Ausbildungsseminar Teilchen-Astrophysik Quellen kosmischer Strahlung

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Transkript:

Ausbildungsseminar Teilchen-Astrophysik Quellen kosmischer Strahlung Daniel Ostermeier 8. Dezember 2008 Keplers SNR Quelle:www.hubblesite.org

Quellen kosmischer Strahlung Seite 2 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 1.1 Frühe Deutungsversuche......................... 3 1.2 Grundlegende Fragen........................... 3 1.3 Einteilung der kosmischen Strahlung.................. 4 2 Solare kosmische Strahlung 4 2.1 Sonnenwind................................ 4 2.1.1 Entdeckung des Sonnenwinds.................. 4 2.1.2 Zusammensetzung........................ 4 2.1.3 Entstehung............................ 4 2.2 Sonneneruptionen, Rekonnexion..................... 6 2.3 Anomale kosmische Strahlung...................... 8 3 Galaktische kosmische Strahlung 9 3.1 Fermi-Mechanismus 2.Ordnung..................... 9 3.2 Galaktische Quellen und ihre Beschleunigungsmechanismen...... 11 3.2.1 Supernova-Überreste (SNR)................... 11 3.2.2 Pulsare............................... 15 3.2.3 Doppelsternsysteme........................ 16 4 Extragalaktische kosmische Strahlung 17 4.1 Jets.................................... 17 4.2 Aktive Galaktische Kerne (AGN).................... 18 4.3 Gamma-Ray Bursts............................ 18 5 Die Suche nach den Quellen 20 5.1 Propagation der KS............................ 20 5.1.1 Die Rolle galaktischer Magnetfelder............... 20 5.1.2 Wechselwirkung mit dem Interstellaren Medium........ 21 5.1.3 Kosmische Uhren......................... 21 5.2 Gammastrahlenastronomie........................ 22 5.3 Neutrinoastronomie............................ 23 5.4 Jüngste Ergebnisse............................ 23 5.4.1 Der Himmel über HESS..................... 23 5.4.2 AUGER.............................. 24 6 Zusammenfassung und Ausblick 24 7 Literatur 25

Quellen kosmischer Strahlung Seite 3 1 Einleitung 1.1 Frühe Deutungsversuche Um die Wende zum 20. Jahrhundert waren viele Wissenschaftler nicht bereit die Umwälzungen in der Physik zu akzeptieren (vor allem Folgerungen aus Relativitätstheorie, Thermodynamik, Quantentheorie und Kosmologie). Die Vorstellung eines in Raum und Zeit unveränderlichen Universums war weit verbreitet (Vollständiges kosmologisches Prinzip), weswegen viele sowohl die Relativitätstheorie und die damit verbundene Galaxienflucht, als auch den Wärmetod des Universums ablehnten. Die Entdeckung der Höhenstrahlung unbekannten Ursprungs ließ sich gut als "Beweis"für eigene Theorien einsetzen: W. Nernst: Radioaktiver Zerfall von Urmaterie (superschwere Elemente) endet im Äther. Zur Erhaltung des Gleichgewichts entstehen Atome wieder aus dem Äther. Die Höhenstrahlung empfand Nernst als Bestätigung seiner Hypothesen. MacMillan und Millikan: Höhenstrahlung wird als Photonen diskreter Energie emittiert, wenn Nukleosyntheseprozesse im interstellaren Raum ablaufen ("Geburtsschrei der Materie") 1.2 Grundlegende Fragen Die Eigenschaften der kosmischen Strahlung (Elementzusammensetzung, Energiespektrum, Energiedichte) lassen sich auf der Erde gut untersuchen. Klar ist, dass es aufgrund der hohen Energiespanne der kosmischen Strahlung (bis 10 20 ev, LHC:10 12 ev) nicht nur einen Beschleunigungsmechanismus geben kann, sondern mehrere Quellen und Beschleunigungsmechanismen existieren müssen, welche nicht thermischer Natur sein können (maximal erreichbar: 10 3 ev). Es muss vielmehr kollektive Prozesse geben, die es erlauben, die Energieemission einer Quelle effizient auf eine relativ geringe Anzahl von Teilchen zu übertragen. Trotz beinahe 100 Jahren Forschung sind einige grundlegende Fragen noch nicht vollständig beantwortet: Was sind die kosmischen Quellen geladener Teilchen? Wie werden die Teilchen auf so hohe Energien beschleunigt? Wie groß ist die maximale Energie der kosmischen Strahlung? Wie breitet sie sich durch das Interstellare Medium (ISM) bis zur Erde aus? Wie sieht die Wechselwirkung mit dem ISM und Photonen aus? Werden ihre Eigenschaften dabei verändert?

