Anwendung radioaktiver Isotope in den Geowissenschaften 39 Ar und 85 Kr Ausarbeitung zum Oberseminar von Solveig Meister Datum: April 2000 Die Edelgase Argon und Krypton bilden mehrere stabile und radioaktive Isotope. Die meisten werden unter Einwirkung kosmischer Strahlung gebildet, einige werden aber auch verstärkt antropogen eingetragen. Edelgase sind inert, gehen also kaum Reaktionen mit der Umwelt ein. Aufgrund dessen sind sie als Tracer in der Atmos- und Hydrosphäre von großem Interesse. Sie markieren die Umwelt mit einer bestimmten Zeitinformation die meßtechnisch erfaßt werden kann. Ihre Konzentration in der Umwelt hängt von der jeweiligen Zerfallszeit, der Strahlungsrate und Lösungs- bzw. Dispersionsvorgängen ab. Die Anwendung radioaktiver Edelgase in der Umwelt ist begrenzt, da die Messung der Aktivitäten teilweise enorme Probemengen und hochspezialisierte Technik erfordert. Nur wenige Labors weltweit führen Messungen dieser Art durch. Im Folgenden soll auf die 2 radioaktiven Edelgase 39 Ar und 85 Kr eingegangen werden.
39 Argon Das Edelgas Argon bildet stabile und radioaktive Isotope mit Atommassen von 33 bis 44. Das radioaktive Isotop 39 Ar wird in den Geowissenschaften hauptsächlich zur Bestimmung der mittleren Verweilzeit von alten Grundwässern verwendet. Alter von 100 bis 1000 Jahren können relativ genau ermittelt werden. 39 Ar-Datierungen decken den Datierungszeitraum der zwischen der Tritium- und der Radiokarbonmethode liegt. Als Edelgas kann Argon wie ein idealer Tracer behandelt werden. Da es kaum Reaktionen mit der Umgebung eingeht sind an den Meßergebnissen keine Korrekturen vorzunehmen. Bildung und Vorkommen von 39 Ar natürliche und antropogene Bildung möglich kosmogene Bildung: unterirdische Bildung: - in der oberen Atmosphäre - energiereiche Nukleonen wirken auf 40 Ar Kerne (CLARK & FRITZ 1997) 40 Ar + n 39 Ar + 2n - im Gestein vorhandenes Argon wird verändert - 40 K kann zu 39 Ar umgewandelt werden (FÖRSTER 1987) - Umwandlung abhängig von U, Th und K -anteilen im Boden - für Kernreaktionen maßgebliche Neutronenraten stammen aus Zerfällen der Uran- und Thoriumreihen im Gestein antropogene Bildung: - nur < 0,005 dpm/l vom Gesamtgehalt (CLARK & FRITZ 1997) - Bildung bei nuklearen Prozessen - keine wesentliche Produktion durch Kernwaffentests Die 39 Ar -Konzentration in der Atmosphäre ist seit den letzten 1000 Jahren mit Schwankungen bis max. 7% konstant. 7% entsprechen ca. 30 Jahren. Diese Diskrepanz ist in der Altersbestimmung alter Grundwässer generell vertretbar (CLARK & FRITZ 1997). Da der natürliche Input annähernd gleich geblieben ist kann man annehmen das auch die Intensität der kosmischen Strahlung in den letzten 1000 Jahren konstant geblieben ist (FRITZ & FONTES 1986). 2
Eigenschaften von 39 Ar T 1/2 269 Jahre, Datierungen alter Grundwässer zwischen 100 und 1000 Jahren mittlerer Verweilzeit nach 5 Zerfallszeiten ist Stabilität annähernd erreicht, entspricht ca.1400 Jahren Strahlungsart: β - E max : 565 kev Produktionsrate in oberer Atmosphäre : 56 Atome je m² und sec (STOLZ 1990) globales Inventar: 22kg (STOLZ 1990) niedrige spezifische Aktivität: 0,112 dpm/l (CLARK & FRITZ 1997) relativ hohe Konzentration in Atmosphäre durch ständige Neubildung und geringe Verluste durch Diffusion ins Weltall inert, keine chemischen und biologischen Reaktionen mit Aquifer ( idealer Tracer ) mit steigender Temperatur und Salinität nimmt Löslichkeit von Argon in Wasser ab, Effekt ist im Bereich Grundwasser jedoch gering (FÖRSTER 1987) Anwendung von 39 Ar Glaziologie Grundwasserdatierungen