Mathematik für ChemikerInnen I



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9.2. DER SATZ ÜBER IMPLIZITE FUNKTIONEN 83

Transkript:

Mathematik für ChemikerInnen I Prof. Dr. Ansgar Jüngel Institut für Mathematik Johannes Gutenberg-Universität Mainz Winter 26 unkorrigiertes Vorlesungsskript Inhaltsverzeichnis Motivation 3 2 Grundbegriffe 5 2. Mengen..................................... 5 2.2 Reelle Zahlen.................................. 6 2.3 Binomialkoeffizienten.............................. 8 2.4 Komplexe Zahlen................................ 3 Funktionen 5 3. Funktionen und ihre Inverse.......................... 5 3.2 Rationale Funktionen.............................. 6 3.3 Elementare Funktionen............................. 2 4 Vektoren und Matrizen 22 4. Vektoren..................................... 22 4.2 Matrizen..................................... 25 4.3 Der Gauß-Algorithmus............................. 3 4.4 Determinanten................................. 33 4.5 Lineare Unabhängigkeit............................ 36 4.6 Lösungstheorie linearer Gleichungssysteme.................. 38 5 Folgen und Reihen 4 5. Folgen...................................... 4 5.2 Reihen...................................... 45

6 Differentiation 5 6. Stetigkeit.................................... 5 6.2 Die Ableitung.................................. 5 6.3 Rechenregeln.................................. 53 6.4 Kurvendiskussion................................ 59 6.5 Satz von Taylor................................. 63 6.6 Lineare Regression............................... 67 7 Integration 7 7. Das bestimmte Integral............................. 7 7.2 Zusammenhang zwischen Differentiation und Integration.......... 74 7.3 Integrationsmethoden.............................. 75 2

Motivation In diesem Kapitel verdeutlichen wir anhand von Beispielen, daß die Sprache und die Methoden der Mathematik für das Studium chemischer Prozesse und Fragestellungen ein unentbehrliches Handwerkszeug darstellen. Beispiel. (Zerfall von Kaliumdichromat) Wird Kaliumdichromat K 2 Cr 2 O 7 auf über 5 C erhitzt, zerfällt es in Kaliumchromat K 2 CrO 4, Chromoxid Cr 2 O 3 und Sauerstoff O 2. Die Reaktionsgleichung lautet x K 2 Cr 2 O 7 x 2 K 2 CrO 4 + x 3 Cr 2 O 3 + x 4 O 2. Wir suchen Zahlen x,x 2,x 3,x 4, die diese Gleichung erfüllen. Natürlich sollte die Lösung ganzzahlig (und positiv) sein. Die linke Seite benötigt 2 x Kaliumatome (x K 2 ), die rechte Seite 2 x 2 Kaliumatome (x 2 K 2 ), d.h. 2x = 2x 2. Analog gilt 2x = x 2 + 2x 3 für die Bilanz der Chromatome und 7x = 4x 2 + 3x 3 + 2x 4 für die der Sauerstoffatome. Die Zahlen x,x 2,x 3,x 4 erfüllen also das Gleichungssystem 2x 2x 2 =, 2x x 2 2x 3 =, 7x 4x 2 3x 3 2x 4 =. (.) Man kann dieses System auch abkürzend durch Auflistung der Koeffizienten der linken Seite und der Komponenten der rechten Seite durch 2 2 2 2 und 7 4 3 2 (.2) formulieren. Wir nennen das erste Objekt Matrix und das zweite Objekt Vektor. In Kapitel 4 werden wir uns mit der Matrizen- und Vektorrechnung befassen und den Gaußschen Algorithmus zum Lösen linearer Gleichungssysteme kennenlernen. Beispiel.2 (Radioaktiver Zerfall) Eine radioaktive Substanz zerfalle im Laufe der Zeit. Wieviel Substanz ist zur Zeit t vorhanden? Sei N(t) die Menge der radioaktiven Substanz zur Zeit t. Aus der Physik ist bekannt, daß die Änderung N der Stoffmenge proportional ist zur Stoffmenge N(t) und zur Zeitspanne t. Nennen wir die Proportionalitätskonstante α < (sie ist negativ, da die Substanz zerfällt), so folgt N = αn(t) t. (.3) 3

Schreiben wir N = N(t + t) N(t), erhalten wir N(t + t) = ( α t)n(t) für alle t. Für t = ist für t = t N( t) = ( α t)n(), N(2 t) = ( α t)n( t) = ( α t) 2 N(), und allgemein für t = n t (n N) N(n t) = ( α t) n N() = ( αt ) n N(). n Was geschieht nun, wenn n immer größer wird? Für größer werdendes n nähert sich die Differenz αt immer mehr der Zahl Eins an, und man könnte wegen n n = denken, daß ( ) αt n n sich ebenfalls immer mehr der Eins nähert. Dies ist jedoch falsch! Es gilt ( αt ) n nähert sich für großes n e αt, (.4) n wobei e = 2.78288... die Eulersche Zahl ist. Mathematisch formulieren wir die Aussage (.4) als ( αt ) n strebt für n gegen e αt n oder in Zeichen ( lim αt ) n = e αt. n n Diesen Grenzwert ( limes ) definieren wir in Kapitel 5. In Kapitel 3 untersuchen wir die Exponentialfunktion e x. Die Stoffmenge zur Zeit t lautet also N(t) = e αt N(). In diesem Beispiel sind verschiedene mathematische Begriffe aufgetreten, die wir in den folgenden Kapiteln genauer definieren und erläutern werden, nämlich Grenzwerte und Funktionen. Außerdem werden wir Funktionen differenzieren und integrieren (siehe Kapitel 6 und 7). 4

