wird zur Herstellung von Fraßködern und zur Begasung von Lagerräumen und unterirdischen Nagetiergängen verwendet. Welche Anwendungsformen gibt es auf dem Markt? Flüssigkonzentrat Köderbox Wachsblock Pellets/imprägniertes Futter Kontaktpuder Begasungsmittel 3

Welche Wirkstoffe enthalten die im Handel erhältlichen Rodentizide? Die meisten Rodentizide beinhalten blutgerinnungshemmende Wirkstoffe (sogenannte Antikoagulanzien). Man unterscheidet Rodentizide mit Wirkstoffen der 1 und der 2. Generation (siehe Tabelle 1). Bei Wirkstoffen der 1. Generation muss der Schadnager den Köder in der Regel mehrmals aufnehmen, bevor eine tödliche Dosis erreicht wird. Wirkstoffe der zweiten Generation sind giftiger. Oft reicht eine einmalige Köderaufnahme aus, um eine tödliche Wirkung zu erzielen. Heute überwiegen die Bekämpfungsmittel mit Wirkstoffen der 2. Generation (88 %). Tabelle 1: Als Biozid-Wirkstoffe genehmigte Antikoagulanzien Wirkstoffe der 1. Generation (FGARs) Coumatetralyl Chlorphacinon Warfarin Wirkstoffe der 2. Generation (SGARs) Difenacoum Bromadiolon Difethialon Brodifacoum Flocoumafen Quelle: Sabine Jaunegg / pixelio.de FGARs = First-generation anticoagulants (Antikoagulantien der 1. Generation) SGARs = Second-generation anticoagula nts (Antikoagulantien der 2. Generation) Wie wirken Blutgerinnungshemmer (Antikoagulantien)? Die Wirkung der neueren Rattengifte beruht auf einer Hemmung der Vitamin-K-Synthese in der Leber und dadurch der Synthese Vitamin-K-abhängiger Gerinnungsfaktoren. Die Wirkung (Leberschädigung, Verbluten) tritt erst nach ca. 6 Stunden ein. Dann sind die im Blut zirkulierenden Gerinnungsfaktoren zum Teil bereits verbraucht. Das Wirkmaximum wird erst nach 36 bis 48 Stunden erreicht. Bereits nach einmaligem Fressen der handelsüblichen Fertigköder mit relativ niedrigem Wirkstoffgehalt kommt es zu der verzögerten Blutgerinnung und tödlichen Blutungsneigung. Von professionellen Schädlingsbekämpfungsfirmen werden in Ergänzung zu den Fertigködern speziell für die Einsatzorte angepasste Köder mit Wirkstoffkonzentraten angemischt, wobei u.u. ein höherer Wirkstoffgehalt als in den üblicherweise angebotenen Fertigködern erreicht werden kann. Vereinfacht ausgedrückt: Die Aufnahme der Wirkstoffe bewirkt, dass die Tiere die Fähigkeit zur Blutgerinnung verlieren und dadurch in der Regel innerlich verbluten. Diese Wirkung tritt erst 3 bis 7 Tage nach Aufnahme ein, so dass die Tiere die einsetzende Wirkung nicht mit dem Gift in Verbindung bringen können. Durch den verzögerten Eintritt der Wirkung zählen Antikoagulantien zu den wirksamsten Bekämpfungsmitteln. Leider wirken sie auch bei Menschen und Nicht-Zieltieren (siehe unter: Welche Probleme ergeben sich bei der Anwendung von Rodentiziden?) 4

