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M 7/4 Sachinformationen für einen Lehrervortrag Dieser Text gibt grundlegende Informationen zum Thema und sollte je nach didaktischen Erfordernissen gekürzt bzw. sprachlich angepasst werden. Evangelische Kirche und Nationalsozialismus 1. Religionspolitik der NSDAP und die Stellungnahmen der Kirche zum Nationalsozialismus vor 1933 In der Frühzeit der Partei der NSDAP hatte diese nur eine untergeordnete Position zu den beiden großen Konfessionskirchen eingenommen. Im 25 Punkte umfassenden Parteiprogramm vom 24. Februar 1920 äußerte sich die Partei in Artikel 24 wie folgt, dass sie die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat anerkennen, solange diese nicht den Bestand des Staates gefährden oder gegen das Sittlichkeits- bzw. Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen. Obwohl es vor 1933 radikale kirchenkritische und antichristliche Thesen und Programme einzelner NSDAP-Mitglieder gab, wurden diese von der Parteiführung abgelehnt. Auf seinem Weg zur politischen Macht wollte Hitler Konflikte mit den Kirchen vermeiden. 1 Nachdem die NSDAP mit der Zentrumspartei Anfang der 1930er Jahren aneinandergeriet und dieser Ultramontanismus vorwarf, wurden bis 1933 alle Staatskirchenverträge abgelehnt, da diese Verträge Staat und Kirche als gleichwertige Partner darstellten. Doch dieses wollte die NSDAP nicht und somit erklärte der Fraktionssprecher, dass man zwar die Rechte der christlichen Kirchen anerkenne, aber der Meinung sei, dass der nationalsozialistische Staat die Kirchen und ihre Interessen schützen müsste. Wie reagierten die Kirchen nun auf diese Religionspolitik der NSDAP? Warnungen vor der Weltanschauung des Nationalsozialismus gab es bereits Mitte der 1920er Jahre in zahlreichen offiziellen Stellungnahmen der katholischen Kirche. Die katholische Kirche in Bayern veröffentlichte im Februar 1931 eine pastorale Anweisung, in der es hieß, dass der Artikel 24 des NSDAP-Parteiprogramms im Widerspruch zur christlichen Gesellschaftslehre stehe. Sie nahm sich nun vor, als Wächter der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre vor dem Nationalsozialismus zu warnen. Seit dem 17. August 1932 erklärte die katholische Kirche die Zugehörigkeit zu der NSDAP für unerlaubt und ließ keinen Zweifel offen, dass es zwischen der Weltanschauung der NSDAP und der katholischen Kirche eine offene Gegnerschaft gäbe. 2 In der evangelischen Kirche hingegen versuchte man über die gesamte Weimarer Zeit eine neutrale Position gegenüber den Parteien einzunehmen, also auch gegenüber der NSDAP. Sie gab vor 1933 keine grundsätzlichen Erklärungen zum Nationalsozialismus ab. Jedoch nahmen einige einzelne Theologen Stellung zum Nationalsozialismus, von denen einige wenige ihn ablehnten, andere ihm aber auch vorbehaltlos zustimmten. Aus Wahlanalysen ist ersichtlich, dass die NSDAP mehr Erfolge auf protestantischem Gebiet als auf katholischem Gebiet erzielen konnte. Durch solche protestantischen Theologen, die die Möglichkeit der Synthese von Christentum und Nationalsozialismus sahen, war es möglich, dass sich die Glaubensbewegung Deutsche Christen formieren konnte. 3 1 Vgl. Joachim Mehlhausen, Nationalsozialismus und Kirchen, TRE, hg. von G. Krause/G. Müller, Band 24, Berlin/New York 1994, im folgenden Verlauf abgekürzt: Mehlhausen, TRE, Nationalsozialismus und Kirchen, S.46. 2 Vgl. ebd., S. 47. 3 Vgl. ebd., S.47f.

