RHEOLOGISCHE AUSLEGUNG VON DUROPLASTWERKZEUGEN Welcher Werkzeugkonstrukteur oder Maschineneinrichter hat sich nicht schon einmal gewünscht, in das Spritzgießwerkzeug hineinsehen zu können? Wirklich zu sehen, wie Polymermasse durch das Angusssystem in Kavitäten fließt, wohin sie eingeschlossene Luft verdrängt warum sie gewisse Kavitätsbereiche nicht ausformt. Wirklich zu sehen, wie sich Wärme im Werkzeug verteilt welche Heizpatrone zu kalt wann ein Temperierkanal zu heiß ist. Wirklich zu sehen, wie der Artikel vernetzt wo gegen das Werkzeug drückt. Kurzum, Abhängigkeiten im Werkzeug offen transparent vor sich zu haben tatsächlich zu verstehen, welche Aktion welche Reaktion bewirkt. Doch leider ist Werkzeugstahl nicht transparent selbst wenn Mess-Sensorik in Produktionswerkzeugen vorhanden ist, erlaubt sie nur punktuelle Aussagen über z.b. Temperatur oder Druck-Verläufe. Das Verhalten des Werkzeug-Systems insgesamt bleibt der Interpretation der Einrichter, ihrem fachlichen Wissen ihrer Erfahrung vorbehalten. Optimierungen basieren daher zumeist auf Intuition Vermutungen. Moderne Spritzgießsimulation mit SIGMASOFT kann Zusammenhänge erklären Intuition unterstützen. Am Computer lassen sich Ideen einfach, schnell kostengünstig überprüfen. Man muss keinen Stahl zerspanen, keine Produktion unterbrechen, keine Maschine reservieren kein Abmusterungsteam zusammenstellen. Dennoch erhält man Aussage, ob eine Idee funktioniert oder nicht darüber hinaus auch noch Begründung warum sie funktioniert. Mit sem Strauß an belastbaren Argumenten schafft man sich eine überzeugende Ausgangsbasis für Entscheidungen bzw. für Verhandlungen mit den Ken, den Vorgesetzten oder dem Entwicklungsteam. Duroplast-Werkstoffe erleben derzeit einen Boom, weisen sie doch Eigenschaften auf, sie für verschiedenste Anwendungen prädestinieren. Durch ihre Zugehörigkeit zu den vernetzenden (reaktiven) Polymeren wird ihnen jedoch auch mit Skepsis begegnet. Verstärkt wird s durch teilweise niedrigen Viskositäten, das Polymer in jeden Werkzeug-Spalt eindringen lassen. SIGMASOFT basiert auf rigoros implementierten physikalischen chemischen Modellen zeigt auch
für Duroplast-Werkstoffe Vorgänge im Werkzeug zuverlässig auf. OptimierungsPotenziale werden klar Werkstoff-Eigenschaften können gezielt ausgenutzt werden. 1 WERKZEUG- UND ANGUSSAUSLEGUNG Die Spritzgieß-Fertigungssimulation mit SIGMASOFT zieht Bilanzgrenze der Simulation um das Spritzgießwerkzeug. Das bedeutet, es können alle relevanten Werkzeug-Komponenten in der Simulation mit ihren entsprechenden physikalischen Eigenschaften auf Knopfdruck abgebildet werden. Die Durchgängigkeit heutiger 3DCAD-Ketten macht langwierige Modellaufbereitungen unnötig tagelange Optimierungen des Simulationsnetzes überflüssig. Mittels einer CAD-nahen Modellierungsstrategie lassen sich in der Simulation Effekte scheinbar alternativer Werkzeugstähle bzw. Möglichkeiten hochleitfähiger Legierungen oder einer dynamischen Werkzeugtemperierung darstellen, vergleichen auf se Weise eine sichere Entscheidung für den Entwicklungsprozess treffen. Die Phänomene im Werkzeug werden transparent der Spritzgießprozess nachvollziehbar. Mit SIGMASOFT wird Geschichte des Polymers vom Eintritt in das Werkzeug bis zur finalen Position in der Kavität verfolgt visualisiert. Der Weg Entwicklung jedes Polymer-Partikels liegen damit vor. Temperaturen im Polymer im Werkzeug sind zeitabhängig darstellbar, so dass Wärmeflüsse zwischen Werkzeug-Komponenten zwischen Polymer Werkzeug offensichtlich werden. Viskositäts- Druckentwicklung, Scherraten Scherwärme sind weitere Ergebnisse. Gleichermaßen wird bei reaktiven Polymeren kontinuierlich der Verlauf der Vernetzungskinetik berechnet, wiederum Viskosität damit den Druck beeinflusst. 2
