Evangelisch-reformierter Gottesdienst an Pfingsten Linden 19.V.2013 Beat Weber Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Pfingstgeist und 450 Jahre Heidelberger Katechismus (1563 2013) Lesung: aus Apg 2 (NGÜ) 1 Schließlich kam das Pfingstfest. Auch an diesem Tag waren sie alle wieder am selben Ort versammelt. 2 Plötzlich setzte vom Himmel her ein Rauschen ein wie von einem gewaltigen Sturm; das ganze Haus, in dem sie sich befanden, war von diesem Brausen erfüllt. 3 Gleichzeitig sahen sie so etwas wie Flammenzungen, die sich verteilten und sich auf jeden Einzelnen von ihnen niederließen. 4 Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt, und sie begannen, in fremden Sprachen zu reden; jeder sprach so, wie der Geist es ihm eingab. 5 Wegen des Pfingstfestes hielten sich damals fromme Juden aus aller Welt in Jerusalem auf. 6 Als nun jenes mächtige Brausen vom Himmel einsetzte, strömten sie in Scharen zusammen. Sie waren zutiefst verwirrt, denn jeder hörte die Apostel und die, die bei ihnen waren, in seiner eigenen Sprache reden. 14 Jetzt trat Petrus zusammen mit den elf anderen Aposteln vor die Menge. Mit lauter Stimme erklärte er: 22»Ihr Leute von Israel, hört her! Bei dem, was wir euch zu sagen haben, geht es um Jesus von Nazaret 36 Es steht also unzweifelhaft fest, und ganz Israel soll es erkennen: Gott hat Jesus zum Herrn und Messias gemacht den Jesus, den ihr gekreuzigt habt.«37 Die Zuhörer waren von dem, was Petrus sagte, bis ins Innerste getroffen.»was sollen wir jetzt tun, liebe Brüder?«, fragten sie ihn und die anderen Apostel. 38»Kehrt um«, erwiderte Petrus,»und jeder von euch lasse sich auf den Namen von Jesus Christus taufen! Dann wird Gott euch eure Sünden vergeben, und ihr werdet seine Gabe, den Heiligen Geist, bekommen. 39 Denn diese Zusage gilt euch und euren Nachkommen und darüber hinaus allen Menschen auch in den entferntesten Ländern allen, die der Herr, unser Gott, zu seiner Gemeinde rufen wird.«40 Mit diesen und noch vielen anderen Worten bezeugte Petrus ihnen das Evangelium; eindringlich ermahnte er sie:»diese Generation ist auf dem Weg ins Verderben! Lasst euch retten vor dem Gericht, das über sie hereinbrechen wird!«41 Viele nahmen die Botschaft an, die Petrus ihnen verkündete, und ließen sich taufen. Durch Gottes Wirken wuchs die Gemeinde an diesem Tag um etwa
2 dreitausend Personen. 42 Was das Leben der Christen prägte, waren die Lehre, in der die Apostel sie unterwiesen, ihr Zusammenhalt in gegenseitiger Liebe und Hilfsbereitschaft, das Mahl des Herrn und das Gebet. Predigt Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (2. Kor 3,17). Liebe Gottesdienstgemeinde, Darin sind wir uns alle einig: Wir möchten frei sein. Wer würde schon bei der Wahl zwischen Freiheit und Unfreiheit nicht die Freiheit wählen?! Hier bekommen wir den Zuspruch zur Freiheit: Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (2. Kor 3,17). Die Bindung an den Herrn bringt Freiheit, und das geschieht mit dem Kommen des Heiligen Geistes seit Pfingsten. Zur Freiheit hinzu kommt frisches, echtes Leben. Es geschieht Aufbruch: Gottes Geist verwandelt zaghafte und verängstigte Menschen in mutige: Petrus, der erst noch Jesus verleugnet hat, steht entschlossen vor die Leute und bezeugt seinen Glauben. Da ist tatsächlich etwas vom Himmel her geschehen. Da ist aus dem matten ein lebendiges, ja brennendes Herz geworden. Und da ist Freiheit: Mag geschehen was will, die Wahrheit muss gesagt sein, und alle sollen es hören und wissen. Das war Pfingsten. Aber das war nicht nur ein einmaliges Himmelsfeuerwerk ; der Pfingstgeist will Christen zu aller Zeit befreien, beleben und aus