Quelle: Viktor Schwabenland / pixelio.de Wird das Inverkehrbringen von Rodentiziden überwacht? Aspekte des Zulassungsverfahrens Biozide Wirkstoffe unterliegen der Genehmigungspflicht, Produkte der Zulassungspflicht. Bei der Bewertung von bioziden Wirkstoffen (wie auch bei der Zulassung von Ratten- und Mäusebekämpfungsmitteln mit Antikoagulanzien) durch die Europäische Chemikalienagentur wurden zum Teil erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken sowie Risiken der Resistenzentwicklung festgestellt. Dies trifft im besonderen Maße auf die Rattenbekämpfungsmittel der 2. Generation zu (siehe unter: Welche Probleme ergeben sich bei der Anwendung von Rodentiziden?). Aus diesen Gründen wurden in Deutschland im Rahmen des Produktzulassungsverfahrens Auflagen und Anwendungsbestimmungen mit dem Ziel der Minderung der genannten Risiken festgelegt. Diese Risikominderungsmaßnahmen (RMM) beinhalten im Wesentlichen die Beschränkung der Verwenderkategorie und die Festlegung einer guten fachlichen Praxis (GfA). So dürfen Rodentizide mit Antikoagulanzien der 2. Generation in Deutschland nur noch von sachkundigen Verwendern, das heißt, ausgebildeten Schädlingsbekämpfern und berufsmäßigen Verwendern mit einem entsprechenden Sachkundenachweis verwendet werden. Verbraucher und berufsmäßige Verwender ohne entsprechende Sachkunde dürfen diese Produkte in Zukunft nicht mehr verwenden. Rodentizide mit Antikoagulanzien der 1. Generation können dagegen auch weiterhin von Verbrauchern und nicht-sachkundigen berufsmäßigen Verwendern in Innenräumen und unmittelbar um Gebäude eingesetzt werden. Die in Deutschland bereits zugelassenen Rodentizide sind in der Biozid-Produktdatenbank der Zulassungsstelle (BAuA) innerhalb der Produktart 14 (Rodentizide) gelistet: http://www.baua.de/de/chemikaliengesetz-biozidverfahren/biozide/produkt/zugelassene- Biozidprodukte.html. 5

Welche Probleme ergeben sich bei der Anwendung von Rodentiziden? Umweltrisiken Wie bereits erwähnt wurden für alle Rodentizide mit Antikoagulanzien im Rahmen der laufenden Biozid-Produktzulassungen erhebliche Umweltrisiken und Risiken der Resistenzentwicklung festgestellt. Dabei spielen die Primär- und Sekundärvergiftung von Nicht-Zieltieren eine zentrale Rolle. Vor allem Greifvögel, aber auch andere Tiere, die entweder den Giftköder(Primärvergiftung) oder den bereits vergiftete Nager fressen (Sekundärvergiftung), sind wegen der hohen Toxizität der Wirkstoffe stark gefährdet. Antikoagulanzien der 2. Generation wurden zudem als potentiell persistent (P), bioakkumulierend (B) und toxisch (T) - sogenannte PBT-Stoffe - eingestuft, das heißt, sie werden nur sehr schlecht in der Umwelt abgebaut, können sich in Lebewesen anreichern und sind giftig. In diesen Eigenschaften sind sie vergleichbar mit den Substanzen DDT, Quecksilber oder Dioxin. Daher wurden in Deutschland für diese Produkte Risikominderungsmaßnahmen (RMM) festgelegt. Diese beinhalten im Wesentlichen die Beschränkung der Verwenderkategorie von Antikoagulanzien der 2. Generation auf sachkundige Verwender und die Festlegung rechtsverbindlicher Anwendungsbestimmungen in Form von Allgemeinen Kriterien einer guten fachlichen Anwendung (GfA) von Fraßködern bei der Nagetierbekämpfung mit Antikoagulanzien. Die allgemeinen Kriterien der GfA sind wesentlicher Bestandteil der Gebrauchsanweisung zugelassener Produkte und müssen bei ihrer Anwendung zusätzlich zu produktspezifischen Anwendungsbestimmungen eingehalten werden (siehe unter: Was ist die gute fachliche Anwendung?). Quelle: Holger / pixelio.de Quelle: Kerstin Ziebandt / pixelio.de Quelle: Kathrin Beuster / pixelio.de Resistenzen Sowohl bei Ratten als auch Mäusen sind Resistenzen gegen Antikoagulantien der 1. Generation (z.b. Warfarin, Chlorphacinon und Coumatetralyl) beschrieben worden. Während das Auftreten von Resistenzen bei Wanderratten auf den Nordwesten Deutschlands beschränkt ist, treten resistente Hausmauspolulationen in allen Gebieten Deutschlands lokal auf. In den späten 70er und frühen 80er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelten Nager eine gewisse Resistenz gegenüber Warfarin. Zwischenzeitlich war der Wirkstoff wieder einsetzbar, doch wird seit März 2007 eine erneute Resistenz festgestellt. Auch gegen die Antikoagulantien der 2. Generation Difenacoum und Bromadiolon sind Resistenzentwicklungen bekannt. Um einen Behandlungserfolg zu erzielen, müssen die antikoagulanten Wirkstoffe der 2. Generation Brodifacoum, Flocoumafen und Difethialon eingesetzt werden, für die bislang keine Resistenzentwicklungen bekannt sind. Resistenzentwicklungen gegen Begasungsmittel (z.b. Aluminium- und Magnesiumphosphid) sind bislang nicht bekannt. 6