1.1 Thermische Auslegung Bild 1 zeigt eine Schnittdarstellung einer Werkzeugbacke als Teil eines 2 Kavitäten Duroplastwerkzeugs. Die Farbinformation gibt Temperaturverteilung während der Werkzeug-Aufheizphase kurz vor Produktionsbeginn wieder. Man erkennt deutlich, dass das Werkzeug noch nicht im quasistationären thermischen Gleichgewicht ist. Allein in ser Backe ist eine Temperaturdifferenz von 20 C feststellbar. Die Zieltemperatur von 160 C ist im gesamten Werkzeug noch nicht erreicht. Selbst nach Erreichen der Solltemperatur an den Thermofühlern werden Heizpatronen noch einige Anfahrzyklen benötigen, um insgesamt das thermische Gleichgewicht einzustellen. Zudem wird bereits aus ser Momentaufnahme vor dem Beginn der ersten Einspritzphase Problematik ses Werkzeugkonzepts deutlich. Der zylindrische Werkzeugkern in der oberen Bildmitte ist nicht temperiert Heizpatronen sind sehr weit entfernt angeordnet. Es besteht nahezu kein Wärmefluss in den Kern damit wird es schwer, eine ausreichende Kavitätswandtemperatur für einen zügigen Vernetzungsumsatz zu erreichen. Bild 1: Schnittdarstellung einer Werkzeugbacke während des Aufheizens 3
Bild 2 zeigt gleiche Schnittdarstellung nach 15 Spritzgießzyklen. Die Skalierung ist in beiden Bildern identisch. Das Werkzeug ist nun im thermischen Gleichgewicht. Die Temperaturdifferenzen liegen weitestgehend unter 10 C, wobei der zylindrische Kern kälteste Stelle darstellt damit bereits den Bereich verhältnismäßig geringer Vernetzung bzw. minimaler mechanischer Eigenschaften des Artikels anzeigt. Die Heizpatronen sind nun eingeregelt geben genau soviel Wärme ab, wie benötigt wird um das Werkzeug im thermischen Gleichgewicht zu halten. Ein Stift aus hochwärmeleitfähigem Material in den Kern einzusetzen, ist nun eine kostengünstige Lösung den Wärmefluss von der Heizpatrone in den Kern zu erhöhen. Bild 2: Temperaturfeld nach 15 Produktionszyklen: Thermisches Gleichgewicht durch Multizyklussimulation 1.2 Rheologische Auslegung Neben der thermischen ist der rheologischen Auslegung der Anguss- bzw. Verteilerkanäle besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Aus wirtschaftlichen Überlegungen werden oftmals Mehrkavitätenwerkzeuge angestrebt. Muss dann einzelne Kavität 4
über mehrere Anschnitte gefüllt werden, wird Angussbalancierung hochkomplex. Bild 3 zeigt ein solches Beispiel. Es wurden zwei Kavitäten A / B (Symmetrie eines 8 Kavitäten-Werkzeugs) über je zwei Anschnitte (A: 1+3 B: 2+4) gefüllt. Aufgr eines rheologisch schlecht balancierten Angusssystems ungleichmäßiges Scherraten-Profil in den verschiedenen Verteilerkanälen füllt Kavität A schneller als Kavität B. Insbesondere gegen Ende der Einspritzphase führt s zu einem hoch dynamischen Verhalten der verschiedenen Volumenströme. Die starke Beschleunigung der Masse in Anschnitt 2 führt zu einem erhöhten Druckbedarf zum Füllen ser Kavität. Dieser erhöhte Druck steht allerdings auch komplett in der bereits gefüllten Kavität A an sorgt dort für eine verstärkte Gratbildung. 1 2 Start Einspritzen 3 4 Bild 3: Transienter Volumenstrom durch 4 verschiedene Anschnitte Soll eine Kavität über mehrere Anschnitte gefüllt werden bzw. sollen mehrere Kavitäten in einem Werkzeug gefüllt werden, bestehen feste Anforderungen, welcher Volumenstrom, wann durch welchen Anschnitt gehen muss, Bild 3. Das Verteilersystem muss sen Anforderungen genügen. Bei einer unzureichenden rheologischen Balancierung werden Kavitäten unterschiedlich gefüllt, entstehen ungleichmäßige Belastungen des Spritzgießwerkzeugs durch Druckspitzen Gefahr von Gratbildung erhöht sich signifikant. 5
