S o n d e r a u s g a b e REKONSTRUKTIONEN

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Transkript:

S o n d e r a u s g a b e REKONSTRUKTIONEN ein netzwerk für das archäologische kulturerbe + Stunde Null+++Flüchtlingsarbeit+++ Capacity Building +++ Wiederaufbau++ + Zukunft für die Zeit nach der Krise ++

Sirwah, eines der wichtigsten politischen und ökonomischen Zentren des sabäischen Reichs im heutigen Jemen. Foto: Wagner

inhalt Foto: Kuckertz Liebe Leserin, lieber Leser, in spektakulären Aktionen zerstörte der sogenannte Islamische Staat weltberühmte Kulturdenkmäler von herausragender Bedeutung. Doch fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit verlieren Menschen in Syrien, aber auch im Jemen mit der Zerstörung ihrer Städte fast täglich auch den Teil des kulturelles Erbes, der für sie zur alltäglichen Lebenswelt gehört. Die Zerstörungen werfen die Frage auf, ob und wie man mit den zerstörten Denkmälern und Städten umgehen kann. Das Spektrum der Antworten ist ebenso breit gestreut wie die Herausforderungen durch die jeweilige Zerstörung. Städte und Museen führen zu anderen Herausforderungen als Denkmäler und archäologische Stätten. Vom 2. bis 4. Juni 2016 fand im Auswärtigen Amt in Berlin ein internationales Expertentreffen der UNESCO zum Schutz und zur Erhaltung des Kulturerbes in Syrien statt. Ziel der Tagung Emergency Safeguarding of Syria s Cultural Heritage war es, die laufenden nationalen und internationalen Aktivitäten bei der Dokumentation und Schadensbewertung sowie die Planung von ersten Notsicherungsmaßnahmen nicht nur für Palmyra, sondern auch für andere syrische Kulturerbestätten zu koordinieren. Die Teilnehmer stimmten sich auch über Maßnahmen zur Fortbildung von Experten aus den Bereichen Museum und Denkmalpflege sowie Konservierung und Restaurierung, aber auch im Handwerk, ab. Das Deutsche Archäologische Institut unterzeichnete als Koordinatorin des Archaeological Heritage Network im Rahmen der Konferenz eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit der UNESCO in diesem Gebiet. Das Kompetenznetzwerk bündelt deutsche Kompetenzen im Bereich des Kulturerhaltes und Kulturgüterschutzes. Ziel ist es, diese auch für Kulturerhaltsmaßnahmen im Ausland wirksam werden zu lassen. Als erstes Projekt hat das Archaeological Heritage Network, unterstützt durch das Auswärtige Amt, das Projekt Stunde Null ins Leben gerufen, um in konflikt- und krisengeschüttelten Ländern eine Zukunft für die Zeit nach der Krise zu entwickeln. Das Projekt ist modular aufgebaut. Es verbindet Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung in den Anrainerstaaten Syriens mit den Planungen für den Wiederaufbau Syriens. Gemeinsam mit syrischen Kolleginnen und Kollegen möchte es Perspektiven für eine Zukunft entwickeln. 2 6 10 16 22 36 37 Einführung Die Stunde Null Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise Kultur und AuSSenpolitik live Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier Wiederaufbau einer Stadt Das Beispiel Aleppo Gegen das Vergessen Archive und Museen Capacity Building für die Zukunft Aus- und Weiterbildung Perspektiven Impressum Prof. Dr. Dr. h. c. Friederike Fless archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 01

einführung Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise Gemeinsam arbeiten für den Wiederaufbau. Foto oben: Sigl Foto unten: Wagner Investitionen in Bildung und Ausbildung, Kultur, Wissenschaft und Kommunikation sind Garanten, Konfliktzyklen zu durchbrechen und Rückfällen vorzubeugen. Doch dabei kann es nicht allein um schnelle Hilfe beim Wiederaufbau in von Krieg und Krisen heimgesuchten Regionen gehen. Um Maßnahmen nachhaltig zu machen, gilt es, vor allem auch handwerkliche, technische und wissenschaftliche Expertise zu vermitteln. Ein zerstörtes Land wieder aufzubauen, wirft sehr konkrete Fragen auf. Soll neu gebaut werden, nachdem der Schutt beseitigt ist? Soll historisch rekonstruiert werden? In welcher Reihenfolge werden bedeutende Denkmäler, Infrastruktureinrichtungen und Stadtviertel wieder aufgebaut? Wer entscheidet worüber? Welche Expertise steht zur Verfügung? Alles dies sind Herausforderungen, mit denen Deutschland nach 1945 konfrontiert war. Es waren syrische Studenten an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, die sich entschieden haben, ihre Abschlussarbeiten über den Wiederaufbau Syriens zu schreiben und dabei auch deutsche Erfahrungen beim Wiederaufbau eines zerstörten Landes einzubeziehen. Und in diesem Sinne will das Projekt Stunde Null Kompetenzen bündeln und Maßnahmen koordinieren, die zur Postwar Reconstruction in Syrien beitragen und dabei auch andere Länder der Region in konkrete Projekte des Kulturerhalts integrieren. Integrierte Ansätze der Archäologie Wenn ein Land zerstört ist, möchten seine Bewohner es nach dem Ende von Gewalt und Konflikt wieder aufbauen. Doch die Entscheidungen darüber, wie dies geschehen soll, brauchen Grundlagen, damit es informierte Entscheidungen sein können. Nur sie können dazu dienen, in komplexen Situationen koordiniert und zum besten Nutzen der Menschen vorzugehen. Entscheidungen können die völlige Aufgabe ehemaliger Gebäude und Ensembles und einen kompletten Neubau zur Folge haben. Sie können aber auch beinhalten, dass Stadtviertel oder Teile davon und antike Kulturgüter sowie archäologische Befunde erhalten und rekonstruiert werden sollen. Archäologie ist schon längst viel mehr als ein Blick in die Vergangenheit. Ihre Erkenntnisse auf der Basis eines breiten geistes- und kulturwissenschaftlichen wie auch naturwissenschaftlichen Methodenspektrums verbinden die Vergangenheit mit der Gegenwart und sie können so auch Perspektiven für die Zukunft aufzeigen. Über einen langen Zeitraum führten Institutionen wie das Deutsche Archäologische Institut Grabungen an vielen Orten durch. Doch während man vor hundert Jahren eher einzelne herausragende Tempel und Paläste ausgegraben hat und Funde mitunter isoliert betrachtete, widmet sich die Archäologie heute viel umfassenderen Fragen: Wie funktionierte das Leben in Großstädten, wie die Wasserwirtschaft? Wie veränderten sich das Klima und die Lebensbedingungen im Zuge menschlicher Eingriffe? Nur in einem derart integrierten Kontext ist es möglich, sich sinnvoll und zielführend an Projekten des Wiederaufbaus in krisengeschüttelten Ländern zu beteiligen. Voraussetzung ist dabei immer die systematische Analyse dessen, was die Bewohner wünschen und was für ihre Identität wichtig ist. 02 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 03

Deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen besitzen eine Fülle von Kompetenzen im Bereich des Erhaltes des kulturellen Erbes. einführung Syrische Flüchtlinge in Jordanien werden an der archäologischen Stätte der 2000 Jahre alten hellenistisch-römischen Stadtanlage von Gadara in der Nähe von Umm Qays gemeinsam mit lokalen Akteuren in den Bereichen Restaurierung und Konservierung ausgebildet. In einem Trainingscamp für jordanische und syrische Handwerker werden zudem traditionelle Steinmetztechniken vermittelt. Fotos: Bührig Der GroSSe Tempel von Yeha ist ein einzigartiges Zeugnis sabäischer Baukultur in Äthiopien. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) werden ungelernte Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes in unterschiedlichen Handwerken ausgebildet. Foto: Wagner Goldblechbeschläge aus der Vorkammer des Grabes von Tutanchamun, gefunden in der Nähe der Streitwagen. Die bislang wenig beachteten Stücke bestehen aus punzierter Goldfolie und werden nun in einem Kooperationsprojekt des DAI Kairo und des RGZM untersucht und restauriert. Foto: Eckmann Die Kompetenzen Das Netzwerk Deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen besitzen eine Fülle von Kompetenzen im Bereich des Erhaltes des kulturellen Erbes. Sie werden in zahlreichen Studiengängen vermittelt, die sowohl ein breites Spektrum archäologischer Forschung wie auch Architektur und historische Bauforschung umfassen. Denkmalpflege, Bauforschung und Heritage Studies seien hier beispielhaft als Studiengänge genannt. Auch Methoden der Schadenserfassung sowie Restaurierung und Konservierung gehören dazu, ebenso wie Site Management und nicht zuletzt die inhaltliche Erschließung und Vermittlung an Besucher. In vielen Ländern, die bedeutende Denkmäler und Welterbestätten beherbergen, ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dieses multidisziplinäre wissenschaftliche Angebot, das Theorie und Praxis miteinander verbindet, besitzt eine große internationale Ausstrahlung und zieht daher zahlreiche Studierwillige, aber auch Gastforscher aus allen Ländern der Welt an. Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Absolventen dieser Studiengänge sind vielfältig. Zum einen ist ihre Expertise gefragt in zahlreichen nationalen und internationalen wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen wie Hochschulen und Museen. Zum anderen bietet der wirtschaftliche Sektor attraktive Angebote in spezialisierten Architekturbüros und Restaurierungsfirmen bis hin zu Positionen in der Tourismusbranche. Die Kompetenzen sind aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands in den Bereichen der Landesarchäologie und Landesdenkmalpflege sowie der Universitäten und Hochschulen jeweils auf Länderebene angesiedelt. Daher existiert derzeit keine Struktur oder Einrichtung, die auf Bundesebene organisierte Projekte des internationalen Kulturerhaltes durchführt. Demgegenüber nehmen die Anfragen nach einer internationalen Zusammenarbeit mit deutschen Experten massiv zu. Das Expertennetzwerk Archaeological Heritage Network ist keine neue Institution. Vielmehr geht es darum, vorhandene Kompetenzen zu bündeln und so die notwendigen Synergieeffekte zu schaffen. Die immer komplexer werdenden multilateralen Projekte erfordern gemeinsame Anstrengungen, auch wenn es gilt, auf internationaler Ebene erfolgreich Mittel einzuwerben und die Sichtbarkeit des deutschen Engagements zu steigern. Auch angesichts der aktuellen Lage in den Krisenregionen des Nahen Ostens gewinnt das Thema Kulturerhalt täglich an Bedeutung. Dabei geht es nicht nur darum, unschätzbare Denkmäler zu erhalten, zu sichern und zu schützen, sondern auch darum, durch die Schaffung von Arbeitsplätzen wirtschaftliche Impulse zu setzen und so zur Stabilisierung in den Gast- und Partnerländern beizutragen. Auch die Diskurse über nationale und kulturelle Identitäten werden in einer rasch sich verändernden Welt komplizierter und mit ihnen die Entscheidungen darüber, welche Herangehensweise gewählt und welche Prioritäten beim Erhalt des kulturellen Erbes gesetzt werden sollen. Zahlreiche Fachleute der einschlägigen internationalen Netzwerke versprechen sich von einem starken deutschen Archaeological Heritage Network einen positiven Einfluss auf die Entwicklung profunder Konzepte im Kulturerhalt was umgekehrt positive Rückkopplungseffekte auf Forschung, Lehre und Ausbildung in Deutschland haben würde. Vor diesem Hintergrund ist es unverzichtbar, den Ausbau dieser Kompetenzen voranzutreiben. Nur so kann die Basis für eine erfolgreiche Kulturerhaltarbeit im Ausland gewährleistet werden. Die Verbindung von innovativer Forschung, nachhaltiger Ausbildung, praxisorientierter Arbeit und die Stärkung wirtschaftlichen Potentials zur Stabilisierung in Gast- und Partnerländern wird darüber hinaus langfristig zu einer erhöhten Akzeptanz der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik beitragen. Die Stunde Null Das Vorhaben Stunde Null Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise geht auf eine Initiative des Deutschen Archäologischen Instituts zurück. Es wird vom Archaeological Heritage Network getragen und vom Auswärtigen Amt im Rahmen der Sondermittel Flucht und Migration gefördert und nachdrücklich vom Deutschen Bundestag unterstützt. Mit dem Projekt ist aber nicht nur der Moment angesprochen, in dem sich nach Zerstörungen, wie sie seit 2011 in Syrien stattfinden, die Frage nach einem Wiederaufbau stellt. Es geht darum, prospektiv Capacity Building zu betreiben. Das bedeutet, Architekten, Handwerker und Restauratoren auszubilden oder Experten weiterzubilden, die fähig sind, den Wiederaufbau ihres Landes, den Wiederaufbau Syriens, in Zukunft umsetzen zu können. In diesem Sinne werden in Jordanien, dem Libanon und der Türkei Capacity Building-Projekte durchgeführt. Arbeit und Ausbildung werden hier aber auch zu zentralen Bestandteilen humanitärer Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien in den Anrainerstaaten. Gründungsmitglieder des Archaeological Heritage Network Baudenkmalausschuss des Deutschen Archäologischen Instituts Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg Deutsche Stiftung Denkmalschutz Deutsche UNESCO-Kommission Deutscher Akademischer Austauschdienst Deutsches Archäologisches Institut Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz Deutsches Nationalkomitee von ICOMOS Gerda Henkel Stiftung Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Koldewey-Gesellschaft (Vereinigung für baugeschichtliche Forschung e.v.) Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz Stiftung Preußischer Kulturbesitz Verband der Landesarchäologen Verein der Freunde der Altstadt von Aleppo Vereinigung der Landesdenkmalpfleger 04 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 05