Ein wichtiges Ereignis in der Zeit vor 1933 war im Juni 1932 die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen SA-Männern und Rotfront-Verbänden der KPD in Altona. Die Folge dieser Auseinandersetzung war, dass siebzehn Menschen getötet wurden. 4 Daraufhin sahen sich die Altonaer Pastoren, unter ihnen auch Hans Asmussen, veranlasst, ein Wort und Bekenntnis in der Not und Verwirrung des öffentlichen Lebens zu verfassen. Es wurde gesagt, dass der Auftrag der Kirche darin bestehe, auf Gottes Ordnung im Staatswesen und auf ein Leben unter Gottes Geboten hinzuweisen. Das Altonaer Bekenntnis eröffnete eine Reihe von grundsätzlichen Äußerungen, welche an das Wesen und den Auftrag der Kirche appellierten 5. 2. Nationalsozialismus und Kirchen 1933 bis1934 Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 und der damit verbundenen Ernennung Hitlers zum Reichkanzler begann eine Epoche der deutschen Geschichte, die als herausragend bezeichnet werden kann. Dieses Herausragende ist jedoch im negativen Sinne zu verstehen, da diese Zeit von 1933 bis 1945 durch Zerstörung und Vernichtung geprägt war, wobei dem staatlich organisierten Verbrechen, der Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen besonderes Gewicht zukommt. Die ersten beiden Jahre nach der Machtergreifung nutzte Hitler, um seine Macht zu festigen. Neben der Reichtagswahl vom 5. März 1933 folgten das Ermächtigungsgesetz und die Gleichschaltung der Länder. 6 Bereits in seiner ersten öffentlichen Erklärung als neuer Reichkanzler traf Hitler kirchenpolitische Aussagen von weitreichender Bedeutung. Er sagte, dass die nationale Regierung das Christentum als Basis der gesamten Moral in den Schutz des Staates stellen wollte. Auch vor den Reichtagswahlen war Hitler bemüht, den Eindruck zu hinterlassen, dass diese Regierung, die an christlichen Grundwerten orientiert sei, die Verantwortung im Staat übernommen habe. Die am Tag von Potsdam gehaltene Regierungserklärung erweckte den Eindruck, dass er eine kirchenfreundliche Haltung einnahm, indem er die beiden Konfessionen als wichtigste Faktoren bezeichnete, die für die Erhaltung des deutschen Volkstums nötig wären. Er machte die Zusage, dass er die von den Ländern geschlossenen Kirchenverträge respektiere und dass die Rechte der Kirchen unantastbar seien. 7 Dies hatte zur Folge, dass die Kirchen bereit waren, mit Hitler und seiner Regierung zusammenzuarbeiten. Diese positive Einstellung der Kirchen machte sich auch bemerkbar, indem sie sich kaum gegen die rigorosen Maßnahmen der Nationalsozialisten äußerten. 3. Vom Aufstieg und Fall der Deutschen Christen bis zur Gründung der Bekennenden Kirche 3.1. Deutsche Christen Die Bewegung der Deutschen Christen war deswegen von Bedeutung, weil sie nach der Machtergreifung Hitlers seiner Kirchenpolitik dienlich war. Um 1932 entstand in Thüringen durch die bayerischen Pfarrer Julius Leutheuser und Siegfried Leffler die Kirchenbewegung der Deutschen Christen, die sich durch die preußische NS-Landtagsfraktion konstituieren konnte. 8 Bald darauf bildete sich die Glaubensgemeinschaft Deutsche Christen auf Reichsebene heraus und die Kirchenbewegung Deutsche Christen wurde dem Gau Thüringen zugeordnet. Die Glaubensbewegung Deutsche Christen erstarkte 1933 durch den politisch bedingten Massenzulauf. 4 Vgl. ebd., S. 48. 5 Vgl. Hauschild, Kirchen- und Dogmengeschichte, S. 853. 6 Vgl. ebd., S. 854f. 7 Vgl. Mehlhausen, TRE, Nationalsozialismus und Kirchen, S. 48f. 8 Vgl. Kurt Meier, Deutsche Christen, TRE, hg. G.Krause/G.Müller, Band 8, Berlin/New York 1981, im folgenden Verlauf abgekürzt: Meier, TRE, Deutsche Christen, S. 553.