Die Rheologie von Duroplast-Massen kann sich grlegend von dem Verhalten thermoplastischer-typen unterscheiden. Während Thermoplaste in der Regel eine ausgeprägte Quellströmung zeigen, können Duroplaste je nach Füllgrad Basispolymer sowohl quellströmend als auch block-scherströmend vorliegen. Die Block-Scherströmung ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Mitte des Fließkanals ein kompakter Masse-Block entsteht, der auf den äußeren Randschichten abgleitet. Alle Scherung konzentriert sich so in den Randschichten Wanddickensprünge führen unmittelbar zu Freistrahleffekten. Zuverlässige Materialdaten vorausgesetzt (Viskosität als Funktion der Scherraten, der Temperatur der Vernetzung), sind allgemeinen 3D-Navier-Stokes Erhaltungsgleichungen in SIGMASOFT prädestiniert beide Strömungsformen abzubilden. Bei reaktiven Polymeren ist zudem der Einfluss der Vernetzungsreaktion auf das Fließverhalten zu berücksichtigen. Je nach Mischung, Werkzeuggestaltung Prozessparametern beginnt das Polymer bereits während der Einspritzphase zu vernetzen. Die steigende Vernetzung bewirkt einen Anstieg der Viskosität beeinflusst damit das Füllverhalten. Die Auslegung des Werkzeugs des Spritzgießprozesses muss daher sicherstellen, dass ein Prozessfenster vorliegt, in dem ein zuverlässiges Füllen der Kavität(en) möglich ist. Bild 4: Valirung der Simulation: Füllstu mit einer block-scherströmenden Phenolharzmasse 6
Bild 4 zeigt eine Füllstu an einer einfachen Plattengeometrie mit einer blockscherströmenden Phenolharzmasse. Freistrahl, Orientierung des Freistrahls sowie Ausbildung der nachschiebenden Fließfront werden mit exzellenter Genauigkeit durch Simulation wiedergegeben. Bild 5 zeigt eine Gegenüberstellung von ShortShot mit dem entsprechenden simulierten Füllstand für ein Ölfiltergehäuse aus ebenfalls einer Phenolformmasse. Die Position Gestalt aller Bindenähte wird exakt dargestellt. Auf ser Basis lassen sich Entscheidungen für Bauteilentwicklung, Werkzeug- Prozessoptimierungen sicher treffen. Bild 5: Gegenüberstellung von realer simulierter Teilfüllung für ein Ölfiltergehäuse 1.3 Einspritz- Heizphase Neben der Betrachtung der Werkzeugtemperierung bzw. Angussbalancierung genereller Rheologie von Duroplastmassen bietet Spritzgießsimulation natürlich auch weitere Aussagen über Art der Kavitätsfüllung prognostiziert erreichbare Artikelqualität. Der Anwender bekommt ein Verständnis für Position Geschichte von Bindenähten, Bild 6. Der markierte Bereich zeigt Entstehung einer Bindenaht. Zwei grau schattierte Fließfronten stoßen zusammen entlang der dreidimensionalen Kontaktfläche entstehen virtuelle Tracer-Partikel. Diese Partikel werden von der Strömung weitertransportiert visualisieren so 7
Temperatur- Druckgeschichte der Bindenaht durch ihre farbliche Skalierung. Auf se Weise erhält der Anwender einen detaillierten Eindruck der 3D- Bindenahtgestalt sowie der zu erwartenden Festigkeit. Durch Position Gestaltung der Anschnitte können unvermeidbare Bindenähte in unkritische Bereiche verschoben werden, Bild 7. BindenahtFließfront entstehung Bild 6: Detailinformationen zur Bindenahtentstehung -Geschichte durch Tracer-Partikel Einlegeteil Bindenaht Bild 7: Umspritzen von Einlegeteilen Evaluieren des Füllbilds 8
