Menschenkette auf dem platten Land Eindrücke von der Demo vor dem AKW Brokdorf am Heiko Judith

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Transkript:

Menschenkette auf dem platten Land Eindrücke von der Demo vor dem AKW Brokdorf am 24.04.2010 Heiko Judith Menschenkette südlich von Brokdorf 120 Kilometer Menschenkette, das erschien vielen unmöglich. Noch mehr Zweifel konnte man bekommen, wenn man auf Google-Earth die Strecke einmal nachvollzog: eine machbare Herausforderung oder vielleicht doch ein massiver Anti-AKW-Größenwahn? 13.00 Uhr. Als der Bus aus Sickte (eine Ortschaft zwischen Elm und Asse bei Braunschweig gelegen) am zugewiesenen Deichaufgang Hollewettern, zwei Kilometer südlich vom Atomkraftwerk Brokdorf anlandet, stehen auf dem Deich nur verloren wirkende Grüppchen, und die Frage drängt sich auf: Wo bleiben denn die anderen? Und eine zweite Frage stellt sich: Wo sind denn die Schafe? Denn wegen der Schafe hat es im Vorfeld der Planung einige Sorgenfalten gegeben, weil die BürgerAktionSichereAsse (BASA) aus Sickte schwarze Drachen mit der gelben Aufschrift A-S-S-E-II und K-O-N-R-D steigen lassen wollte, was unter den Schafen eine Panik hätte auslösen können. Diese Drachen sollen daran erinnern, dass die Atommüllproblematik noch nicht geklärt ist und der Atommüll in der Asse schon jetzt eine ganze Region gefährdet. Dass die Drachen nicht fliegen, liegt nun nicht an den Schafen, die der Schäfer sicherheitshalber ausgelagert hat, sondern an dem fehlenden Wind. Dafür strahlt die Sonne den ganzen Tag, und die Menschen auf dem Deich strahlen auch. 14.00 Uhr. Das Bild veränderte sich: Weitere Busse kommen an sowie Pkw s und Fahrradfahrer. Der MAACSS (Mobiler-Anti-Atom-Catering-Service-Sickte) hat auf dem Deich gut zu tun: Asse-A s auf Vollkornbasis und Kuchen sowie Getränke finden reißenden Absatz, denn Menschenketten machen Hunger. Aber auch die Fahnen und die Holz-A s der Bürgerinitiative AufpASSEn finden ihre Liebhaber. Inzwischen werden auf dem Deich auf großen Fässern und mitgebrachten Dosen einfache Rhythmen und Sprechgesänge eingeübt. 14.15 Uhr. Die lokalen Ordner werden nervös, sie fahren mit Fahrädern hin und her: Noch zu viel Ballung von Menschen an bestimmten Punkten und Lücken an anderen. Das Strecken der Kette ist angesagt: Die mitgebrachten gelben Bänder und Transparente kommen zum Einsatz, auch Schals und Anoraks schaffen Raum zwischen den Menschen.

14.20 Uhr. Es wird ernst. Die TeilnehmerInnen der BürgerAktionSichereAsse packen ihre selbst genähten Atom-Fass-Kostüme aus und ziehen sie an. Die Menschenkette soll nicht nur laut, sondern auch bunt sein. 14.30 Uhr. Auf dem Deich vor dem AKW in Brokdorf steht die Kette. Hübsche graue VeteranInnen, noch hübschere junge Leute, z. T. aus Regensburg angereist, Kinder mit ihren Eltern stehen nebeneinander und sind miteinander verbunden, nicht nur durch die Bänder und Tücher. Es berührt schon sehr, wenn man auf dem Deich in nördlicher und südlicher Richtung bis zum Horizont die Menschen stehen sieht. Wie aber sieht es hinter dem Horizont aus? Menschenkette bei Brokdorf: Blick nach Norden Menschenkette bei Brokdorf: Blick nach Süden

