In diesem Kapitel möchte ich Ihnen einige grundlegende chemische Prozesse in Natur und

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Transkript:

Chemische Prozesse in Natur und Umwelt 1 In diesem Kapitel die Photosynthese verstehen den Kohlenstoffkreislauf in der Natur kennenlernen nachwachsende Rohstoffe und deren Nutzung saurer Regen, Smog und Ozonloch In diesem Kapitel möchte ich Ihnen einige grundlegende chemische Prozesse in Natur und Umwelt erklären. Einerseits ermöglichen (bio)chemische Prozesse in der Natur erst unser Leben, das beste Beispiel dafür ist die Photosynthese. Diese gibt uns Sauerstoff zum Atmen und Nahrung. Andererseits bereiten uns andere chemische Prozesse in der Umwelt große Probleme. Einige dieser Probleme möchte ich in diesem Kapitel ansprechen und deren Hintergründe aus chemischer Sicht erklären. Kohlendioxid und der Kohlenstoffkreislauf in der Natur Kohlendioxid (CO 2 ) ist in der Natur einem Kreislauf unterworfen. Die Pflanzen nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf und produzieren daraus mithilfe der Sonnenenergie Kohlenhydrate und Sauerstoff. Alle tierischen Lebewesen (also auch die Menschen) benötigen energiereiche Biomoleküle als Nahrung. Pflanzenfresser fressen Pflanzen, Fleischfresser fangen sich Pflanzenfresser und fressen diese. Die energiereichen Biomoleküle werden bei der Verdauung in ihre Bruchstücke zerlegt und diese zu den Körperzellen transportiert. Dort werden diese Bruchstücke (zum Beispiel Glucose) einer»kalten Verbrennung«unterzogen, das heißt das Biomolekül wird bei der Zellatmung schrittweise unter Energiefreisetzung zu Kohlendioxid und Wasser gespalten. Die dabei frei werdende Energie benötigen die tierischen Lebewesen zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensprozesse. Man könnte diese komplizierten Prozesse in eine einfache chemische Gleichung hineinpressen, das will ich an dieser Stelle einmal tun (siehe Abbildung 1.1). Abbildung 1.1: Photosynthese und Zellatmung 27

