Keine Angst vor der Operation Anästhesie bei Kindern: ein Leitfaden für Eltern Anästhesievorstand: Univ.-Prof. Dr. Gerhard Redl
Liebe Eltern, bei Ihrem Kind steht ein operativer Eingriff an. Die ungewohnte Situation im Krankenhaus, die Sorge um Ihr Kind und die Angst vor starken Schmerzen nach der Operation sind eine Belastung für Sie und Ihr Kind. ABER: Starke oder gar unerträgliche Schmerzen müssen nicht sein! Eine wirksame Schmerztherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung im Orthopädischen Spital Speising und liegt uns sehr am Herzen. Das Orthopädische Spital Speising arbeitet kontinuierlich daran, die schmerztherapeutische Versorgung der operierten Kinder zu verbessern. Als österreichische Pilotklinik ist Speising mit weiteren europäischen Kliniken am Qualitätsprogramm QUIPSI (Qualitätssicherung in der postoperativen Schmerztherapie) beteiligt. Die teilnehmenden Kliniken vergleichen sich untereinander und lernen so voneinander. Im Folgenden möchten wir häufig gestellte Fragen beantworten. Das Orthopädische Spital Speising 3
Häufige Fragen Warum braucht mein Kind eine Narkose? Die Narkose sorgt dafür, dass Ihr Kind während einer Untersuchung oder eines operativen Eingriffs ruhig schläft und keine Schmerzen hat. Wie funktioniert Narkose? Bei der Allgemeinanästhesie schläft Ihr Kind sehr tief. Die Einleitung der Narkose wird entweder über eine Maske mit einem Narkosegas oder durch das Einspritzen von Narkosemedikamenten über eine Vene eingeleitet. Wenn möglich wird die Vollnarkose mit einem örtlichen Betäubungsverfahren (Regionalanästhesie) kombiniert, damit Ihr Kind während und nach dem Eingriff deutlich weniger Schmerzmittel benötigt. Die Anlage der örtlichen Betäubung erfolgt in der Regel erst, nachdem die Kinder tief schlafen. Wie lange vor einer Narkose darf mein Kind trinken und essen? Aus Sicherheitsgründen muss das Kind vor Narkosebeginn nüchtern sein. Generell gilt: Alle Kinder dürfen bis zwei Stunden vor der Narkoseeinleitung klare Flüssigkeit trinken (Wasser, Tee). Neugeborene und Säuglinge dürfen bis vier Stunden vor Einleitung gestillt werden oder Flaschennahrung erhalten. Kinder über einem Jahr dürfen bis sechs Stunden vor Narkosebeginn feste Nahrung essen. Bitte lassen Sie Ihre Kinder am Morgen weder Kaugummi kauen noch Bonbons lutschen. Wie werden die Kinder während der Narkose überwacht? Während Ihr Kind schläft, wird es ununterbrochen durch speziell in der Kinderanästhesie ausgebildetes ärztliches und pflegerisches Personal betreut und überwacht. Sollten Veränderungen des kindlichen Kreislaufs oder der Lungenfunktion auftreten, kann jederzeit und ohne Verzögerung gehandelt werden. Wie erfolgen die Betreuung und Überwachung nach der Operation? Nach Beendigung des Eingriffs wird Ihr Kind in noch schlafendem Zustand in den Aufwachraum gebracht und dort betreut, bis es aus der Narkose erwacht ist. Sofern es gut atmet und keine Schmerzen verspürt, wird es anschließend auf die Station zurückverlegt. Wie erfolgt die Schmerztherapie? Die Einzelheiten der Schmerzbehandlung wird Ihr Anästhesist/Ihre Anästhesistin während des Aufklärungsgesprächs vor der Operation mit Ihnen besprechen. Schmerzen sind leider nicht immer völlig zu vermeiden. Warum gibt es Schmerzen? Schmerzen sind eine natürliche Reaktion des Körpers. Sie haben Signalcharakter, um den Menschen vor ungünstigen und gefährlichen Einflüssen zu schützen. Wie werden Schmerzen empfunden? Dieselbe Schmerzursache z. B. ein Nadelstich wird von verschiedenen Personen mehr oder weniger stark empfunden. Man spricht von schmerzempfindlichen und weniger schmerzempfindlichen Menschen. Eine etwaige Schmerzempfindlichkeit kann durch Angst, Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit verstärkt werden, durch Geborgenheit, gute Laune und Ablenkung aber auch weniger ins Gewicht fallen. 4 5