Kultur und AuSSenpolitik live Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier beim Jahresempfang des Deutschen Archäologischen Instituts (...) Meine Damen und Herren, Kultur und Außenpolitik live und die vorgefasste mental map erforschen und überwinden helfen das sind Stichworte, die uns auf unseren mittlerweile fast zehn gemeinsamen Reisen begleitet haben, die unsere Arbeit, die Ihre und die meine, verbinden, und die den herausragenden Beitrag des DAI zur Außenpolitik wunderbar beschreiben! Und wenn es dessen bedarf, dann füge ich noch hinzu, dass ich nicht der einzige bin, der das so sieht: vorzüglicher Botschafter Deutschlands und Glanzstück unseres Wissenschaftssystems so hat der Wissenschaftsrat das Deutsche Archäologische Institut vor kurzem evaluiert. Solches Lob hört man selten, aber umso lieber und auch dazu möchte ich Ihnen allen heute gratulieren! Aber ich bin nicht nur gekommen, um Glückwünsche zu überbringen. Sondern ich möchte einige Worte sagen zu den gemeinsamen Aufgaben, die vor uns liegen und derer wir uns gemeinsam annehmen wollen. Volles Haus in der Hauptstadtrepräsentanz der Telekom. Die furchtbaren Bilder, die uns aus den Krisengebieten des Mittleren Ostens und Nordafrikas erreichen, machen deutlich, was ich meine. Fast täglich erleben wir die gewaltsame Zerstörung von kulturellem Erbe in dieser Region. Und diese Zerstörung von kulturellem Erbe legt zugleich die Axt an die Wurzel einer kulturellen Zukunft. Kulturelles Erbe ermöglicht uns, uns selbst und einander besser zu begreifen. Was genauso wichtig ist: Es zeigt, dass wir auf einem Boden stehen, den andere, ausdrücklich auch andere Kulturen bereitet haben. Und wer wie die Archäologen sich tiefer in die Tiefe dieser Schichten unserer Identität hinein gräbt, der bringt oft Erstaunliches zu Tage. Verbindungslinien, die heute erst mühsam wiederhergestellt werden müssen, Gemeinsamkeiten, die im wahrsten Sinne des Wortes verschüttet waren. Aber auch: Auseinandersetzungen und Traumata der Völker die ihre mental map bis heute bestimmen. Eine unerlässliche Arbeit gerade in einer Welt, die der Schnelligkeit und leider oft auch vorschnellen Entschlüssen zu huldigen scheint. Eine unersetzliche Arbeit der Differenzierung gerade in einer Welt, in der Konflikte viel zu oft überformt werden von totalitären Ideologien. Dafür, meine Damen und Herren steht das vom DAI mit Stunde Null überschriebene Projekt für Syrien, das wir gemeinsam mit zahlreichen Partnern heute starten wollen. Es baut auf dem Archaeological Heritage Network auf, das Sie bereits vor einiger Zeit ins Leben gerufen haben. In diesem Netzwerk bündeln wir unsere hervorragende deutsche Expertise. Damit wir hier in Deutschland noch besser und breiter zusammenarbeiten. Und: Damit wir unsere Kompetenzen Partnern im Ausland, insbesondere im Rahmen der UNESCO, in noch effizienterer Weise zur Verfügung stellen können. Neben Institutionen wie dem DAI, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder der Deutschen UNESCO-Kommission gehören auch zahlreiche Landeseinrichtungen wie Hochschulen und Landesdenkmalpfleger diesem Netzwerk an. Es steht damit auf einer soliden, breiten Basis. Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, für Ihren großen Einsatz für diese wichtige Initiative! Und ich gratuliere heute allen, die daran beteiligt sind! Vor allem aber freue ich mich darüber, dass wir nun den nächsten Schritt gehen: Wir führen diese Expertise zusammen mit Maßnahmen der Ausbildung, der kulturellen Zusammenarbeit und des Wiederaufbaus vom einzelnen Restaurierungsprojekt über Fortbildungsmaßnahmen bis hin zu städtebaulichen Konzepten. Wir wissen, dass es im Fall von Syrien eine Stunde Null im Sinne eines singulären Einschnitts nicht geben kann und wird genauso wenig, wie es einen solchen sauberen Schnitt nach dem 8. Mai 1945 hier in Deutschland gegeben hat. Die Frage nach der Ausgestaltung eines Wiederaufbaus jedoch, die bleibt. 06 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 07

Kultur und AuSSenpolitik live DAI-Präsidentin Fless begrüßt Außenminister Steinmeier zum Jahresempfang. DAI-Präsidentin Prof. Dr. Dr. h. c. Friederike Fless Gründungsmitglieder des Archaeological Heritage Network Als Deutsche können und wollen wir aufgrund unserer eigenen Geschichte wichtige Erfahrungen beisteuern. Gemeinsam wollen wir klügere Konzepte entwickeln helfen, als das Ausdrucken und Aufstellen von Repliken. Unsere Kulturarbeit steht dabei nicht isoliert. Wir brüten nicht über der Rekonstruktion beschädigter Tempel, während in Syrien Tag für Tag Menschen sterben. Nein, unsere Kulturarbeit ist ein essenzieller Teil unseres umfassenden politischen Ansatzes für Syrien. Unser Engagement reicht von der akuten humanitären Hilfe über unsere Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts bis hin zu einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen, etwa zur Aus- oder Fortbildung junger syrischer Flüchtlinge. All diese Maßnahmen haben eines gemeinsam: Sie sollen den Weg ebnen und den Menschen Mut machen, für eine sichere, eine friedliche Zukunft in ihrer Heimat. Die Initiative Stunde Null ist dabei ein ganz wichtiger Baustein. Klar ist aber: Wir werden mit all unseren Anstrengungen nur dann langfristig Erfolg haben, wenn sie getragen werden von den Menschen, die den Wiederaufbau in Syrien eines Tages leisten werden. Den Syrerinnen und Syrern. Deswegen steht die Zusammenarbeit mit den Partnern in und aus der Region im Vordergrund: Mit der Zivilgesellschaft, mit den Nachbarn Syriens, mit Antikenbehörden und staatlichen Organen. Ein hervorragendes Beispiel für diese Zusammenarbeit ist das Syrian Heritage Archive Project des DAI und des Berliner Museums für Islamische Kunst. Dabei wird erstmalig ein digitales Register archäologischer Stätten und historischer Monumente in Syrien erstellt und zwar in Zusammenarbeit deutscher, syrischer und internationaler Kollegen! Mehr als 100.000 Datensätze haben sie bereits zusammengetragen. Bedrohte Kulturgüter werden hier katalogisiert, damit sie auf illegalen Kunstmärkten identifiziert werden können, aber auch um eine spätere Restaurierung zu ermöglichen. Die Initiative richtet den Blick auch auf die Nachbarstaaten der Region, auf die Länder, in denen Abertausende Menschen aus Syrien Zuflucht gefunden haben. In Kooperation mit dem DAAD werden wir binationale Studiengänge einrichten und Stipendien für Flüchtlinge anbieten. Unzählige Partner arbeiten bei diesen Projekten Hand in Hand. Stellvertretend möchte ich die Gerda Henkel Stiftung hervorheben. Im vergangenen Jahr haben wir einen strategischen Dialog mit Stiftungen zu außenpolitischen Fragen ins Leben gerufen. Die Gerda Henkel Stiftung ist einer unserer aktivsten Partner. Für Syrien-Initiativen hat sie großzügige Unterstützung zugesagt. Dafür unseren herzlichen Dank! Die Projekte, die wir mit der Initiative Stunde Null fördern, sind komplex und vielschichtig. So vielschichtig und komplex, mag manch einer sagen, wie die Herausforderungen, die mit dem Wiederaufbau Syriens einhergehen werden. Es ist Ihre beeindruckende Arbeit, und Ihr außergewöhnlicher Einsatz, die uns dabei Vorbild sind. Denn Ihre wissenschaftliche Arbeit ist getragen von einem zivilen, einem bürgerschaftlichen Engagement weit über die Wissenschaft hinaus. (... ) Wissenschaft und Kultur, so habe ich das einmal formuliert, zielen auf die langen Linien. Politik muss dagegen viel öfter auf Aktualitäten, Krisen und Ereignisse reagieren. Genau deswegen ist es so wichtig, dass sie der Kultur und der Wissenschaft den notwendigen Freiraum verschafft, der Zusammenarbeit und gemeinsames Vorgehen ermöglicht. Ich glaube, hierfür steht das Auswärtige Amt im besonderen Maße. Das beginnt bei Haushaltsfragen, das geht weiter über die tägliche Zusammenarbeit vor Ort und das endet noch lange nicht an Abenden wie diesen! Ich freue mich auf eine lange weitere Zusammenarbeit mit Ihnen, den vorzüglichen Botschaftern Deutschlands. Veröffentlicht auf: www.auswaertiges-amt.de/de/infoservice/presse/reden/ 2016/160427_DAI.html Gelegenheit für den Austausch Fotos: Paasch 08 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 09