Quellen kosmischer Strahlung Seite 4 1.3 Einteilung der kosmischen Strahlung Die kosmische Strahlung wird nach ihrem wahrscheinlichsten Ursprung eingeteilt: solare kosmische Strahlung: Ursprung ist unsere Sonne (bis 10 9 ev) galaktische kosmische Strahlung: Quellen liegen in der Milchstraße (10 10 10 16 ev) extragalaktische kosmische Strahlung: Quellen liegen in anderen Galaxien (bis 10 20 ev) 2 Solare kosmische Strahlung 2.1 Sonnenwind 2.1.1 Entdeckung des Sonnenwinds Schon 1859 beobachtete Richard Carrington einen Zusammenhang zwischen Sonnenflares und (dazu zeitlich versetzten) Magnetfeldstürmen auf der Erde, was zu dieser Zeit jedoch unerklärlich schien. Am Anfang des 20. Jahrhunderts versuchte der Norweger Kristian Birkeland, die Polarlichter mit einem Teilchenstrom von der Sonne zu erklären. Diese Theorie wurde jedoch von anderen Physikern genauso abgelehnt wie die Idee der solaren Teilchenstrahlung, die der Deutsche Ludwig Biermann annahm, um die Ausrichtung der Kometenschweife (immer von der Sonne weg) zu erklären. Den experimentellen Beweis der Existenz des Sonnenwinds lieferten erst die sowjetische Raumsonde "Lunik 1"(1959) und die amerikanische Sonde "Mariner 2"(1962) 2.1.2 Zusammensetzung Der Sonnenwind ist ein Hauptbestandteil der kosmischen Strahlung. Er stellt einen permanenten Strom geladener Teilchen (Plasma) von der Sonne dar und besteht hauptsächlich aus Protonen, Elektronen und α-teilchen (es sind jedoch auch Spuren von schwereren Atomkernen und neutralen Atomen vorhanden). Die Zusammensetzung des Sonnenwinds liefert Informationen über die Bestandteile des Urnebels, aus dem sich das Sonnensystem gebildet hat: Der Sonnenwind stammt aus den äußeren Bezirken der Sonne. Im Inneren verändern Kernfusionsprozesse ständig die Elementzusammensetzung. Da sich das Innere der Sonne jedoch nicht mit dem Äußeren mischt, entspricht die Isotopenhäufigkeit dort immer noch der des Urnebels. 2.1.3 Entstehung Es herrscht ein starker Temperaturgradient zwischen Photosphäre ( 5800K) und Korona (1.000.000K- 5.000.000K); die Korona ist thermisch instabil.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 5 Abbildung 1: Aufbau der Sonne Quelle: www1.physik.uni-greifswald.de/lehre/plasmaphysik/2007-ssseminar/sonnenwind-polarlicht.pdf Plasmateilchen werden stark erhitzt und auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt (größer als Fluchtgeschwindigkeit). Die Folge ist ein stetiger, die Sonne verlassender Strom von Materie (ca. 10 9 kg ). Man unterscheidet dabei zwischen dem langsamen s ( 400 km) und dem schnellen ( 800 900 km ) Sonnenwind, der im Bereich von s s koronalen Löchern austritt. Koronale Löcher sind Bereiche in der Korona der Sonne, die eine niedrigere Temperatur und Dichte als die Umgebung aufweisen (Dichte ca. um Faktor 100 niedriger). Im Normalfall sind die magnetischen Feldlinien der Sonne im Äquatorbereich geschlossen und hindern das Plasma am Austreten. Wegen des ausgeprägt lokalen Charakters der Magnetfeldstrukturen kann es jedoch vorkommen, dass Bereiche mit gleicher magnetischer Polarität nebeneinander liegen, weswegen die magnetischen Feldlinien nicht mehr in einem kurzen Bogen zurück zur Sonne führen, sondern weit in den interplanetaren Raum hinausragen. Dort wird das Plasma also nicht mehr vom Magnetfeld auf der Sonne gehalten und kann entlang dieser Feldlinien mit hoher Geschwindigkeit entweichen:

Quellen kosmischer Strahlung Seite 6 Abbildung 2: Magnetfeldlinien auf Sonnenoberfläche Quelle: Wikipedia 2.2 Sonneneruptionen, Rekonnexion Im Plasma liegen Elektronen und Ionen getrennt vor, wobei die Elektronen wegen ihrer viel kleineren Masse ( Faktor 10 4 ) eine größere mittlere Geschwindigkeit aufweisen. Es fließt also ein elektrischer Strom, der ein Magnetfeld induziert. Das Plasma strömt nun entlang dieser Magnetfeldlinien (genauer gesagt auf Spiralbahnen um diese), die, wie in Abbildung 2 zu sehen ist, einen Bogen auf der Sonnenoberfläche beschreiben. Da die Sonne jedoch nicht wie ein starrer Körper rotiert, sondern verschiedene Zonen unterschiedliche Winkelgeschwindigkeiten haben, erfährt das Magnetfeld eine Scherung und damit verbunden eine Erhöhung der Feldenergie. Durch Verkürzung sich berührender Feldlinien kann das Magnetfeld wieder in einen Zustand niedrigerer Energie übergehen (Rekonnexion), wobei elektromagnetische Energie frei wird, die zur Beschleunigung von geladenen Teilchen führt (Geschwindigkeiten bis zu 3000km/s sind möglich; dies entpricht 5 10 4 ev für ein Proton). Es wurden gewaltige Eruptionen von heißem Plasma in zeitlichem Zusammenhang mit Rekonnexion beobachtet.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 7 Abbildung 3: Sonneneruption Quelle: www.physik.unikl.de/urbassek/teaching/lectures/weltraumwissenschaftsseminar/vortraege/vortragsonne.pdf Treffen antiparallele Feldlinien aufeinander, so kann es passieren, dass sich oberhalb der Rekonnexionsregion Bereiche mit geschlossenen Feldlinien ablösen. Das darin enthaltene Plasma kann sich so von der Sonne ablösen und entweichen: Abbildung 4: Magnetische Rekonnexion Quelle: www.physik.unikl.de/urbassek/teaching/lectures/weltraumwissenschaftsseminar/vortraege/vortragsonne.pdf

