Die Geschichte hinter der Erfolgsgeschichte Im Sommer 1992 lernt die Agentur den neuen Kunden Rotkäppchen Sekt kennen die ostdeutsche Traditionsmarke. Aber zum Feiern besteht wenig Anlaß. Denn der Absatz ist zusammengebrochen, der Marktanteil liegt bei drei Prozent in den neuen Bundesländern, der Absatz bei 2,9 Millionen Flaschen. Der Markenauftritt ist veraltet, Kommunikation praktisch nicht vorhanden. Aber in Freyburg arbeiten erfahrene Sektmacher und die Verbraucher haben engste Bindungen zu dieser Marke der ostdeutschen Vergangenheit. Die direkte Konsequenz und damit auch vorrangige Aufgabe für das Werbejahr 1992: Bestandssicherung, Stabilisierung der Marke, Umkehr des Negativtrends, Nutzung des Sympathiebonus. Für die Agentur faszinierend und spannend, für die Entwicklung der Markenkommunikation lebenswich- 121
Rotkäppchen-Kampagne 1993 tig, beginnt jetzt die heiße Phase des Eintauchens in Psychologie und Marktsituation eines neuen, nie zuvor dagewesenen Marktes. Das Rotkäppchen-Team der Agentur lernt nicht nur die Menschen hinter dem Produkt kennen, die Macher und Weinleute in Freyburg. Texter, Artdirektoren und Kundenberater arbeiten in Potsdam vor Ort: mit ostdeutschen Mitarbeitern, im ganz normalen Lebensalltag, abends in der Kneipe. Im Sog dieses Verständnisses entsteht im Herbst 1992 die erste Werbung für Rotkäppchen. Die Kampagne nutzt den Sympathiebonus der Marke, tritt bewußt bescheiden und unwestlich auf, präsentiert Rotkäppchen fast personalisiert als alten Bekannten, als Freund, als Identifikationsfigur. Der wichtigste Schritt im nächsten Jahr: die neue Flaschenausstattung. Sie macht Rotkäppchen wertvoller, spiegelt die erstklassige Produktqualität wider. Ein Motiv der Rotkäppchen- Kampagne 1992 Die neue Kampagne für die Sektsaison 1993 forciert diese Entwicklung. Sie zeigt den Freund, der es geschafft hat mit verhaltenem Stolz, eingebettet in unkonkrete 122
Rotkäppchen Kampagne 1994 Genußsituationen, aber greifbar, sichtbar erstmals auch auf Großflächenplakaten. Am Ende des Geschäftsjahres werden 9,9 Millionen verkaufte Flaschen bilanziert. Die Ziele für 1994: Weiterer Ausbau der Markenposition und der Schritt in den Sektmarkt der alten Bundesländer. Weniger die Aufmachung als die Inhalte werden entscheidend. Was passiert? Der Handel hat eine Marke, mit der er in ganz Deutschland in einem insgesamt stagnierenden Markt signifikante Zuwächse erzielen kann. Und Rotkäppchen kann sich mit 18,4 Millionen verkauften Flaschen unter den Top Ten-Marken etablieren. In dieser Situation war die nächste Aufgabe, den Ausbau der Marktposition in Ost und West mit einer langfristig einsetzbaren Vertiefung der Markenwerte abzusichern. Dazu In diese Positionierungslücke stößt Rotkäppchen Sekt. Die Umsetzung: Eine Plakatkampagne für Ost und West, in einem neuen Fotostil, in angemessen selbstbewußtem Auftritt. Das Produkt steht im Fokus, der pure Sektgenuß, stilistisch überhöht. Rotkäppchen-Kampagne 1995 123
mußten als erstes eben diese Markenwerte zukunftsträchtig definiert werden. Eine umfassende tiefenpsychologische Untersuchung legte das hohe Sympathiekapital der Marke im Osten wie im Westen offen. Das eröffnete die Chance, der Marke über ihre liebenswerte Seite hinaus eine tiefgründige Verankerung zu geben. Unterstützt wird dieser erste national eingesetzte TV-Spot mit Publikumsanzeigen. Mit diesen Maßnahmen ging es auch 1995 mit Rotkäppchen weiter nach oben. Mit fast 23 Millionen verkauften Flaschen ist Rotkäppchen die deutsche Sektmarke der 90er Jahre geworden. Inzwischen ist dieser Sekt die Nummer vier in ganz Deutschland. Für diese Leistung gab es 1996 den Marketingpreis Ost. Dieser Aufwärtstrend setzt sich auch im laufenden Sektjahr ohne jede Ermüdungserscheinung unverändert und ungebrochen fort. 25 20 18,4 22,6 Flaschen in Mio. 15 10 9,9 5 5,7 0 1992 1993 1994 1995 Flaschenabsatz pro Jahr in Millionen Flaschen 6 6,0 4,4 MA % 4 3,3 2 1,8 0 1993 1994 1995 Marktanteil am Sektmarkt Gesamtdeutschland in % 1. Hj. 1996 Quelle: GfK 124
TV-Spot 1995 125