Kirche eine offene Baustelle und Gottes Zelt unter den Menschen Predigt zum 50-jährigen Jubiläum der Christkönig-Gemeinde in Schweinfurt am 15. Juli 2012 (Mk 2,18-22; Apg 7,44-46) Die Älteren unter uns werden sich erinnern: Das waren noch Zeiten, als Sonntag für Sonntag in Christkönig die Kirche voll war. Früh um 7.30 Uhr so voll wie heute an Feiertagen. Um 9 Uhr bis auf den letzten Platz gefüllt und um 10.30 Uhr reichten nicht einmal Stehplätze hinten rund um den Weihwasserkessel. Das waren noch Zeiten, als Christkönig mit Rekordzahlen in der Zeitung stand: 145 Kommunionkinder. Mehr als in jeder anderen Gemeinde der Diözese. Das waren noch Zeiten, als in der Kindermesse um 10.30 Uhr eigens ein Kaplan bereit stehen musste, um Hunderte von Kindern zu beaufsichtigen und mit ihnen am Ende des Gottesdienstes ein gemeinsames Schlussgebet zu sprechen. Das waren noch Zeiten, als die Ministranten wieder aus der Sakristei geschickt wurden, weil die Gewänder nicht für alle reichten. Das waren noch Zeiten, als die Orgel fast zu schwach war gegenüber dem Gesang in der vollen Kirche, der die Wände buchstäblich zum Wackeln gebracht hat. Das waren noch Zeiten, als sich die Organisten um die Gottesdienste gestritten haben und für den Nachmittag ein Plan erstellt werden musste für die vielen jungen Leute, die unbedingt das Orgelspielen lernen wollten. Das waren noch Zeiten! Aber die Zeiten haben sich geändert. Ich brauche es nicht lange zu schildern. Wir alle sehen und erleben es Sonntag für Sonntag: viel Holz in der Kirche, Kinder und Jugendliche kann man mit der Lupe suchen, kaum Ministranten, auch an Feiertagen musste schon ohne Orgelbegleitung gesungen werden, der Schwung ist raus, die Zeiten haben sich geändert.
Aber, liebe Christköniger, ich werde nun keineswegs die alten Zeiten heraufbeschwören und nostalgisch davon schwärmen: Das wären Zeiten, wenn die Kirche wieder voll wäre, wenn die Jungen in die Kirche gingen usw. Nein, ich möchte mich an das erinnern, was mein Bild von Gemeinde in Christkönig geprägt hat und möchte daraus Wünsche für die Zukunft formulieren. Meine früheste Erinnerung an diese Kirche hängt mit dem Einweihungstag vor 50 Jahren zusammen. Ich war gerade 6 Jahre alt. Am Abend vor dem großen Fest ging ich mit meinem Vater hier in den Kirchenraum. Und was sah ich? Die Kirche war voller Menschen, Männer und Frauen. Aber sie saßen nicht in den Bänken und beteten, sondern sie hatten Arbeitskleidung an und hämmerten und schraubten und bohrten und putzen, trugen schwere Holzbohlen durch die Kirche und wischten sich den Schweiß von der Stirn. Sozusagen im letzten Moment wurden die Sitzbänke auf die Betonträger geschraubt. Dieses Bild steht mir bis heute vor Augen: Kirche, das ist eine offene Baustelle, auf der alle mitarbeiten können. Jeder nach seinen Fähigkeiten. Kirche, das spielt sich da unten ab, im Kirchenschiff, wo die Menschen zusammenarbeiten. Kirche, das ist etwas, wo viele Hände und Köpfe gebraucht werden und jeder mitmachen kann. Dass Kirche eine Baustelle ist, das ist den Christkönigern natürlich klar, haben sie doch gerade den aufwändigen Umbau hinter sich und viele Renovierungsarbeiten davor. Aber dass Kirche immer eine offene Baustelle auch im übertragenen Sinn bleiben muss, das wäre mein großer Wunsch. Denn es ist doch so, dass die Männer und Frauen der ersten Stunde schnell meinen zu wissen, wie hier alles laufen muss. Dass sich Grüppchen bilden, die alles in der Hand haben und nichts mehr aus der Hand geben. Dass alles läuft wie immer, wie am Schnürchen. Und das ist auch gut so: Denn ohne diese tüchtigen Leute stünde schnell alles still. Nur: Andere, Neue, kommen dann schlecht rein. Oder verabschieden sich bald wieder, wenn sie merken: Die wollen lieber unter sich bleiben.