Quellen kosmischer Strahlung Seite 8 2.3 Anomale kosmische Strahlung Als anomale (oder ungewöhnliche) kosmische Strahlung bezeichnet man die Komponente der kosmischen Strahlung, die nicht durch Sonnenwind und -eruptionen erklärbar und deren Energie kleiner ist als die der galaktischen kosmischen Strahlung. Zur Erklärung ihrer Herkunft: Unser Sonnensystem befindet sich in einer riesigen Blase aus Gas (geschätzter Radius: 100-150 AE), der sogenannten Heliosphäre, in der das interstellare Medium durch den Sonnenwind verdrängt wurde: Zu den weiteren Bezeichnungen: Abbildung 5: Heliosphäre unseres Sonnensystems Quelle: Wikipedia, erstellt von NASA Termination Shock: Dies bezeichnet die Grenze, an welcher der Sonnenwind vom ISM abrupt abgebremst und aufgeheizt wird. Sonnenscheide (Heliosheath): 1 In diesem Bereich beginnt der Sonnenwind sich mit dem ISM zu vermischen. Dort befindet sich zur Zeit die Raumsonde Voyager1. Heliopause: Die Heliopause bildet den äußersten Rand der Heliosphäre (= Grenze unseres Sonnensystems), also das Gebiet, in dem der Sonnenwind endgültig nicht mehr in der Lage ist, das ISM zu verdrängen. Die Heliosphäre kann man sich wie einen Wasserstrahl vorstellen, der in ein Waschbecken fällt: 1 Die Sonnenscheide trägt viel zum Schutz vor der kosmischen Strahlung bei, da die magnetischen Turbulenzen in der Sonnenscheide viel kosmische Strahlung ableiten, bevor sie überhaupt das innere Sonnensystem erreicht.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 9 Vom Auftreffpunkt im Becken (Sonne) fließt das Wasser in einer perfekt runden Form nach außen (Sonnenwind), wird im Verlauf der Ausdehnung immer dünner und wird zu einem trägen, turbulenten Ring (Sonnenscheide). Es wird vermutet, dass die anomale Komponente der kosmischen Strahlung durch Wechselwirkung des Sonnenwinds mit der interstellaren Materie im Bereich des Termination Shocks entsteht: Schockwellen übertragen Energie auf Teilchen und beschleunigen diese. 3 Galaktische kosmische Strahlung Als galaktische kosmische Strahlung bezeichnet man die Komponente der kosmischen Strahlung mit Energien von 10 10 10 16 ev. Bei diesen Energien haben die Teilchen einen Zyklotronradius, der kleiner ist als der Durchmesser der Milchstraße, weswegen sie höchstwahrscheinlich aus unserer Galaxie stammen (siehe unten: Propagation der kosmischen Strahlung). 3.1 Fermi-Mechanismus 2.Ordnung Der Fermi-Mechanismus zweiter Ordnung stellt einen sogenannten Nachbeschleunigungsmechanismus dar: Teilchen mit ultrarelativistischen Energien (E pc) streuen an zufällig verteilten magnetisierten Plasmawolken im interstellaren Raum, die sich mit Geschwindigkeiten u i bewegen. Für die nachfolgende Rechnung wird angenommmen, dass die Beträge der Geschwindigkeiten der Plasmawolken gleich sind. Abbildung 6: Streuung eines Teilchens an einer magnetischen Plasmawolke Quelle: www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html Ein Teilchen der Geschwindigkeit v 1, v 1 c streut an einer Wolke der Geschwindigkeit u, dann gilt: u v 1 = uv cos Θ 1

Quellen kosmischer Strahlung Seite 10 Wie bereits erwähnt sei die Energie des Teilchens ultrarelativistisch, also E 1 p 1 c. Nach der Streuung tritt das Teilchen mit Energie E 2 unter dem Winkel Θ 2 aus. Im Schwerpunktsystem der Wolke ist die Streuung isotrop und es gilt (mit β = u; c 1 γ = 1 β 2 ): E 1 = γe 1 (1 β cos Θ 1 ) Außerdem sei noch angenommen, dass die Streuung im Wolkensystem vollkommen elastisch ist, also : E 1 = E 2 Eine Rücktransformation ins Laborsystem liefert dann: E 2 = γe 2(1 + β cos Θ 2) = γ 2 E 1 (1 + β cos Θ 2)(1 β cos Θ 1 ) (1) Um die mittlere Energieänderung zu berechnen, muss man nun noch über alle möglichen Relativgeschwindigkeiten und Streuprozesse mitteln (also über alle Winkel Θ 1 und Θ 2). Wegen der Isotropie der Streuung im Wolkensystem gilt nun: < cos Θ 2 >= 0 Für die Mittelung über die Relativgeschwindigkeiten ist es aber wichtig, dass die Stoßwahrscheinlichkeit von diesen abhängig ist (ein Stoß mit einer auf das Teilchen zukommenden Wolke ist wahrscheinlicher als ein Stoß mit einer Wolke, die vom Teilchen weg fliegt): dn dtd cos Θ 1 v rel = v u cos Θ 1 < cos Θ 1 >= 1 1 d cos Θ 1(v u cos Θ 1 ) cos Θ 1 1 1 d cos Θ 1(v u cos Θ 1 ) = u 3v β 3 Hierbei wurde v c verwendet. In (1) eingesetzt ergibt dies: < E 2 >= E 1 1 + 1 3 β2 1 β 2 = E 1(1 + 4 3 β2 + O(β 4 )) Der Energiezuwachs ist also von 2.Ordnung in der Geschwindigkeit der Plasmawolke (deshalb der Name "Fermi-Mechanismus 2.Ordnung"). Nun noch ein paar Abschätzungen: Energiezuwachs: Der Energiezuwachs durch diesen Mechanismus ist sehr klein, da β 10 4 ist. Der Energieverlust (z.b. Stoßprozesse mit ISM) ist ähnlich groß.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 11 Zahl der Kollisionen: Die mittlere freie Weglänge der Teilchen beträgt einige pc, es kommt nur zu ungefähr einer Kollision pro Jahr Dies bedeutet, dass diese Art der Beschleunigung nicht für die beobachteten sehr großen Energien verantwortlich sein kann. Es muss also Mechanismen geben, deren Energiezuwachs linear in β und bei denen die mittlere freie Weglänge viel kleiner ist. 3.2 Galaktische Quellen und ihre Beschleunigungsmechanismen 3.2.1 Supernova-Überreste (SNR) Abbildung 7: Supernova Quelle: www.hubblesite.org Genau solche Prozesse findet man in den äußeren Schalen von SNR. Die Schockwellen, die durch die Supernovaexplosion entstehen, haben eine Vorzugsrichtung, weswegen hier die Mittelung über cos Θ 2 ungleich null ist. Schockbeschleunigung in SNR: Zunächst einmal zum Begriff der Schockwelle: Eine Schockwelle ist eine Störung, die sich mit einer Geschwindigkeit ausbreitet, die größer ist als die Schallgeschwindigkeit des Mediums in dem sie sich bewegt (bzw. größer als die Alfvén-Geschwindigkeit 2 ). Wellen (z.b. Druckwellen) bewegen sich im Medium langsamer als die Schockfront, haben also auf deren Ausbreitung bzw. auf die Materie vor der Schockfront keinen Einfluss. Vielmehr erfährt die Materie bei Auftreffen der Schockfront eine beinahe instantane Änderung von Temperatur, 2 Die Alfvén-Geschwindigkeit ist ein Begriff aus der Plasmaphysik. Das Plasma wird als schwingungs- und störungsfähig angesehen, so dass ionisierte Gasteilchen um ihre Ausgangsposition schwingen können. Die Alfvén-Geschwindigleit ergibt sich dann aus dem Ansatz, dass kinetische und magnetische Energiedichte gleich groß sind zu v A = B 2 ρµ 0

