Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck

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Transkript:

Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Sonntag, 24. Juli 2016, 10.30 Uhr Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck Predigt im Pontifikalamt anlässlich des 500. Rellinghauser St. Annenfestes - 16. So im Jk C / Votivmesse von der Heiligen Eucharistie Sonntag, 24. Juli 2016 - Kapelle St. Anna, Essen-Rellinghausen Texte: Ex 16,2-4. 12-15; 1 Kor 10,16-17; Mk 14,12-14.22-26. Liebe Mitbrüder im geistlichen Amt, liebe Schwestern und Brüder, liebe Festgemeinde! I. Eine Darstellung der hl. Anna, die dem heutigen Fest ihren Namen gegeben hat, zeigt sie mit Maria als Kind, die das Lesen lernt. Sie schaut dabei in ein Buch, das Anna ihr zeigt. Das Bild hat einen tiefen Sinn. Maria lernt das Wort Gottes zu lesen, d.h. sie lernt Jesus tiefer zu verstehen, dessen Mutter sie werden wird. Dieses Andachtsbild, das sich vor der Kapelle im Essener Bischofshaus befindet, erinnert mich Tag für Tag daran, in der Bibel zu lesen und Gottes Wort immer mehr und besser zu verstehen, damit es in mir wächst, in den Spuren der Maria, in der Gottes Wort selbst Mensch geworden ist. Die hl. Mutter Anna, die Maria das Wort der Heiligen Schrift hinhält, ist mir dabei Erinnerung an die Vielen, die mir geholfen haben, in das Geheimnis der Heiligen Schrift einzudringen, die Bibel besser zu verstehen und Tag für Tag aus Gottes Wort zu leben. Dabei bin ich dankbar für die Vielen, die anderen heute helfen, Gottes Wort zu verstehen und so ihrem Christsein einen tieferen Grund zu geben, nämlich Jesus selbst, der in uns Gestalt annehmen will. An dieser einfachen Skulptur im Bischofshaus lerne ich: Christ sein geht nie ohne von Gott und seinem Wort berührte Menschen. 1

II. Das heutige Fest trägt seinen Titel wegen besonderer geschichtlicher Vorkommnisse im Jahr 1516, als am Fest des hl. Jakobus, dem früheren Patron der Kirche von Rellinghausen, geweihte Hostien gestohlen und an dieser Stelle in einen Dornbusch geworfen wurden. Sie wurden hier durch einen Schäfer entdeckt und wieder in die Pfarrkirche zurückgebracht. Mit der eucharistischen Prozession nach der Heiligen Messe gehen wir, zumindest symbolisch, diesen Weg noch einmal zurück zur Pfarrkirche, die nach dem 30-jährigen Krieg das Patronat des bei den Niederländern so beliebten hl. Lambertus annahm, auch, um sich gegen die Spanier mit ihrem Landespatron, dem hl. Jakobus, abzusetzen. An der Erzählung von der Auffindungsgeschichte der Hostien ist besonders der Ort von Bedeutung. Die geweihten Hostien werden in einem Dornbusch gefunden. Es ist Mose, so wird berichtet, der auf dem Berg Sinai an einem Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt, eine existentielle Gotteserfahrung macht und Gott wie ein Feuer erfährt (vgl. Ex 3,2-3). Er erkennt, wer und wie Gott ist. Reine Gegenwart und der Gott der Sendung. Beides gehört zur Gotteserfahrung des Mose: das Feuer der Gegenwart Gottes und seine Sendung durch Gott zu seinem Volk und somit zu den Menschen. Der Gottesname, der dem Mose dabei offenbart wird, ist der Name Gottes über allen Namen. Er lautet: Ich bin der Ich-binda. (Ex 3,14). Gottes reine Gegenwart ist das Geheimnis des Gottes, an den wir glauben, eine Gegenwart, die das Leben eines jeden Glaubenden prägt und ihn zu den anderen sendet. Hier ist vorgebildet, was das Leben Jesu und seine Bedeutung für uns ausmacht. Jesus ist Gottes reine Gegenwart unter und für uns Menschen. Er, unser Heiland, ist als er selber da und schickt uns in die Welt. Den Fund der Eucharistie im Dornbusch hier in Rellinghausen können wir in einem solchen Zusammenhang als ein Zeichen für uns Christen deuten. Wir leben aus der reinen Gegenwart Gottes, die sich uns in der Eucharistie schenkt und uns zu den Menschen sendet. In dieser kleinen, für diesen Ort bedeutsamen Episode ist zusammengefasst, was die Grundbotschaft der Bibel uns sagt: In Christus ist Gottes Gegenwart unter uns und sendet uns. Auf diesem Weg sollen wir lernen, Gottes reine Gegenwart zu erkennen und uns senden zu lassen, damit andere erkennen: Gott ist unsere Mitte. Gott lebt in der Tiefe unseres Herzens. 2