2 Grundbegriffe 2. Mengen Die Gesamtheit von Objekten heißt Menge. Die einzelnen Objekte heißen Elemente der Menge. Beispiele von Mengen sind M = {, 2, 3, 4} M 2 = {Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff}, M = {5, 6, 7,...} = {x : x ist natürliche Zahl und x 5.} Die Reihenfolge der Elemente spielt bei Mengen keine Rolle, d.h. {, 2, 3, 4} = {3, 2, 4, }. Die leere Menge wird mit { } oder bezeichnet. Es gibt die folgenden Mengenoperationen. Definition 2. Seien A, B Mengen. () A heißt Teilmenge von B, kurz A B, wenn für alle x A auch x B folgt. (2) Gleichheit: A = B bedeutet A B und B A. (3) Vereinigung: A B = {x : x A oder x B}. (4) Durchschnitt: A B = {x : x A und x B}. (5) Differenz: A\B = {x : x A und x B}. Man sagt A ohne B. (6) Kartesisches Produkt: A B = {(x,y),x A,y B}. Beachten Sie, daß (x,y) ein geordnetes Paar ist, d.h., die Reihenfolge ist wichtig. Beispielsweise gilt (, 2) (2, ). (Aber {, 2} = {2, }!) Beispiel 2.2 Seien A = {, 2, 3}, B = {3, 4}. Dann folgt A B = {3}, A B = {, 2, 3, 4} (Elemente werden nur einmal aufgezählt), A\B = {, 2}. A B = {(, 3), (, 4), (2, 3), (2, 4), (3, 3), (3, 4)}. 5

(a) (b) (c) A B A B A (d) A B A\B A B A B (e) { B } {{ } A A B B Abbildung 2.: (a) Teilmenge; (b) Vereinigung; (c) Durchschnitt; (d) Differenz; (e) kartesisches Produkt. 2.2 Reelle Zahlen Die wichtigsten Mengen sind Zahlenmengen. Definition 2.3 N = {, 2, 3,...}. () Menge der natürlichen Zahlen: Die Menge der natürlichen Zahlen mit Null wird geschrieben als: N = N {} = {,, 2, 3,...}. (2) Menge der ganzen Zahlen: Z = {,,, 2, 2, 3, 3...}. (3) Menge der rationalen Zahlen: Q = { p q : p,q Z,q }. Die Brüche p und (4) Menge der reellen Zahlen: sind also nicht definiert. R = {g+r : g Z,r =,a a 2 a 3 = a + a 2 + a 3 +...,a,a 2,a 3, {,,...,9}}. Reelle Zahlen sind also Zahlen mit unendlicher Dezimalentwicklung. Beispiel 2.4 () Sei x =,... R. Wir wollen x als Bruch schreiben. Dafür schreiben wir x =,..., x =,... 6

Die Differenz lautet 99 x =, also x = 99 Q. (2) Es gibt auch Zahlen, die nicht als Bruch geschrieben werden können. Derartige Zahlen werden irrational genannt. Beispiele sind π und e (die Eulersche Zahl). Eine reelle Zahl ist also entweder rational oder irrational. Es gelten die folgenden Inklusionen: N N Z Q R. Definition 2.5 Seien a,b R. Die folgenden Mengen werden Intervalle genannt: () Abgeschlossenes Intervall: [a,b] = {x R : a x b}. (2) Rechts halboffenes Intervall: [a,b) = {x R : a x < b}. (3) Links halboffenes Intervall: (a,b] = {x R : a < x b}. (4) Offenes Intervall: (a,b) = {x R : a < x < b}. Man schreibt auch [a, ) = {x R : x a}, (,b) = {x R : x < b}, (, ) = R. Definiert man den Betrag x einer reellen Zahl durch { x für x x = x für x <, so ist [ a,a] = {x R : a x a} = {x R : x a}. Wir benötigen noch folgende Notationen: Das Zeichen bedeutet für alle. Das Zeichen bedeutet es existiert. Summe: Produkt: n a k = a + a 2 + + a n. k= n a k = a a 2... a n = a a 2...a n. k= 7

Beispiel 2.6 Die Schreibweise bedeutet ausgeschrieben: n N : n k = k= n(n + ) 2 n(n + ) Für alle n N gilt: + 2 + 3 + + n =. 2 Daß die Summe der ersten n natürlichen Zahlen gleich n(n+)/2 ist, können wir übrigens einfach einsehen, indem wir die beiden Zeilen addieren, denn dies ergibt a = + 2 + 3 + + n, a = n + (n ) + (n 2) + + 2a = (n + ) + (n + ) + (n + ) + + (n + ) = n (n + ), also a = n(n + )/2. 2.3 Binomialkoeffizienten In diesem Abschnitt beantworten wir die Frage: Wieviel Möglichkeiten gibt es, k Elemente von insgesamt n Elementen als Mengen zu schreiben? Sei etwa n = 5 und k = 2. Die Elemente seien die Ziffern, 2, 3, 4, 5. Dann gibt es 2 Möglichkeiten: 2 3 4 5 23 24 25 34 35 45 2 3 4 5 32 42 52 43 53 54 Allgemein: Wir haben n Möglichkeiten, ein. Element zu wählen. Greifen wir das. Element heraus, verbleiben n Möglichkeiten, ein 2. Element auszuwählen, n 2 Möglichkeiten für das 3. Element usw.: Definieren wir die Fakultät: so können wir schreiben: Anzahl: = n (n ) (n 2)... (n (k )). n! = n(n )(n 2)... 3 2 für n N und! =, n(n )(n 2)... (n (k ))(n k)(n (k + ))... 3 2 Anzahl = (n k)(n (k + )) 3 2 n! = (n k)!. 8

