10: Derivativer Eigentumserwerb (Traditions- und Abstraktionsprinzip)

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Transkript:

LITERATUR: Kaser, Römisches Privatrecht I, 100; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, 24; Hausmaninger/Gamauf, Casebook Sachenrecht, Fälle 67-71 I. Allgemeines, Gemeinsamkeiten der Erwerbsarten - Erwerber erhält Eigentum nur dann, wenn dieses beim Veräußerer bestanden hat D. 50, 17, 54 (Ulp. 46 ed.) Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet. Niemand kann mehr Recht auf einen anderen übertragen, als er selbst hat. - folglich kein gutgläubiger Erwerb vom Nichteigentümer - Verkehrsschutz durch kurze Ersitzungsfristen II. Manzipation (mancipatio) Gai inst. 1, 119+120; 2, 22 119. Est autem mancipatio, ut supra quoque diximus, imaginaria quaedam venditio; quod et ipsum ius proprium civium Romanorum est. eaque res ita agitur: adhibitis non minus quam quinque testibus Romanis puberibus et praeterea alio eiusdem condicionis, qui libram aeneam teneat, qui appellatur libripens, is qui mancipio accipit, rem tenens ita dicit: HUNC EGO HOMINEM EX IURE QUIRITIUM MEUM ESSE AIO ISQUE MIHI EMPTUS ESTO HOC AERE AENEAQUE LIBRA; deinde aere percutit libram idque aes dat ei, a quo mancipio accipit quasi pretii loco. 120. Eo modo et serviles et liberae personae mancipantur. animalia quoque, quae mancipi sunt, quo in numero habentur boves, equi, muli, asini, item praedia, tam urbana quam rustica, quae et ipsa mancipi sunt, qualia sunt Italica, eodem modo solent mancipari. 22. Mancipi vero res sunt quae per mancipationem ad alium transferuntur; unde etiam mancipi res sunt dictae [ ] 119. Die mancipatio ist aber, wie ich oben bereits gesagt habe, eine Art Scheinverkauf; auch dies ist eine Rechtsform, die nur römischen Bürgern zugänglich ist. Und dieses Geschäft geht folgendermaßen vor sich: unter Hinzuziehung von mindestens fünf mündigen römischen Bürgern als Zeugen und außerdem eines anderen Mannes von gleicher Rechtsstellung, der eine bronzene Waage halten muss und Waaghalter genannt wird, ergreift derjenige, der der durch Manzipation erhält, die Sache und sagt: ICH ERKLÄRE, DASS DIESER SKLAVE NACH DEM RECHT DER QUIRITEN MEIN EIGENTUM IST, UND ER SOLL MIR GEKAUFT SEIN MIT DIESEM KUPFERSTÜCK UND MITTELS DIESER BRONZENEN WAAGE. Dann schlägt er mit dem Kupferstück gegen die Waage und gibt demjenigen, von dem er durch Manzipation erhält, das Kupferstück gleichsam als Kaufpreis. 120. In dieser Weise werden sowohl unfreie wie freie Personen manzipiert; auch Tiere, die manzipierbar sind (dazu werden Rinder, Pferde, Maultiere und Esel gerechnet) und Grundstücke in Rom und auf dem Lande, soweit sie manzipierbar sind (wie etwa die in Italien gelegenen), werden in derselben Art zu Eigentum übertragen. 22. Der Manzipation fähige Sachen sind diejenigen, die durch Manzipation einem anderen übertragen werden, weshalb sie auch res mancipi heißen [...] - Symbolcharakter (nachgeformtes Rechtsgeschäft) und Formstrenge - Beschränkung auf wichtige Verkehrsgüter (res mancipi) - Der Manzipation nachgeformte Rechtsgeschäfte (Eheschließung in Form der coëmptio; Freilassung von Gewaltunterworfenen (Emanzipation); testamentum per aes et libram) 42