III. Der Ort, an dem wir heute Morgen das St. Annenfest feiern, wurde im letzten Jahrhundert ein Ort des Kohlebergbaus, der viele Menschen geprägt hat, schlug doch im Kohlebergbau das Herz des Ruhrgebiets. Dieser Ort ist darum auch ein Hinweis auf die Verortung unseres Glaubens. Er gehört mitten in die Welt und in die Vollzüge menschlichen Daseins, in die Herausforderungen des Alltags, also auch in die Welt der Arbeit, der Mühen, Sorgen und oft schwierigen Entwicklungsprozesse, die sich damals durch die Industrialisierung, heute durch die Modernisierung und die Globalisierung zeigen. Genau hier verorte ich den Auftrag, den wir als Kirche haben, die wir ganz aus der Gegenwart Gottes leben und zu den Menschen gesendet sind. Gerne erinnere ich mich mit Ihnen an die fünfhundert Jahre, die diesem Ort eine besondere religiöse Bedeutung gegeben haben, aber mehr geht es mir um die Gegenwart und um die Wirklichkeit des Lebens mit Gott heute. Darum, dass wir Christen als Kirche eine Sendung haben, nämlich selber von der Gegenwart Gottes ergriffen, den Menschen Zeugnis davon zu geben, dass Gott da ist. Wir sind der Überzeugung, dass Gott nicht fern ist. Für viele aber, mit denen wir heute leben, spielt Gott als eine Wirklichkeit, die zu uns spricht, die uns herausfordert, die uns in unserem Tun bestimmt und durch die Zehn Gebote auf einen sittlich guten Weg bringen will, keine große Rolle mehr. Viele Menschen suchen wohl nach dem, was Viele Sinn nennen, oder den Horizont unseres Lebens, oder den Urgrund unseres Seins. All das redet auch von Gott. Doch wir Christen sind der Überzeugung: Gott ist reine Gegenwart. Wir Katholiken sagen, diese reine Gegenwart Gottes zeigt sich uns in der Eucharistie, die wir jetzt feiern und uns zugleich Einladung ist, um dieser Gegenwart Gottes willen bei den Menschen zu sein und den Glauben nicht für uns, sondern für andere und mit anderen zu leben. Für Viele, die mit uns in der Kirche leben, ist es nicht leicht, sich vorstellen zu können, wie es ist, ohne Gott zu leben, erst recht sich vorstellen zu können, dass Menschen von sich sagen, es fehle ihnen Gott nicht. Mehr als Worte wirkt darum unser eigenes Leben und die Überzeugungskraft unserer Persönlichkeit. So geben wir Zeugnis von unserer Lebensüberzeugung, dass wir nicht ohne Gott sein können, nicht ohne Gott sein wollen und ganz aus Gottes Gegenwart leben, als Katholiken dankbar dafür, dass wir dies im Geheimnis der Eucharistie gegenwärtig halten. Das ist für uns die tiefe Mitte unseres gläubigen Lebens, die sich aber immer wieder existentiell erschließen muss, um zu zeigen, was wir im Sakrament bekennen: Gott ist da für jeden und in jedem! 3

IV. Das 500. St. Annenfest wird mir so zu einer Einladung zu einer neuen missionarischen Präsenz der Kirche mitten in der Welt. Dazu brauchen wir den Mut, die Welt und die Kirche zu sehen, wie sie sind. Dazu brauchen wir den Mut, uns auf das Neue unserer Wirklichkeit einzulassen, auf die neuen Familienzusammenhänge, auf die neuen Gemeinde- und Pfarrzusammenhänge, auf die neuen Weisen der Menschen, Kirche mitten in der Welt zu leben. In einer engen und beständigen Verbundenheit mit uns werden es in unserer Kultur in Zukunft wenige sein. Hoffen wir aber auf eine große Sympathisantenschar, auf Viele, die aufmerksam auf unsere Lebensweise sind. Wir selber brauchen ein weites Herz und einen weiten Geist, gespeist aus einem tiefen Glauben, der alle Menschen erreichen will. Gerade in einer Welt, in der viele jedes und alles kritisieren, sind wir Christen diejenigen, die mit einem Optimismus aus dem Glauben leben, der keine naive Schönfärberei unserer Welt ist, sondern Gott in allem suchen und finden wollen! V. Wie suchen und finden wir Gott in den Konkretheiten unseres Alltags? Auf zwei Perspektiven weise ich hin, die mir heute an diesem Ort von besonderer Bedeutung sind: 1. Die konkreten Entwicklungsprozesse unserer Pfarreien und Gemeinden, die wir in diesen Jahren zu bewältigen haben, zeigen deutlich, in welchen Veränderungsprozessen wir stehen. Einzig am Alten festzuhalten, bedeutet zu sterben; das Alte sich verwandeln zu lassen und auf Neues zuzugehen, bedeutet zu leben. Das führt uns in eine nicht leichte Schule des Glaubens. Die Veränderungsprozesse, die wir im Äußeren unseres kirchlichen Lebens erleben, sind mir ein dringlicher, uns von Gott selbst geschenkter Hinweis, uns spirituell zu erneuern. Ohne diesen Mut, wirklich neu nach Gottes Gegenwart Ausschau zu halten, ihn in jedem Menschen zu suchen und zu finden und zugleich zutiefst in den Geheimnissen unseres Glaubens verankert zu sein, wird es keine Erneuerung geben. Darum ist das für uns Katholiken oft immer noch ungewohnte Lesen in der Heiligen Schrift, das Kennenlernen von Gottes Wort, so wichtig. Es bedeutet, einfache Formen des Betens zu üben und Liturgien zu feiern, die ans Herz gehen und berühren. Es bedeutet, sich an jedem Sonntag zur Heiligen Messe zu versammeln und die Eucharistie lieben zu lernen. Für den religiös reiferen Menschen gehört dann die Anbetung hinzu, auch die Liebe zur Stille, um Gott in der Tiefe des eigenen Herzens als unsere eigentliche Gegenwart zu entdecken, von der wir 4