Wiederaufbau einer stadt nach dem krieg Das Beispiel Aleppo Weite Teile von Aleppo werden in den kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört. Foto: DGAM Syria, CC BY SA 4.0 Es sind zumeist Städte, in denen die materiellen Verwüstungen, die Kriege anrichten, am augenfälligsten in Erscheinung treten. Zerstörte Häuser zeugen von geraubtem Lebensraum, zerstörte Infrastruktur vom Ausbleiben der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern und von der Einschränkung normaler Mobilität. Aleppo, eine der größten und wichtigsten Städte Syriens, hat seit dem Beginn der Kampfhandlungen unermesslichen Schaden genommen und ist heute in weiten Teilen zerstört. Menschen wurden und werden vertrieben, Kulturgüter zerstört, geplündert und im illegalen Kunsthandel verkauft. Die materielle und historische Grundlage der Identität der Bewohner von Aleppo wird zerstört, Sicherheit und Schutz werden geraubt und die Vielfalt des kulturellen Erbes massiv in Frage gestellt. Die Stadt Aleppo ist eine 5000 Jahre alte Stadt mit großer Tradition, eine bedeutende Handelsstadt, reich an Kulturgütern und unschätzbaren Denkmälern und war eine der bedeutenden Städte in Syrien. Strategisch günstig zwischen Mittelmeer und Euphrat gelegen, war sie aufgrund ihrer privilegierten Lage häufig umkämpftes Objekt von Herrscherbegierden: in altorientalischer Zeit der Hethiter aus Anatolien, der Herrscher von Mittani aus Obermesopotamien und der Ägypter. Im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. zogen die assyrischen Könige nach Anatolien, nach Palästina und Ägypten über Aleppo. Schon früh war die Stadt ein Zentrum des Wettergottes Hadad, einer der wichtigsten Gottheiten im Alten Vorderen Orient. Sein Tempel befand sich auf der Zitadelle von Aleppo. Während des Osmanischen Großreiches wurden hier Waren aus Indien, dem Iran und Europa umgeschlagen. Gewürze, Indigo und persische Rohseide trugen zum Reichtum der Stadt bei, doch auch der lokale Handel mit Woll- und Agrarprodukten spielte eine große Rolle. Reisende aus aller Welt suchten den bedeutenden Handelsplatz in einer der lebendigsten Regionen der Welt auf. Sie alle gaben der Stadt ihr Gepräge. Hier kreuzten sich die Karawanenwege, die vom Mittelmeer in östlicher Richtung nach Mesopotamien, Persien und Indien reichten sowie gleichzeitig vom Anatolischen Hochland und vom Kaukasus nach Arabien. Mit dem 20. Jahrhundert zog die Moderne in die Stadt, nach 1945 wurde sie stark erweitert. Es kam zu einer Restrukturierung in der Zusammensetzung der Bevölkerung. Wohlhabende verließen die Altstadt, arme Bauern aus der Umgebung zogen nach. Die Infrastruktur wurde vernachlässigt, der alte Kern der Stadt schien dem Verfall preisgegeben bis 1986 die UNESCO die einzigartige Altstadt von Aleppo zum Weltkulturerbe erklärte. Das Blatt wendete sich. 1990 gründete sich in Stuttgart der Verein Freunde der Altstadt von Aleppo, seit 1993 hatte die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), heute Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), im Rahmen einer Altstadtsanierung wesentliche Infrastruktur- und Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt. Das Ziel war die behutsame Rehabilitierung der Altstadt unter direkter Beteiligung ihrer Bewohner. 10 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 11