III. Abtretung vor Gericht (in iure cessio) - wie Manzipation sog. nachgeformtes Rechtsgeschäft - Vorbild der legis actio sacramento in rem (rei vindicatio), vgl. auch 11 I Gai inst. 2, 24 f. 24. In iure cessio autem hoc modo fit: apud magistratum populi Romnai vel praetorem [vel apud praeidem provinciae] is, cui res in iure ceditur, rem tenens ita dicit: HUNC EGO HOMINEM EX IURE QUIRITIUM MEUM ESSE AIO; deinde postquam hic vindicaverit, praetor interrogat eum, qui cedit, an contra vindicet; quo negante aut tacente tunc ei, qui vindicaverit, eam rem addicit; idque legis actio vocatur. hoc fieri potest etiam in provinciis apud praesides earum. 25. Plerumque tamen et fere semper mancipationibus utimur ; quod einim ipsi per nos praesentibus amicis agere possumus, hoc non est necesse cum maiore difficultate apud praetorem aut apud praesidem provinciae agere. Und zwar wird eine Abtretung vor Gericht auf folgende Weise durchgeführt: Vor einem obersten Beamten des römischen Volkes, zum Beispiel vor dem Prätor [oder vor dem Provinzstatthalter], fasst derjenige, dem die Sache vor Gericht abgetreten wird, die Sache an und spricht: ICH BEHAUPTE, DASS DIESER MENSCH NACH QUIRITISCHEM RECHT MIR GEHÖRT; nachdem dieser sein Eigentum behauptet hat, fragt der Prätor daraufhin den Abtretenden, ob er eine Gegenbehauptung aufstelle; wenn dieser das verneint oder schweigt, spricht der Prätor nunmehr die Sache dem zu, der sein Eigentum behauptet hat; und dies nennt man eine Spruchformelklage. Das kann auch in den Provinzen bei deren Statthaltern durchgeführt werden. 25. Dennoch bedient man sich meistens oder sogar fast immer der Manzipationen; was man nämlich selbst in eigener Person und in Gegenwart von Freunden tun kann, das braucht man nicht mit größerer Umständlichkeit vor dem Prätor oder dem Provinzstatthalter tun. - Wirkung der Eigentumsübertragung wie bei Manzipation unabhängig (abstrakt) vom jeweiligen Erwerbsgrund (causa) - sowohl auf res mancipi wie auch auf res nec mancipi anwendbar - in iure cessio schon in klassischer Zeit selten angewendet und schließlich außer Übung IV. Formfreie Übergabe (traditio) 1. Übereignungsgeschäft des Alltags a) Übertragung des Eigentums an res nec mancipi Gai inst. 2, 19+20 19. Nam res nec mancipi ipsa traditione pleno iure alterius fiunt, si modo corporales sunt et ob id recipiunt traditionem. 20. Itaque si tibi uestem, uel aurum uel argentem tradidero siue ex uenditionis causa siue ex donationis siue quauis alia ex causa, statim tua fit ea res, si modo ego eius dominus sim. 19. Denn die res nec mancipi gehen allein aufgrund der Übergabe in das volle Recht des anderen über, wenn sie nur körperlicher Art und deshalb einer Übergabe fähig sind. 20. Wenn ich dir deshalb ein Kleid, Gold oder Silber aufgrund eines Verkaufs, einer Schenkung oder eines sonstigen Grundes geben werde, so geht diese Sache sofort in dein Eigentum über, wenn ich nur ihr Eigentümer bin. 43

b) Übertragung von bonitarischem (prätorischem) Eigentum an res mancipi Gai inst. 2, 40-42 40. Sequitur ut admoneamus apud peregrinos quidem unum esse dominium: nam aut dominus quisque est aut dominus non intellegitur. Quo iure etiam populus Romanus olim utebatur: aut enim ex iure Quiritium unusquisque dominus erat aut non intelligebatur dominus. sed postea divisionem accepit dominium, ut alius possit esse ex iure Quiritium dominus, alius in bonis habere. 41. Nam si tibi rem mancipi neque mancipavero neque in iure cessero, sed tantum tradidero, in bonis quidam tuis ea res efficitur, ex iure Quiritium vero mea permanebit, donec tu eam possidendo usucapias: semel enim impleta usucapione proinde pleno iure incipit, id est in bonis et ex iure Quiritium tua res esse, ac si ea mancipata vel in iure cessa esset. 