Quellen kosmischer Strahlung Seite 12 Druck und Dichte. Im Falle der Schockfronten, die bei SN-Explosionen entstehen, treffen die Schockwellen auf das interstellare Gas und beschleunigen dieses. Abbildung 8: Links Ruhesystem des interstellaren Gases; rechts: Ruhesystem der Schockfront: Quelle: www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html Dabei charakterisiert man das Gas vor (i=1) und hinter (i=2) der Schockfront durch Druck (P i ), Dichte (ρ i ) und Temperatur, (T i ), die durch die drei Schockbedingungen verknüpft sind: Massenerhaltung: j = ρ 1 v 1 = ρ 2 v 2 Energieerhaltung: P 1 + 1 2 ρ 1(v 2 1 + c 2 1) = P 2 + 1 2 ρ 2(v 2 2 + c 2 2) dies entspricht der Bernoulli-Gleichung für strömende Flüssigkeiten; die c i sind die Schallgeschwindigkeiten vor bzw. nach der Schockfront Impulserhaltung: P 1 + ρ 1 v 2 1 = P 2 + ρ 2 v 2 2 Anmerkung: Das Gas hinter der Schockfront hat eine kleinere Geschwindigkeit als die Schockfront selbst, weil die Schockfront interstellares Gas aufsammelt und sich dadurch relativ zum nachfolgenden Gas nach vorne bewegt.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 13 Nun zur Beschleunigung: Abbildung 9: Beschleunigung an Schockfront Quelle: www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html Auch hier gilt wieder: E 2 = γ 2 E 1 (1 + β cos Θ 2)(1 β cos Θ 1 ) Nun ist wieder über die Winkel zu mitteln, wobei nun nur über die jeweilige Hemisphäre gemittelt wird (also diejenige, in der das Teilchen im Beschleunigungsprozess verbleibt): < cos Θ 1 >= 0 1 d cos Θ 1 cos Θ 1 0 1 d cos Θ 1 = 1 2 1 < cos Θ 0 2 >= d cos Θ 2 cos Θ 2 1 d cos = 1 0 Θ 2 2 Damit ergibt sich für die gemittelte Teilchenenergie nach der Streuung: < E 2 >= E 1 (1 + 1 2 β)2 1 β 2 E 1 (1 + β + O(β 2 )) Der Energiezuwachs ist hier also von 1.Ordnung in β (Fermi-Mechanismus 1.Ordnung). Daraus kann man das resultierende Energiespektrum berechnen: Allgemein gilt: (mit η = 1 + β) E k E k 1 = η und somit: E k = E 0 η k