Vorkurs Chemie für Dummies Ohne Photosynthese gäbe es auf der Erde keinen Sauerstoff zum Atmen und keine Nahrung. Kohlendioxid in der Atmosphäre sollte nicht nur als»klimakiller«betrachtet werden, da es den Rohstoff der Nahrungsproduktion durch Photosynthese darstellt. Ganz ohne würde es also auch nicht gehen. Der Kreislauf des Kohlendioxids (siehe Abbildung 1.2) findet nicht nur in der belebten, sondern auch in der unbelebten Natur statt. Da dieses Molekül gasförmig ist, verbreitet es sich sehr schnell und gleichmäßig in der Atmosphäre. Große Mengen Kohlendioxid sind in den Ozeanen gelöst. Dort wird auch fortlaufend Kohlendioxid in Kalkstein umgewandelt. Korallen, Muscheln, bestimmte Schwämme und Mikroorganismen erzeugen aus dem im Meerwasser gelösten Kohlendioxid Kalkstein (Calciumcarbonat, CaCO 3 ). Sie verwenden diesen meist als Exoskelett (= außen am Körper befindliches Skelett, Schutzpanzer). Nach dem Tod der Lebewesen bleiben diese Muscheln, Schalen und Panzer dann auf dem Boden des Ozeans zurück und bilden über die Jahrtausende riesige Ablagerungen. Ganze Gebirge, Korallenriffe und Inseln bestehen aus biogenem Kalkstein. Dieser ist dann (vorerst) dem Kreislauf des Kohlendioxids in der Atmosphäre entzogen. Der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre ist von entscheidender Bedeutung für das Klima auf der Erde. Hauptsächlich aufgrund des großen Verbrauchs fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas) ist in den letzten 40 Jahren der CO 2 -Gehalt der Atmosphäre angestiegen. Ein höherer Anteil an Kohlendioxid in der Atmosphäre bewirkt, dass die Abstrahlung von Wärme in den Weltraum verringert wird. Das führt zu einem langsamen Aufheizen der Atmosphäre. Man spricht hier von einem»treibhauseffekt«, da das in der Atmosphäre vorhandene CO 2 und andere durch den Menschen erzeugte Gase ähnlich wie das Glasdach in einem Treibhaus wirken. Inzwischen versucht man den Ausstoß von Kohlendioxid in die Atmosphäre global zu begrenzen. Es existiert zu diesem Zweck ein internationales Abkommen (Kyoto-Protokoll) und es gibt vielfältige Bemühungen, alternative Energiequellen zu den fossilen Brennstoffen zu entwickeln. Wie diese Entwicklung weiter geht ist offen, wir dürfen gespannt sein, schließlich geht es um die Entwicklung des Klimas auf der Erde. Bei allen Lebewesen ist der Kohlenstoff in Form von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten gebunden. Menschen und Tiere nehmen diese Kohlenstoff enthaltenden Verbindungen mit der Nahrung auf, verbrennen sie teilweise und atmen CO 2 wieder aus. Also ist auch der Mensch eine Quelle für Kohlendioxid in der Atmosphäre. Sie sollten trotzdem unbedingt weiter atmen, auch wenn Ihnen die globale Erwärmung Sorgen bereitet! Der Kreislauf des Kohlendioxids (Abbildung 1.2) findet nicht nur zwischen Pflanzen, Tieren, der Atmosphäre und im Wasser statt, sondern es gibt auch Minerale, die Kohlendioxid in gebundener Form enthalten. Solche Minerale bestehen überwiegend aus Calciumcarbonat (CaCO 3 ). Es gibt verschiedene Formen von Calciumcarbonat enthaltenden Mineralen, die sich in ihrer Struktur und Zusammensetzung unterscheiden (Kalkstein, Marmor, Dolomit). 28

1 Chemische Prozesse in Natur und Umwelt Abbildung 1.2: CO 2 -Kreislauf in der Natur Nachwachsende Rohstoffe Erdöl und andere fossile Rohstoffe sind nur begrenzt verfügbar. Daher werden Alternativen gesucht, um den dringenden Bedarf der modernen Gesellschaft nach Treibstoffen und Rohstoffen für die chemische und pharmazeutische Industrie zu decken. In der Energiewirtschaft und in der chemischen Industrie werden zunehmend nachwachsende Rohstoffe genutzt. Als nachwachsende Rohstoffe bezeichnet man alle land- und forstwirtschaftlich erzeugten Produkte. Soweit diese Rohstoffe nicht als Nahrungs- oder Futtermittel benötigt werden, stehen sie als Biomasse zur weiteren Verwertung zur Verfügung. Die einfachste und bekannteste Verwertung von Biomasse ist bisher die energetische Nutzung als Brennstoff. Jeder der schon mal ein Lagerfeuer gesehen hat weiß, dass Holz ein ausgezeichneter Brennstoff ist. Zur energetischen Nutzung kann Biomasse verbrannt werden, um daraus Wärme oder Strom zu er- 29