Der Gründer der D. C. war Joachim Hossenfelder. Nach dessen Rücktritt übernahm Dr. jur. Christian Kinder die Leitung und die Reichsbewegung nannte sich nun kurz Deutsche Christen (D. C.). 9 In den von Hitler erzwungenen Kirchenwahlen am 23. Juli 1933, bei denen sich drei Kirchenparteien, die Deutschen Christen, die Jungreformatorische Bewegung und die nur in Bonn angetretene Liste Für die Freiheit des Evangeliums der Öffentlichkeit vorstellten, erhielten die Deutschen Christen 70% der abgegebenen Stimmen. Daraufhin erklärten die Jungreformatoren ihre kirchenpolitische Betätigung für beendet und sie wollten sich nun mit allen Kräften der innenkirchlichen Arbeit in Theologie und Gemeinde zuwenden. Die Deutschen Christen waren ihrem Ziel, dem Dritten Reich eine evangelische Reichskirche mit einem Reichsbischof zur Seite zu stellen, einen Schritt näher zugekommen. 10 Diese Machtergreifung der Deutschen Christen machte sich besonders in der größten Landeskirche, der Altpreußischen Unions-Kirche, bemerkbar, denn in Preußen wurde am 4./5.9.1933 die erste Tagung der Generalsynode abgehalten. 3.2. Der Arierparagraph und der Pfarrernotbund Wegen des Verlaufs der Preußischen Generalsynode, die aufgrund der in SA-Uniformen auftretenden Deutschen Christen auch Braune Synode genannt wurde, sah sich Martin Niemöller veranlasst, sich an die ehemaligen Mitglieder der Jungreformatorischen Bewegung zu wenden. Er forderte sie auf, sich derjenigen Brüder anzunehmen, die Not leiden müssten. 11 Die Not, welche damit gemeint ist, bezog sich auf die Auswirkungen der Gesetze, die bei dieser Synode beschlossen worden waren. Neben dem Pfarrer- und Beamtengesetz war auch eine Neuordnung durch das sogenannte Bischofsgesetz beschlossen worden. An der Spitze der Kirche sollte ein Landesbischof tätig sein und die Generalsuperintendenten sollten durch Provinzialbischöfe ersetzt werden. Natürlich waren für diese Positionen eines Provinzialbischofs bewährte DC- Kämpfer vorgesehen. 12 Das Pfarrer- und Beamtengesetz beinhaltete den sogenannten Arierparagraphen. Dieser veranlasste Pfarrer Martin Niemöller, zur Gründung eines Pfarrernotbundes aufzurufen. Der Arierparagraph beinhaltete, dass nur Pfarrer und Kirchenbeamte in der Kirchenverwaltung arbeiten könnten, die für den nationalsozialistischen Staat und die Deutsche Evangelische Kirche vorbehaltlos eintraten. Außerdem mussten diese von arischer Abstammung sein und mit einer Person arischer Abstammung verheiratet sein. Dieser Anlass also gab M. Niemöller den Grund, den Pfarrernotbund am 21.09.1933 ins Leben zu rufen, denn er hielt unter anderem diesen Paragraphen für bekenntnis- und schriftwidrig. 13 Pfarrer Martin Niemöller äußerte sich wie folgt zu dem Arierparagraphen:... denn gerade an den bekehrten Juden muss es sich erweisen, ob es der Kirche Jesu Christi mit der Gemeinschaft, die über die natürlichen Zusammengehörigkeiten hinausreicht, ernst ist. Diese Erkenntnis verlangt von uns, die wir als Volk unter dem Einfluss des jüdischen Volkes schwer zu tragen gehabt haben, ein hohes Maß von Selbstverleugnung, so dass der Wunsch, von dieser Forderung dispensiert zu werden, begreiflich ist. Das ist indessen nicht möglich... 14 Die Angaben über die genaue Anzahl von Geistlichen, die dem Pfarrernotbund beigetreten waren, sind in der wissenschaftlichen Literatur sehr unterschiedlich. Jedoch kann man sagen, dass sich bis 9 Vgl. Hauschild, Kirchen- und Dogmengeschichte, S.865. 10 Vgl. Mehlhausen, TRE, Kirchen und Nationalsozialismus, S.52f. 11 Vgl. ebd. S. 54f. 12 Vgl. Hauschild, Kirchen- und Dogmengeschichte, S.871. 13 Vgl. Wilhelm Niemöller, Der Pfarrernotbund. Geschichte einer kämpfenden Bruderschaft, Hamburg 1973, im folgenden Verlauf abgekürzt, Niemöller, Pfarrernotbund, S2.ff. 14 http://www.theologe.de/theologe04.htm (zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.o., S.389)

