Jahreslosung 2014 Gott nah zu sein ist mein Glück Psalm 73,28 Auslegung von Sr. Jordana Schmidt OP Bethanien Kinder- und Jugenddorf
Gott nah zu sein ist mein Psalm 73,28 Glück Auslegung der Jahreslosung 2014 von Sr. Jordana Schmidt Bethanien Kinder- und Jugenddorf 2 Auslegung zur Jahreslosung 2014
Gott nahe zu sein ist mein ganzes Glück na, das ist dann doch ein wenig hoch gegriffen. Oder? Wer kann von sich schon sagen, dass es sein ganzes Glück wäre, Gott nahe zu sein - Hand aufs Herz. Selbst ich als Ordens-Christin habe eine Seite in mir, die dem Satz von ganzem Herzen zustimmt, und eine Seite die, wie Sara, lacht (vergl. die Abrahamsgeschichte). Die lachende Seite spottet mir leise ins Ohr, dass es viele Dinge gibt, die ich gut finde und die mir wichtig sind und dass ich mich oft wegen Dingen als glücklich bezeichne, die im ersten Augenblick nichts mit Gott zu tun haben z. B. noch eine der letzten Kinokarten für einen besonderen Film bekommen zu haben. Es ist die Seite in mir, die danach schielt, was ich besitze, wie andere von mir denken und was ich tue. Eine Seite, die gefährdet ist, sich von Äußerlichkeiten ablenken zu lassen. Die Seite, die zustimmt, ist die, die mich wahrscheinlich auch ins Kloster gebracht hat. Die Seite meiner Seele, deren ganze Sehnsucht Gott ist: ihm ganz gehören, in ihm leben, bei jedem Atemzug an ihn denken. Gott nahe zu sein ist für mich ein Wissen und oft auch ein Gefühl, das mir schon als Kind geschenkt wurde, vielleicht ja auch in die Wiege gelegt wurde. Von daher kann ich auch niemandem eine Antwort darauf geben, wie man das denn machen würde so zu glauben. Ich wurde mir dessen irgendwann in meinem Leben bewusst und hatte in der Rückschau eigentlich nie den Eindruck und das Gefühl, dass Gott mir nicht nahe sei ohne dass ich etwas dafür tun musste. Gott war mir nahe, von sich aus, suchte meine Nähe, um bei mir zu sein und mir zu sagen: Du bist meine geliebte Tochter. Und wie selbstverständlich bin ich mit dieser Nähe als Kind umgegangen. Ich konnte mit Gott ganz normal wie zu einem unsichtbaren Freund sprechen. Und es kam mir schon als Kommunionkind seltsam vor, dass ich einen Priester dazu brauchen würde, um Gott etwas über meine schlechten Seiten in der Beichte zu erzählen, um Auslegung zur Jahreslosung 2014 3
von ihm wiederum zu hören, dass Gott mir vergibt das wusste ich doch schon vorher! Dann als Jugendliche war mir Gott eine Zeit lang fremd. Ich interessierte mich auch nicht wirklich für seine Nähe, da gab es andere Dinge, die mir wichtiger erschienen. Bis zu dem Tag, an dem er mir wieder so nahe kam, dass ich gar nicht anders konnte, als ins Kloster zu gehen, um mich dieser Nähe ganz konkret und verbindlich auszusetzen. Das hört sich vielleicht seltsam an, denn natürlich habe ich einen freien und starken Willen; aber das war der Augenblick meiner Berufung: Ich sah diesen einen Weg vor mir und fühle mich gedrängt, ihn zu gehen, auch gegen eigene innere Widerstände und Fragezeichen. Ich wollte diese Nähe leben, in dem Rahmen, die eine Ordensgemeinschaft mir dafür bietet. Die Sicherheit darüber, dass es ein guter Weg war, kam erst sehr viel später. Heute lebe ich bereits seit über 20 Jahren im Orden. Es gab Zeiten, da habe ich diese Gottesnähe so präsent gefühlt wie die frische Luft draußen. Und es gab Zeiten, da trug mich allein das Wissen darum, dass Gott mir nahe ist. Ein Wissen, das ich nicht immer aktiviert hatte. Gerne vergleiche ich es mit der Liebe eines Ehepaares, dass nach 20 Ehejahren auch nicht mehr tägliche Liebesbeweise produziert; wo jeder von ihnen seiner Wege geht und vielleicht in einer Phase in der die eine Seite, die Liebesbeweise des anderen gar nicht wahrnimmt, weil sie so selbstverständlich geworden sind. Es braucht dann wieder einen Augenöffner, um dafür sehend zu werden ein plötzliches Aufflammen von da bist du ja wie schön! und ein leises ich liebe dich. Solche Augenblicke der Gottesnähe kommen bei mir oft ganz unverhofft. So bin ich z. B. seit über einem Jahr Kinderdorfmutter. D. h. ich lebe mit fünf kleinen Kindern zwischen zehn Monaten und fünf Jahren zusammen in einem Haus, in einer Lebensgemeinschaft, die 4 Auslegung zur Jahreslosung 2014