Nun wird die Reihenfolge der Elemente in einer Menge nicht unterschieden, d.h. {, 2} = {2, }. Die obigen 2 Möglichkeiten reduzieren sich auf die Möglichkeiten {, 2}, {, 3}, {, 4}, {, 5}, {2, 3}, {2, 4}, {2, 5}, {3, 4}, {3, 5}, {4, 5}. Allgemein: Die k! Möglichkeiten, k Elemente in einer Liste zu schreiben, müssen herausdividiert werden. Wir erhalten: Anzahl = n! (n k)!k!. Man nennt diesen Quotienten Binomialkoeffizienten und definiert ( ) n n! := für n,k N, n k. k (n k)!k! In unserem Beispiel gilt etwa ( ) 5 2 = 5! 3!2! = 5 4 3 2 3 2 2 =. Die Binomialkoeffizienten können übrigens rekursiv über das sogenannte Pascalsche Dreieck berechnet werden (siehe Abb. 2.2). k 2 3 4 5 n 2 2 3 3 3 4 4 6 4 5 5 5 Abbildung 2.2: Pascalsches Dreieck. Die Zahlen in der Tabelle erhält man durch Addition der direkt und links darüber liegenden Zahlen. Beispielsweise ist ( ) 5 = = 4 + 6. 3 9

Interessanterweise sind die Binomialkoeffizienten gerade die Koeffizienten nach Ausmultiplizieren des Produktes (a + b) n : (a + b) = a + b, (a + b) 2 = a 2 + 2 ab + b 2, (a + b) 3 = a 3 + 3 a 2 b + 3 ab 2 + b 3, usw. Dies motiviert das folgende Resultat. Satz 2.7 (Binomialsatz) Für a,b R und n N gilt: n ( ) n (a + b) n = a n k b k = k k= 2.4 Komplexe Zahlen Die Gleichung ( ) n a n + ( ) ( ) n n a n b + + ab n + n x 2 + = ( ) n b n. n besitzt keine reelle Lösung. Um diesem Umstand Abhilfe zu schaffen, erweitert man den Zahlenbegriff. Wir definieren eine neue Zahl i mit der Eigenschaft i 2 = (auch geschrieben als i = ). Definition 2.8 Die Zahl i mit i 2 = heißt komplexe Einheit. Die Menge der komplexen Zahlen ist definiert durch C = {z : z = a + ib, a,b R}. Wir definieren weiter für eine Zahl z = a + ib C: Realteil von z: Re (z) = a, Imaginärteil von z: Im (z) = b, konjugiert komplexe Zahl von z: z = a ib, Betrag von z: z = a 2 + b 2. Diese Definitionen können mit Hilfe der Gaußschen Zahlenebene veranschaulicht werden (Abbbildung 2.3). Die komplexe Zahl z wird als ein Ortsvektor dargestellt. Die konjugiert komplexe Zahl z ist der an der x-achse (oder Re -Achse) gespiegelte Vektor; der Betrag z ist die Länge des Vektors z. Benutzt man die Beziehung i 2 =, so kann man mit komplexen Zahlen so rechnen, wie man es von den reellen Zahlen gewohnt ist.

Im b z = a + ib r sin α r α r cosα a Re b z = a ib Abbildung 2.3: Gaußsche Zahlenebene. Beispiel 2.9 Seien z = 2 + 3i, z 2 = 2i C. Dann ist Addition: z + z 2 = 2 + 3i + 2i = 3 + i, Subtraktion: z z 2 = 2 + 3i + 2i = + 5i, Multiplikation: z z 2 = (2 + 3i)( 2i) = 2 + 3i 4i 6i 2 = 8 i, Division: z z 2 = 2 + 3i 2i = (2 + 3i)( + 2i) ( 2i)( + 2i) = 2 + 3i + 4i + 6i2 4i 2 = 4 + 7i + 4 = 4 5 +7 5 i. So wie man zweidimensionale Vektoren durch Angabe der Länge und des Winkels in Polarkoordinaten darstellen kann, ist dies auch für komplexe Zahlen möglich (Abbildung 2.3). Man schreibt für z = a + ib C wobei r = z = a 2 + b 2, also a = r cos α, b = r sin α, z = a + ib = r(cos α + i sin α), r >, α R. Eine dritte Darstellungsform komplexer Zahlen erhält man durch die Eulersche Formel e iα := cos α + i sin α.