Ozeanforschung Ermittlung von Erosionsraten Meteorite Glaziologie Erste Anwendungen fand die Altersbestimmung mit 39 Ar in der Glaziologie. Das als Gas im Eis eingeschlossene Argon kann meßtechnisch erfaßt werden. Aus dem Vergleich der gemessenen Restaktivität und der rezenten Aktivität des 39 Ar in der Atmosphäre kann das Alter des Eises ermittelt werden. Die Messung erfordert allerdings ein enormes Eisvolumen (FRITZ & FONTES 1986). Diese Methode wird für arktische und antarktische Datierungen bis 1200 Jahre mit einem Fehler von 5% verwendet (GEYH & SCHLEICHER 1990). An der Universität Bern wurde eine Technik entwickelt die es ermöglicht Ar, CO 2 und gelöste Partikel aus den Eis zu extrahieren. Dazu wird in einer bestimmten Tiefe eines Bohrlochs das Eis geschmolzen und die freigesetzten Gase werden an die Oberfläche gepumpt. Die einzelnen Bestandteile der Gasprobe werden im Labor selektiert und gereinigt um dann eine Argonbestimmung durchzuführen (FRITZ & FONTES 1986). Grundwasserdatierungen Diese Technik wurde für Grundwasserdatierungen übernommen. Die ersten Messungen ergaben jedoch große Differenzen zwischen 39 Ar und 14 C bestimmten Altern. Eine mögliche Erklärung könnte die unterirdische Bildung von 39 Ar aus 40 K sein. Grobe Schätzungen zeigen das diese Produktion bis zu 0,4dpm/l Ar erbringen kann. Es kann bis zu einer 4fachen Erhöhung der Konzentration gegenüber der Atmosphäre führen und somit die Meßergebnisse stark beeinflussen. Ein weiterer Grund für die Unterschiede kann aber auch der 14 C Korrekturfaktor sein. Er repräsentiert nicht alle Prozesse die die 14 C Aktivität im Aquifer beeinflussen (FRITZ & FONTES 1986). 3
Ozeanforschung Die Anwendung von 39 Ar Datierungen in Ozeanen ermöglicht großräumige Untersuchungen zu Mischungs- und Zirkulationsvorgängen. Der Datierungszeitraum von 1000 Jahren deckt die Zirkulation in der Tiefsee (GEYH & SCHLEICHER 1990). Ermittlung von Erosionsraten Die kosmische Strahlung bewirkt an der Erdoberfläche eine Radioaktivität von Argon die zur Ermittlung von Erosionsraten genutzt werden kann. Die Aktivität des 39 Ar hängt vom 39 K- gehalt des Bodens, der Geländehöhe und der geographischen Position (Intensität der Strahlung) ab (FRITZ & FONTES 1986). Meteorite Die 37 Ar Aktivität in der Eisen-Nickel-Phase von Meteoriten reflektiert die kosmische Strahlungsintensität nahe der Erde kurz bevor der Meteorit in die Erdatmosphäre eintrat. Die Aktivität des 39 Ar repräsentiert die durchschnittliche Aktivität der kosmischen Strahlung im gesamten Umfeld des Meteoriten. Das Verhältnis beider kann zur Ermittlung räumlicher Gradienten der kosmischen Strahlung im Sonnensystem genutzt werden (FRITZ & FONTES 1986). Abb.1 zeigt Ergebnisse von Altersbestimmungen durch verschiedene Methoden. Alter zwischen 100 und 700 Jahren können anhand 39 Ar, 32 Si, und 18 O/ 16 O Messungen bestimmt werden. Die Abweichungen der Ergebnisse voneinander sind bei so großen Datierungszeiträumen akzeptabel. Abb.1: Altersbestimmungen durch 39 Ar, 32 Si, und 18 O/ 16 O Messungen 4