so unterschiedlichen Menschen eine Kirche schaffen. So dürfen wir beten und mit dem Heiligen Geist immer wieder neu rechnen - dass er Resigniertes und Sorgenvolles auflöst und uns belebt; - dass aus Sackgassen und Verfahrenem sich neue Wege auftun; - dass Bedrängendes weichen muss und grosses Aufatmen geschieht; - dass wir aus Zwängen heraus zu neuer Freiheit finden; - dass es Frühling wird und Neues erblüht unter uns; - dass Menschen zu Jesus finden und die Gemeinde wächst; - dass Menschen nach Gottes Wort verlangen und ihren Glauben nähren; - dass wir daher häufiger wie vor zwei Wochen an der Konfirmation zuwenig Platz in unserer Kirche haben. Das wünsche ich uns! Der Heilige Geist lässt träumen und hoffen. Mehr als das: Er ist uns nah, ermutigt, tröstet und beflügelt. Er tut, was wir nicht zu tun vermögen er ist eben Gott selber. Pfingsten steht darum für eine grosse Entlastung: Ich muss das alles nicht tun, und kann es gar nicht. Gott erwartet es nicht von mir. Neues Leben kann nur ER schaffen, wirkliche Änderungen, Freiheit und Neuanfang. Lassen wir es IHN tun! Wir dürfen aber sagen: Herr, hier sind wir. Wir haben wenig, sind ziemlich durchschnittlich und keine
3 Glaubenshelden. Aber weil Du uns mit deinem Geist Leben einflösst, befähigst und sendest, kann selbst durch uns Manches werden weil Du es kannst. (Stille: Wo möchte ich Freiheit und neues Leben erfahren? Schwieriges, Eingefahrenes, Sorgen und Entmutigungen hinlegen. Gebet für Pfingsten heute: Herr, guter Geist, kehr bei mir ein!) Und auch das ist wahr: Freiheit bedarf der Festigung, neues Leben braucht auch neue Formen. Die Menschen spüren, dass etwas geschieht. Sie erfahren die Auswirkungen: Ein Brausen vom Himmel her; neue Verständigung wird geschenkt. Wo die Kommunikation vorher gestört war und man aneinander vorbeiredete, versteht jetzt jeder. Gott redet auch meine Sprache, die ich verstehe auch das ist Pfingsten. Solches beglückt, verwirrt aber auch etwas. Es braucht jetzt Einordnung und Erklärung des Neuen. Das geschieht in der Pfingstpredigt. Petrus bringt es auf dem Punkt: Bei dem, was wir euch zu sagen haben, geht es um Jesus von Nazaret. Ja, den kennen wir, der war unter uns und wurde gekreuzigt aber, was hat er mit all dem zu tun, was wir gerade erleben? Petrus fährt fort und sagt, dass sich die Freiheit des Geistes an etwas festmacht, das zur Gewissheit wird: Es steht also unzweifelhaft fest, und ganz Israel soll erkennen: Gott hat Jesus zum Herrn und Messias gemacht den Jesus, den ihr gekreuzigt habt. Das fährt ein: Der Gott des Lebens hat den lebendig gemacht, den ihr, d.h. also wir, getötet haben. Ja, aber ich war das doch gar nicht? Ich war gar nicht dabei, als die Römer Jesus gekreuzigt haben? So denken viele bis heute. Die Verwirrung scheint nun noch grösser. Petrus muss zur Erklärung etwas ausholen und Unterweisung geben, Glaubenslehre erteilen. Am Schluss werden vier Dinge aufgeführt, die für die Christen aller Zeiten Bedeutung haben: Was das Leben der Christengemeinde prägte, waren die Lehre, in der die Apostel sie unterwiesen, ihr Zusammenhalt in gegenseitiger Liebe und Hilfsbereitschaft, das Mahl des Herrn und das Gebet. Am Anfang und darum besonders wichtig ist die Apostellehre. Es ist die Predigt und Unterweisung in der Heiligen Schrift und ihre prophetische Auslegung in die jeweilige Gegenwart. Was ist evangelischer Glaube? Warum kannst du vertrauen? Worauf gründest du dein Leben? Bei jedem Aufbruch neuen Lebens wie an Pfingsten brechen Fragen auf und rufen nach Antworten. Nun mache ich einen Sprung in der Geschichte: Mit der Reformation im 16. Jahrhundert in ist ein pfingstlicher Neuaufbruch geschehen: Menschen haben neues Leben und neue Freiheit erfahren in Jesus Christus, in Rückbindung an die Heilige Schrift. Doch sie löste wie jeder Aufbruch auch viele Fragen aus und rief