Vorkurs Chemie für Dummies zeugen. Alternativ lässt sich Biomasse auch erst in flüssigen oder gasförmigen Kraftstoff umwandeln, und dieser kann dann zur Energieerzeugung genutzt werden. Hierbei gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie diese Umwandlung erfolgen kann. Beim BTL-Verfahren (»Biomass to Liquid«) wird die Biomasse zunächst getrocknet. Anschließend erfolgt eine thermische Zersetzung (=»Pyrolyse«) des Rohstoffs unter Luftausschluss bei Temperaturen zwischen 200 und 1000 C. Dabei entstehen gasförmige und flüssige Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Wasser und kohleartige Rückstände. Das Kohlendioxid und das Wasser werden als Abfallprodukte abgetrennt. Die kohleartigen Rückstände und die Kohlenwasserstoffe werden unter Zugabe von Wasser und Sauerstoff in Synthesegas umgewandelt (»Vergasung«). Als Synthesegas bezeichnet man ein Gemisch von Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Dieses Gemisch wird in der»fischer-tropsch-synthese«in die gewünschten flüssigen Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Dieses Verfahren klingt nicht nur kompliziert, sondern ist es auch. Wenn Sie mehr über die Vergasung von Kohle und die Fischer-Tropsch-Synthese erfahren wollen, schauen Sie bitte in das Kapitel 16. Bei einem anderen Verfahren wird aus cellulosehaltigen Rohstoffen (Holzreste, Stroh, anderes Pflanzenmaterial) durch Vergärung Bioethanol gewonnen. Dieser kann direkt als Kraftstoff- Zusatz verwendet werden. Die Cellulose muss zunächst durch chemische oder thermische Verfahren in die einzelnen Bestandteile gespalten werden. Erst danach kann das gewonnene Gemisch verschiedener Zucker zu Ethanol vergärt werden. Mehr über den Aufbau von Cellulose und deren Bestandteile erfahren Sie in Kapitel 18. Die Bioraffinerie Eine mögliche Alternative zur rein energetischen Nutzung der Biomasse stellt das Konzept der Bioraffinerie dar. In einer solchen Anlage werden aus Biomasse Grund- und Feinchemikalien für die chemische Industrie hergestellt. Als Ausgangsstoffe für die Verarbeitung können die verschiedensten natürlich erzeugten Produkte wie Holz, Stroh, Heu, Soja, Raps, Getreide und Zuckerrüben verwendet werden, soweit diese nicht als Nahrungsmittelrohstoffe dienen. Die Biomasse wird durch Aufschlussverfahren und biotechnologische Prozesse in die Hauptinhaltsstoffe aufgetrennt. Das sind je nach Ausgangsmaterial Lignin, Kohlenhydrate, Proteine und Fette beziehungsweise Öle. Diese Zwischenprodukte werden dann weiterverarbeitet. Aus Lignin erzeugt man zum Beispiel Synthesegas (= Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, siehe Kapitel 17 im Abschnitt»Kohle«). Dieses wiederum wird zu Methanol oder Benzin weiterveredelt. Die Kohlenhydrate (Cellulose und Stärke) werden in ihre Grundbausteine (Glucosemoleküle) gespalten. Aus der Glucose können Essigsäure, Ethanol, Ethen oder Milchsäure hergestellt werden. Letztere ist ein interessanter Ausgangsstoff für biologisch abbaubare Polymere. Die Proteine können in Aminosäuren gespalten werden. Diese dienen zum Beispiel als hochwertige Futtermittel. Für pflanzliche Fette und Öle gibt es bereits etablierte Vermarktungswege. 30