42. Usucapio autem mobilium quidem rerum anno completur, fundi vero et aedium biennio: et ita lege XII tabularum cautum est. 40. Wir müssen darauf hinweisen, dass es bei den Ausländern freilich nur eine Art des Eigentums gibt. Entweder ist man selbst der Eigentümer oder man ist es nicht. Diese Rechtslage herrschte in früheren Zeiten auch beim römischen Volk. Entweder war man Eigentümer aufgrund des Rechts der Quiriten oder man war es nicht. Danach aber trat eine Teilung des Eigentums auf, so dass der eine Eigentümer aufgrund des quiritischen Rechts sein kann, der andere eine Sache in bonis (unter seinen Gütern) haben kann. 41. Denn wenn ich dir eine res mancipi weder auf dem Weg der Manzipation übertrage noch durch eine in iure cessio, sondern sie einfach übergebe, so bewirkt dies, dass sie zu deinen Gütern zu zählen ist, aufgrund des Rechtes der Quiriten aber gehört sie weiterhin mir, solange, bis du sie durch den Besitz ersessen haben wirst. Sobald nämlich die Ersitzung abgeschlossen sein wird, wirst du das volle Recht genießen, das heißt, die Sache sowohl unter deinen Gütern haben, wie auch Eigentümer aufgrund des Rechts der Quiriten sein, als wäre sie dir manzipiert oder durch die in iure cessio übertragen worden. 42. Die Ersitzung von beweglichen Sachen wird nach einem Jahr abgeschlossen, diejenige der Grundstücke und der Gebäude nach zwei Jahren. Dies wurde durch das Gesetz der XII-Tafeln festgelegt. - Formmangel bei der Übertragung von res mancipi führt nicht zum Erwerb des quiritischen Eigentums - Sache befindet sich in bonis des Erwerbers mit der Möglichkeit der Ersitzung - Dieser Zustand wird durch den Prätor in besonderer Weise geschützt: Verlangt der Veräußerer als Noch-Inhaber des quiritischen Eigentums die Sache im Wege der rei vindicatio heraus, steht dem Erwerber eine exceptio rei venditae et traditae bzw. eine exceptio doli zu c) Besondere Formen der traditio (vgl. oben 6 I 4) - Übergabe kurzer Hand (*brevi manu traditio) - Besitzkonstitut (*constitutum possessorium) 44

2. Rechtsgrund (causa) als Voraussetzung für den Eigentumsübergang a) Grundsatz: Verkehrsgeschäfte als iusta causa bzw. titulus D. 41, 1, 31 pr. (Paul. 31 ed.) Numquam nuda traditio transfert dominium, sed ita, si venditio aut aliqua iusta causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur. Niemals überträgt eine bloße Übergabe das Eigentum, sondern nur dann, wenn ein Verkauf oder ein anderer (vom Recht) anerkannter Grund vorangegangen ist, weswegen die Übergabe erfolgt. b) Abstrakte traditio aufgrund bloßer Einigung über den Eigentumsübergang als causa? D. 41, 1, 9, 3 (Gaius 2 rer. cottid.) = Inst. 2, 1, 40 Hae quoque res, quae traditione Diejenigen Sachen, die durch formlose Übergabe unser nostrae fiunt, iure gentium nobis Eigentum werden, erwerben wir kraft ius gentium: denn adquiriuntur: nihil enim tam nichts ist der natürlichen Billigkeit angemessener, als conveniens est naturali aequitati dass der Wille des Eigentümers, der seine Sache an quam voluntatem domini volentis einen anderen übertragen will, bestätigt werde. rem suam in alium transferre ratam haberi. D. 41, 1, 36 (Iulian 14 digestorum) Cum in corpus quidem quod traditur consentiamus, in causis vero dissentiamus, non animadverto, cur inefficax sit traditio, veluti si ego credam me ex testamento tibi obligatum esse, ut fundum tradam, tu existimes ex stipulatu tibi eum deberi. nam et si pecuniam numeratam tibi tradam donandi gratia, tu eam quasi creditam accipias, constat proprietatem ad te transire nec impeimento esse, quod circa causam dandi atque accipiendi dissenserimus. Wenn wir uns über den Gegenstand einigen, der übergeben wird, bezüglich des Erwerbsgrunds jedoch verschiedener Meinung sind, sehe ich nicht ein, warum die Übergabe unwirksam sein sollte. Etwa wenn ich glaube, ich sei dir aufgrund eines Testaments verpflichtet, ein Grundstück zu übergeben, du jedoch meinst, es werde dir aus einer Stipulation geschuldet. Denn auch wenn ich dir angezähltes Geld in Schenkungsabsicht übergebe, du