Dann können wir für z C schreiben z = r(cosα + i sin α) = re iα. Der Vorteil dieser Formulierung ist, daß komplexe Zahlen einfach potenziert werden können: ( ) z n = (re iα ) n = r n e iαn = r n cos(nα) + i sin(nα). Die drei Darstellungsformen sind in Abbildung 2.4 zusammengefaßt. Komplexe Zahl Kartesische Form Polarkoordinaten Eulersche Form z a + ib r(cos α + i sin α) re iα Abbildung 2.4: Darstellung komplexer Zahlen. Die trigonometrischen Funktionen sind periodisch; daher ist = e i = cos + i sin = cos 2π + i sin 2π = e 2πi. (2.) Diese Beobachtung motiviert das Wurzelziehen komplexer Zahlen, denn w = z = (re iα ) /2 = re iα/2. Allerdings gibt es noch eine zweite Wurzel w 2 = re i(α+2π)/2, da aus (2.) folgt w2 2 = ( re i(α+2π)/2) 2 = re i(α+2π) = re iα e 2πi = re iα. Allgemein gilt: Satz 2. Sei z = re iα C, z. Dann existieren genau n verschiedene komplexe Zahlen w,...,w n C, die die Gleichung w n = z lösen. Sie lauten w k = n re i(α+2πk)/n, k =,...,n. Beispiel 2. () Sei z = = e iπ. Dann lauten die beiden Quadratwurzeln w = e iπ/2 = i und w 2 = e i( π+2π)/2 = e iπ/2 = i. Die Bezeichnung = z = i ist also etwas mißverständlich, da es ja zwei Wurzeln gibt. In beiden Fällen gilt i 2 = w 2 =, ( i) 2 = w2 2 =. (2) Wir suchen alle komplexen Wurzeln von z 3 = = e i. Sie lauten nach Satz 2. (siehe Abbildung 2.5) w = e πi/3 =, w 2 = e 2πi/3, w 3 = e 4πi/3. 2

Im i w 2 w w 3 Re Abbildung 2.5: Die dritten Einheitswurzeln. Wofür braucht man komplexe Zahlen? Wir geben zwei Antworten. Zum einen erlauben komplexe Zahlen die Lösung von Gleichungen der Form f(x) := a n x n + a n x n + + a x + a =. (2.2) Satz 2.2 (Fundamentalsatz der Algebra) Seien n N und a,...,a n C mit a n. Dann existieren k N, n,...,n k N mit n + + n k = n und paarweise verschiedene Zahlen x,...,x k C, so daß f(x) = (x x ) n (x x 2 ) n2... (x x k ) n k. Die Zahlen x,...,x k sind also Lösungen von (2.2). Die Zahl n j heißt Vielfachheit der Lösung x j (j =,...,k). Die zweite Antwort geben wir im nächsten Beispiel. Beispiel 2.3 (Freies Elektron) Der Zustand eines freien Elektrons wird durch die sogenannte Wellenfunktion ψ(x) C beschrieben. In der Darstellung ψ(x) = re iα wird das Elektron als eine Welle mit Amplitude r und Phase α interpretiert. Außerdem interpretiert man das Betragsquadrat ψ(x) 2 als die Wahrscheinlichkeitsdichte, das Elektron in der Nähe des Ortes x zu finden. Ein freies Teilchen im Raum mit maximaler Aufenthaltswahrscheinlichkeit an der Stelle x = wird z.b. dargestellt durch den stationären Zustand ψ(x) = e ikx e x2 /2. 3

Hierbei ist k die Wellenzahl des Teilchens, die ein Maß für dessen Energie ist. Wegen ψ(x) = e ikx e x2 /2 = e x2 /2 ist tatsächlich die Wahrscheinlichkeitsdichte an x = maximal. Für x ± wird ψ(x) immer kleiner; dies bedeutet, daß die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen weit weg von x = zu finden, sehr klein ist. 4

3 Funktionen Eine Abbildung ist eine Vorschrift, die jedem Element x aus einer (nichtleeren) Menge M genau ein Element f(x) aus einer Menge N zuordnet; kurz: f : M N, x f(x). Die Menge M heißt Definitionsbereich von f, N heißt Wertebereich (Abbildung 3.). Wir schreiben meist D f für den Definitionsbereich von f. M N Abbildung 3.: Zur Definition einer Abbildung. Ist M = R n und N = R, so nennen wir eine Abbildung eine Funktion. In diesem Kapitel untersuchen wir einige elementare Funktionen wie Polynome, exp, ln, sin, cos usw. 3. Funktionen und ihre Inverse Wir definieren zunächst die Inverse einer Funktion. Definition 3. Sei f : D f R eine Funktion. Man nennt die Funktion g : D g R mit der Eigenschaft g(f(x)) = x f(g(y)) = y für alle x D f bzw. für alle y D g die Inverse von f und schreibt g = f. Beispiel 3.2 Sei f(x) = x 2 +, x D f = R. Wir setzen y = x 2 + und lösen nach x auf: x = ± y. Setzen wir g(y) = ± y, so ist g ein Kandidat für die Inverse von f (siehe Abbildung 3.2), denn f(g(y)) = (± y ) 2 + = (y ) + = y. Es stellen sich jedoch zwei Fragen: 5