1 Chemische Prozesse in Natur und Umwelt Somit könnte die Bioraffinerie in Zukunft zumindest einen Teil der petrochemischen Industrieproduktion in nachhaltiger Weise ersetzen. Veränderungen in der Atmosphäre Der Eintrag von Schadstoffen in die Atmosphäre unseres Planeten macht sich recht schnell und vor allem global (= auf der ganzen Erde) bemerkbar. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen ist die Masse der Atmosphäre deutlich kleiner als die Masse der Kontinente oder der Ozeane. Zum anderen werden gas- oder staubförmige Schadstoffe sehr schnell in der Atmosphäre transportiert und verteilen sich global. Gasförmige Schadstoffe können unter dem Einfluss des Sonnenlichts zu Reaktionen angeregt werden. All diese Gründe führen dazu, dass sich die Atmosphäre in einem empfindlichen Gleichgewicht befindet, welches schon durch relativ kleine Störungen beeinflusst werden kann. Eine solche Störung stellen zum Beispiel große Vulkanausbrüche dar, andere Veränderungen werden aber auch durch den Menschen verursacht. Im vorher gehenden Abschnitt sprach ich bereits den Treibhauseffekt an. Nachfolgend möchte ich Ihnen noch weitere vom Menschen erzeugte Umweltprobleme nahebringen, die über die Atmosphäre übertragen werden. Smog Die Luft besteht hauptsächlich aus Stickstoff (N 2, 78,1 Vol-%) und Sauerstoff (O 2, 20,9 Vol-%). Argon ist mit 0,9 Vol-% wichtigster Nebenbestandteil. Spurengase sind Kohlendioxid (CO 2 ) und andere Edelgase. Das Wort Smog ist eine Wortschöpfung aus den englischen Worten Smoke (= Rauch) und Fog (= Nebel). Smog führt zu gesundheitlichen Problemen bei Menschen, wie Reizungen der Schleimhäute und Atemwege, Atemwegserkrankungen und Belastungen des Herz-Kreislaufsystems. Es gibt zwei Arten von Smog, den London-Smog und den Los Angeles-Smog. Benannt sind diese beiden Phänomene nach den Städten, in denen sie erstmals beobachtet wurden. Voraussetzung für beide Arten von Smog ist eine Inversionswetterlage. Bei einer solchen Wetterlage schieben sich wärmere Luftmassen über kalte Luftmassen in Bodennähe. Damit ist das Temperaturgefälle umgekehrt zum Normalfall, daher stammt der Name Inversionswetterlage (von Inversion = umgekehrt). Die oben liegenden, warmen Luftmassen wirken als Sperrschicht und verhindern weitgehend die natürliche Durchmischung der Luftmassen in der betreffenden Gegend. Dazu muss noch wenig Luftbewegung (Wind) herrschen. Wenn in dem von der Inversionswetterlage eingeschlossenen Gebiet viele Schadstoffe durch Verbrennungsprozesse entstehen, kommt es zu einer Anreicherung von Schwefeldioxid (SO 2 ) und Rauchgasen. Diese Mischung führt zum klassischen Smog, der auch als London-Smog bezeichnet wird. Er tritt hauptsächlich im Winter, bei windarmem Wetter und Inversionswetterlage in städtischen Ballungsgebieten auf. Beim Los Angeles-Smog liegt eine andere Situation vor. Dieser tritt vor allem im Sommer, in Gegenden mit starker Sonneneinstrahlung und hohem Autoverkehr auf. Es handelt sich um eine Kombination verschiedener photochemischer Prozesse. Die Autoabgase wirken hierbei 31

Vorkurs Chemie für Dummies als Hauptlieferanten für gasförmige Kohlenwasserstoffe und Stickoxide. Diese beiden Komponenten werden durch den Sauerstoff der Luft unter Mitwirkung der Sonnenstrahlung schrittweise zersetzt. Dabei entstehen Stoffe, die auf Augen und Atemwege stark reizend wirken, wie zum Beispiel Ozon, organische Peroxide oder gasförmige Salpetersäure. Saurer Regen Beim Verbrennen von Braunkohle, Heizöl und anderen Brennstoffen, die hohe Anteile an Schwefel enthalten, entsteht Schwefeldioxid: S+O 2 SO 2 Wenn dieses in die Atmosphäre gelangt, wird es dort durch den Luftsauerstoff teilweise zu Schwefeltrioxid oxidiert. 2SO 2 +O 2 2SO 3 Beide Gase lösen sich in Wassertropfen in der Atmosphäre, die als Nebel oder Wolken auftreten. Dabei entstehen schweflige Säure (H 2 SO 3 ) und Schwefelsäure (H 2 SO 4 ): SO 2 +H 2 O H 2 SO 3 SO 3 +H 2 O H 2 SO 4 Dazu können noch salpetrige Säure (HNO 2 ) und Salpetersäure (HNO 3 ) auftreten, die durch Lösen von Stickoxiden in atmosphärischem Wasser gebildet werden, zum Beispiel durch folgende Reaktion: 2NO 2 +H 2 O HNO 2 + HNO 3 Diese Säuren gelangen gemeinsam mit Niederschlägen zur Erde und können dazu führen, dass der Regen einen niedrigeren ph-wert hat, als er auf natürliche Weise haben sollte. Man spricht dann von saurem Regen. (Im Kapitel 9 erfahren Sie mehr über den ph-wert.) Vor allem Pflanzen reagieren empfindlich auf sauren Regen. Es können aber auch Bauwerke beschädigt werden, und saurer Regen führt unter Umständen zu einer Versauerung des Bodens und von Seen. Ozonloch Nirgendwo wird die Einwirkung des Menschen auf die Atmosphäre deutlicher als beim Ozonloch. Der Begriff Ozonloch bezeichnet eine zeitweilige drastische Abnahme der Ozonkonzentration in der Stratosphäre. Diese Erscheinung wurde zuerst über der Südpolarregion im antarktischen Winter (ab Oktober 1985) beobachtet. Inzwischen wurde durch Satellitenüberwachung eine weltweite Verringerung der Ozonschicht nachgewiesen. 32

