Referenden zu europapolitischen Themen in der Bundesrepublik Deutschland Rechtliche Voraussetzungen der Einführung von mehr direkter Demokratie

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Referenden zu europapolitischen Themen in der Bundesrepublik Deutschland Rechtliche Voraussetzungen der Einführung von mehr direkter Demokratie 2013 Deutscher Bundestag

Seite 2 Referenden zu europapolitischen Themen in der Bundesrepublik Deutschland Rechtliche Voraussetzungen der Einführung von mehr direkter Demokratie Verfasser/in: Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: 6. Juni 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: en und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin.

Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Formen der Bürgerbeteiligung 4 3. Geltende Rechtslage zu Referenden in Deutschland 4 4. Vorgaben des Grundgesetzes zur Einführung einer Volksabstimmung auf Bundesebene 5 5. Exkurs: Verfassungsrechtliche Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG 6

Seite 4 1. Einleitung Der Gedanke, den Fortschritt europäischer Integration auch durch direkte Bürgerbeteiligung in Deutschland zu legitimieren, ist nicht neu, gibt aber immer wieder Anlass zu politischer Diskussion. In der wird geprüft, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu wichtigen Weichenstellungen bei der Entwicklung der EU befragt werden könnten. Dazu werden Formen der Bürgerbeteiligung dargestellt und untersucht, welche in der Bundesrepublik Deutschland einfachgesetzlich einführbar sind und welche nur mit Grundgesetzänderung möglich wären. 2. Formen der Bürgerbeteiligung Es gibt verschiedene Erscheinungsformen direkter Demokratie 1, die u.a. allgemein mit Begriffen wie Plebiszit bzw. Referendum umschrieben werden. Im Hinblick auf die hier zu prüfende Frage, ob solche direktdemokratischen Elemente auf Bundesebene auch in Deutschland - etwa bei wichtigen europapolitischen Entscheidungen - eingeführt werden könnten, ist insbesondere zwischen den Kategorien konsultativ und bindend zu unterscheiden. 2 Ein bindendes Referendum bewirkt, dass die Sachfrage abschließend beantwortet ist. 3 Konsultativ bedeutet, dass lediglich ein Stimmungsbild des Wahlvolkes wiedergegeben wird, die Volksabstimmung aber keinen verbindlichen Charakter hat, d.h. die Staatsorgane frei entscheiden können, inwieweit das Volksabstimmungsergebnis umgesetzt wird. 4 3. Geltende Rechtslage zu Referenden in Deutschland Während in den Verfassungen der Bundesländer plebiszitäre Elemente enthalten sind 5 und auch in der Praxis Anwendung finden, ist auf Bundesebene der Volksentscheid explizit allein in Art. 29 und 118a GG zur Neugliederung der Länder vorgesehen und auch im Rahmen des Art. 146 GG zur Schaffung einer neuen Verfassung eröffnet. 6 Das Grundgesetz basiert im Übrigen auf der mittelbaren Ausübung von Staatsgewalt (repräsentative Demokratie). Es ist aber prinzipiell offen 1 Zu den weiteren vielfältigen Begrifflichkeiten (z.b. Volksgesetzgebung, Volksentscheid, Volksbefragung) in diesem Bereich siehe:, Könnte eine konsultative Volksbefragung auf Bundesebene durch ein einfaches Bundesgesetz eingeführt werden oder bedürfte es dazu einer Änderung des Grundgesetzes?, Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, WD 3 3000 240/11 vom 5.7.2011, S. 3. 2 Decker, Andreas, Änderungen Europäischen Primärrechts und Plebiszit in Deutschland, BayVBl. 2011, S. 129 ff. (130). 3 Hölscheidt, Sven/Menzenbach, Steffi, Referenden in Deutschland und Europa, Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2009, S. 777 ff. (777). 4 Hölscheidt, Sven/Menzenbach, Steffi, Referenden in Deutschland und Europa, Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2009, S. 777 ff. (777). 5 Vgl. z. B. Art. 71 f. BayVerf.; Art. 124 Abs. 1 HessVerf.; Art. 70 Abs. 1 a BremVerf.; Art. 67a f. NRWVerf.; Art. 60 Abs. 2 und 3 BadWürttVerf.; Art. 114, 115 RhPfVerf.; Art. 70 Abs. 2 SächsVerf. 6 Scholz, Rupert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 2013, Art. 118a, Rn. 7.