Ende 1933 etwa 6000 Pfarrer dem Pfarrernotbund anschlossen. Bereits im Juli 1933 kam es in vielen Landesteilen Deutschlands dazu, dass sich Pfarrer und Pfarrkonvente zur Lage in Form von Bekenntnissen und grundsätzlichen Positionsbestimmungen äußerten. Eine von diesen ist das Wort und Bekenntnis westfälischer Pastoren. Diese Ordnung ist vom Pfarrernotbund übernommen worden. Zwei wichtige Punkte beinhaltete die Ordnung der Rheinischen Pfarrerbruderschaft: 15 Zum einen die Verpflichtung der Brüder an das Ordinationsgelübde, welches allein an die Heilige Schrift und die Bekenntnisse der Reformation gebunden ist; zum zweiten beinhaltete sie sämtliche Sätze, die für die spätere Notbund-Verpflichtung vorgesehen waren. Die Leitung des Notbundes übernahm Martin Niemöller. Jedoch wollte man im Pfarrernotbund kein Führerprinzip haben und deswegen wählte man einen Bruderrat, der die Aufgabe hatte, für den Notbund verantwortlich zu entscheiden und zu sprechen. 16 Doch wie reagierten die Deutschen Christen auf die Gründung des Pfarrernotbundes? Dem Gestapo- Bericht vom 18.09.1934 ist zu entnehmen, dass der Pfarrernotbund als eine Gruppe reaktionärer Kräfte bezeichnet wurde. Dieser stände eigentlich für den deutschen Staat ein. Der Pfarrernotbund wehrte sich nur gegen den Reichsbischof und die Deutschen Christen, hätte jedoch nichts Grundsätzliches gegen den Nationalsozialismus. 17 3.3. Reichskirche und Reichsbischof Die erste Nationalsynode trat am 27. September 1933 in Wittenberg zusammen. Ludwig Müller, der bereits im August des Jahres 1933 zum preußischen Landesbischof ernannt worden war, wurde nun zum Reichsbischof gewählt. Das von Ludwig Müller 18 berufene erste Reichskirchenkabinett, welches aus den Mitgliedern Schöffel, Weber, Hossenfelder und Werner bestand, brach bereits im November wieder auseinander. 19 Der Grund dafür liegt in der Großveranstaltung im Berliner Sportpalast, bei welcher der Hauptredner Reinhold Krause den neuen Reichsbischof Müller scharf kritisiert hatte. Reinhold Krause warf Müller vor, dass er zu langsam die Kirchenreform betreibe. 20 Er forderte die Beseitigung von allem Undeutschen aus dem Gottesdienst und die Befreiung des Bekenntnisses vom Alten Testament. Aufgrund dieses Skandals brachen die Deutschen Christen auseinander. 21 Der Verlust vieler Mitglieder aus der Mitte der Deutschen Christen ließ jedoch den radikalen Flügel erstarken. Dieser war nun schärfster Gegner des Reichsbischofs. Trotzdem versuchte nun Reichsbischof Müller die Landeskirchen zusammenzufassen, wenn es auch mit Gewalt sein musste. Dabei standen ihm immer wechselnde Berater zur Seite, so dass man sagen kann, dass Reichsbischof Müller eine Reichsbischofsdiktatur führte. Als er am 19. Dezember 1933 die Eingliederung des evangelischen Jugendwerks in die Hitlerjugend verfügte, 22 hatte er nun endlich den Bogen überspannt und die Kritik an seiner Amtsführung wurde immer stärker. Nicht nur dieses Ereignis der Eingliederung, sondern auch die wüste Religionspolitik Krauses ließ die innerkirchliche Opposition wachsen. 15 Vgl. Niemöller, Pfarrernotbund, S.9f. 16 Vgl. Niemöller, Pfarrernotbund, S.20. 17 http://www.theologe.de/theologe04.htm, Staatsarchiv Marburg, 165/3943. 18 Vgl. Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte, Band 19. Reichsbischof Ludwig Müller, hg. Thomas Martin Schneider, Göttingen 1993, S.153f. 19 Vgl. Mehlhausen, TRE, Nationalsozialismus und Kirchen, S. 53f. 20 Vgl. Kurt Meier, Der evangelische Kirchenkampf, Band 1, Halle(Saale) 1976, S.122ff. 21 Vgl. Klaus Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich. Vorgeschichte und Zeit der Illusionen, 1918-1934, Band 1, Frankfurt/M Berlin 1986, S.702ff. 22 Vgl. Mehlhausen, TRE, Nationalsozialismus und Kirchen, S.54.

