Vorlesung: Geschichtskultur und historisches Lernen in historischer und theoretischer Perspektive. PD Dr. Markus Bernhardt SS 2007

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1 Vorlesung: Geschichtskultur und historisches Lernen in historischer und theoretischer Perspektive PD Dr. Markus Bernhardt SS 2007

2 6. Vorlesung Geschichte des Geschichtsunterrichts 2: Kaiserreich, Weimarer Republik und Nationalsozialismus ( )

3 Gliederung 1. Geschichtsunterricht im Kaiserreich a) Allgemeine Vorbemerkungen b) Volksschule c) Geschichtsunterricht d) Von der vaterländischen zur nationalen Geschichte? 2. Geschichtsunterricht in der Weimarer Republik 3. Geschichtsunterricht im Nationalsozialismus

4 Literaturhinweise Bergmann, Klaus / Schneider, Gerhard (Hrsg.): Gesellschaft, Staat, Geschichtsunterricht. Beiträge zu einer Geschichte der Geschichtsdidaktik und des Geschichtsunterrichts von , Düsseldorf 1982 Gernert, Dörte (Hrsg.): Schulvorschriften für den Geschichtsunterricht im 19./20. Jahrhundert. Dokumente aus Preussen, Bayern, Sachsen, Thüringen und Hamburg, Köln u. a Lundgreen, Peter: Sozialgeschichte der deutschen Schule im Überblick. Teil I: , Göttingen 1980 Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte Bd. 1: Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1998, S Schneider, Gerhard: Bemerkungen zur Rolle der großen Persönlichkeit im Geschichtsunterricht des 19. Und 20. Jahrhunderts, in: Bosch, Michael (Hrsg.): Persönlichkeit und Struktur in der Geschichte. Historische Bestandsaufnahme und didaktische Implikationen, Düsseldorf 1977

5 Allerhöchsten Erlaß vom 18. Oktober 1890 (Preußen) (in: Dörte Gernert: Schulvorschriften, Dok. Nr. 37, S. 91) 1. Die vaterländische Geschichte ist bis zum Regierungsantritt Seiner Majestät weiterzuführen; 2. der Unterricht ist sowohl auf der Mittel- als auch auf der Oberstufe zu geben; 3. in demselben sind auf der Oberstufe die Verdienste der preußischen Herrscher um das Volkswohl besonders hervorzuheben; 4. wo die besonderen Verhältnisse einer Schule Kürzungen nöthig machen, dürfen dieselben nicht auf Kosten der Geschichte der neuesten Zeit geschehen, sondern es ist dann ein späterer Ausgangspunkt für die Geschichtserzählung zu wählen."

6 Lehrpläne für den Geschichtsunterricht in den Volks- und Mittelschulen, Verfügung vom (in: Dörte Gernert: Schulvorschriften, Dok. Nr. 41, S. 98) Es ist zu lehren, wie durch die hingebende Thätigkeit der brandenburgisch-preußischen Fürsten der preußische Staat entstanden und gewachsen ist, und wie das neue deutsche Reich durch die Weisheit und die Arbeit der preußischen Könige vorbereitet, durch Kaiser Wilhelms I. Thaten und die Einmütigkeit der deutschen Fürsten und Stämme errichtet worden ist; ebenso sind die Verdienste der preußischen Herrscher um das Volkswohl besonders hervorzuheben.

7 Ministererlass vom 15. November 1918 (in: Dörte Gernert: Schulvorschriften, Dok. Nr. 52, S. 118 f.) I. Wo bisher der Geschichtsunterricht mit anderen Lehrfächern dazu mißbraucht wurde, Volksverhetzung zu betreiben, hat solches in Zukunft unbedingt zu unterbleiben, vielmehr einer sachgemäßen kultur-historischen Belehrung Platz zu machen. Alle tendenziösen und falschen Belehrungen über den Weltkrieg und dessen Ursachen sind zu vermeiden. [...] III. In keinem Unterrichtsfache sind seitens der Lehrkräfte abfällige oder entstellende Bemerkungen über die Ursachen und Folgen der Revolution sowie der gegenwärtigen Regierung zu äußern, welche geeignet sind, bei der Schuljugend das Ansehen und die Errungenschaften dieser Volksbefreiung herabzuwürdigen.

8 Geschichtsdidaktik in der Weimarer Republik (Gerhard Schneider: Bemerkungen zur Rolle der großen Persönlichkeit im Geschichtsunterricht des 19. Und 20. Jahrhunderts, S. 112) Die Geschichtsdidaktik und -methodik des Kaiserreiches [hat] in der Weimarer Republik und danach - eigentlich bis in die späten 60er Jahre hinein - keine prinzipiellen Fortschritte gemacht [...] Das Ausbleiben einer grundsätzlichen Revision der Inhalte des Geschichtsunterrichts und der Geschichtslehrbücher unmittelbar unter dem Eindruck der revolutionären Vorgänge 1918/19 [hat] die Bewahrung und Fortwirkung des nationalistischen und militaristischen Geschichtsunterrichts mit seinen tradierten Inhalten begünstigt."

9 Der Versailler Vertrag in den Thüringer Schulen (in: Dörte Gernert: Schulvorschriften, Dok. Nr. 52, S. 118 f.) "Ein Schüler oder der Lehrer: 'Hört den Artikel, den Deutschlands Feinde ersannen, um uns auf ewig zu schänden: Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges, der ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungen wurde, erlitten haben.' Die Klasse: 'Die deutsche Schande soll brennen in unseren Seelen bis zum Tage der Ehre und Freiheit!...

10 Geschichtsunterricht im Nationalsozialismus Denn man lernt eben nicht Geschichte, um zu wissen, was gewesen ist, sondern man lernt Geschichte, um in ihr eine Lehrmeisterin für die Zukunft und für den Fortbestand des eigenen Volkstums zu erhalten. Das ist der Zweck, und der geschichtliche Unterricht ist nur ein Mittel zu ihm. (A. Hitler: Mein Kampf, zit. n. B. J. Wendt: Deutschland Das Dritte Reich, Hannover 1995, S. 295)

11 Zusammenfassung Der Geschichtsunterricht zwischen 1871 und 1945 wurde je nach politischem System zur Gesinnungsbildung instrumentalisiert. Der Geschichtsunterricht im Kaiserreich war zunächst vaterländisch, d. h. einzelstaatlich ausgerichtet, um die Bewohner des neuen kleindeutsch-preußischen Reiches zu integrieren. Seit 1890 nahm er sich verstärkt nationalen Themen an. Die Weimarer Republik brachte keine grundsätzliche Revision der Inhalte und Methoden des Geschichtsunterrichts zustande, sondern bemühte sich um Korrekturen auf dem Verordnungswege. Die nationale Geschichte rückte in den Mittelpunkt. Im Nationalsozialismus wurde der Geschichtsunterricht konsequent auf völkisch-rassistische, sozialdarwinistische und chauvinistische Inhalte ausgerichtet. Diese sind in der Praxis nicht immer durchsetzbar gewesen.