85 Krypton Das Edelgas Krypton bildet 2 radioaktive Isotope von hydrologischem Interesse. 81 Kr wird in der Datierung sehr alter Grundwässer (T 1/2 210a) angewendet. 85 Kr dagegen zur Datierung junger Grundwässer. Bildung und Vorkommen von 85 Krypton überwiegend antropogene Bildung, natürliches Level sehr gering antropogen: kosmogen: unterirdisch: - Nutzung von Kernenergie / Wiederaufbereitungsanlagen - das normale Inventar vor dem Nuklearzeitalter wurde auf etwa 14 Ci geschätzt, die aktuelle Aktivität ist 6mal höher - antropogenes 85 Kr ist Produkt von Spaltreaktionen in Kernreaktoren - beim jährlichen Wechsel der Brennstäbe werden die größten Mengen in die Atmosphäre entlassen - der Anteil aus Kernwaffentests ist kleiner 1% (HELD, SCHUHBECK & RAUERT 1992) - seit 1950 ist ein konstanter Anstieg in der Atmosphäre zu verzeichnen (CLARK & FRITZ 1997) - Neutronen aus kosmischer Strahlung reagieren mit stabilem 84 Kr, Neutronen werden aktiviert Der Anteil aus dieser Produktion ist sehr gering - durch spontane Spaltung von Uran und Thorium in der Erdkruste - nur in uranreichen Graniten nachgewiesen (PEARSON, LOOSLI, LEHMANN...1991) Eigenschaften von 85 Kr T 1/2 10,76a Strahlungsart: ß- max. Energie der Teilchen 670 kev (fast ausschließlich antropogen) schwer löslich, unter normalen Bedingungen (10 C, normaler Luftdruck) werden ca.80 µl Kr in 1000 l gelöst als Tracer in der Atmosphäre relativ stark radioaktiv: 920 dpm/mmol entspr.0,68 Bq/cm³ (nrdl.hemisphäre) kurzlebiger Tracer in der Hydrosphäre Die aktuelle Dosis des in der Umwelt enthaltenen Krypton ist weit entfernt vom MPC-Wert (max. permissible concentration). Es ergeben sich also keine Gesundheitsrisiken. Nur in unmittelbarer Umgebung von Wiederaufbereitungsanlagen ist Strahlenschutz notwendig (FRITZ & FONTES 1986). Die Verteilung der 85 Kr Gehalte in der Atmosphäre ist abhängig von der Rate des radioaktivem Zerfalls, der Art der Quelle und der global sehr inhomogen Ausbreitung. Alle hauptsächlichen antropogenen Eintragsquellen liegen in der nördlichen Hemisphäre. Durch 5
saisonale Schwankungen in der vertikalen Luftmischung können Konzentrationsschwankungen von 40-80 dpm/mmol auftreten (FRITZ & FONTES 1986). Endgültig kann jedoch nur festgehalten werden das das 85 Kr in der nrdl. Hemisphäre in höheren Konzentrationen vorkommt. Abb.2 stellt die Ergebnisse verschiedener Messungen dar. Abb.2 : 85 Kr Konzentrationen in der nördlichen und südlichen Hemisphäre Jährlich gehen etwa 0,1% von der Atmosphäre in die Hydrosphäre über. Durch Diffusion gelangen 0,06% direkt in den Untergrund. 6
Anwendung von 85 Kr Auf Abb.3 ist der ansteigende Input von 85 Kr in der Atmosphäre im Vergleich mit der 3H Konzentration sichtbar. Auf der Grundlage dieses deutlichen Konzentrationsanstieges können auch Grundwässer von 5 Jahren und geringeren Altern datiert werden. Hierbei werden die gemessenen Konzentrationen den jeweiligen Konzentrationen der einzelnen Jahre zugeordnet. Abb.3.1.: 3 H Konzentrationen in der Atmosphäre Abb.3.2.: 85 Kr Konzentrationen in der Atmosphäre In der Abbildung ist weiterhin die deutliche Abnahme des Tritiumgehaltes in der Atmosphäre zu erkennen. Mit diesem sogenannten Bombentritium werden ebenfalls junge Grundwässer datiert. Da die Anwendung dieser Methode jedoch durch die Abnahme der 3 H-gehalte begrenzt ist wird die Datierung mit 85 Kr zunehmend wichtiger. 7
Die Messung von 85 Kr erfordert sehr viel Aufwand und eine komplizierte Meßapperatur. Deshalb können nur in wenigen Labors solche Verfahren durchgeführt werden. In Freiberg wird z.z. an einem Verfahren und der zugehörigen Meßapperatur für die 85 Krdatierung aus Wasserproben gearbeitet. Messungen dieser Art sind an der Uni Bern und in München bei der Gesellschaft für Strahlenschutz möglich. In Freiburg, München und Bern können 85 Kr-Konzentrationen in der Luft gemessen werden. Probennahme und Messung von 39 Ar und 85 Kr Zur Bestimmung von 39 Ar und 85 Kr werden sehr große Probemengen benötigt. Während für Argon 0,1-0,3 m³ Wasserprobe verwendet werden, benötigt die Bestimmung von 85 Kr ca.15m³ Probemenge. Durch