Wenn man als Neuer etwas hinterfragt, dann heißt es gleich: Das haben wir schon immer so gemacht. Und wenn man gar einen neuen Vorschlag bringt, dann bekommt man zu hören: Das war bei uns noch nie so! Kirche, eine offene Baustelle, auf der alle mitarbeiten können. Das wäre mein großer Wunsch. Denn es gibt sie, die Menschen, die auf der Suche sind, die vielleicht nie viel mit der Kirche etwas am Hut hatten, die sich aber dann doch auf den Weg machen und Anschluss suchen. Denn es gibt sie, die Menschen, die sich gerne einbringen würden, wenn sie denn gefragt würden; die gern ihre neuen Ideen einbringen würden, wenn nur die alten Hasen auch einmal ein Experiment zuließen. Kirche, eine offene Baustelle, auf der alle mitarbeiten dürfen. Das stünde uns nicht schlecht. Und wäre ganz auf der Linie Jesu, der den Pharisäern, die ihn auf alteingefahrene Gleise festlegen wollen, fast ein wenig frech entgegenhält: Neuer Wein in neue Schläuche! Und liebe Christköniger, noch eine Erinnerung aus der Gründung der Pfarrei hat mich tief geprägt: das Modell, unserer Kirche, wie es in Pappe lange vor dem Bau ausgestellt war: ein richtiges Zelt mit einem Ziehharmonikadach. Das ist mir noch immer vor Augen. Leider konnte es dann aus statischen Gründen nicht so gebaut werden. Aber das ist die Idee hinter diesem Bau: Kirche, das Zelt Gottes unter den Menschen. Und viele, Junge und Alte, haben es hier bei Gottesdiensten und im stillen Gebet erlebt: Es gibt einen, zu dem kann man sich flüchten wie in ein Zelt, der gibt Schutz in den Stürmen des Lebens; es gibt einen, dessen Zelt steht immer offen; es gibt einen, der geht mit im Leben, überallhin, der ist da, wenn ich zu ihm rufe. Das ist mein zweiter großer Wunsch an Sie und uns alle: Wenn wir in unsere Kirche kommen, dass wir spüren: Hier ist Gottes Zelt unter den Menschen. Da ist einer, der gibt uns ein schützendes Dach und der zieht mit überallhin. Mit in die Krisen des Lebens, mit ins Alter und mit in den Tod.
Liebe Christköniger, was mich geprägt hat und was ich uns allen wünsche: Kirche das ist eine offene Baustelle, auf der alle mitarbeiten dürfen. Und: Kirche, das ist Gottes Zelt mitten unter den Menschen. Einleitung Christkönig feiert Jubiläum. 50 Jahre. Man könnte auch sagen: Christkönig ist ein wenig in die Jahre gekommen. Mehrfach waren große Reparaturen nötig. Im vergangenen Jahr wurde die Generalsanierung durchgeführt. Zum Jubiläum sieht alles wieder gut aus. Sehr gut. Die Schönheitsreparaturen haben sich rentiert. 50 Jahre Christkönig. Nicht nur der Bau, auch die Gemeinde. Und auch sie ist ein wenig in die Jahre gekommen. Nur da sind die Schönheitsreparaturen ungleich schwieriger. Da genügt es nicht, einen guten Architekten zu beauftragen. Da ist es mit Geld allein nicht getan. Denn da geht es um Menschen. Um uns! Fürbitten Herr, unser Gott, wir beten für die verschiedenen Gruppen in unserer Gemeinde: Für die Jungen und die Alten, für die Gesunden und die Kranken: Lasset zum Herrn uns beten Für die Ehepaare und alle, die allein leben, für die frisch Verliebten und alle, die ihren Partner verloren haben Für die Jugendgruppen und Vereine, für den Pfarrgemeinderat und die Kirchenverwaltung
Für die ständig Aktiven und die stillen Beter, für die Wohnviertelhelfer und die Frauen, die die Kirche reinigen Für die Sekretärinnen und die Blumenschmückerinnen, für den Pfarrer, den Diakon und den Pastoralassistenten Für die Ministranten und die Küster, für die Organisten und Lektoren Für uns alle hier in diesem Gottesdienst, für die Menschen, die wir lieben, und für alle, um die wir in Sorge sind Lesung aus der Apostelgeschichte (7,44-46) 44 Unsere Väter hatten in der Wüste das Bundeszelt. So hat Gott es angeordnet; er hat dem Mose befohlen, es nach dem Vorbild zu errichten, das er geschaut hatte. 45 Und unsere Väter haben es übernommen und mitgebracht, als sie unter Josua das Land der Heidenvölker besetzten, die Gott vor den Augen unserer Väter vertrieb, bis zu den Tagen Davids. 46 Dieser fand Gnade vor Gott und bat für das Haus Jakob um ein Zeltheiligtum. Evangelium nach Markus (2,18-22) 18 Da die Jünger des Johannes und die Pharisäer zu fasten pflegten, kamen Leute zu Jesus und sagten: Warum fasten deine Jünger nicht, während die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer fasten? 19 Jesus antwortete ihnen: Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten. 20 Es werden
aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; an jenem Tag werden sie fasten. 21 Niemand näht ein Stück neuen Stoff auf ein altes Kleid; denn der neue Stoff reißt doch vom alten Kleid ab, und es entsteht ein noch größerer Riss. 22 Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche. Sonst zerreißt der Wein die Schläuche; der Wein ist verloren, und die Schläuche sind unbrauchbar. Neuer Wein gehört in neue Schläuche.