Quellen kosmischer Strahlung Seite 14 Die Wahrscheinlichkeit P, dass ein Teilchen nach einem Stoß im System verbleibt, sei konstant. Dann gilt: N k := N(E = E k ) = N 0 P k und damit: bzw. ln N k N 0 ln E k E 0 N k N 0 = = ln P ln η ( Ek E 0 ) ln P ln η Hieraus ergibt sich dann das Energiespektrum: (mit N(E 0 )=N 0 ) dn de = dn ( ) ln P E de (E ln η 1 0) E 0 Da P und η Konstanten sind, ergibt sich also für das Energiespektrum ein Potenzgesetz, was auch beobachtet wird. Macht man einige weitere Annahmen, erhält man ln P 1 2, 1. Dies ist kein Widerspruch zu der Beobachtung, dass das gemessene ln η Spektrum steiler verläuft, weil die kosmische Strahlung durch Wechselwirkung mit dem ISM Energie verliert. Es gibt einige Argumente, die für SNR als Quellen der galaktischen kosmischen Strahlung sprechen: Effizienz: Bei einer erwarteten Rate von einer SN-Explosion in 30 Jahren in unserer Galaxie müsste nur in etwa 10% der Energie der Stoßwelle auf die Teilchen übertragen werden, um die Energiedichte der kosmischen Strahlung in der Milchstraße zu erreichen. Theoretische Berechnungen haben gezeigt, dass dies durchaus möglich ist. Energiespektrum: Die Beschleunigung in SNR erklärt auf eine einfache Art und Weise das Energiespektrum ( unabhängig von Besonderheiten der SN): Die Teilchen haben je nach Verweildauer in den Schalen der SNR unterschiedliche Energien. Die maximal erreichbare Energie ist im Wesentlichen durch die Lebensdauer der Schockwellen gegeben (=maximale Beschleunigungszeit, im Mittel 10.000 a) und beträgt 10 16 ev. Zusammensetzung: Die Elementzusammensetzung der kosmischen Strahlung ist der Zusammensetzung der Materie in unserem Sonnensystem sehr ähnlich, was auf einen gemeinsamen Ursprung hindeutet. Die Entstehung unseres Sonnensystems wurde höchstwahrscheinlich auch durch eine SN-Explosion ausgelöst. Diese plausiblen Argumente sind der Grund dafür, dass man heutzutage davon ausgeht, dass die SN-Explosionen die Quellen des Großteils der galaktischen kosmischen Strahlung sind.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 15 3.2.2 Pulsare Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, bei denen die Symmetrieachse des Magnetfelds von der Rotationsachse abweicht, weswegen sie Synchrotronstrahlung entlang der Dipolachse aussenden. Abbildung 10: Überlagerung der Aufnahmen eines Pulsars im Krebsnebel mit sichtbarem Licht (rot) und mit Röntgenlicht (blau) Quelle: Wikipedia Nach Maxwell induziert ein veränderliches Magnetfeld ein elektrisches Feld, in dem dann geladene Teilchen beschleunigt werden können. Da die Phänomene in der Magnetosphäre sehr komplex sind, kann man vereinfachend annehmen, dass Drehachse und Magnetfeldachse parallel sind (Goldreich-Julian-Modell). Weitere Annahmen dieses Modells sind: Das Magnetfeld ist statisch und das eines punktförmigen Dipols. Die Sternmaterie ist ein idealer Leiter Die Berechnungen in diesem Modell ergeben dann folgende Magnetosphäre: Abbildung11: Schematische Darstellung der Magnetosphäre eines Pulsars Quelle: www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html ; Kapitel 5