Zerstörungen im Souk. Foto: DGAM Syria, CC BY SA 4.0 wiederaufbau Wiederaufbau einer lebendigen Stadt Der historische Souk von Aleppo 2010. Foto: Suq von Aleppo 2010, Dirk D., CC BY SA 3.0 Die großartigen Ergebnisse der Rehabilitierung der Altstadt von Aleppo führten auch zu einer großen Dichte an Informationen und zu umfangreichem Erfahrungswissen. Angesichts der Zerstörungen in Aleppo, besonders seit 2012, stellt sich die Frage, ob man diese Investitionen verloren geben muss oder sollte. Die Mitglieder des Archaeological Heritage Network sehen dies anders. Es muss darum gehen, die Dokumentation jetzt zu nutzen, um grundlegende Stadtplanungsdiskussionen zu beginnen, die einsetzen müssen, bevor ein Wiederaufbau vor Ort faktisch möglich ist. Archäologie, Architektur, Stadtplanung müssen hier zusammenarbeiten nicht nur, um Denkmäler zu restaurieren, sondern um Lebenswelten und Nachbarschaften wieder herzustellen in integrierten Konzepten und unter Beteiligung vieler Gruppen. Die bauliche Vielfalt und die traditionelle Nutzungsmischung müssen beim Wiederaufbau genauso ihren Platz finden wie das sukzessiv wieder hergestellte historische und kulturelle Erbe. Dabei muss die Altstadt von Aleppo mit ihren faszinierenden Gassen, Händlern, Geräuschen und Düften nicht als Museum wiedererstehen, sondern als eine lebendige, bewohnte Stadt, die aus einer Jahrtausende alten reichen Tradition schöpft und sich dessen auch bewusst ist. Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen verschiedene Grundlagen geschaffen werden. Zum einen gilt es, die zahlreich vorhandenen digitalen Daten zu Aleppo in geeigneter Form aufzubereiten und den syrischen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Das vom Auswärtigen Amt unterstützte Syrian Heritage Archive Project des DAI und des Museums für Islamische Kunst (SMB) sowie das Aleppo Archive in Exile des Vereins der Freunde der Altstadt von Aleppo bieten hierfür eine reiche Basis. Zum anderen ist es notwendig, einen bislang fehlenden Leitfaden für den Umgang mit zerstörten Städten zu entwickeln. Daher engagiert sich das Archaeological Heritage Network bei der Entwicklung von Standardisierungen, die nicht nur in Syrien, sondern auch in anderen Kontexten anwendbar sind. Im Rahmen der UNESCO Expertenkonferenz, die vom 2. bis 4. Juni 2016 in Berlin stattfand, wurde der UNESCO-Aktionsplan von 2014 konkretisiert und ausgearbeitet. Für den konkreten Fall Aleppo hat die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg die Initiative ergriffen, Workshops zur Erstellung von Guidelines on Safeguarding Cultural Significance of Places Damaged by War and Aggression zu erarbeiten. Ein erster Workshop hat bereits stattgefunden. Er ist Teil einer intensiven Diskussion, in die vor allem auch syrische Doktoranden eingebunden sind. Bei den Planungen für den Umgang mit den archäologischen Schichten im Bereich der Altstadt und der Dokumentation der bei Baumaßnahmen zu erwartenden Funde und Befunde sowie mit der Zerstörung von Einzeldenkmälern kann das Projekt Stunde Null auch auf die Erfahrung der archäologischen Arbeiten der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) zur Zitadelle von Aleppo aufbauen. Die gute Dokumentation zur Altstadt von Aleppo, die digital zur Verfügung steht, macht die Stadt zum geeigneten Ausgangspunkt, den Wiederaufbau exemplarisch auch für andere Städte stadtplanerisch und logistisch zu planen. Darüber hinaus können Fragen zur Stadtplanung, Konservierung, Rekonstruktion oder auch Bevölkerungssoziologie jeweils auch Gegenstand von Studiengängen sein und so eine Generation junger internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in die Lage versetzen, eine Zukunft für die Zeit nach der Krise zu planen und zu gestalten. Diese Planungen werden nicht von deutschen Experten durchgeführt, sondern von Syrern. Die Aktivitäten bilden nur den Rahmen und schaffen die Grundlagen, damit Syrerinnen und Syrer genau diese Zukunft planen können. So befragt zum Beispiel Noura as- Saleh Flüchtlinge aus Aleppo, was ihnen in ihrer Stadt wichtig war und wie sie sich deren Zukunft vorstellen. Aleppo ist eine 5000 Jahre alte Stadt mit großer Tradition, eine bedeutende Handelsstadt, reich an Kulturgütern und unschätzbaren Denkmälern. Sie war immer eine der bedeutenden Städte in Syrien. Wichtiger Handelsplatz und Startpunkt für Karawanen war sie aber auch früh ein Zentrum des Wettergottes Hadad, einer der wichtigsten Gottheiten im Alten Vorderen Orient. Sein Tempel befand sich auf der Zitadelle von Aleppo. Foto: Aleppo, Syria, Panoramic View, Eusebius@Commons (Guillaume Piolle), CC BY 2.0 12 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 13

wiederaufbau Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Besonders in der Altstadt von Aleppo mit lebendigen Basaren und der Zitadelle herrschte reges Treiben. Hier wurden Anfang des 20. Jahrhunderts die Karawanen Richtung Irak ausgerüstet. Von hier aus brachen auch deutsche Archäologen zu Pferd zu ihren Forschungen im Irak auf. Bilder wie diese gehören zu den reichen Beständen des DAI, die nun digitalisiert und syrischen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, um Vorlagen beim Wiederaufbau zerstörter Kulturgüter bieten zu können. Foto: Walter Bachmann, 1914. Die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) Die BTU ist mit rund 9.000 Studierenden die zweitgrößte Hochschule und die einzige Technische Universität des Landes Brandenburg. Sie engagiert sich im Projekt Stunde Null mit jenen Fächern, die im Cultural Heitrage Center zusammengefasst sind (www.b-tu.de/fakultaet6/einrichtungen/cultural-heritage-centre). Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt die Initiative der BTU, ein Promotionsprogramm im Bereich Heritage in War: Concepts for Protection and Recovery aufzubauen, mit zwei Promotionsstipendien für syrische Doktoranden. Deren Promotionsschwerpunkt liegt im Bereich Perspectives for Aleppo: Safeguarding and Recovering the Cultural Significance of a War-Damaged City. www.b-tu.de Die größte Berliner Hochschule für Angewandte Wissenschaften bietet mit rund 70 Studienangeboten in den Bereichen Technik, Informatik, Wirtschaft, Kultur und Gestaltung ein weites Fächerspektrum. Die HTW Berlin verfügt mit ihren Studiengängen Konservierung und Restaurierung/Grabungstechnik, Museologie und Dokumentation sowie Landschaftsarchäologie über eine langjährige Expertise beim Schutz von Kulturgütern. www.htw-berlin.de Deutsches Nationalkomitee von ICOMOS e.v. ICOMOS ist die internationale nichtstaatliche Organisation, die sich weltweit für Schutz und Pflege von Denkmälern und Denkmalbereichen und die Bewahrung des historischen Kulturerbes einsetzt. ICOMOS beteiligt sich als Berater und Gutachter an der Arbeit des Welterbe-Komitees und an der Erfüllung der UNESCO-Konvention zum Weltkulturerbe. Nationalkomitees bestehen bereits in mehr als 120 Ländern, und ICOMOS hat außerdem mehr als 25 Internationale Wissenschaftliche Komitees. Das deutsche Nationalkomitee von ICOMOS setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene für die Erhaltung von Denkmälern, Ensembles und Kulturlandschaften ein. www.icomos.de Die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) Die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) wurde am 12. Mai 1950 gegründet noch vor dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur UNESCO am 11. Juli 1951. Die Deutsche UNESCO-Kommission ist Deutschlands Mittlerorganisation für multilaterale Politik in Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation. Ihre Aufgabe ist es, die Bundesregierung, den Bundestag und die übrigen zuständigen Stellen in allen Fragen zu beraten, die sich aus der Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der UNESCO ergeben. Die DUK wird vom Auswärtigen Amt gefördert. www.unesco.de 14 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 15