Vergiftungsgefahr für Menschen Insbesondere bei Antikoagulanzien wird immer wieder von Vergiftungen auch bei Menschen berichtet. Die Geschwindigkeit des Wirkungseintritts und die Wirkdauer sind abhängig vom Umfang der Blockierung der Vitamin K-Synthese (siehe unter: Wie wirken die in einem Rodentizid enthaltenen Blutgerinnungshemmer (Antikoagulantien?), d.h. Menge, Einnahmehäufigkeit und Art der verwendeten Rodentizide sind die bestimmenden Faktoren. Eine klinisch relevante Blutungsneigung nach einmaliger Einnahme ist sehr selten, bei zeitlich aufeinanderfolgender Mehrfacheinnahme nach der Literatur jedoch häufiger aufgetreten. Die Blutungsneigung kann über viele Wochen anhalten, bei Erwachsenen vergingen z.t. 42 Tage bis 8 Monaten bis zur Gerinnungsnormalisierung. Da in der Literatur sogar Todesfälle beschrieben werden, sind die gerinnungshemmenden Rodentizide potentiell gefährliche Substanzen, die unbedingt vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden sollten. Bei einem berechneten Risiko durch orale Aufnahme von Ködern durch Kinder wird als eine Risikominderungsmaßnahme neben anderen die Verpackungsgröße in Deutschland nur bis zu einer für eine Bekämpfungsmaßnahme ausreichenden Menge zugelassen. Die Verpackungsgröße für nicht-berufsmäßige Anwender ist auf maximal 2 kg beschränkt. Quelle: Hein Glück / pixelio.de Warum werden keine weniger problematischen Wirkstoffe eingesetzt? Es sind keine geeigneten Alternativen zu Antikoagulantien verfügbar. So ist Chloralose beispielsweise nur im Innenraum gegen Hausmäuse einsetzbar. Aus diesen Gründen müssen Gesundheitsrisiken mit Umweltschutzrisiken abgewägt werden. Wie wird sichergestellt, dass unerwünschte Nebeneffekte verhindert werden? Derzeit sind 14 Wirkstoffe zum Einsatz in Rodentiziden durch die Europäische Zulassungsbehörde ECHA genehmigt. Davon zählen 8 Wirkstoffe zu den Antikoagulantien. Sie wurden mit der Auflage genehmigt, dass die EU-Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die maximale Konzentration des jeweiligen Wirkstoffs begrenzt wird. nur gebrauchsfertige Produkte mit Bitterstoff und Farbstoff in den Handel kommt. alle geeigneten und verfügbaren Maßnahmen zur Risikominderung anzuwenden sind (z.b. Beschränkung der Anwendung auf Fachpersonal). 7

Im Rahmen der einzelnen Produktzulassung wurden neben den produkt- und wirkstoffspezifischen Auflagen folgende Anwendungsbeschränkungen vorgegeben: Sachkundige Verwender - dürfen alle Rodentizide mit Antikoagulantien verwenden und zwar im Innen- und im Aussenbereich - aber nur unter Einhaltung der guten fachlichen Anwendung! Verwender ohne Sachkunde (u.a. Verbraucher) - dürfen nur FGARs und nur im und unmittelbar am Gebäude verwenden!!! - für SGARs gilt ein Anwendungsverbot!!! FGARs = First-generation anticoagulants (Antikoagulantien der 1. Generation) SGARs = Second-generation anticoagulants (Antikoagulantien der 2. Generation) und wer ist sachkundig? Schädlingsbekämpfer - ausgebildete Schädlingsbekämpfer mit Sachkundenachweis nach GefStoffV, Anhang I Nr. 3.4 (6) - von den Behörden als gleichwertig anerkannte Berufe Berufliche Anwender mit Sachkunde - ausgebildete Land- / Forstwirte, Gärtner, Winzer mit Sachkundenachweis nach Pflanzenschutz- SachkundeV - weitere von den Behörden anerkannte Aus-, Fort- oder Weiterbildungen nach Pflanzenschutz- SachkundeV - Sachkunde zum Töten von Wirbeltieren nach 4 Tierschutzgesetz Geschulte berufsmäßige Anwender - Teilnahme an einer Schulung mit folgenden Lehrinhalten: Biologie und Bekämpfung von Nagern, Rechtsgrundlagen, Wirkungsweise von Antikoagulantien, Gefahren bei der Anwendung für Mensch und Umwelt, Risikominderungsmaßnahmen und gute fachliche Anwendung von Antikoagulantien zur Nagetierbekämpfung und was ist die gute fachliche Anwendung (GfA)? Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat sowohl für den sachkundigen Anwender als auch für den Verbraucher allgemeine Kriterien zur guten fachlichen Anwendung von Fraßködern bei der Nagetierbekämpfung mit Antikoagulanzien erarbeitet. Die Allgemeinen Kriterien einer guten fachlichen Anwendung von Fraßködern bei der Nagetierbekämpfung mit Antikoagulanzien durch nicht-sachkundige Anwender (Verbraucher) können Sie über diesen link abrufen: Allgemeine Kriterien einer GfA durch Verbraucher. Zusätzlich unterliegen zugelassenen Rodentizide konkreten produktspezifischen Anwendungsbestimmungen, die im Zulassungsbescheid definiert sind (z.b. Anwendungsmenge, -bereich, Zielorganismen). Sie sind Teil der Gebrauchsanweisung und damit rechtsverbindlich. Es gelten stets die Angaben gem. Produkt-Etikett bzw. der Gebrauchsanweisung! 8