Quellen kosmischer Strahlung Seite 16 Oberhalb einer kritischen Feldlinie fließen negativ und unterhalb davon positiv geladene Teilchen nach außen. Die Komponente des elektrischen Felds, die parallel zu den Magnetfeldlinien ist, beschleunigt die Teilchen. Die elektrische Feldstärke auf der Sternoberfläche ist von der Ordnung O(10 12 V ), weswegen die resultierende elektrische Kraft viel größer ist als die Gravitationskraft, und die Teilchen können auf m hohe Energien beschleunigt werden. 3.2.3 Doppelsternsysteme Doppelsternsysteme bestehen aus zwei einander umkreisenden Sternen. Liegen sie sehr nahe beieinander (Abstand unterhalb der Roche-Grenze) und besteht das System aus einem massereichen, kompakten Stern (z.b. Neutronenstern) und einem großen Begleitstern (z.b. roter Riese), so akkretiert das Massereiche Objekt Materie vom Begleitstern. Abbildung 12: Doppelsternsystem mit Akkretion Quelle: Wikipedia Dabei bildet sich eine Scheibe aus Materie um das massereiche Objekt und Jets (siehe Kapitel "Jets") schießen senkrecht dazu weit in den interstellaren Raum hinaus. Innerhalb der Jets bilden sich Stoßwellen aus, in denen Teilchen auf Energien bis 10 16 ev beschleunigt werden können.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 17 4 Extragalaktische kosmische Strahlung Oberhalb von 10 16 ev reichen die bisher besprochenen Mechanismen nicht aus, um diese extremen Energien zu erreichen. Zur Erklärung dieser Energien gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten: Top-Down-Mechanismen: Es gibt Urknallrelikte (X-Teilchen) mit Masse m X 10 25 ev, die in hochenergetische Folgeprodukte zerfallen. Bottom-Up-Mechanismen: Die Teilchen werden durch einen Mechanismus auf ultrahohe Energien beschleunigt. Die Bedingungen in diesen Quellen müssen extrem sein, um diese Energien zu erreichen. Da über die Existenz (oder Nichtexistenz) der Top-Down-Mechanismen nicht viel bekannt ist, soll im Folgenden nur auf die Bottom-Up-Mechanismen eingegangen werden. 4.1 Jets Jets treten bei allen Prozessen mit Akkretion auf, von der Bildung von Sternen aus Gaswolken bis hin zu den superschweren schwarzen Löchern im Zentrum vieler Galaxien. Im Folgenden wird die Akkretion durch ein massereiches, kompaktes Objekt betrachtet. Da Teilchen i.a. nicht direkt (d.h. ohne Drehimpuls) auf den Akkretor (= massereiches, kompaktes Objekt) stürzen, erwartet man, dass sich eine Scheibe um das massereiche Objekt bildet, die lokal mit der Keplergeschwindigkeit ( r 1 2 ) rotiert. Durch Reibung heizt sich die Scheibe sehr stark auf und die Materie in ihr ist teilweise oder vollständig ionisiert, was wegen der differentiellen Rotation zu elektrischen Strömen und damit zu Magnetfeldern führt. Reibung bedeutet jedoch auch eine Drehimpulsabgabe, weswegen die Teilchen langsam Richtung Zentrum wandern. Die sehr komplexen Rechnungen zur Physik der Akkretionsscheiben basieren auf den Gleichungen der Magnetohydrodynamik, wobei für den innersten Teil der Scheibe zusätzlich die Feldgleichungen der ART wichtig sind. Die Prozesse, die dann zur Ausbildung der Jets führen, sind momentan Gegenstand intensiver Forschung. Mit großer Wahrscheinlichkeit spielen Magnetfelder eine zentrale Rolle, die durch die differentielle Rotation der Scheibe aufgewickelt und dadurch verstärkt werden können. Sie können dann wie eine Feder wirken, die das Plasma entlang der Rotationsachse (also senkrecht zur Scheibe) wegbeschleunigt, und zwar in zwei entgegengesetzt gerichteten, relativ engen Kegeln.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 18 4.2 Aktive Galaktische Kerne (AGN) Die AGN s gelten als die wahrscheinlichsten Quellen von Teilchen mit Energien von bis zu mehreren 10 20 ev. Ein sehr massereiches schwarzes Loch (typisch: 10 9 M ) im Zentrum einer Galaxie akkretiert Materie aus dieser (dies ist sozusagen die energiereichere Version eines Doppelsternsystems). Senkrecht dazu schießen relativistische Jets enorm weit in den Weltraum hinaus (einige 10 5 Lichtjahre sind möglich). Abbildung 13: Jet aus schwarzem Loch im Zentrum der Galaxie M87 Quelle: www.hubblesite.org Die Stoßwellen in den Jets beschleunigen die Teilchen dann auf höchste Energien. Jedoch gibt es bei diesen hohen Energien ein Problem: Wir empfangen zwar Licht von AGN, die 10 9 Lichtjahre entfernt sind, diese kommen wegen des GZK-cutoff jedoch nicht als Quellen der hochenergetischen Teilchen infrage. Dieser schränkt die maximale Entfernung der Quellen zur Erde auf 150 10 6 Lichtjahre ein, die hochenergetischen Teilchen können also bestenfalls aus Nachbargalaxien kommen (zum Beispiel ist unsere nächste Nachbargalaxie, die Andromeda-Galaxie, in etwa 2, 5 10 6 Lichtjahre entfernt). 4.3 Gamma-Ray Bursts Als Gamma-Ray Bursts bezeichnet man gewaltige Energieausbrüche, mit denen große Mengen an γ-strahlung einhergehen. Diese Ausbrüche dauern in der Regel zwischen einigen Sekunden und mehreren Minuten, wobei sie dabei so viel Energie freisetzen wie die Sonne in mehreren Milliarden Jahren.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 19 Abbildung 14: Gamma Ray Burst GRB 970228; Quelle ist scheinbar außerhalb der Milchstraße Quelle: www.hubblesite.org Die beobachteten Energien lassen sich nur dann erklären, wenn die Gammablitze nur in einer Vorzugsrichtung ausgesandt werden, z.b. in zwei engen, entgegengesetzt gerichteten Kegeln. Als Quellen für diese extremen Ausbrüche kommen verschmelzende Neutronensterne und spezielle Supernova-Explosionen, sogenannte Hypernovae infrage. Hypernovae sind extrem massereiche Sterne (M > 20M ), deren Kernbereich zu einem extrem schnell rotierenden schwarzen Loch kollabiert. Es bildet sich eine Akkretionsscheibe und senkrecht dazu entstehen Jets, in denen die starke γ-strahlung erzeugt wird.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 20 5 Die Suche nach den Quellen 5.1 Propagation der KS Um die Quellen der kosmischen Strahlung zu identifizieren muss man die experimentellen Daten (Zusammensetzung der Strahlung, Energie, Richtung der Detektion) richtig deuten. Es gilt aus diesen Messungen und der Untersuchung des galaktischen Magnetfelds Propagationsmodelle abzuleiten, um den Weg der Strahlung zurückzuverfolgen und damit die Quellen zu identifizieren. Abbildung 15: Schema der Prozesse bei der Ausbreitung kosmischer Strahlung Quelle: http://particle.astro.kun.nl/hs0607/a-helfrich.pdf 5.1.1 Die Rolle galaktischer Magnetfelder Die kosmische Strahlung besteht zum Großteil aus geladenen Teilchen, auf die im Magnetfeld (typische Feldstärke der galaktischen Magnetfelder O(µG)) eine Kraft F L = m v B wirkt, was einem Bahnradius r = p entspricht, der Bahnradius qb sin Θ wächst also mit dem Impuls. Dies hat folgende Konsequenzen: Es gibt einen Grenzimpuls p gal, ab dem Teilchen, für deren Impuls p > p gal gilt, mit großer Wahrscheinlichkeit extragalaktischen Ursprungs sind, während Teilchen mit p < p gal mit großer Wahrscheinlichkeit galaktischen Ursprungs sind, da ihr Bahnradius kleiner ist als der Radius der Milchstraße. Zum Beispiel ergibt sich für ein Proton der Energie 10 14 ev ein Bahnradius von der Größenordnung O(10 17 m), was in etwa 10.000 mal kleiner ist als der Durchmesser der Milchstraße. Bisher sind jedoch weder theoretische Modelle noch