3.4. Die Bekennende Kirche Bereits im Juli 1933 formierten sich im Rheinland und in Westfalen so genannte Pfarrerbruderschaften, aus denen sich auch schon der Pfarrernotbund herausgebildet hatte. Sie richteten sich gegen die Deutschen Christen und deren Kirchenreform unter Ludwig Müller. Im Dezember 1933 wurde aufgerufen, eine Freie Reformierte Synode zu bilden. Diese trat im Januar 1934 zum ersten Mal in Barmen zusammen und es folgten im März und April desselben Jahres weitere Freie Synoden und Gemeindetage. 23 Diese Oppositionsbewegung bezeichnete sich bis zur Barmer Theologischen Erklärung als Bekenntnisfront. Sie erhob den Anspruch, die wahre Kirche bekennend zu vertreten. Bei der Ulmer Einigung wurde bekannt gegeben, dass das Bekenntnis der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) in Gefahr sei, und es wurde beschlossen, dass eine Bekenntnissynode für die gesamte DEK vorzubereiten wäre. 24 Auf der 1. Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche in Barmen vom 29. bis 31. Mai waren Vertreter lutherischer, reformierter und unierter Kirchen anwesend. Diese verabschiedeten trotz aller Schwierigkeiten einstimmig die Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche. Diese Barmer Theologische Erklärung ist das wichtigste theologische Dokument aus der Zeit des gesamten innerkirchlichen Kirchenkampfes. 25 Die Barmer Theologische Erklärung entstand in relativ kurzer Zeit aus einem vielschichtigen Redaktionsprozess heraus. Die Aussagen der Erklärung bezogen sich nicht in erster Linie kritisch auf den Nationalsozialismus oder auf das Regime Hitlers, sondern sie nahmen Stellung gegen die Theologie und den Anspruch der Deutschen Christen. Die Barmer Theologische Erklärung besteht aus sechs Thesen, denen jeweils Zitate aus der Schrift vorangehen. Die Synode erklärte, dass das derzeitige Kirchenregiment nicht den Anspruch habe, die rechtmäßige Leitung der DEK wahrzunehmen. 26 Es wurde gesagt, dass die unantastbare Grundlage der DEK das Evangelium von Jesus Christus ist. Aufgrund der Erklärung entstand die Bekennende Kirche. Sie sollte nicht von einer Person geleitet werden, da das Führerprinzip abgelehnt wurde, sondern es wurden zwölf Personen als Bruderrat bestimmt, die die Leitung übernehmen sollten. 27 Im Oktober 1934 versammelte sich die Bekennende Kirche zur 2. Bekenntnissynode 28 in Berlin/Dahlem. Der Anlass dafür war die rigorose Alleinherrschaft des Reichsbischofs und seines Rechtsverwalters. Man rief das kirchliche Notrecht aus und es wurden Leitungsorgane, die an Schrift und Bekenntnis gebunden waren, eingestellt. Nach der Dahlemer Synode wurde versucht, innerhalb der Landeskirchen bekenntnisgebundene Leitungsgremien aufzubauen. 4. Literaturverzeichnis Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte, Band 19. Reichsbischof Ludwig Müller, hrsg. von Thomas Martin Schneider, Göttingen 1993. Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes, Band 3, Die zweite Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zu Dahlem, hrsg. von Wilhelm Niemöller, Göttingen 1958. 