In der Regel werden Sie dort folgende Anwendungsbestimmungen finden: Unbedingt mechanisch ausreichend stabile und manipulationssichere Köderstationen verwenden, um den Zugriff durch Kinder oder Nicht-Zieltiere zu verhindern (es sind nur wenige definierte Ausnahmen zulässig). Die Kontrolle der Beköderung erfolgt zu Beginn alle 2-3 Tage, mindestens aber nach dem 5. Tag und anschließend wöchentlich. Gefressenen Köder müssen ersetzt und das umliegende Gebiet nach toten Tieren abgesucht werden, um Sekundärvergiftungen auszuschließen. Ist nach einem Monat die Annahme des Köders unverändert, bzw. immer noch sehr groß, so ist die Ursache durch einen Schädlingsbekämpfer ermitteln zu lassen. Ggf. haben sich bereits Resistenzen gegen den eingesetzten Wirkstoff gebildet. Wird der Köder nicht mehr angenommen, so ist er zu beseitigen und es sind Präventionsmaßnahmen gegen erneuten Befall zu treffen. Quelle: Berndt Fankhauser / pixelio.de Welche Gesetze regeln die Anwendung von Rodentiziden? Rodentizide werden in folgenden Rechtstexten behandelt: Biozid-Verordnung Die Biozid-VO regelt u.a. die Wirkstoffgenehmigung und Produktzulassung sowie die Produktverpackung und -kennzeichnung. Nach Artikel 19 Abs. 4 sind PBT-/vvPvB-Stoffe (also auch SGARs) nicht zur Verwendung durch die breite Öffentlichkeit zugelassen. Infektionsschutzgesetz Im Rahmen der amtlichen Schädlingsbekämpfung nach 18 Infektionsschutzgesetz dürfen nur Mittel eingesetzt werden, die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und vom Umweltbundesamt (UBA) geprüft wurden und in der Liste der geprüften und anerkannten Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von tierischen Schädlingen amtlich bekannt gemacht wurden: www.bvl.bund.de. Dem Anwender außerhalb behördlich angeordneter Bekämpfungsmaßnahmen steht die Wahl der Mittel grundsätzlich frei! GUV-V C5 Abwassertechnische Anlagen Nach 28 hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass in abwassertechnischen Anlagen Ratten bekämpft werden. Die Rattenbekämpfung dient dem Ziel, der Infektionsgefahr (Leptospirose) bei Einwirkung von Rattenurin auf verletzte Körperteile entgegenzuwirken. Tierschutzgesetz Nach 4 Absatz 1 darf ein Wirbeltier nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat. 9