Eine Simulation der Faserorientierung ist für Duroplaste ebenso möglich, wie es aus dem Thermoplastbereich bekannt ist, Bild 8. Ebenso stehen in SIGMASOFT für Duroplaste alle Möglichkeiten des Mappings zur Verfügung, um Faserorientierungen bzw. anisotrope Steifigkeit-Matrizen nach Struktursimulations-Pakete wie etwa Abaqus/Ansys zu exportieren. Bild 8: Schnittdarstellung der verschiedenen Komponenten des Faserorientierungtensor Die vollständig gekoppelte Simulation zwischen Werkzeug, Duroplast Einlegeteil(e) verdeutlicht Interaktion der verschiedenen Komponenten z.b. der Einfluss von Einlegeteil-Geometrien Einlege-Temperaturen auf das Füllbild Artikel-Eigenschaften (z.b. Vernetzungsumsatz) werden klar. Der Zusammenhang zwischen Temperierkonzept, Vernetzungsumsatz erreichbaren mechanischen Eigenschaften (als Funktion der erreichten lokalen Glasübergangstemperatur) im Artikel ist nicht mehr länger eine Black-Box. 9
2 HERAUSFORDERUNGEN BEI DER SIMULATION VON DUROPLASTEN Wie im letzten Kapitel bereits gezeigt wurde, ist Abbildung der Werkzeugthermik der verschiedenen Spritzgießprozess-Phasen in der Spritzgießsimulation auch für Duroplaste möglich. Jede Simulation benötigt jedoch Materialdaten genau hierin liegt Herausforderung bei der Simulation von Duroplasten. Während meisten thermophysikalischen Daten (Dichte, Wärmeleitfähigkeit, Wärmekapazität) noch recht zuverlässig zu ermitteln sind, wird es bei der Messung der rheologischen Daten schwierig. Die verfügbaren Messmethoden sind gut für Thermoplaste Kautschukmassen geeignet, zeigen se Polymere schließlich keine Vernetzungsabhängigkeit der Viskosität (Thermoplast) bzw. werden chemisch so eingestellt, dass Vernetzungsreaktion während der Einspritzphase vernachlässigt werden kann (Kautschuk). Bei vielen Duroplasten startet dagegen Vernetzungsreaktion bereits unmittelbar bei der Plastifizierung. Es steht also nur ein sehr kleines Zeitfenster für Verarbeitung bzw. Messung zur Verfügung, Bild 9. Spezielle Schlitz-Kapilarrheometer sind in der Lage solche Messungen zuverlässig durchzuführen. Verschiedene Rohstoffhersteller bieten solche Simulationseingangsdaten standardmäßig an. Viscosity Influence of Temperature Influence of Curing Reaction Resulting Viscosity 0.00 0 Time Bild 9: Temperatur- Vernetzungseinfluss auf Viskosität von Duroplasten 10
Grsätzlich muss allerdings sichergestellt sein, dass Vernetzungsreaktion Messungen nicht unzulässig verfälscht. Aufgr des komplexen Werkstoffverhalten ist nicht zu erwarten, dass eine Messung allein zu belastbaren Viskositätsdatensätzen führen wird, sondern ein experimenteller Abgleich über einen Reverse-Engineering-Ansatz empfehlenswert ist. 3 FAZIT Die moderne 3D-Spritzgießsimulation mit SIGMASOFT ist für Duroplaste in der Lage das Werkzeugfüllverhalten, Lage von Bindenähten Lufteinschlüssen, Rheologie, den Vernetzungsumsatz Druckbedarf, zuverlässig lokale abzubilden. Temperaturverteilungen Die Anzahl den Position von Anbindungen, Balancierung des Angussystems für Mehrkavitätenwerkzeuge sowie das Temperierkonzept des gesamten Werkzeugs kann auf einfache Weise optimiert werden. Die Simulationsergebnisse sind belastbar bieten ein solides Fament für sichere Entwicklungsentscheidungen. Die Herausforderung bei der Simulation von Duroplast-Spritzgießprozessen liegt darin, notwendigen Materialdaten insbesondere erforderlichen Viskositätsdaten mit ausreichender Genauigkeit zu bestimmen. Messungen mit speziellen Schlitz-Rheometern in Kombination mit einem Reverse-EngineeringAnsatz liefern geforderten Daten. Damit ist nicht nur Strukturviskosität von Duroplasten abbildbar sondern auch ein vernetzungsbedingter Viskositätsanstieg. Mit den so ermittelten Materialdaten kann in eine Spritzgießsimulation mit SIGMASOFT gestartet werden, eine sichere thermische rheologische Auslegung von Spritzgießwerkzeug -prozess wird möglich. 11