Quellen kosmischer Strahlung Seite 21 experimentelle Daten (vor allem über die Struktur der galaktischen Magnetfelder) hinreichend, um den Grenzimpuls genau zu bestimmen. Jedoch gilt es als sicher, dass Teilchen mit E < 10 17 ev galaktischen Ursprungs sind. Die Teilchen der kosmischen Strahlung werden nach ihrer Entstehung vielfach von magnetischen Feldern abgelenkt, deren Verteilung und Stärke nicht im Detail bekannt ist. Die Messung der Richtung, aus der diese Teilchen kommen, beinhaltet also keine Information über die Herkunft. Im Experiment sieht man dies daran, dass die kosmische Strahlung isotrop auf die Erde trifft. Ausnahmen sind jedoch Teilchen mit sehr großen Impulsen, denn sie werden durch galaktische Magnetfelder kaum abgelenkt. Eine Messung der Herkunftsrichtung liefert also direkt Informationen über den Entstehungsort. 5.1.2 Wechselwirkung mit dem Interstellaren Medium Die Propagation kosmischer Strahlung wird auch durch die Wechselwirkung mit dem ISM beeinflusst. Durch Stöße kann die kosmische Strahlung Energie verlieren oder sogar aus der galaktischen Scheibe gestreut werden. Desweiteren kommt es zu Spallationsprozessen: Schwerere Kerne der kosmischen Strahlung stoßen mit Protonen des ISM und zerfallen in leichtere, teilweise radioaktive Kerne. Diese Wechselwirkungen erklären warum das Spektrum der kosmischen Strahlung steiler verläuft als es theoretische Berechnungen vorhersagen und die Elementzusammensetzung von der erwarteten abweicht. 5.1.3 Kosmische Uhren Die sogenannten kosmischen Uhren stellen eine Methode zur Untersuchung des Alters der kosmischen Strahlung dar. Diese wird vor allem auf Verhältnisse zwischen Spallationsprodukten und dominanten primären Isotopen (z.b. 10 Be ; 36 Cl ) bzw. zwischen radioaktiven und nicht radioaktiven Spallationsprodukten (z.b. 26 Al ) unter- 27 Al 12 C 54 F e sucht, deren (bekannte) Halbwertszeiten und Zerfallsarten Rückschlüsse auf Alter und Zeit zwischen Erzeugung und Beschleunigung erlauben. Man unterscheidet zwischen drei Uhren: Primäre Isotope: Die enthaltenen Elemente zeigen, welche Nukleosyntheseprozesse am Ort der Entstehung abgelaufen sein müssen. Damit kann man die Zahl möglicher Quellen eingrenzen. Beschleunigungsuhren: Die Beschleunigungsuhren liefern Informationen darüber, wie viel Zeit zwischen Entstehung und Beschleunigung der Teilchen vergangen ist. Dazu wird der Anteil an primären Isotopen, die unter Elektroneneinfang zerfallen, untersucht. Der Anteil ihrer Folgeprodukte ist dann ein Maß für die vergangene Zeit zwischen Entstehung und Beschleunigung.

Quellen kosmischer Strahlung Seite 22 Propagationsuhren: Propagationsuhren sind im Wesentlichen β ± -Strahler. Aus dem Verhältnis der Edukte und Produkte des Zerfalls kann man mit Hilfe der bekannten Halbwertszeiten das Alter der kosmischen Strahlung bestimmen. 5.2 Gammastrahlenastronomie γ-strahlung eignet sich aus zwei Gründen hervorragend zur Suche nach den Quellen hochenergetischer kosmischer Strahlung: Zum einen wird sie durch elektromagnetische Felder nicht abgelenkt und zum anderen wird sie durch Wechselwirkungen zwischen hochenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung erzeugt. Ihre Flugrichtung zeigt also direkt zum Ort ihrer Entstehung zurück und ihre Quellen sind sehr wahrscheinlich auch die von kosmischer Strahlung. Wegen dieser Vorteile suchen heutzutage weltweit viele verschiedene Experimente (sehr aktuell z.b. AUGER) nach den Quellen dieser hochenergetischen γ-strahlung. Ein Nachteil dieser Methode ist, dass unsere Atmosphäre für γ-strahlung undurchsichtig ist, weswegen eine direkte Beobachtung nur mit Satelliten funktioniert. Bis 10 10 ev sind die Photonenflüsse noch groß genug, um mit auf Satelliten realisierbaren Detektorflächen noch genügend Ereignisse zu messen. Darüber sind die Photonenflüsse jedoch sehr gering, was riesige Nachweisflächen nötig macht und deswegen nur noch bodengestützte Experimente realisierbar sind, die die γ-strahlung indirekt über ihre Sekundärprodukte nachweisen und lokalisieren. Eine sehr erfolgreiche Methode ist die der abbildenden Cherenkov-Teleskope: Trifft sehr hochenergetische γ-strahlung auf unsere Atmosphäre, so entsteht ein Luftschauer (Schauer aus Folgeprodukten), dessen Teilchen sich mit einer Geschwindigkeit bewegen, die größer ist als die Lichtgeschwindigkeit im Medium. Die geladenen Partikel des Luftschauers senden dabei kegelförmig (Mach-Kegel) ein bläuliches Licht aus (Cherenkov-Licht, entspricht im wesentlichen einem Überschallknall), das am Boden aufgezeichnet wird. Damit kann man ein Bild des Luftschauers erstellen, mit dessen Hilfe man nun die Flugrichtung des auslösenden γ-quants und damit evtl. die Quelle der Entstehung bestimmen kann. Abbildung 16: Prinzip der abbildenden Cherenkov-Teleskope Quelle: www.wissenschaft-online.de/artikel/833074&_wis=1

Quellen kosmischer Strahlung Seite 23 5.3 Neutrinoastronomie Um die Quellen kosmischer Strahlung zweifelsfrei nachzuweisen, benötigt man Teilchen, die zum einen nur durch Wechselwirkung von Protonen und Atomkernen entstehen und deren Messung eine Ortung der Quelle möglich macht. Die Neutrinos erfüllen genau diese Voraussetzungen: Sie sind elektrisch neutral (keine Ablenkung durch elektromagnetische Felder) und können Materie problemlos durchdringen, da sie nur durch Gravitation und die schwache Wechselwirkung beeinflusst werden. Das große Durchdringungsvermögen ist aber gleichzeitig ein großer Nachteil, da der Aufwand zur Detektion enorm ist. 5.4 Jüngste Ergebnisse 5.4.1 Der Himmel über HESS Mit HESS (im Khomas-Hochland in Namibia) gelang 2005 der Beweis, dass in den Schalen von Supernova-Überresten (SNR) Elektronen oder Protonen auf Energien von 10 14 ev beschleunigt werden. In der folgenden Abbildung ist die Schalenstruktur der beiden SNR schön zu erkennen. Abbildung 17: Aufnahme von den Supernova- Überresten RX J1713.7 3946 und RX J0852 4622 im Infrarotbereich (oben), optischen Bereich (mitte) und mit hochenergetischer γ-strahlung (unten) Quelle: www.wissenschaft-online.de/artikel/833074&_wis=1 Es bleibt jedoch noch zu zeigen, dass die SNR wirklich die Quellen der Protonen (dem Hauptbestandteil der kosmischen Strahlung) sind, und ob die Mechanismen

