Die Bayerische Staatsministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Dr. Beate Merk Rede der Staatsministerin Dr. Beate Merk im Rahmen der Vernissage "Perspektivenwechsel" des Sozialdienstes katholischer Frauen e.v. Augsburg in der Kreissparkasse Augsburg am 15. Mai 2012 Telefon: 089/5597-3111 e-mail: presse@stmjv.bayern.de Prielmayerstraße 7 Telefax: 089/5597-2332 Internet: www.justiz.bayern.de 80335 München
Übersicht I. Einleitung II. 100 Jahre Sozialdienst katholischer Frauen Augsburg III. Straffälligenhilfe des Sozialdienstes katholischer Frauen Augsburg IV. Vernissage
- 1 - Es gilt das gesprochene Wort Haben Sie sich schon einmal ausgeschlossen gefühlt? Ausgegrenzt. Richtig allein. Und einsam. Wohl die meisten von uns haben schon einmal Einsamkeit gespürt. Und es fühlt sich schrecklich an, alleine da zu stehen. Isoliert zu sein. Ausgeschlossen. Einfach nicht dazu zu gehören. Meistens sind es nur kurze Momente. Situationen im Alltag. Im Büro. Oder auf einer Feier.
- 2 - Und ein ermutigender Blick eines Kollegen, ein liebes Lächeln einer Bekannten: Das hilft gleich weiter. Und ist Gold wert! Doch manchmal, sehr geehrte Damen und Herren, hält die Einsamkeit, das Gefühl von Gott und der Welt verlassen zu sein, länger an. Dann, wenn sich im Leben etwas Entscheidendes geändert hat. Etwas, das das ganze Leben betrifft. Und nicht nur einzelne Bereiche.
- 3-100 Jahre Sozialdienst katholischer Frauen In einer solchen Situation hilft kein einfaches Lächeln. Kein ermutigender Blick. In dieser Zeit braucht man handfeste Unterstützung. Menschen, auf die man sich verlassen kann. Menschen, die sich die Mühe machen, sich in einen hineinzuversetzen. Die sich die Zeit nehmen, die Welt einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die den Perspektivenwechsel in soziale Not freiwillig nachvollziehen.
- 4 - Menschen, die helfend an die Seite anderer treten. Und versuchen, ihnen wieder auf die Beine zu helfen. Anrede! Beim Sozialdienst katholischer Frauen gibt es solche Menschen. Der Sozialdienst katholischer Frauen Augsburg feiert sein 100jähriges Jubiläum! Und 100 Jahre Sozialdienst katholischer Frauen: Das sind 100 Jahre gelebter Nächstenliebe. Immer nach dem Motto der Gründerinnen: "Es gibt keine hoffnungslosen Fälle."
- 5 - Seit seiner Gründung im Jahr 1912 durch Anna Simon steht der Sozialdienst katholischer Frauen in der Diözese Augsburg Hilfsbedürftigen zur Seite: Frauen, Familien, älteren Menschen, Kindern und Jugendlichen in besonderen Notlagen. Sie unterstützen die, die einen Perspektivenwechsel durchleben mussten: Von einem vermeintlich gesicherten eigenverantwortlichen Leben. Hin zu einer Existenz in Unsicherheit und Ungewissheit.
- 6 - Straffälligenhilfe des Sozialdienstes katholischer Frauen Anrede! Es ist keine einfache Arbeit, die hier geleistet wird. Zum Beispiel im Bereich der Straffälligenhilfe. Wenn Strafgefangene aus dem Gefängnis entlassen werden, ist für sie nichts mehr so, wie es vorher war. Das soziale Netz ist häufig weggebrochen. Der Alltag muss neu organisiert werden. Alles ist irgendwie zuviel.