museen und archive Die antiken Stätten von Palmyra gehören seit 1980 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Foto: Bartl gegen das vergessen Das Mosul Museum, das zweitgrößte archäologische Museum des Irak stand nach den Zerstörungen und Plünderungen des Krieges von 2003 nach jahrelangem Wiederaufbau kurz vor seiner Wiedereröffnung, als es Anfang des Jahres 2015 von Mitgliedern des sogenannten Islamischen Staates mit brutaler Gewalt zerstört wurde. Vieles von dem, was der Zerstörung entging, ist und bleibt verschwunden Beispiel für das Schicksal vieler Museen und Sammlungen in kriegs- und krisengeschüttelten Städten und Regionen. Paul Félix Bonfils (1831 1895) war ein französischer Buchbinder und Fotograf, der vorwiegend im Nahen Osten arbeitete. 1864 eröffnete er in Beirut das erste professionelle Fotostudio der Region. Seine Fotos von Palmyra sind heute von unschätzbarem Wert, wenn es darum geht, den Wiederaufbau in Syrien vorzubereiten. Fotos: Paul Félix Bonfils The Myron Bement Smith Collection, Freer and Sackler Galleries Archives, Smithsonian 16 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 17

Der DAI-Gazetteer verbindet Ortsnamen und Informationen dazu mit geografischen Koordinaten. Hier der Eintrag zu ar-raqqa in Syrien. Der Eintrag ist verknüpft mit Daten aus ARACHNE, der Bild- und Objektdatenbank des DAI. Abb.: DAI Der Krak des Chevaliers ist eine Burg in der Nähe von Homs, Welterbe der UNESCO seit 2006. Foto: Bartl museen und archive Mehr als 600 Ortseinträge zu Syrien wurden bislang im Gazetteer des DAI angelegt. Sie sind mit ca. 80.000 erfassten Datensätzen verbunden Zeichnungen, Fotos, Plänen und schriftlichen Dokumenten. Abb.: DAI Topografische Karte der frühislamischen Stadt ar-raqqa. Zeichnung: DAI, Orient-Abteilung In allen Regionen Syriens haben Fachleute und Laien versucht, ihr kulturelles Erbe zu sichern. Museumsobjekte wurden an sichere Orte verbracht, Denkmäler provisorisch gesichert. Auch aus vielen Depots internationaler Grabungen mussten Objekte evakuiert werden. Um eilig ausgelagerte oder gestohlene und wiedererlangte Objekte zuordnen und zerstörte Artefakte rekonstruieren zu können, muss es möglich sein, sie zu identifizieren, sie korrekt zu lagern, aber auch fachgerecht zu konservieren. Dies ist eine wahre Mamutaufgabe. Von syrischen Archäologen und Museumsmitarbeitern wurde daher hier ein erheblicher Unterstützungsbedarf formuliert. Darüber hinaus besteht großer Bedarf an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Museologie und Restaurierung. Das Syrian Heritage Archive Project Eine wichtige Grundlage für den Wiederaufbau sind die in einer langen Geschichte gemeinsamer und internationaler Forschung aufgebauten Archive zu Städten, antiken Stätten und Museumsbeständen. Diese Archive enthalten detaillierte Bauaufnahmen von wichtigen Denkmälern, Stadtplanungsinformationen und Fotografien, die zum Teil bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreichen und das kulturelle Erbe der Region dokumentieren. Seit 2013 bauen das DAI und das Museum für Islamische Kunst (SMB-SPK) das vom Auswärtigen Amt unterstützte Syrian Heritage Archive Project auf, welches das Ziel verfolgt, die in einer langen Forschungstradition zusammengetragenen Informationen zum kulturellen Erbe Syriens digital in einem Register zu erfassen und zu archivieren. Allein durch das Syrian Heritage Archive Project liegen nun 100.000 Fotos, Zeichnungen und Karten zu Syrien gescannt vor und stehen den syrischen Kollegen zur Verfügung. Sie sind eine zentrale Grundlage für Maßnahmen des Wiederaufbaus, auch durch die Möglichkeit, geraubte Objekte zu identifizieren, die im illegalen Handel auftauchen. Wenn es um die Frage geht, wie man mit einem Denkmal wie dem gesprengten römischen Bogen in Palmyra umgehen soll, sind die alten Fotografien von unschätzbaren Welt. Das Bogenmonument wurde, wie Fotos aus den Archiven des DAI zeigen, in den 1930er-Jahren umfangreich restauriert. Neu angefertigte und eingefügte Blöcke sollten den Bogen stabilisieren. Solche Informationen können nun helfen, bei der Dokumentation des zerstörten Denkmals das Aussehen des römischen Originals und damit die Lage der Bauteile zu rekonstruieren. Voraussetzung für jede Form des Wiederaufbaus ist also eine möglichst genaue Dokumentation dazu, wie das Gebäude aussah, um diese mit einer aktuellen Schadenskartierung und Bauaufnahme des zerstörten Denkmals abgleichen zu können. Erst dann kann man die Frage beantworten, in welchem Umfang sich das zerstörte Bogenmonument rekonstruieren lässt. Foto: IFPO (Institut français du Proche-Orient) 18 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 19