Quellen kosmischer Strahlung Seite 24 effizient genug sind, auch Teilchenenergien von bis zu 10 15 ev hervorzubringen. Die γ-strahlung kann nämlich sowohl von Elektronen als auch von Protonen erzeugt werden: Bei der Wechselwirkung von Protonen mit Materie entstehen neutrale Pionen, die in Photonen zerfallen. Auch hochenergetische Elektronen können γ-strahlung erzeugen, nämlich durch Streuprozesse mit niederenergetischen Photonen, wobei dieser Prozess stark von den Magnetfeldern am Ort der Beschleunigung abhängt: Bei starken Magnetfeldern verlieren die Elektronen wegen ihrer kleinen Masse sehr schnell ihre Energie durch Synchrotronstrahlung. Starke Magnetfelder unterdrücken also den Anteil an γ-strahlung, der durch Streuprozesse von Elektronen mit Photonen entsteht. Die Magnetfelder im Bereich von SNR sind nicht genügend genau bekannt, um dies abzuschätzen. Jedoch deuten die gemachten Beobachtungen unter plausiblen Annahmen darauf hin, dass in der Schale von SNR Protonen beschleunigt werden. 5.4.2 AUGER Das noch im Aufbau befindliche Pierre-Auger-Observatorium in der argentinischen Pampa (auf der Norhalbkugel ist ein noch größeres Observatorium in den USA geplant) hat bereits jetzt Hinweise darauf gefunden, dass aktive galaktische Kerne die Quelle der höchstenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung sind. Nach seiner Fertigstellung wird es möglich sein, im Bereich oberhalb von 10 19 ev etwa 100 Ereignisse pro Jahr zu messen und damit die Datenlage in diesem Bereich erheblich zu verbessern und damit vielleicht sogar die Quellen der kosmischen Strahlung eindeutig zu identifizieren. 6 Zusammenfassung und Ausblick Trotz beinahe 100 Jahren Forschung gibt es immer noch viele ungeklärte Fragen. Vor allem die Mechanismen, die zur Beschleunigung von Teilchen auf extrem hohe Energien jenseits von 10 17 ev führen, sind noch nicht im Detail verstanden. Jedoch wurden seit der Entdeckung der kosmischen Strahlung große Fortschritte gemacht: Die Entstehung der solaren kosmischen Strahlung ist inzwischen sehr gut verstanden. Für die galaktischen Quellen erweisen sich Supernovae als die wahrscheinlichsten Kandidaten und auch das Rätsel um die Quellen der hochenergetischsten Teilchen scheint der Lösung nahe. Dazu ein Zitat von Prof. Christian Stegmann, Professor für Astroteilchenphysik an der Universität Erlangen-Nürnberg: "Wir erleben eine Zeit, in der von verschiedenen Seiten versucht wird, den Ursprung der Kosmischen Strahlung zu enträtseln. Gammastrahlungsexperimente vermessen die möglichen Quellen mit bisher nicht erreichter Präzision. Neutrinoteleskope werden in naher Zukunft die Empfindlichkeit erreichen, die es ermöglichen sollte, erste Quellen hochenergetischer Neutrinos zu entdecken. Und das Observatorium AUGER wird in den nächsten Jahren einen wesentlichen Beitrag zur Frage der Kosmischen

Quellen kosmischer Strahlung Seite 25 Strahlung bei den höchsten Energien liefern. Uns stehen sehr spannende Zeiten bevor, und es ist durchaus möglich, dass das Rätsel der Beschleuniger der Kosmischen Strahlung seinen einhundertsten Geburtstag nicht mehr erleben wird." 7 Literatur www-zeuthen.desy.de/ kolanosk/astro0506/skript.html ; Skript der Vorlesung Astroteilchenphysik von Prof. Dr. Hermann Kolanoski, Kapitel 5 www.wissenschaft-online.de/artikel/833074&_wis=1 Schneider, Peter: Einführung in die Extragalaktische Astronomie und Kosmologie Collins, P. D. B., Martin, A. D. und Squires, E. J.: Particle Physics and Cosmology www.physik.uni-kl.de/urbassek/teaching/lectures/weltraumwissenschaftsseminar/vortraege/v sonne.pdf www.staff.uni-mainz.de/bpfeiffe/vhs04f-w.pdf http://particle.astro.kun.nl/hs0607/a-helfrich.pdf Vortrag: Gamma-Astronomie von Wolfgang Pfleger und Andreas Kodewitz zum Seminar Kerne und Sterne 2007 (Homepage von Prof. Gebhardt) www.astroteilchenphysik.de www.auger.de http://particle.astro.kun.nl/hs0607/a-helfrich.pdf www.dk0wcy.de/5htm www.wikipedia.de www1.physik.uni-greifswald.de/lehre/plasmaphysik/2007-ss-seminar/sonnenwind- Polarlicht.pdf http://hubblesite.org (viele schöne Bilder in der Galerie)