1 Chemische Prozesse in Natur und Umwelt Wenn Ozon in Bodennähe auftritt, ist es giftig für Menschen und Tiere. In den obersten Schichten der Stratosphäre erfüllt es aber eine wichtige Funktion. Es filtert nämlich die»harte«(= kurzwellige) UV-Strahlung der Sonne und verhindert damit, dass immer mehr Fälle von Hautkrebs auftreten oder der Planet sogar gänzlich unbewohnbar wird. Die Konzentration des Ozons ist nicht groß (etwa 200 Nanobar = 2 10 7 bar Partialdruck in 15 km Höhe), aber im Normalfall ausreichend, um diese»filterfunktion«zu erfüllen. Der Ozongehalt in der Stratosphäre befindet sich in einem dynamischen Gleichgewicht. Das Ozon wird dabei ständig aus Sauerstoffmolekülen auf- und wieder abgebaut. Wenn nun Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in die Stratosphäre gelangen, werden diese durch energiereiches, kurzwelliges Sonnenlicht (Wellenlänge kleiner 220 nm) unter Abspaltung von Chloratomen gespalten: Abbildung 1.3: Spaltung von FCKW Die Chloratome sorgen dann für den Abbau von Ozon in der Stratosphäre. Dies geschieht entsprechend der folgenden Reaktionen: Abbildung 1.4: Entstehung von Ozon Wie Sie sehen, liegt das Chloratom in der dritten Reaktionsgleichung wieder unverändert vor und kann erneut in der ersten Reaktion wirksam werden. Ein Chloratom kann auf diese Weise mehr als 10 000 Ozonmoleküle zerstören, bevor es in eine Verbindung wie HCl umgewandelt wird und dann zum Beispiel durch Wasser aus der Stratosphäre»ausgewaschen«wird. Der Abbau von Ozon verläuft auch mit anderen Substanzen, zum Beispiel mit Stickstoffmonoxid (aus Stickoxiden) oder Hydroxylradikalen (aus atmosphärischem Wasserdampf). Diese Moleküle bleiben beim Abbau von Ozon unverändert. Man spricht daher auch vom katalytischen Ozonabbau. 33

Vorkurs Chemie für Dummies Besonders schädlich für die Ozonschicht sind die gasförmigen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), da diese zahlreiche Chlor- und Fluoratome besitzen. Diese bilden entsprechend viele katalytisch wirkende Teilchen, die immer wieder Ozon abbauen. Daher ist die Produktion von FCKW in der Europäischen Union seit dem Jahr 2000 verboten. Wenn Sie mehr über FCKW erfahren wollen, schauen Sie bitte in Kapitel 17.