23 Vgl. Joachim Beckmann, Der Weg zur Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche in Barmen 1934, hg. von Alfred Burgsmüller/Rudolf Weth, Die Barmer Theologische Erklärung, Neukirchen-Vluyn 1998, S.14. 24 Vgl. Mehlhausen, TRE, Nationalsozialismus und Kirchen, S.55f. 25 Vgl. Hauschild, Kirchen- und Dogmengeschichte, S.876f. 26 Vgl. Alfred Burgsmüller/Rudolf Weth, Die Barmer Theologische Erklärung, S.69. 27 Vgl. TRE, Mehlhausen, Nationalsozialismus und Kirchen, S.56. 28 Vgl. Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes, Band 3, Die zweite Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zu Dahlem, hg. von Wilhelm Niemöller, Göttingen 1958, S.37f.

Beckmann, Joachim, Der Weg zur Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche in Barmen 1934, hg. von Alfred Burgsmüller/Rudolf Weth, Die Barmer Theologische Erklärung, S. 11-21. Burgsmüller, Alfred / Weth, Rudolf, Die Barmer Theologische Erklärung, Neukirchen-Vluyn 1998. Hauschild, Wolf-Dieter, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte. Reformation und Neuzeit, Band 2, Gütersloh 2001. Mehlhausen, Joachim, Nationalsozialismus und Kirchen, TRE, hrsg. von G. Krause/G. Müller, Band 24, Berlin/New York 1994, S. 43-78. Meier, Kurt, Deutsche Christen, TRE, hrsg. G. Krause/G. Müller, Band 8, Berlin/New York 1981, S. 552-554. Meier, Kurt, Der evangelische Kirchenkampf, Band 1, Halle(Saale) 1976. Niemöller, Wilhelm, Der Pfarrernotbund. Geschichte einer kämpfenden Bruderschaft, Hamburg 1973. Scholder, Klaus, Die Kirchen und das Dritte Reich. Vorgeschichte und Zeit der Illusionen, 1918-1934, Band 1, Frankfurt/M./Berlin 1986. Literaturverzeichnis zum Unterrichtsentwurf: Dietrich Bonhoeffer Werke (DBW), Band 8: Widerstand und Ergebung, Gütersloh 1998, Seite 560-561. Bilder- und Textnachweis Power Point Präsentation: Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus Evangelische Kirche zwischen Kreuz und Hakenkreuz. Bilder und Texte einer Ausstellung, zusammengestellt und kommentiert von Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Stuttgart 1990, S. 14-71. Flieger, Hans E., Das christliche Leben in der Wehrmacht von 1935 1945, Aachen 2001, S. 38-41. Gailus, Manfred, Protestantismus und Nationalsozialismus. Studien zur nationalsozialistischen Durchdringung des protestantischen Sozialmilieus in Berlin, Köln/Weimar/Wien 2001, S.374 375. 29 Grundmann, Prof. Dr. W., Die Entjudung des religiösen Lebens als Aufgabe deutscher Theologie und Kirche, Weimar 1939. 29 Das Bildmaterial befindet sich zwischen diesen Seiten (374 375) und umfasst eine Seitenanzahl von 8 Seiten.

Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt der evangelischen-lutherischen Landeskirche des Freistaats Sachsen. Kundgebung der Sächsischen Kirchenregierung zum 10. und 12. November 1933. 20. Oktober 1933. Sieg Heil dem Bischof im Lutherland (Zur Einweisung am 10. Dezember 1933), aus: Die feste Burg. Gemeindeblatt für die Martin-Luther-Gemeinde zu Dresden, Nr. 24/3.12.1933, S. 101.