Seite 5 für direktdemokratische Elemente. 7 So nennt es neben Wahlen ausdrücklich auch Abstimmungen als eine Form der Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk (Art. 20 Abs. 2 GG). Die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren gemäß Art. 76 ff. GG stehen einer Einführung von konsultativen plebiszitären Elementen nicht entgegen. 8 Da hierfür nach herrschender Auffassung ein ausdrücklicher Verfassungsvorbehalt nicht ersichtlich ist 9, könnte ein solches durch einfaches Bundesgesetz eingeführt werden, sofern es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Ein konsultatives Referendum wäre mit der in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG verankerten Volkssouveränität vereinbar. 10 Ein solches darf nicht das in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG geschützte freie Mandat des Abgeordneten beeinträchtigen. Ein Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG läge vor, wenn der durch eine Volksbefragung entstehende faktische Druck auf den Abgeordneten derart groß wäre, dass er sich an die Entscheidung gebunden fühlt. Eine konsultative Volksbefragung entfaltet aber gerade keinen rechtlichen Bindungswillen, sondern liefert lediglich eine politische Entscheidungshilfe. So belegen Erfahrungen mit den in Anwendung des Art. 29 GG durchgeführten Territorialplebisziten, dass Volksbefragungsergebnisse nicht zwingend eine Vorwegnahme der politischen Entscheidung herbeiführen. 11 Insofern ist Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht verletzt; anderweitig entgegenstehendes höherrangiges Recht ist nicht ersichtlich. Es wäre also möglich, konsultative Plebiszite vor wichtigen Weichenstellungen in der EU durch ein einfaches Bundesgesetz - also ohne Verfassungsänderung - einzuführen. 12 4. Vorgaben des Grundgesetzes zur Einführung einer Volksabstimmung auf Bundesebene Sofern nicht nur konsultativ die Meinung des Volkes in Erfahrung gebracht wird, sondern das Volk bindend für die Staatsorgane entscheiden soll, muss das Grundgesetz dagegen geändert werden. 13 Dies gilt für jedes bindende Referendum, ungeachtet der Materie, über die zu befinden ist, also auch in europapolitischen Fragen. 7 Decker, Andreas, Änderungen Europäischen Primärrechts und Plebiszit in Deutschland, BayVBl. 2011, S. 129 ff. (131, 132). 8 Grzeszick, Bernd, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 2013, Art. 20, Rn. 114; Herbst, Tobias, Volksabstimmung ohne Grundgesetz? - Erwiderung zu Elicker, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2005, S. 29 ff. (31); anderer Ansicht: Elicker, Michael, Verbietet das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2004, S. 225 ff. (227). 9, Könnte eine konsultative Volksbefragung auf Bundesebene durch ein einfaches Bundesgesetz eingeführt werden oder bedürfte es dazu einer Änderung des Grundgesetzes?, Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, WD 3 3000 240/11 vom 5.7.2011, S. 4. 10 Decker, Andreas, Änderungen Europäischen Primärrechts und Plebiszit in Deutschland, BayVBl. 2011, S. 129 ff. (131). 11, Könnte eine konsultative Volksbefragung auf Bundesebene durch ein einfaches Bundesgesetz eingeführt werden oder bedürfte es dazu einer Änderung des Grundgesetzes?, Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, WD 3 3000 240/11 vom 5.7.2011, S. 5. 12 Grzeszick, Bernd, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 2013, Art. 20, Rn. 114. 13 Grzeszick, Bernd, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 2013, Art. 20, Rn. 113.

Seite 6 Eine Ergänzung des Grundgesetzes um direktdemokratische Elemente ist in der Vergangenheit mehr als zwanzigmal versucht worden, aber bisher immer gescheitert. 14 Beinhaltet eine bestimmte europapolitische Entscheidung zugleich eine Hoheitsrechtsübertragung des Bundes auf die EU und/oder gar Änderungen der vertraglichen Grundlagen der EU nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG, so wäre für diese Fälle zu den nach den genannten Bestimmungen erforderlichen Gesetzen zusätzlich auch ein Referendum denkbar. 5. Exkurs: Verfassungsrechtliche Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG Ungeachtet der Frage, ob Referenden zu europapolitischen Entscheidungen eingeführt werden könnten, ist grundsätzlich zu beachten, dass nationale Entscheidungsrechte unter der Geltung des Grundgesetzes nicht unbeschränkt auf die EU übertragbar sind. Das BVerfG sieht die Verfassungsidentität des Grundgesetzes durch Art. 79 Abs. 3 GG vor einer Aushöhlung durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU geschützt. 15 Diese Bestimmung verbietet u.a. die prinzipielle Aufgabe des Demokratieprinzips (Art. 20 GG). Im Hinblick auf für die nationalen Haushalte weitreichende Entscheidungen auf EU-Ebene ist daher folgendes zu bedenken: Nach Auffassung des BVerfG verbietet das Grundgesetz, dass die Festlegung über Art und Höhe der den Bürger treffenden Abgaben in wesentlichem Umfang auf die EU übertragen werde. Der Deutsche Bundestag müsse dem Volk gegenüber verantwortlich über die Summe der Belastungen der Bürger entscheiden. 16 Andernfalls liege eine das Demokratieprinzip und das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag in seinem substantiellen Bestimmungsgehalt verletzende Übertragung des Budgetrechts des Bundestages vor. 17 Ein eventuelles Überschreiten der soeben dargelegten Grenzen durch künftige Entscheidungen auf EU-Ebene kann nicht über die Einführung des Referendum in das Grundgesetz geheilt werden. Der hier denkbare Weg wäre allenfalls die Schaffung einer neuen Verfassung über Art. 146 GG, die im Wege der Volksabstimmung zu beschließen wäre. gez. gez. 14 Siehe z.b. BT-Drs. 16/474, BT-Drs. 16/680, BT-Drs. 16/1411. 15 BVerfGE 123, 267, 347. 16 BVerfGE 123, 267, 347. 17 BVerfGE 123, 267, 362.