es aber gleichsam als Darlehen annimmst, steht fest, dass das Eigentum übergeht und kein Hindernis darin besteht, dass wir uns über den Grund des Gebens und Empfangens nicht geeinigt haben. D. 12, 1, 18 pr. (Ulpian 7 disputationum) Si ego peacuniam tibi quasi Wenn ich dir Geld gebe, gleichsam um es dir zu donaturus dedero, tu quasi mutuam schenken, du es aber gleichsam als Darlehen accipias, Iulianus scribit annimmst, schreibt Julian, es liege keine Schenkung donationem non esse: sed an vor: Doch ob ein Darlehen zustande gekommen sei, mutuam sit, videndum. Et puto nec müsse man prüfen. Ich glaube, es ist auch kein mutuam esse magisque nummos Darlehen, und die Münzen werden nicht Eigentum accipientis non fieri, cum alia des Empfängers, wenn er sie in anderer Meinung opinione acceperit. quare si eos angenommen hat. Wenn er sie also verbraucht hat, consumpserit, licet condictione haftet er zwar aufgrund einer Kondiktionsklage, teneatur, tamen doli exceptione uti doch kann er die Einrede der Arglist geltend poterit, quia secundum voluntatem machen, da die Münzen gemäß dem Willen des dantis nummi sunt consumati. Gebers verbraucht worden sind. 45

c) Nachklassik: Kauf und Schenkung als sachenrechtliche Übereignungsakte 380 ABGB Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigenthum erlangt werden. Art. 1138 CC L obligation de livrer la chose est parfaite par le seul consentement des parties contractantes. Elle rend le créancier propriétaire [ ]. d) Justinian: Rückkehr zur kausalen traditio e) Pandektistik und BGB Auszug aus einer Vorlesungsnachschrift (1827) eines unbekannten Schreibers, nachgewiesen bei Felgentraeger, Friedrich Carl von Savignys Einfluß auf die Übereignungslehre, 1927, S. 36 f.:... In anderen Stellen heißt es: Eigentum soll nur dann durch die Besitzübertragung übergehen, wenn der Eigentümer den Willen hat, Eigentum zu übertragen, ohne daß von einer justa causa die Rede ist. Justa causa ist nicht die Absicht der Eigentumsübertragung, aber sie stehen in sehr enger Verbindung, denn fassen wir die Absicht genau ins Auge, so finden wir, daß sie gewöhnlich und immer mit einem anderen Rechtsverhältnis, aus welchem wir den animus schließen können, zusammenhängt, weil es die Absicht nötig macht;... Nur an ein notwendiges obligatorisches Rechtsverhältnis ist nicht zu denken. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 3 (1840), S. 312: Tradition ist ein wahrer Vertrag, da alle Merkmale des Vertragsbegriffes darin wahrgenommen werden: denn sie enthält von beiden Seiten die auf gegenwärtige Übertragung des Besitzes und des Eigentums gerichtete Willenserklärung. 925 BGB (1) Die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach 873 erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) muss bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle erklärt werden. [ ]. 929 BGB Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. [ ]. Gottlieb Planck, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, zu 929 BGB (zitiert nach Hattenhauer, Grundbegriffe des Bürgerlichen Rechts, 2. Aufl. 2000, S. 56): [ ] Die Einigung ist ein abstraktes Rechtsgeschäft. [ ] Die abstrakte Natur der Eingung beruht [ ] darauf, dass das Gesetz die Gültigkeit der Einigung von dem Bestehen ihres Rechtsgrunds unabhängig macht. Die Einigung ist also deshalb nicht ungültig, weil der von den Beteiligten vorausgesetzte Rechtsgrund der Einigung, z. B. die vorausgesetzte Verpflichtung zur Eigentumsübertragung, nicht besteht oder später wegfällt, oder die Beteiligten verschiedene Rechtsgründe vorausgesetzt haben, der Veräußerer z. B. die Sache verkaufen, der Erwerber sie als Geschenk annehmen wollte. 46