y f g x Abbildung 3.2: Die Funktion f(x) = x 2 + und deren Spiegelung an der Diagonalen x = y. Wie lautet der Definitionsbereich von g? Warum gibt es zwei Funktionen g(y) = y und g(y) = y? Die erste Frage kann leicht beantwortet werden: Damit es eine reelle Wurzel gibt, sollte y sein, also D g = [, ). Dies ist übrigens gerade das Bild von f: f(r) = {f(x) : x D f } = [, ) = D g. Die Antwort der zweiten Frage basiert auf der Feststellung, daß zu jedem x die beiden Werte f(x) und f( x) übereinstimmen. Daher gibt es zu jedem y > zwei Werte für die Inverse. Damit die Inverse eindeutig bestimmt ist, sollte zu jedem y f(r) genau ein x D f existieren, so daß f(x) = y. Eine Funktion f : D f f(r) (beachte den Wertebereich!) mit dieser Eigenschaft heißt bijektiv. Definition 3.3 Sei f : D f W f eine Funktion. Dann heißt f bijektiv genau dann, wenn für alle y W f genau ein x D f existiert mit f(x) = y. Bijektive Funktionen sind invertierbar. Beispielsweise ist für f : [, ) [, ), f(x) = x 2 +, die Inverse gegeben durch f : [, ) [, ), f (y) = y. Hätten wir f : (, ] [, ), f(x) = x 2 +, definiert, so würde die Inverse f : [, ) (, ], f (y) = y, lauten. 3.2 Rationale Funktionen Definition 3.4 Sei n N und a,...,a n R, a n. Dann heißt die Funktion p : R R, definiert durch n p(x) = a k x k = a + a x + + a n x n, k= 6

Polynom vom Grade n. Definition 3.5 Seien p m (x) bzw. q n (x) Polynome vom Grade m bzw. n. Dann heißt R(x) = p m(x) q n (x) rationale Funktion. Sie ist für alle x R definiert, die keine Nullstellen von q n sind. Ist m < n, so heißt R echt gebrochene rationale Funktion, anderenfalls heißt sie unecht gebrochen. Beispiel 3.6 () Die Funktion R(x) = x2 + 2x 3 x + 3 = (x )(x + 3) x + 3 = x ist eigentlich keine rationale Funktion, sondern ein Polynom vom Grade und damit definiert für alle x R. (2) Die Funktion R(x) = x2 + 2x 3 x + 4 ist eine unecht gebrochene rationale Funktion, definiert für alle x R, x 4. Sie kann allerdings mit Hilfe der Polynomdivison geschrieben werden als die Summe eines Polynoms und einer echt gebrochenen rationalen Funktion: (x 2 + 2x 3) : (x + 4) = x 2 + 5 x + 4 (x 2 + 4x) 2x 3 ( 2x 8) 5 Wir erhalten: R(x) = x 2 + 5 x + 4. Beispiel 3.7 Für ideale Gase gilt die Zustandsgleichung p V = R T, wobei p der Druck, V das Volumen, T die Temperatur des Gases und R die sogenannte Gaskonstante sind. Die Aussage dieser Gleichung ist, daß das Produkt von Druck und Volumen eines Gases bei gleich gehaltener Temperatur konstant ist. Dies gilt nur annähernd. Eine bessere Approximation liefert die Van-der-Waals-Gleichung ( p + a ) (V b) = RT, V 2 7

wobei a die intermolekularen Kräfte und b die Größe der Gasmoleküle modelliert. Bei konstanter Temperatur ist der Druck eine Funktion des Volumens: p(v ) = p = RT V b a V = RTV 2 av + ab. 2 V 2 (V b) Der Druck p(v ) ist also eine echt gebrochene rationale Funktion. In Kapitel 7 benötigen wir eine Formulierung rationaler Funktion als Summe einfacher rationaler Funktionen, etwa von der Art x + + x = 2x x 2. Dies führt auf das Konzept der Partialbruchzerlegung. Beispiel 3.8 () Sei R(x) = x 2 + x 3 2x 2 x + 2. Wir suchen zuerst alle Nullstellen des Nenners. Wir raten die Nullstelle x =. Mit Polynomdivision erhalten wir: (x 3 2x 2 x + 2) : (x ) = x 2 x 2 (x 3 x 2 ) x 2 x ( x 2 + x) 2x + 2 ( 2x + 2) Die Nullstellen von x 2 x 2 ergeben sich aus der p-q-formel: x 2/3 = 2 ± 4 + 2 = 2 ± 3 2, also x 2 = 2, x 3 =. Daher ist R(x) = Wir machen nun den Ansatz x 2 +, x R\{, 2, }. (x + )(x 2)(x ) R(x) = A x + + B x 2 + C x (3.) und wollen die Konstanten A, B und C bestimmen. Wir multiplizieren (3.) mit dem Nenner: x 2 + = A(x 2)(x ) + B(x + )(x ) + C(x + )(x 2). 8

Eigentlich gilt diese Gleichung nur für x / {, 2, }. Es ist dennoch möglich, diese Werte einzusetzen (dies folgt aus der Stetigkeit, die wir erst in Kapitel 6 einführen): Wir folgern aus (3.): x = : 2 = 2C = C =, x = 2 : 5 = 3B = B = 5 3, x = : 2 = 6A = A = 3. R(x) = 3(x + ) + 5 3(x 2) x. (2) Sei x 3 R(x) = x 3 + x 2 + x +. Diese Funktion ist unecht gebrochen rational, so daß wir zuerst Polynomdivision durchführen: x 3 : (x 3 + x 2 + x + ) = x2 + x + x 3 + x 2 + x +. (x 3 + x 2 + x + ) x 2 x Eine Nullstelle erraten wir: x =. Eine weitere Polynomdivision führt auf (x 3 + x 2 + x + ) : (x + ) = x 2 + (x 3 + x 2 ) + x + (x + ) Es gibt keine weiteren Nullstellen. Wir erweitern daher unseren Ansatz der Partialbruchzerlegung zu x 2 + x + x 3 + x 2 + x + = Wir multiplizieren mit dem Nenner und setzen spezielle Werte ein: A x + + Bx + C x 2 +. x 2 + x + = A(x 2 + ) + (Bx + C)(x + ) x = : = 2A = A = 2, x = : = A + C = C = A = 2, x = : 3 = 2A + 2(B + C) = B = 3 2 A C = 2. Damit erhalten wir die Zerlegung R(x) = x2 + x + x 3 + x 2 + x + = 2(x + ) x + 2(x 2 + ). 9