leben. Paulus beschreibt dies im Brief an die Galater revolutionär so: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir (Gal 2,20). Wir werden keine Kraft zu äußerer Veränderung haben, wenn wir nicht von innen her im Glauben neu gestärkt werden. Die wahre Perspektive dafür ist die, die mit unserem heutigen Fest verbunden ist, nämlich die der reinen Gegenwart Gottes, der so in uns lebt, wie er sich im brennenden Dornbusch und in der hl. Eucharistie zeigt. 2. Nicht müde zu werden, öffentlich als Christ zu bekennen, dass Gottes- und Nächstenliebe eins sind, gehört ebenso zu uns. Das immer wieder eindrückliche Evangelium vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) zeigt es uns. Die Frage Jesu, der im Gleichnis den Gesetzeslehrer fragt, wie denn Gottes- und Nächstenliebe zu leben sind, provoziert: Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? (Lk 10,36). Wer ist unser Nächster? Wem müssen wir uns zum Nächsten machen? Diese Art der Frage eröffnet eine neue Perspektive, nämlich den Menschen nicht zum Objekt unserer Sorge zu machen, sondern zum Subjekt seiner Würde und seiner Anliegen. Das dreht die Perspektiven der Caritas und der Diakonie in die richtige Richtung. Es geht nicht um uns, sondern um die, die in Not sind. Wen machen wir uns zum Nächsten? In unserer Region bedeutet das, sich der Arbeitslosen anzunehmen, der Menschen, die unter die Räder geraten, weil sie am Rande leben, sich um die vielen Alleinerziehenden mit ihren Kindern zu kümmern, für diejenigen da zu sein, die mit selbstständiger Arbeit nicht genügend Geld für den Alltag verdienen. Bedeutet, sich gemeinsam auf den Weg zu machen zu einer neuen Sozial- und Ordnungspolitik für unsere Region, um sie wieder attraktiv zu machen für Unternehmen, die verlässlich Arbeitsplätze schaffen. Bedeutet auch, sich für eine neue Verkehrspolitik einzusetzen, um die Wege in die Ruhrregion attraktiver zu machen. Dies hilft aber auch, den Mut zu haben, alte Seilschaften zu beenden und neue wirkungsvolle Netze zu knüpfen. Hier müssen wir uns zum Nächsten unserer in Not geratenen Region machen und nicht uns selbst der Nächste sein. Hier kann aus einer Gesinnung der Nächstenliebe eine Verantwortung für andere werden, die für uns Christen tief in unserer Überzeugung gründet, dass in jedem Menschen Gott entgegen kommt und wir darum Verantwortung für alle haben. So zeigt sich die Verschränkung einer christlichen Überzeugung und Gesinnung mit einer weltlichen Wahrnehmung von Verantwortung für alle und zwar im ganz Großen und im ganz Kleinen. 5

VI. Wir tragen nach der Heiligen Messe, in der in der Eucharistie Gott selbst gegenwärtig ist, wir also die Erfahrung des brennenden Dornbusches wie Mose machen, das Sakrament in einer Prozession zur Pfarrkirche St. Lambertus. Damit tragen wir zeichenhaft das Feuer des Glaubens in die Welt und mitten unter die Menschen. Gott lädt uns ein, mitten in der Welt und vor allem in den Menschen, ihn zu sehen und darauf zu vertrauen, dass Gott da ist (vgl. Ex 3,14). Diese Gegenwart Gottes stärkt uns, sie ist uns Ansporn, Ermutigung und Sendung. Wir sollen uns nämlich nicht fürchten vor der Welt, sondern sie mutig mitgestalten, wenn wir uns einmischen, so wie es Gott tut, der in Jesus Christus Mensch wird und in der Eucharistie ganz unter uns da ist. Amen. 6