- 7 - Die Entlassenen brauchen Unterstützung. Helfende Hände. Ein offenes Ohr. Gerade Straffälligenhilfe ist nicht immer populär. Aber sie ist seit jeher wichtig - und wird zunehmend wichtiger. Gerade Straffälligenhilfe für Frauen. Der Sozialdienst katholischer Frauen verfolgt einen geschlechtsspezifischen Ansatz nur für Frauen. Er berücksichtigt die besondere Lage von Frauen - gerade, wenn Kinder im Spiel sind. Er schützt vor den Gefahren, die vor allem Frauen durch körperliche Gewalt drohen.
- 8 - Die Zahl der weiblichen Gefangenen steigt kontinuierlich an. Am 31. März 1992 waren in ganz Bayern nur 421 weibliche Gefangene inhaftiert. Heute ist allein die Zahl der Haftplätze für weibliche Gefangene in der JVA Aichach mit 452 höher. Und in allen neun Frauenabteilungen der bayerischen Justizvollzugsanstalten befanden sich am 31. März 2012 sogar 925 Frauen in Haft. Das bedeutet einen Anstieg um sage und schreibe 120%.
- 9 - Und so sehr sich die Bediensteten des Justizvollzugs darum bemühen, den Frauen mit spezifischen behandlerischen und therapeutischen Angeboten wieder auf die Beine zu helfen: Der Staat hat nur begrenzte Möglichkeiten! Ohne die Hilfe seiner Bürgerinnen und Bürger kann er nicht annähernd soviel erreichen wie mit ihnen gemeinsam. Denn die Angebote in der Anstalt können noch so vielfältig und gut sein: Nach ihrer Entlassung sind die früheren Gefangenen weg! Sie sind zurück in der Gesellschaft!
- 10 - Und deshalb ist es wichtig, dass die Gesellschaft ihnen die helfende Hand schon durch das Gitter entgegenstreckt. Und sie aus der JVA zurück ins Leben führt. Der Gesetzgeber hat nicht umsonst in Artikel 175 Absatz 2 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes ausdrücklich geregelt, dass die Justizvollzugsanstalten mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege eng zusammenarbeiten sollen. Und der Einsatz des Sozialdienstes katholischer Frauen ist ein großartiges Beispiel dafür, wie gelungene Straffälligenhilfe aussieht: Die ambulante Beratung mit einem Angebot der Betreuung.
- 11 - Das wertvolle Sprechstundenangebot in der JVA Aichach und die ambulant betreute Übergangswohngemeinschaft. All das und Vieles mehr leistet der Sozialdienst katholischer Frauen. Vernissage Zu den Angeboten des Sozialdienstes zählt auch die Malgruppe. Die "sichtbaren" Ergebnisse sind heute ausgestellt.
- 12 - Der Titel der Ausstellung - "Perspektivenwechsel" - ist vielschichtig. Er umfasst den Wechsel des eigenen Blickwinkels. Genauso wie neue Zukunftsperspektiven. Liebe Damen der Malgruppe, ich bin gespannt auf Ihre Bilder. Die Malgruppe ist eine wunderbare Einrichtung. Sie hilft auf dem Weg zurück ins wahre Leben. Das Malen selbst. Vor allem aber die Gesellschaft der Gruppe. Und die Kontinuität. Es ist gut, dass die Malgruppe angeboten wird.
- 13 - Aber es ist ebenso wichtig, dass Sie, liebe Damen, an ihr teilnehmen. Jede noch so gut gemeinte Hilfe bleibt erfolglos, wenn der Betroffene nicht mitarbeitet. Wenn er sie nicht annimmt. So wie ein Bild aus jeder Perspektive ein wenig anders aussieht - so ist es auch mit dem eigenen Leben. Man muss den Mut besitzen, das eigene Leben einmal mit anderen Augen, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Nur so kann man erkennen, welche Perspektiven man hat.
- 14 - Abschluss Anrede! Als Bayerische Justizministerin, aber auch ganz persönlich danke ich allen Mitarbeitern des katholischen Sozialdienstes für Ihr so wichtiges Engagement! Für Menschen in besonderen Lebenslagen. Und vor allem für haftentlassene Frauen!