Schutzmaßnahmen bei Mensch und Haustier Rodentizide sind gefahrstoffhaltige Produkte mit besonderer Gesundheitsgefahr. Daher sind sie zum Schutz von Kindern und Haustieren unzugänglich aufzubewahren und auszubringen (siehe unter: und was ist die gute fachliche Anwendung?). Ereignet sich dennoch ein Unfall mit Rodentiziden und es kommt zu Vergiftungserscheinungen, ist die Giftinformationszentrale die erste Anlaufstelle. Als Giftnotruf berät Laien und medizinisches Fachpersonal bei akuten oder chronischen Vergiftungen durch Medikamente, Pflanzen, Drogen, Tiere, Pilze, Haushaltsmittel oder Chemikalien. Der Service ist kostenlos. Im Vergiftungsunfall ist es wichtig, sofort ärztlichen Rat einholen. Der Giftnotruf Bonn hat die Telefonnummer 0228-19 240. Er ist 24 Stunden am Tag von Ärzten besetzt. Um die Giftigkeit genau einschätzen und eine entsprechende Behandlungsempfehlung geben zu können, ist es wichtig, dass beim Anruf nach Möglichkeit Produktbezeichnung und Hersteller mitgeteilt werden. Auch ist die Information, ob es sich um einen Fertigköder, einen angemischten Köder oder ein pures Konzentrat handelt, von Bedeutung. Dies ist sie auch bei dem bloßen Verdacht auf eine Vergiftung. Der Anrufer gibt den Hersteller und die Bezeichnung des Produkts weiter sowie die Art des Köders. Er erhält Informationen für Erste- Hilfe-Maßnahmen, die Leben retten können, bis der Notarzt eintrifft. Gegenmittel bei Vergiftungen In der Regel kommt eine Behandlung mit Vitamin K in Betracht, das als Gegenmittel zum Einsatz kommt. Der behandelnde Arzt verabreicht das Antidot oral oder intravenös je nach Schwere der Vergiftung. Ist diese lebensbedrohlich, verlegt der Mediziner den Patienten auf die Intensivstation. Hier erhält er Substitutionen von Gerinnungsfaktoren, die die Wirkstoffe vom Rattengift bekämpfen und die Blutgerinnung ins Gleichgewicht bringen. Ein letzter Apell Vorbeugung ist die beste Methode der Bekämpfung. Sie schont die Umwelt, den Geldbeutel und setzt auch den Menschen keine unnötigen Risiken aus. Schon durch sehr einfache Maßnahmen lassen sich wirkungsvolle Effekte erzielen. 10

Um ein Eindringen von Mäusen und Ratten in die Wohnumgebung oder andere Lebensbereiche des Menschen zu verhindern, müssen Sicherungsmängel wie offene oder defekte Fenster in Kellerräumen und Lagern, Löcher in Wänden, Hallendächern oder Fußböden, nicht dicht geschlossene Eintrittsbereiche von Leitungen in Hauswänden oder defekte Abwasserrohre beseitigt werden. Wanderratten können z.b. gut klettern, schwimmen und tauchen und damit auch in unbeschädigte Abwasserrohre und in die Wohnungen gelangen. Vermeiden Sie Nistmöglichkeiten: gestalten Sie Höfe, Keller und Lagerräume übersichtlich und unterziehen Sie diese einer regelmäßigen Entrümpelung. Die Reduzierung des Nahrungsangebotes trägt dazu bei, die Entwicklung größerer Nagerpopulationen zu verhindern. So locken Abfälle, die beim Füttern von Tauben, Sing- und Wasservögeln liegen bleiben, achtlos fortgeworfene Lebensmittelreste, offene Müll- und Biotonnen bzw. neben den Tonnen lagernde Müllbeutel, falsch bestückte Komposthaufen und unverschlossene Komposter oder Lebensmittelreste in der Kanalisation Mäuse und Ratten an. Quelle: Martin Rögner / pixelio.de Quelle: Annamartha / pixelio.de Quelle: Jörg Siebauer / pixelio.de 11

Weitere links Nagetierbekämpfung mit Antikoagulanzien (UBA) www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/biozide/biozidprodukte/rodentizide Informationszentrale gegen Vergiftungen - Gerinnungshemmendes Rattengift http://gizbonn.de/index.php?id=849 Hintergrundinformationen zum Zulassungsverfahren (BAuA) http://www.baua.de/de/chemikaliengesetz-biozidverfahren/biozide/produkt/hintergrund.html Liste der in Deutschland zugelassenen Biozidprodukte in der Produktart 14 / Rodentizide (BAuA) http://www.baua.de/de/chemikaliengesetz- Biozidverfahren/Biozide/Produkt/Produktdatenbank.html Biozid-Wirkstoffe (ECHA) http://echa.europa.eu/de/information-on-chemicals/biocidal-active-substances Sichere Anwendung von Mäuseködern Quelle: wikipedia.org_saibo Herausgeber: Stadt Oberhausen Bereich Gesundheitswesen Fachbereich Ärztlicher Dienst, Hygiene, Umweltmedizin Ansprechpartnerin: Monika Zirngibl, Tel. 0208/825-2697 Stand: Dezember 2014 12