3.3 Elementare Funktionen Exponentialfunktionen. Betrachte für a (, ) die Funktion f(x) = a x, x R. Sie hat die Eigenschaften a =, a = a, a x +x 2 = a x a x 2. Die Inverse von f ist der Logarithmus zur Basis a: f : (, ) R, f (x) = log a x. Die Inverse hat die Eigenschaften log a =, log a a =, log a (x x 2 ) = log a x + log a x 2. Im Falle a = e (Eulersche Zahl) nennt man log e = ln den natürlichen Logarithmus; im Falle a = wird log = log dekadischer Logarithmus genannt. Falls a = e, heißt f(x) = e x Exponentialfunktion. Trigonometrische Funktionen. Sinus und Cosinus sind Funktionen sin : R R, cos : R R mit den Eigenschaften cos 2 x + sin 2 x =, x R, sin(πk) =, cos(πk) = ( ) k, sin cos ( π ) (2k + ) 2 ( ) π (2k + ) 2 = ( ) k, =, k N. Insbesondere sind sin und cos 2π-periodisch, d.h. sin(x + 2π) = sin x, cos(x + 2π) = cosx, x R. Daher sind sin und cos auf R nicht invertierbar, sehr wohl aber die eingeschränkten Funktionen [ sin : π 2, π ] [, ], cos : [,π] [, ]. 2 Die Inversen heißen Arcussinus und Arcuscosinus: [ arcsin : [, ] π 2, π ], arccos : [, ] [,π]. 2 2

Der Tangens [ tan : π 2, π ] R, 2 ist invertierbar; die Inverse heißt Arcustangens: arctan : R tanx = sin x cos x, [ π 2, π 2 ]. Hyperbolische Funktionen. Sinus und Cosinus hyperbolicus sind definiert durch Der Name rührt daher, daß sinh x = 2 (ex e x ), x R, cosh x = 2 (ex + e x ), x R. cosh 2 x sinh 2 x = gilt und y 2 x 2 = die Gleichung einer Hyperbel ist. Analog zum Tangens gibt es einen Tangens hyperbolicus: tanhx = sinh x cosh x = ex e x e x + e x, x R. Die Inversen werden auch Area-Funktionen genannt: arsinh : R R, arsinhx = ln(x + x 2 + ), arcosh : [, ) [, ), arcoshx = ln(x + x 2 ), artanh : (, ) R, artanhx = 2 ln +x x. Übrigens kann man in diese Funktionen auch komplexe Argumente einsetzen und erhält damit einen Zusammenhang zwischen den trigonometrischen und den hyperbolischen Funktionen. Benutzen wir nämlich die Eigenschaft, daß sin( x) = sin x und cos( x) = cosx, so folgt aus der Eulerschen Formel für z = ix und z = ix, x R: e iz = cos z + i sin z, z C, e x e x = cos(ix) i sin(ix), = cos(ix) + i sin(ix). Addition und Subtraktion der beiden Gleichungen ergibt cosh x = 2 (ex + e x ) = cos(ix), sinh x = 2 (ex e x ) = i sin(ix). 2

4 Vektoren und Matrizen 4. Vektoren Definition 4. Der Raum R n ist das n-fache kartesische Produkt R R R oder x { x R n = 2 }. : x,...,x n R. x n Die Elemente des R n heißen Vektoren. Definition 4.2 () Sei x R n. Der transponierte Vektor x ist definiert durch x = (x,x 2,...,x n ), d.h., x ist ein Zeilenvektor, während x ein Spaltenvektor ist. Es gilt umgekehrt x = (x,x 2,...,x n ). (2) Seien x = (x,...,x n ), y = (y,...,y n ) R n und λ R. Die Addition bzw. Subtraktion von Vektoren und die Multiplikation mit dem Skalar sind definiert durch x + y = (x + y,x 2 + y 2,...,x n + y n ), x y = (x y,x 2 y 2,...,x n y n ), λx = (λx,λx 2,...,λx n ). Die Operationen mit Vektoren sind in Abbildung 4. veranschaulicht. (a) (b) (c) x x + y x y x λ = 2 y y y y λy Abbildung 4.: (a) Addition, (b) Subtraktion von Vektoren und (c) Multiplikation mit dem Skalar λ. Definition 4.3 Das Skalarprodukt im R n lautet x y = n x i y i für x = (x,...,x n ), y = (y,...,y n ) R n. i= 22