14.35 Uhr. Geplant war, dass von Brunsbüttel aus ein Nebelhorn eine akustische Laola-Welle mit Trillerpfeifen auslösen und die Anti-Atom-Botschaft ( Wir pfeifen auf die Atomkraft! ) bis zum Atomkraftwerk Krümmel tragen sollte. Jetzt kommt auch schon ein Laola- und eine Pfeifwelle, aber hat sie tatsächlich schon die zig Kilometer Reise von Brunsbüttel nach Brokdorf hinter sich? Wohl kaum. Die Laola-Wellen wiederholen sich wie am Meer, eine davon wird es schon gewesen sein. 14.45 Uhr. Auf den Handys der Ordner sollte jetzt eine SMS den Erfolg der Menschenkette melden. Doch noch immer keine Nachricht. Inzwischen fahren Segler unter Motorkraft die Elbe hinunter, winken und werden mit Laola-Wellen begrüßt, Stimmung wie auf einem Straßenfest. 14.55 Uhr. Da kommt endlich die erlösende Nachricht per Megaphon: Die Menschenkette steht: 120.000 Menschen beteiligen sich an dieser Demonstration gegen die Atomkraft. Unglaublich! Vor lauter Begeisterung gibt es ein lokales Trillerpfeifenkonzert und eine weitere Laola-Welle. 15.00 Uhr. Die Menschenkette ist zu Ende, man darf die Arme wieder sinken lassen. Einige machen sich zur Abfahrt bereit, die meisten jedoch gehen die knapp zwei Kilometer auf dem Deich zur Abschlusskundgebung direkt vor dem AKW Brokdorf. Ein buntes Bild: Grüppchen mit bunten Atomkraft nein danke -Fahnen, Leute mit Bollerwagen, Familien mit Kindern, wieder Fahnen mit der Aufschrift AufpASSEn von Teilnehmern aus der Asse-Region von unten aus gesehen, wirken die Menschen gegen den Himmel wie ein Scherenschnitt. Fässer vor dem AKW Brokdorf

15.50 Uhr. Ankunft auf dem Platz der Abschlusskundgebung. Peter Dickel von der AG Schacht Konrad, vom vielen Demonstrieren auch schon grau geworden, zieht auf der Bühne begeistert Bilanz, weist aber auch darauf hin, dass ohne weitere Demonstrationen der von der jetzigen Regierungskoalition beabsichtigte Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomkraft nicht zu verhindern sein wird. Links vor ihm stapeln sich gelbe Fässer, ein echter Eyecatcher vor dem Hintergrund der weißen Betonburg des AKW Brokdorf. Die Fässer tragen die Aufschriften Annahme verweigert und Zurück Retour, eine Anspielung auf die 126.000 Fässer von Atommüll, die aus der Asse herausgeholt werden sollen und die man am liebsten bei den Erzeugern wieder abliefern würde. 16.00 Uhr. Die Reden sind vorbei. Jetzt wärmt nicht mehr nur die Sonne, sondern auch die Gruppe Restrisiko, ein Geheimtipp aus der Region Braunschweig. Sie bringt mit ihren Liedern wieder Schwung in die Bude. Den ganzen Deich hoch sitzen und liegen die Menschen. Viele kennen sich, da ja gerade die Busse aus der Region Braunschweig, Salzgitter, Helmstedt, Goslar und Wolfenbüttel auf diese Streckenabschnitte bei Brokdorf verteilt worden sind (eine glänzende Organisation hat da im Hintergrund gewirkt!). Vor der Bühne tanzen Jugendliche ein Hauch von Woostock liegt über Brokdorf. Tanz vor dem Vulkan 16.00 Uhr. Die ersten TeilnehmerInnen der Menschenkette verlassen die Kundgebung und ziehen über den Deich zu ihren Bussen am Parkplatz vor der Eissporthalle (!) in Brokdorf. Vor ihnen liegt noch eine mehrstündige Rückfahrt mit den Bussen oder mit dem Zug, der von Bonn bis nach Itzehoe gefahren ist.

19.30 Uhr. Auf der Rückfahrt im Bus, kurz hinter Hamburg: Laptop und Internetsticker machen es möglich. Einer liest über Mikrophon die neuesten Nachrichten aus dem Internet vor. Viel ist von Hamburg und Krümmel die Rede, Brokdorf taucht nicht auf, bis dorthin auf das platte Land hat sich offensichtlich kein Journalist verirrt. Trotzdem haben alle das Gefühl ein Glied in einer langen, langen Kette gewesen zu sein, irgendwie ein (sau)gutes Gefühl. Mit der untergehenden Sonne fallen bei vielen die Augen zu, so viel frische Luft ist man einfach nicht gewöhnt.