Wie werden Schmerzen behandelt? Vor der Operation Vor der Operation führen die Ärzte ein ausführliches Prämedikationsgespräch mit Eltern und Kind über die Möglichkeiten der Narkose und das Konzept zur postoperativen Schmerztherapie. Während der Operation Schon im Operationssaal bekommt jedes Kind eine Basismedikation, die nach einem festen Zeitplan weiter gegeben wird. Die Medikamente können über eine Infusion direkt in die Blutbahn verabreicht werden. 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 kein Schmerz stärkster Schmerz Sind Schmerzen messbar? Um Schmerzen effektiv behandeln zu können, muss zunächst eine möglichst genaue Aussage über die Schmerzintensität getroffen werden. Sie ist die Voraussetzung für eine Beurteilung einer effektiven Schmerztherapie. Dazu sollte das betroffene Kind so weit wie möglich selbst befragt werden, denn wie beim Erwachsenen unterscheidet sich die subjektive Selbsteinschätzung des Kinds von der Fremdeinschätzung durch das medizinische Personal oder die Eltern. Die Einschätzung der Eltern liefert aber wichtige Zusatzinformationen. Die altersgerechte Schmerzmessung Bei Säuglingen und Kleinkindern werden Schmerzen mithilfe von KUSS ermittelt (Kindliche Unbehagen- und Schmerz-Skala). Sie dient der Fremdbeurteilung des Schmerzzustands: In festen Zeitabständen werden dabei der Gesichtsausdruck, die Rumpfhaltung, Beinhaltung, motorische Unruhe und das Weinen beobachtet und mit einem Punktesystem bewertet. Ab dem fünften Lebensjahr kann eine Skala zur Selbsteinschätzung durch das Kind eingesetzt werden (siehe Grafik oben). Die Analogskala Ab dem elften Lebensjahr kommt eine Analogskala ohne Smileys nur mit Ziffern zur Selbsteinschätzung der Schmerzen zum Einsatz. 1 auf der Skala bedeutet, dass keine Schmerzen vorliegen, 10, dass Schmerzen unerträglich sind. Es kann auch hilfreich sein, ein Piktogramm zur einfacheren Bewertung einzusetzen. Die Messung der Schmerzintensität erfolgt regelmäßig in Ruhe und bei Belastung mit der gleichen Methode. Sie wird in einer Kurve dokumentiert, um die Wirksamkeit der Schmerztherapie beurteilen zu können. Nach der Operation Das Kind wird postoperativ sofort mit schmerzlindernden Maßnahmen im Aufwachraum versorgt. Hierfür haben wir einen Medikationsplan erarbeitet: mit verschiedenen Schmerzmitteln von unterschiedlichem Wirkungsgrad, mit individueller Ausrichtung, je nach Art der Operation, nach Grad des kindlichen Schmerzempfindens, gemäß Behandlungsplan. Methoden der Schmerztherapie Die patientenkontrollierte Analgesie (PCA) Bei schwerwiegenden Schmerzen nach großen Operationen kann ab dem sechsten Lebensjahr eine PCA zur wirksamen Schmerztherapie eingesetzt werden: Eine spezielle Infusionspumpe wird an einen intravenösen Katheter angeschlossen. Diese Pumpe kann für das Kind individuell programmiert werden. Die Bolusdosis, Maximalmengen und Zeitabstände werden genau festgelegt. Anschließend drückt das Kind bei Schmerzen den Anforderungsknopf, um eine bestimmte Dosis des Schmerzmittels abzurufen. Der Vorteil: Das Kind erhält genau so viel Schmerzmittel, wie es braucht. Bei diesem Verfahren werden die geringsten Nebenwirkungen beobachtet. Kontinulierliches Katheterverfahren intravenös Hier wird ein Medikament oder ein Medikamentencocktail über eine Infusion in die Vene kontinuierlich verabreicht. 6 7