Beispiel 4.4 Seien x = (2, ), y = (, 2) R 2. Dann folgt x y = 2 ( ) + 2 =. Nun steht x senkrecht auf y (siehe Abbildung 4.2); man erhält allgemein x y = genau dann, wenn x senkrecht auf y steht. y 2 x 2 2 Abbildung 4.2: Die Vektoren x und y stehen senkrecht aufeinander. Das Skalarprodukt hat die folgenden Eigenschaften. Für alle x,y,z R n gilt: () (x + y) z = x z + y z, (2) x (y + z) = x y + x z, (3) x y = y x, (4) x x und x x = x =. Definition 4.5 Die Länge oder Norm eines Vektors x = (x,...,x n ) R n ist definiert als x = x x = n x 2 i. Diese Definition ist in Abbildung 4.3 veranschaulicht. Die Norm hat die folgenden Eigenschaften. Für alle x R n und λ R gilt: () x und x = x = (Positivität), (2) λx = λ x (Homogenität), (3) x + y x + y (Dreiecksungleichung). i= 23

x 2 x 2 + x 2 2 x } {{ } x } x 2 Abbildung 4.3: Zur Definition der Norm eines Vektors im R 2. Definition 4.6 Der Winkel α [,π] zwischen zwei Vektoren x,y R n ist definiert durch cos α = x y x y. Wir sagen, x steht senkrecht auf y bzw. x ist orthogonal zu y (kurz x y) genau dann, wenn x y = oder α = π 2. Beispiel 4.7 Seien x = (2, ), y = (, 2), z (, 2) R 2 (siehe Abbildung 4.2). Dann ist cos α xy = cos α xz = cos α zy = x y x y =, also α xy = π 2, x z x z = 2 =, 5 4 5 also α xz.7 = 63.43, z y z y = 4 = 2, 4 5 5 also α zy.4636 = 26.57. Es gilt klarerweise α xz + α zy = 9 oder α xz + α zy.577 π 2. Satz 4.8 (Pythagoras) Seien x,y R n mit x y. Dann ist x 2 + y 2 = x + y 2. Beweis: Wegen x y = nach Definition 4.6 folgt x + y 2 = (x + y) (x + y) = x x + x y + y x + y y = x 2 + 2x y + y 2 = x 2 + y 2. Zwischen Vektoren im R 3 (und nur im R 3!) gibt es noch eine andere Multiplikation. 24

Definition 4.9 Seien x = (x,x 2,x 3 ), y = (y,y 2,y 3 ) R 3. Dann lautet das Kreuzprodukt (auch Vektorprodukt genannt) x 2 y 3 x 3 y 2 x y = x 3 y x y 3. x y 2 x 2 y Beispiel 4. Seien Dann ist Es gilt interessanterweise x (x y) = 2 x = x y = 2 7 2, y = 3 2 2 ( 2) 3 ( 2) 2 3 =. 2 7 =, y (x y) =. 2 3 2 7 =, d.h., sowohl x als auch y sind orthogonal zu x y. Diese Eigenschaft gilt allgemein. Das Kreuzprodukt hat die folgenden Eigenschaften. Seien x,y R 3. () x y steht senkrecht auf x und y, (2) x y 2 = x 2 y 2 (x,y) 2, (3) x y = = c R : x = cy. Diese Eigenschaften können durch Nachrechnen bestätigt werden (für den Beweis von (3) verwendet man (2) und die sogenannte Cauchy-Schwarz-Ungleichung x y x y ). 4.2 Matrizen Definition 4. Seien n,m N. Ein rechteckiges Zahlenschema der Form a a 2... a n a A = 2 a 22... a 2n... a m a m2... a mn mit Elementen a ij R heißt (m n)-matrix. Wir schreiben kurz: A R m n. 25

Es gibt einige spezielle Matrizen. Eine (n )-Matrix können wir als Vektor interpretieren. Definition 4.2 () Eine Matrix A R m n heißt quadratisch, wenn m = n. (2) Eine Diagonalmatrix ist eine quadratische Matrix mit verschwindenden Nichtdiagonalelementen: d d D = 2... Rn n. d n (3) Die Einheitsmatrix ist eine Diagonalmatrix, deren Diagonalelemente alle Eins sind: E =... Rn n. Definition 4.3 () Zwei Matrizen A = (a ij ), B = (b ij ) R m n sind gleich, wenn alle Elemente übereinstimmen: A = B i =,...,m, j =,...,n : a ij = b ij. (2) Die transponierte Matrix A = (ã ij ) für A = (a ij ) R n n ist definiert durch ã ij = a ji, d.h., man erhält A durch Vertauschen der Zeilen und Spalten von A. (3) Eine quadratische Matrix A R n n heißt symmetrisch, wenn A = A. Beispiel 4.4 Seien 2 2 A =, B = 2. Dann ist A quadratisch, aber nicht symmetrisch; B ist dagegen symmetrisch. Matrizen werden elementweise addiert, subtrahiert bzw. mit Skalaren multipliziert. Seien A = (a ij ), B = (b ij ) R n m und λ R. Dann ist (A + B) ij = a ij + b ij, (A B) ij = a ij b ij, (λa) ij = λa ij. Die Multiplikation von Matrizen ist dagegen etwas aufwendiger. 26