museen und archive Foto: I. Hajjar Foto: Aleppo Media Center AMC Aleppo Archive in Exile Aus- und Weiterbildung in der Restaurierung Eine substanzielle Ergänzung des Syrian Heritage Archive Project ist das Aleppo Archive in Exile des Vereins der Freunde der Altstadt von Aleppo. Die Dokumentation der historischen Monumente, des städtebaulichen Gefüges, der sozio-ökonomischen Strukturen, der 20-jährigen Planungskultur auf der Grundlage digital vorliegender Katasterpläne ist ein wichtiger Baustein für den Wiederaufbau zerstörter Stadtquartiere in der Altstadt von Aleppo. Die Katasterpläne geben aber auch über Besitzverhältnisse Auskunft, eine wichtige Information für die Phase eines Wiederaufbaus. Frühislamischer Trinkbecher Foto: Kohlmeier Angesichts der massiven Zerstörungen sind Rekonstruktion und Restaurierung Aufgaben, die nicht in einer Generation allein bewältigt werden können. Daher ist es von entscheidender Wichtigkeit, rechtzeitig für die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses zu sorgen. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) und das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz (RGZM) sind führende Einrichtungen in der Ausbildung von Restauratoren. Am RGZM ist die Arbeit der Restauratoren und Restauratorinnen zum einen in die archäologischen Forschungen des Hauses eingebunden, zum anderen werden aber auch eigene wissenschaftliche Ansätze verfolgt. Beschädigte originale Substanz eines Objektes zu erhalten, durch naturwissenschaftliche und konservatorische Methoden ihren Informationsgehalt zu erschließen und zu restaurieren, ist das Ziel des Studiengangs Konservierung und Restaurierung an der HTW. Darüber hinaus hat die HTW ein Set von Modulen mit ReferentInnen erarbeitet, das bereits in der im Jahr 2015 initierten SAWA Summerschool für Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter (HTW) zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten erprobt wurde. Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie (RGZM) Das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) ist eine international tätige Forschungseinrichtung für Archäologie. Auf der Grundlage aller verfügbaren Quellen erforscht es den Menschen und dessen Handeln in seinem natürlichen und kulturellen Umfeld, von der Menschwerdung in der Altsteinzeit bis in das Mittelalter. Dabei verbindet es Geistes- und Naturwissenschaften unter Einbeziehung seiner restaurierungstechnischen Expertise in einem interdisziplinären Ansatz. Das RGZM ist ein Forschungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft und verfügt über eine lange Tradition in der Ausbildung von Restauratoren und Restauratorinnen in seinen bedeutenden Werkstätten. www.rgzm.de Stiftung PreuSSischer Kulturbesitz Unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind u. a. die Staatlichen Museen Berlin mit ihren großen Sammmlungen als kulturelle Archive sowie mit ihrer umfassenden Expertise im Bereich der Vermittlung, Restaurierung und Konservierung zusammengeschlossen. Eines dieser Museen ist das Museum für Islamische Kunst. Es gehört zu den bedeutendsten und, nach dem Museum für Islamische Kunst in Kairo, ältesten Sammlungen seiner Art. Das Museum für Islamische Kunst ist eine der führenden Forschungseinrichtungen auf ihrem Gebiet und engagiert sich in den Bereichen Restaurierung, Kulturerbeschutz in den Herkunftsländern, internationaler Kulturaustausch und (inter-) kulturelle Bildung in Deutschland. Syrian Heritage in Small Hands (MIK) Aufbauend auf der sehr erfolgreichen Arbeit mit Flüchtlingen in Museen, mit Moscheegemeinden und in der schulischen Bildung soll für verschiedene, fest zu definierende Altersstufen Material entwickelt werden. Multiplikatoren wie Lehrer, Trainer, Sozialarbeiter werden in ihrem Arbeitsumfeld begleitet und das Material passend für die Gegebenheiten vor Ort entwickelt. Das Vorhaben soll sowohl für Deutschland als auch in Kooperation mit den Erfahrungen des Projektes in Jordanien für die Türkei entwickelt und umgesetzt werden. www.preussischer-kulturbesitz.de www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/museumfuer-islamische-kunst/home.html 20 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 21

CAPACITY BUILDING FÜR DIE ZUKUNFT Experten-Workshops haben Tradition am DAI. Hier eine Gruppe aus dem Irak 2009, als die Fortbildungsprojekte in der ersten Phase waren. Foto: DAI, Orient-Abteilung Aus- und Weiterbildung Grundlage des Aufbaus nachhaltiger Expertise für die Fragen des Umgangs mit dem kulturellen Erbe und dessen Zerstörung ist die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Im Mittelpunkt des Projekts Stunde Null steht daher die Weiterbildung syrischer Architekten, Archäologen, Denkmalpfleger, Bauforscher, Stadtplaner und vor allem Handwerker. Die einschlägigen Kompetenzen werden in Deutschland in zahlreichen Studiengängen vermittelt. Sie umfassen sowohl ein breites Spektrum archäologischer Forschung wie auch Architektur und historische Bauforschung. Auch Methoden der Schadenserfassung sowie Restaurierung und Konservierung gehören dazu, ebenso wie Site Management und nicht zuletzt die inhaltliche Erschließung und Vermittlung an Besucher. Aus- und Weiterbildung IN DEUTSCHLAND An vielen Hochschulen werden Flüchtlinge aus Syrien in Studiengänge integriert. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) engagiert sich nicht nur für eine schnelle Integration syrischer Flüchtlinge in ein Studium in Deutschland. Gefördert durch das Auswärtige Amt hat der DAAD zudem das Stipendienprogramm Leadership for Syria aufgelegt. Er unterstützt darüber hinaus auch maßgeblich den Erwerb von Kompetenzen in einschlägigen Studiengängen, die für den Wiederaufbau kriegsgeschüttelter Länder relevant sind. Deutsche Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen insgesamt unternehmen weitreichende Anstrengungen, um syrische Flüchtlinge in den Lehr- und Ausbildungsbetrieb zu integrieren. Als Mitglieder des Archaeological Heritage Network bieten die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU), die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin (HTW), die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen und die Technische Universität Berlin (TUB) Studiengänge, Graduiertenprogramme und Weiterbildung an, in denen diese Kompetenzen zum Wiederaufbau vermittelt werden. Für syrische Studierende, die sich auf den Wiederaufbau ihrer Heimat vorbereiten wollen, gibt es an der BTU und an der TUB ein weltweit einzigartiges Angebot. Im Masterstudiengang World Heritage Studies, der seit 1999 zum Studienprogramm der BTU gehört, geht es um die Präsentation, die Verwaltung und den Schutz von Welterbestätten. In einem gemeinsamen Studiengang mit der Helwan-Universität in Kairo sind ferner Stipendien für syrische Flüchtlinge in Ägypten vorgesehen. Der Lehrstuhl Denkmalpflege engagiert sich insbesondere beim Wiederaufbau der nordsyrischen Stadt Aleppo, an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin sind es die Studiengänge Konservierung und Restaurierung. Die RWTH entwickelt im Bereich Planen und Bauen im Bestand ein Speed-Documentation-Ausbildungsprogramm, um zu vermitteln, wie man auch im Krisenfall Denkmäler schnell dokumentieren kann. Die Universität engagiert sich gemeinsam mit der TUB zudem beim Aufbau eines spezialisierten Studiengangs an der German Jordanian University in Amman, in den auch syrische Flüchtlinge in jenen Disziplinen ausgebildet werden sollen, die für eine Gestaltung der Zukunft ihres Landes grundlegend sind. Das Programm wird vom DAAD koordiniert und vom Auswärtigen Amt unterstützt. Am Deutschen Archäologischen Institut (DAI) wird bereits seit sieben Jahren das Iraqi-German Summer Programme für irakische Studierende und Praktiker gemeinsam mit universitären und außeruniversitären Partnern durchgeführt. Wegen der starken Nachfrage von irakischer Seite befindet sich das Programm derzeit in der Erweiterungsphase des Ausbaus eines Deutsch-irakischen Zentrums zur Aus- und Fortbildung von Experten für den Kulturerhalt. Die Pflege des reichen kulturellen Erbe im Irak, aber auch die Herausforderungen durch die Zerstörungen durch den IS im Nordwesten des Irak wie in Nimrud und Mosul benötigen einen internationalen Austausch und gemeinsame Programme. In Zukunft wird es ein strukturiertes Programm der Aus- und Weiterbildung geben, das durch weitere Kooperationsprojekte vor Ort erweitert wird. 22 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 23