5. 4. Die Regionalanästhesie Bei bestimmten Operationen kann die Schmerzmedikation mit einem Lokalanästhetikum ergänzt werden: 1. Epiduralkatheter 2. Femoraliskatheter 3. Ischiadicuskatheter 4. Axillärer Katheter 5. Scalenuskatheter 1. Der Schmerzkatheter Es wird ein dünner Katheter in die Nähe der schmerzleitenden Nervenfasern gebracht. Der große Vorteil dieses Verfahrens besteht somit in einer gezielten Schmerzausschaltung in der operierten Körperregion. Postoperative Schmerzen treten in viel geringerem Ausmaß auf und die Notwendigkeit der Gabe starker Schmerzmedikamente (Opiate) ist deutlich reduziert. Mithilfe einer automatischen Pumpe erfolgt eine kontinuierliche Gabe von Lokalanästhetika und Sie haben zudem die Möglichkeit, Ihrem Kind bei nicht ausreichender Wirkung per Knopfdruck eine zusätzliche Dosis abzurufen. Da die Nervenfasern auch andere Sinnesqualitäten weiterleiten, tritt meist ein Taubheitsgefühl im entsprechenden Körperteil auf, auch die Bewegungsfähigkeit kann eingeschränkt sein. Diese Begleiterscheinungen sind harmlos und verschwinden mit nachlassender Wirkung des lokalen Betäubungsmittels. Ist eine solche Schmerztherapie sinnvoll, wird der Katheter im OP gelegt, meist in Allgemeinnarkose. Alle kleinen und jungen Patienten, die im Orthopädischen Spital Speising operiert und postoperativ gegen Schmerzen behandelt werden, bekommen dreimal täglich Besuch vom Schmerzdienst. 3. 2. Die Spezialisten überprüfen die Dosierung der Medikamente, kontrollieren die Kathetereinstichstellen auf Hinweise für eine beginnende Infektion, entfernen die Katheter, Eine Ärztin besucht das operierte Kind. Über dem Kopfpolster ist im Hintergrund die Schmerzpumpe zu sehen. können 24 Stunden am Tag zur Beratung und Behandlung von Schmerzen konsultiert werden. Auf der Kinderstation Nach der Operation können auf der Kinderstation Medikamente in Form von Zäpfchen, Tabletten oder Saft weiter gegeben werden. Hier sind eine Kinder schmerzschwester, Kinderkrankenschwestern und Ärzte immer für die Kinder da. Jeden Donnerstag besuchen auch die Clowndoctors die Kinderstation und bringen unsere Kids zum Lachen. Die Roten Nasen Clowndoctors sorgen für Unterhaltung. 8 9
Wir sind für dich da Lieber Patient! Das kannst Du selbst tun! Du kannst selbst viel gegen Deine Schmerzen machen. Daran musst Du immer denken. Du bist dem Schmerz nicht hilflos ausgeliefert. Es kann Dir helfen, die schmerzende Stelle zu wärmen oder zu kühlen. Oft ist es gut, das kranke Bein oder den Arm hochzulegen etwa auf einen Polster. Deine Strategie gegen Schmerzen Ganz wichtig sind die kleinen Tricks wie: sich bei Schmerzen abzulenken, sich etwas Gutes zu tun, wenn es gerade weh tut, sich für bestandene Schmerzen zu belohnen, sich verwöhnen zu lassen. Die Schmerzexperten der Abteilungen für Anästhesie und Kinder- und Jugend orthopädie: v. l. n. r.: OA Dr. Simone Klee, OA Dr. Regine Kerschbaumer, Dr. Andrea Guggenberger, DGKS Johanna Gerdenitsch, OA Dr. Rudolf Ganger Deine Eltern können Dich an nicht schmerzenden Stellen mit Öl einreiben oder leicht massieren. Der Duft des Öls kann Dich entspannen und die Streicheleinheiten sind auch wunderbar! Reden hilft auch zum Beispiel über Schmerzen, von denen Du schon weißt, dass sie auftreten werden. Lass Dir genau erklären, was auf Dich zukommt. Schau Dir Bücher an. Spiel die Situation mit anderen durch. Mal ein Bild der Situation, wie Du sie Dir vorstellst. Je mehr Du weißt, desto weniger Angst wirst Du haben! Leg Dir aber schon vorher eigene Tricks und Strategien zurecht, mit denen Du Dir die Situation mit Schmerzen erleichtern kannst. Schmerzdienst-Team: OA Dr. Simone Klee (rechts) und Schwester Irina Reiter 10 11
So erreichen Sie uns mit öffentlichen Verkehrsmitteln: U4 bis Station Hietzing, dann mit der Straßenbahnlinie 60 bis Station Riedelgasse IMPRESSUM Herausgeber: Orthopädisches Spital Speising GmbH (OSS) Text: Dr. Simone Klee Redaktion: Dr. Pierre Saffarnia Grafik, Layout: Bluestreet Fotos: OSS, Fotolia, Choosetoevolve.com 2012, OSS. Orthopädisches Spital Speising GmbH Speisinger Straße 109, 1130 Wien TEL +43 1 801 82-0 WEB www.oss.at FAX +43 1 801 82-1487 E-MAIL office@oss.at Medizin mit Qualität und Seele www.vinzenzgruppe.at