4 nach Erklärungen wie diese: Ihr nennt euch evangelisch-reformiert. Was ist denn eure Glaubensüberzeugung? Als Antwort darauf entstand der Heidelberger Katechismus. Seinen Anfang nahm er, wie sein Name sagt, in Heidelberg vor 450 Jahren. Es war der Landesfürst des reformiert gewordenen Gebiets der Kurpfalz, der ihn in Auftrag gab. Später übernahmen ihn auch andere reformierte Gebiete: die meisten Kirchen der Schweiz, auch unsere Berner Kirche. So gewann er grosse Verbreitung und wurde das bekannteste reformierte Bekenntnis. Diese Bindung in Freiheit wurde dann im 19. Jahrhundert aufgelöst. Seither leben wir ohne verbindliches Glaubensbekenntnis. Doch was zunächst als Befreiung erlebt wurde, wird heute mehr und mehr zur Ratlosigkeit: Was glauben wir Reformierten eigentlich? Was glaube ich? Damit sind wir bei der ersten Frage des Heidelberger Katechismus angelangt, die als Überschrift der Glaubenslehre insgesamt dient. Frage und Antwort lauten: 1 Frage: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Antwort: Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre. Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst; und er bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum macht er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens gewiss und von Herzen willig und bereit, ihm forthin zu leben. 2. Kor 1, 21.22 / Eph 1, 13.1Röm Eine so wichtige Frage und eine treffende Antwort dazu: Soll das nicht mehr gelten? Gewiss doch. Aber an Pfingsten ist zu lernen: Der Gottesgeist, der Leben schafft, und die Bibel und mit ihr der Katechismus gehören zusammen. Ohne Geist wirken Bibel und Glaubenslehre alt, muffig und rechthaberisch; ohne Bibel und Katechismus aber bleibt das Wirken des Geistes diffus, ohne Fundament und Dauer. Pfingsten als Geburtstunde der Kirche bringt beides zusammen: Freiheit und Leben mit Verbindlichkeit und Lehre. So ist es gut, und so kommt es gut. Wenn eines ohne das andere bleibt, kommt es dagegen zu Verwirrung oder Verhärtung. 2 Frage: Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst? Antwort: Erstens: Wie groß meine Sünde und Elend ist. Zweitens: Wie ich von allen meinen Sünden und Elend erlöst werde. Drittens: Wie ich Gott für solche Erlösung soll dankbar sein. Eph 5, 8-11 / 1. Petr 2, 9-12 / Röm 6, 11-14 Mit der zweiten Frage und Antwort ist der Inhalt des Heidelberger Katechismus in seinen drei Teilen angezeigt: 1. Von des Menschen Elend (mit Fragen und Antworten 3 11), 2. Von des Menschen Erlösung (Fragen und Antworten 12 85) und 3. Von der Dankbarkeit (Fragen und Antworten 86 129). Da ist von Vater, Sohn und Heiligem Geist die Rede, von Taufe
5 und Abendmahl, vom UnserVater und den 10 Geboten und anderem mehr kurzum: Wesentliches von dem, was den Glauben ausmacht und ihm zugrunde liegt, wenn er denn christlich und reformiert sein soll. Wir können im Rahmen dieses Gottesdienstes nun nicht die 129 Fragen und Antworten durchgehen. Dafür dürft ihr den Heidelberger Katechismus gerne selber zur Hand und ins Herz nehmen. Er dient auch als Gesprächsgrundlage über den Glauben: zu Hause in der Familie und darüber hinaus (im Internet: www.heidelberger-katechismus.net). Dem Katechismus sind übrigens Bibelstellen beigegeben, die anzeigen, worauf sich der Katechismus im biblischen Wort bezieht und woher er seine Legitimität nimmt. Ich greife hier in der Predigt Weniges heraus und führe nachher das Abendmahl mit Hilfe des Heidelberger Katechismus ein. Zentral ist etwa