Definition 4.5 Seien A R m n und B R n l. Das Matrixprodukt C = AB R m l ist definiert durch c ij = wobei C = (c ij ). n a ik b kj, k= Beispiel 4.6 () Seien ( ) ( ) 2 3 2 A =, B =. 3 Man kann sich die Matrixmultiplikation durch das Schema Zeile Spalte merken: 3 2 AB 2 3 + 2 = 3 2 + 2 = 4 3 3 3 + = 9 3 2 + = 6 2 BA 3 3 2 9 6 3 Daher ist (2) Seien ( ) ( ) 3 4 9 6 AB = = BA. 9 6 3 ( ) ( ) 2 2 A =, B = 2 2, C = B 2 2 =. 4 2 4 2 2 Dann ist also 2 2 AB 2 2 AC 2 2, 2 2 nicht 2 2 4 2 4 definiert 4 2 4 ( ) AB =, AC ist nicht definiert. Die Matrixmultiplikation hat also einige Besonderheiten: () Das Produkt AB existiert nur, wenn die Spaltenzahl von A gleich der Zeilenzahl von B ist. 27

(2) Falls AB und BA definiert sind, gilt im allgemeinen AB BA. (3) Falls AB =, muß nicht A = oder B = folgen. Die Gleichung ab = für gegebenes a R, a, besitzt die eindeutige Lösung b = /a, und man nennt b die Inverse von a. Wir wollen dieses Konzept auf Matrizen erweitern. Definition 4.7 Eine Matrix A R n n heißt invertierbar, wenn eine Matrix B R n n existiert, so daß AB = E oder BA = E, wobei E R n n die Einheitsmatrix sei (siehe Definition 4.2). Wir schreiben B = A und nennen A die Inverse von A. Nicht invertierbare Matrizen heißen singulär. Beispiel 4.8 () Sei Dann ist A invertierbar und denn (2) Die Matrix A = ( ) 2 A =. 3 4 ( 2 3/2 /2 ) ( ) AA = = E. ( ) A = 2 2 ist nicht invertierbar. Angenommen, es gäbe eine Matrix ( ) a b B = c d mit AB = E. Dann folgt aus ( ) ( ) ( ) ( ) a b a + c b + d = A B = = 2 2 c d 2(a + c) 2(b + d), die Gleichungen = a + c, = 2(a + c), also = a + c = und damit ein Widerspruch. Solch eine Matrix B kann also nicht existieren, d.h., A ist singulär. 28

Für (2 2)-Matrizen gibt es eine Formel für die Inverse. Für (n n)-matrizen ist die Invertierung komplizierter und wird erst in Abschnitt 4.6 behandelt. Satz 4.9 (Cramersche Regel) Sei ( ) a b A = R 2 2. (4.) c d Dann ist A invertierbar genau dann, wenn ad bc. In diesem Fall gilt ( ) A d b =. ad bc c a Beweis: Nachrechnen. Satz 4.2 Seien A,B R n n invertierbar. Dann ist auch AB invertierbar und (AB) = B A. Beweis: (AB)(B A ) = A(BB )A = AEA = AA = E. Wofür braucht man die Inverse einer Matrix? Betrachte das Gleichungssystem x + 2x 2 =, 3x + 4x 2 = 3. (4.2) Schreiben wir so können wir (4.2) kompakt als ( ) ( 2 A =, x = 3 4 x x 2 Ax = b ) ( ), b =, 3 formulieren. Multiplizieren wir A von links auf beiden Seiten, so folgt und wegen Beispiel 4.8 () ( ) x = x x 2 x = Ex = A Ax = A b ( ) ( ) ( ) = A 2 5 b = =. 3/2 /2 3 3 Die Lösung von (4.2) lautet folglich x = 5 und x 2 = 3. Mittels der Inversen kann also ein lineares Gleichungssystem bequem gelöst werden, sofern die Koeffizientenmatrix invertierbar ist (anderenfalls siehe Abschnitt 4.6). 29

4.3 Der Gauß-Algorithmus In der Chemie tritt vielfach das Problem auf, unbekannte Größen x, x 2,...,x n aus einem System linearer Gleichungen zu bestimmen. In Kapitel haben wir gezeigt, daß die Bestimmung der Reaktionsgleichung für den Zerfall von Kaliumdichromat auf das lineare Gleichungssystem 2x 2x 2 =, 2x x 2 2x 3 =, (4.3) 7x 4x 2 3x 3 2x 4 = führt. Um dieses System von Gleichungen zu lösen, könnte man zuerst die erste Gleichung nach x 2 auflösen; dies führt auf x 2 = x. Setzen wir dieses Ergebnis in die zweite Gleichung ein, erhalten wir die Gleichung x 2x 3 =, also x 3 = x /2. Dies können wir in die letzte Gleichung einsetzen usw. Obwohl diese Einsetzmethode zum Ziel führt, wird sie bei großen Gleichungssystemen mit zehn oder mehr Gleichungen sehr umständlich. Es ist zweckmäßiger, einen Algorithmus zu entwickeln, mit dem Gleichungssysteme allgemein aufgelöst werden können. Der Vorteil eines Algorithmus ist, daß die Lösung von Gleichungssystemen mit Hilfe eines Computers ermöglicht wird. Ein solches Verfahren ist der Gauß-Algorithmus (auch Gaußsches Eliminationsverfahren genannt), den wir in diesem Abschnitt betrachten wollen. Allgemein schreiben wir ein lineares Gleichungssystem mit n Variablen x, x 2,...,x n und m Gleichungen als a x + a 2 x 2 + + a n x n = b, a 2 x + a 22 x 2 + + a 2n x n = b 2, (4.4) a m x + a m2 x 2 + + a mn x n = b m. Die obige Schreibweise kann vereinfacht werden. Dazu schreiben wir die Koeffizienten als die Koeffizientenmatrix a a 2 a n a A = 2 a 22 a 2n... a m a m2 a mn. 3