Am DAI wird seit sieben Jahren das Iraqi-German Summer Programme für irakische Studierende und Praktiker gemeinsam mit universitären und außeruniversitären Partnern durchgeführt. Derzeit wird das Programm zu einem deutsch-irakischen Zentrum zur Aus- und Fortbildung von Experten für den Kulturerhalt erweitert. CAPACITY BUILDING Foto: van Ess Zentral ist hier, für die Arbeit vor Ort die Außenstelle des DAI in Bagdad als sichtbaren Knotenpunkt des deutsch-irakischen Studien- und Ausbildungszentrums zu nutzen. Ziel ist es zudem, im Rahmen dieser Programme zur Aus- und Weiterbildung auch die Praktiker der Antikenbehörden und Museen einzubeziehen, um über eine Professionalisierung zur Stabilisierung der Strukturen beizutragen. Das Programm ist in bestehende Kooperationsverträge des DAI mit den Universitäten Bagdad und Kufa eingebunden, die gemeinsame Lehr- und Praxis-Programme vorsehen. Darüber hinaus ist ein irakisch-deutsches Zentrum für Archäologie in Bagdad im Aufbau, mit dem die irakische Seite sowohl die wissenschaftliche als auch die didaktische Komponente der Kooperationen ausbauen will. Alle Maßnahmen werden in einem deutsch-arabischen Handbuch zusammengetragen. Hierbei wird eine Vernetzung mit einem ähnlichen Projekt der Orient-Abteilung, Außenstelle Sanaa betrieben, die ein arabisches Best-Practice-Handbuch zum Umgang mit Kulturgut erarbeitet hat. Bereits von Herbst 2012 bis Ende 2013 haben die Außenstelle Sanaa der Orient-Abteilung und die GIZ gemeinsam mit dem jemenitischen Social Fund for Development ein Fortbildungsprogramm vor Ort durchgeführt. Wegen der angespannten Sicherheitslage wurde die Arbeit vorerst auf die gemeinsame Erarbeitung eines englisch-arabischen Handbuches verlagert, in dem die wichtigsten Richtlinien und Maßnahmen für den Umgang mit Kulturgut, dessen Dokumentation und digitale Archivierung in einer auf den Jemen zugeschnittenen Form bereitgestellt werden. Unterstützt wird das Vorhaben vom Auswärtigen Amt. Trainingsprogramme und Praktika Wichtige Teilnehmer im Archaeological Heritage Network sind jene Einrichtungen, die Deutschland übergreifend die Kompetenzen im Bereich des Cultural Heritage bündeln. Sie führen an ihren Einrichtungen wichtige Trainingsprogramme durch und verfügen über institutionelle Erfahrung. So organisiert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz DenkmalAkademien, in deren Mittelpunkt die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften steht sowie Jugendbauhütten für den Nachwuchs. Die im Verband der Landesarchäologen (VLA) und der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger (VLD) zusammengeschlossenen Institutionen verfügen über umfassende Expertise für Trainingsprogramme und Praktika im Bereich Architektur, Kunstgeschichte, Archäologie und Restaurierung. Auch in Deutschland bestehen somit zahlreiche Möglichkeiten, syrische Flüchtlinge durch Weiterbildung einerseits, aber auch für ihre Zukunftsgestaltung andererseits zu unterstützen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist die größte private Initiative für Denkmalpflege in Deutschland. Sie setzt sich bundesweit unabhängig für den Erhalt bedrohter Baudenkmale aller Arten ein. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist der größte private Fördergeber für Denkmalerhalt in Deutschland. Darüber hinaus ist es ein Wissenszentrum für Denkmaltheorie und Denkmalpraxis. Die DenkmalAkademie ist das Bildungsinstitut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zur berufsbegleitenden Weiterbildung in der Denkmalpflege. Der Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland e.v. (VDL) Der Verband der Landesarchäologen wurde 1949 gegründet. Ihm schlossen sich nach der Wiedervereinigung 1989 die Landesarchäologen der neuen Bundesländer an. Ziel des Verbandes ist es, den Vertretern der Landesarchäologien eine gemeinsame Plattform für den Erfahrungsaustausch und die fachliche Diskussion zu Fragen der archäologischen Denkmalpflege zu bieten. Der Vorstand des Verbandes vertritt die Interessen der archäologischen Denkmalpflege bei verschiedenen Gremien, so z. B. im Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) und bei der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK). Vereinigung der Landesdenkmalpfleger (VDL) Seit 200 Jahren ist es die Aufgabe der staatlichen Denkmalpflege, das historische Erbe für nachfolgende Generationen zu erhalten. Die wissenschaftliche Erfassung der Bau- und Kunstdenkmale setzte 1870 mit dem Denkmalinventar für die Provinz Hessen-Kassel ein. Ein Meilenstein war der erste deutsche Denkmaltag 1900 in Dresden. Die Tradition der Denkmaltage wird heute mit den Jahrestagungen der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger fortgeführt. 1899 wurde die Zeitschrift Die Denkmalpflege begründet, die bis heute über die Arbeit der Denkmalpflege in den deutschen Bundesländern berichtet. Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 7th Iraqi-German Summer Programme besuchen Ausgrabungen an der Moschee des Kriegsgefangenenlagers Wünsdorf aus dem 1. Weltkrieg. Foto: van Ess 2015 KOLDEWEY-GESELLSCHAFT VEREINIGUNG FÜR BAUGESCHICHTLICHE FORSCHUNG E.V. Koldewey-Gesellschaft Vereinigung für baugeschichtliche Forschung e.v. Die Koldewey-Gesellschaft versteht sich als Akademie wissenschaftlichen Austauschs für alle Gebiete baugeschichtlicher Forschung bis hinein ins 20. Jahrhundert. Ihre Ziele sind die Förderung und Pflege von Arbeiten auf allen Gebieten der Bauforschung und Ausgrabung sowie die Mitwirkung bei Fragen der Kunst- und Denkmalpflege, die Beteiligung geschulter Architektinnen und Architekten an solchen Forschungen in mitverantwortlicher Leitung, die Ausbildung auf dem Gebiet der Bauforschung, die Aufnahme und Pflege ausländischer Verbindungen mit dem Ziel einer internationalen Zusammenarbeit. Ohne eine genaue Dokumentation und Erforschung eines Bauwerkes ist eine Entscheidung über Wiederaufbau nicht sinnvoll zu treffen. 24 _ archäologie weltweit sonderausgabe 2016 archäologie weltweit sonderausgabe 2016 _ 25