die Frage 21: 21 Frage: Was ist wahrer Glaube? Antwort: Wahrer Glaube ist nicht allein eine zuverlässige Erkenntnis, durch welche ich alles für wahr halte, was uns Gott in seinem Wort geoffenbart hat, sondern auch ein herzliches Vertrauen, welches der Heilige Geist durchs Evangelium in mir wirkt, dass nicht allein anderen, sondern auch mir Vergebung der Sünden, ewige Gerechtigkeit und Seligkeit von Gott geschenkt ist, aus lauter Gnade, allein um des Verdienstes Christi willen. R Es wäre nun angezeigt, die so gewichtigen Aussagen einzeln zu bedenken und darüber auszutauschen. Das tun wir nicht, aber weil Pfingsten ist, lassen wir noch durch die Fragen und Antworten 53 und 54 uns über den Heiligen Geist und die Kirche unterweisen: 53 Frage: Was glaubst du vom Heiligen Geist? Antwort: Erstens: Der Heilige Geist ist gleich ewiger Gott mit dem Vater und dem Sohn. Zweitens: Er ist auch mir gegeben und gibt mir durch wahren Glauben Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten. Er tröstet mich und wird bei mir bleiben in Ewigkeit. 54 Frage: Was glaubst du von der»heiligen allgemeinen christlichen Kirche«? Antwort: Ich glaube, dass der Sohn Gottes aus dem ganzen Menschengeschlecht sich eine auserwählte Gemeinde zum ewigen Leben durch seinen Geist und Wort in Einigkeit des wahren Glaubens von Anbeginn der Welt bis ans Ende versammelt, schützt und erhält und dass auch ich ein lebendiges Glied dieser Gemeinde bin und ewig bleiben werde. Gewiss, man würde heute das eine oder andere etwas anders formulieren und dabei einfache und kurze Sätze verwenden. Und gewiss: Manches war schon damals für die Jugendlichen der Kinderlehre etwas schwer verständlich. Und gewiss: Mit Auswendiglernen und Heruntersagen ist es nicht getan. Aber auch gewiss: Eine Glaubensgrundlage und -vergewisserung bedürfen wir mehr denn je. Der alte Heidelberger Katechismus kann uns auch heute helfen, über die Grundlagen reformierten Glaubens gewiss zu werden und ins Gespräch zu kommen.
6 Zum Schluss kehren wir zurück zum Pfingstgeschehen. Nach Geistesaufbruch und nachfolgender Unterweisung heisst es: Die Zuhörer waren von dem, was Petrus sagte, bis ins Innerste getroffen. Das macht der Heilige Geist unter Zuhilfenahme von biblischer Unterweisung. Und jetzt wird nicht mehr wie im Katechismus gefragt, jetzt fragen die betroffenen Menschen selber:»was sollen wir jetzt tun?kehrt um«, antwortet Petrus,»und jeder von euch lasse sich auf den Namen von Jesus Christus taufen! Dann wird Gott euch eure Sünden vergeben, und ihr werdet seine Gabe, den Heiligen Geist bekommen. Denn diese Zusage gilt euch und euren Nachkommen und darüber hinaus allen Menschen auch in den entferntesten Ländern allen, die der Herr, unser Gott, zu seiner Gemeinde rufen wird.«auf eine konkrete Frage erteilt Petrus eine ebenso konkrete Anweisung und verbindet sie neuerlich mit Glaubenslehre. Möge der Pfingstgeist in Verbindung mit der Glaubensunterweisung uns wieder dazu bringen, zentrale Fragen des Lebens und Glaubens zu stellen! Und dazu, dass wir die klaren Antworten im Leben ebenso klar beherzigen und tun. Dann gelangen wir zu wahrer Freiheit und bleiben nicht verwirrt, sondern werden getröstet. Damit sind wir am Ende der Predigt nochmals beim Anfang des Heidelberger Katechismus: Amen. 1 Frage: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Antwort: Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre. Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst; und er bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum macht er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens gewiss und von Herzen willig und bereit, ihm forthin zu leben.