von den Jugendämtern bei uns im Bethanien Kinderdorf untergebracht sind und die auf längere Sicht nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern leben können oder dürfen. Der Tag ist voll mit Alltäglichkeiten: Kinder wecken, Frühstück machen, Kindergarten, Wäsche, Haushalt, Büro, Texte schreiben, Mails beantworten, kochen, zuhören, spielen, begleiten, zu Bett bringen. Puh, so ein Tag kann so voll und schnelllebig sein, dass da keine Zeit für Stille und Gebet ist. Da muss dann ein Guten Morgen, Gott und ein Vater Unser auf dem Rückweg vom Kindergarten, wenn die Kindermünder nicht mehr plappern, genügen. Und dann, am Abend, bringe ich die Kleinen zu Bett. Wir beten miteinander, und selbst da kommt es vor, dass ich schon wieder in Gedanken bei den Dingen bin, die ich anschließend noch machen muss. Und dann sagt meine Zweijährige: Dana, segne dich und macht mir mit ihrem Zeigefinger einen Strich auf die Stirn so wie ich ihr immer ein Kreuz auf die Stirn zeichne. In dem Augenblick ist Gott mir nahe durch diese Kleine, die mich in die Gegenwart holt, die von Gott erfüllt ist. Und zusammen mit Gott an der Seite verlasse ich den Raum, um an der Tür noch einmal einen liebevollen elterlichen Blick auf das kleine Mädchen zu werfen, ja, Gott segnet dich auch, dessen bin ich gewiss! Das sind besondere Glücksmomente der Nähe Gottes. Der Psalm 73, aus dem die Jahreslosung genommen ist, beschreibt viele der Bilder, die wir in der Gesellschaft auch heute noch - mit Glück oder Glücklichsein verbinden: Gesundheit, Wohlstand, Ansehen/Prestige. Da muss ich nur ein paar Werbefilme im Fernsehen anschauen, um vor Glück strahlende Menschen zu sehen, die es nur deshalb sind, weil sie ein besonderes Auto fahren, ein Schuhpaket bekommen oder mit ihrem Parfüm die Männer- oder Frauenwelt betören. DAS sind die Gewinner, die Glücklichen. So wird es jedenfalls dem Zuschauer suggeriert. Und ich ertappe mich ja selber dabei zu sagen: Der hat aber Glück gehabt, wenn z. B. einer viel Auslegung zur Jahreslosung 2014 5
Geld gewonnen hat, weil er die letzte Frage in einer Quiz-Show richtig geraten hat; obwohl ich inzwischen weiß, dass gerade die Menschen, die schnell zu viel Geld kommen, sehr leicht ins Unglück stürzen bzw. in das Lebenschaos und die Unzufriedenheit. Was ist mit den Menschen, die all dies nicht haben? So wie derjenige, aus dessen Sicht der Psalm verfasst wurde. Jemand, der weder Gesundheit, noch Schönheit, noch Geld besitzt. Vielleicht noch nicht einmal eine Arbeit, die ihn zufrieden sein lässt. Oder was ist mit den Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt? Die Bilder von hungernden Kindern, von Kindern zwischen Kriegsruinen oder in Flüchtlingslagern sind uns aus den Nachrichten vertraut. Können die glücklich sein? Nach unserem Maßstab nicht. Dennoch habe ich gerade unter Kindern in Krisengebieten strahlende Augen gesehen immer dann, wenn es Menschen gibt, denen sie vertrauen und die ihnen in ihrer Not beistehen. Dann ist Glück ein bisschen Brot, etwas Wasser oder medizinische Versorgung Selbstverständlichkeiten für uns, die wir nicht mehr als Glücksmoment empfinden. Der Psalmist gelangt irgendwann zu dem Wissen, dass er zwar nichts hat, aber dafür von Gott einmal alles erwarten darf. Nun bin ich selber keine, die sich oder andere auf das Jenseits vertröstet. Weder für die schönen Dinge noch für die weniger schönen. Ich darf Schönes genießen. Aber ich muss auch gegen Ungerechtigkeit aufstehen und für mein Leben wie auch das der anderen, der Menschen in Not, der Kinder dieser Welt, denen das Notwendigste fehlt, Verantwortung übernehmen. Doch wenn gar nichts mehr hilft, wenn dir nichts mehr bleibt, wenn dir der Boden unter den Füßen wegbricht, wenn du glaubst, nichts geht mehr, dann ist Gott noch da. Und wirklich selig ist, der dann sagen kann: Gott nahe zu sein ist mein ganzes Glück!. 6 Auslegung zur Jahreslosung 2014
Als Dominikanerin habe ich den Auftrag in eine enge Gottesbeziehung zu gehen und aus dieser Beziehung heraus den Menschen zu erzählen wie Gott ist contemplari et contemplata aliis tradere. Gott, deine Nähe suche ich und davon will ich erzählen! das habe ich erfahren. Gott nahe zu sein ist mein Glück. Ein Glück, dass ich weitergeben möchte. Denn ich weiß, Gott ist jedem Menschen nahe. Dem, der es spürt, dem der es nicht spürt. Und Gott ist denen nahe, bei denen die Not am Größten ist da bin ich mir ganz sicher. Sr. Jordana Schmidt OP Bethanien Kinder- und Jugenddorf Auslegung zur Jahreslosung 2014 7
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