die Methode der Vakuumextraktion ist es möglich (HELD, SCHUHBECK&RAUERT 1992) vor Ort nur die gelösten Gase zu entnehmen um sie später im Labor zu analysieren. Das entnommene Wasser wird unter Druck in ein Vakuum gesprüht. Die ausweichenden Gase werden in Stahlzylindern komprimiert und können so ins Labor gebracht werden. In den 70er Jahren wurden die Gase durch Erhitzen der Wasserprobe auf etwa 95 C extrahiert. Bei der neuen Methode nach Held et al. (1991) wird das Ausgasen der Probe mit einer Heliumdurchspülung erreicht. Bei der Probennahme aus Eis wird das Eis in der gewünschten Tiefe des Bohrlochs geschmolzen und zur Extraktionsapperatur hinauf gepumpt. Vorteil der Vakuumextraktion ist die verminderte Menge die entnommen und ins Labor gebracht werden muß. Nachteilig ist bei diesem Verfahren der langwierige Ablauf der Probennahme, der einen ganzen Tag dauern kann. Die einzelnen Inhaltstoffe müssen im Labor über Absorption, Aktivkohlefilter und chemische Reinigungsprozesse separiert werden. Dazu wird das Gas durch eine Extraktionsapperatur geschickt. Beim Durchlauf durch verschiedene Kühlzellen werden H 2 O und CO 2 abgetrennt. Auch Methan kann so durch einfrieren separiert werden. O 2 und N 2 werden an Barium oder Lithium in einem Oxidationsofen bei 400-600 C gebunden. Im Chromatographen werden Argon und Krypton voneinander getrennt. Krypton wird im low-level-counter gemessen, da aufgrund der geringen Aktivität die Impulse vervielfacht werden müssen. Die Argonmessung im Massenspektrometer kann 1-2 Tage dauern. 8
ZUSAMMENFASSUNG 39 Ar und 85 Kr sind zwei Isotope von zunehmend größer werdendem Interesse. Beide eigenen sich, da sie als Isotope von Edelgasen inert sind sehr gut zur Altersbestimmung von Grundwässern. Die Altersbestimmung mit Ar 39 füllt die Bestimmungslücke zwischen der 3 H- (T 1/2 12,4 a) und der 14 C-Methode (T 1/2 5730 a). 85 Kr kann die 3 H-methode ersetzen, die in Zukunft weniger angewendet werden wird. Für die Messungen beider Elemente müssen die in Wasser gelösten Gase aus einem relativ großen Probenvolumen extrahiert werden. Durch Vakuumextraktion wird dieser Vorgang insitu ermöglicht. Die im Vakuum aufbewahrten Gase werden im Labor voneinander getrennt. Argon und Krypton werden im Chromatographen seperiert und per Massenspektrometrie oder low-level-counter gemessen. 9
Literaturverzeichnis CLARK, IAN & FRITZ, PETER (1997): Environmental Isotope in Hydrology, Lewis Publishers, NewYork, Boca Raton, pp.191-194 FRITZ, P. & FONTES. J. CH. (1986): Handbook of Environmental Isotope, Geochemistry Vol.2, Elsevier, Amsterdam-Oxford-New York-Tokyo, pp.481-500 GEYH, M. A. & SCHLEICHER, H. (1990): Absolute Age Determination, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona, pp.201-203, pp.338 ff PEARSON, BALDERER, LOOSLI, LEHMANN, MATTER, PETERS, SCHMASSMANN & GAUTSCHI (1991) Studies in Environmental Science 43 - Applied Isotope Hydrogeology A case study in northern Switzerland, Elsevier, Amsterdam-Oxford-New York-Tokyo, pp.157-165, pp.266-272 GEYH, H. (1983): Physikalische und chemische Datierungsmethoden in der Quartärforschung, Clausthaler Tektonische Hefte 19; Verlag Ellen Pilger, Clausthal Zellerfeld STOLZ, WERNER (1990): Radioaktivität, Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig HELD, SCHUHBECK & RAUERT (1992): Applied Radioktive Isotopes, Vol. 43, No.7, A simplified Method of 85Kr Measurement for Dating young Groundwaters, Pergamon Press Ltd., Great Britain, pp.939-942 FÖRSTER, M. (1987): Forschungsbericht 39Ar-Datierungen, Neuherberg bei München, unveröffentlicht 10