Strömungsabriss am Hang

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Transkript:

Strömungsabriss am Hang Qualitative Überlegungen dazu Aus dem Referat von Dieter Zgraggen an den Gebirgssegelflugkursen (BFK) 1

Ziele des Referates 1. Kennen der Gefahr Strömungsabriss 2. Aufzeigen der Massnahmen gegen den Strömungsabriss 3. Kennen des Sicherheitsgewinns im Verhältnis zum Steigverlust 2

1. Kennen der Gefahr Strömungsabriss 3

In Flugunfallberichten kann man lesen: Kollision mit dem Hang nach Unterschreiten der Mindestfluggeschwindigkeit und Strömungsabriss. 4

Wann kann ein Strömungsabriss erfolgen? Wenn der Anstellwinkel zu gross wird, zb > bei zu grosser Beschleunigung (zb brüskes Ziehen am Steuerknüppel, enge Kurven, Aufwindböen) Beim Unterschreiten der Mindest- Fluggeschwindigkeit, zb > bei Rückenböen > bei Turbulenzen, Scherwinden, Rotoren > bei einer kurzen Unaufmerksamkeit des PIC 5

Was bewirkt ein Strömungsabriss? Das Flugzeug fliegt nicht mehr. Das Flugzeug kippt auf die Nase, dreht vielleicht (Beginn einer Vrille). Das Flugzeug bleibt solange unkontrolliert, bis die Strömung wieder am Profil anliegt. Dann erst kann das Flugzeug wieder aufgerichtet werden, oft aus einer Sturzfluglage. 6

Wovon ist der Höhenverlust nach dem Strömungsabriss abhängig? - vom Flugzeugtyp - von der Art des Strömungsabrisses (einseitig) - von der Schwerpunktslage des Flugzeuges - vom mitgeführten Wasserballast (Trägheit, Asymmetrie bei der Rotation in einer Vrille) - von der Reaktion des Piloten - etc 7

Wie gross ist der Höhenverlust nach einem Strömungsabriss? Wegen der vielen Abhängigkeitsfaktoren ist auch der Höhenverlust sehr variabel. Man rechnet im Minimum mit ca 50m und im Maximum mit ca 400m. Folgend ein Auszug aus dem Bericht von Andrea Schlapbach Der Geruch von Granit publiziert im AFG-Aufwind, Mai 2005: Merci Andrea für Deine Verwendungsgenehmigung! 8

"Während des Ambri-Lagers hatte ich am 5. April 2005 die Möglichkeit, mit einer lokal stationierten ASH25M als PAX mitzufliegen. PIC war der Besitzer Heinrich Meyr. [...] Und so querten wir das Tal westlich von Sion, wiederum mit Durchflugsgenehmigung, flogen über Verbier hin zu einer Krete weiter Richtung Grosser St. Bernhard. Auf 2680m kamen wir an, rund 480m über der Krete. Ich war am Fliegen und versprach mir von der Gesteinsformation unter uns einen Aufwind. Ich sah zudem an der Stelle einen Vogel und drehte nach links ein, meine bevorzugte Seite. Die Speed war etwa 100 km/h, in einer schönen Kurvenlage riegelte ich auf Klappe 4. Nach wenigen Sekunden im Kreis dreht sich das träge Flugzeug sehr rasch, vollkommen unerwartet und ohne Voranzeichen um die Längsachse nach rechts und geht in leichter Rückenlage dem Boden zu. 9

Ich war erstaunt, hatte aber die Erinnerung an einen Föhnflug mit unserer ASH25, bei welchem uns ein Rotor fast auf den Rücken gedreht hat. Damals war das Flugzeug immer flugfähig, der Rotor aber stärker als die Querruder. Nun realisiere, dass das Flugzeug nicht reagiert und dass wir in einer Rechtsvrille sind. Meine Aufmerksamkeit gilt dem Seitensteuer, dass ich entgegen der Drehrichtung ausschlage und dem Knüppel, den ich mit neutralem Querruder nachlasse. Zu dem Zeitpunkt fühlte ich mich noch Herr der Lage, ich war im Akrotraining und als Fluglehrer in vielen Vrillen, die ich immer selbst initiiert hatte. Sie waren immer beherrschbar. Ich war hingegen noch nie in einer unabsichtlichen Vrille. Nach etwa einer Umdrehung ist die Vrille nun aber nicht beendet, vielmehr drehen wir plötzlich in die andere Richtung, immer noch in der Vrille. Ich bin verwirrt, das habe ich noch nie erlebt. Es fällt mir nach dem Wechsel der Drehrichtung nicht leicht, die Drehrichtung klar zu erkennen, die mit Gegenseitensteuer begegnet werden will. 10

Wie steil das Flugzeug mit der Nase nach unten zeigt, weiss ich nicht. Ich erinnere mich, vor mir andauern nur das Gelände gesehen zu haben, das etwa unter uns war. Insofern waren wir nicht in einer flachen Lage. Das Flugzeug dreht weiter, das Gelände kommt rasend entgegen, die Situation ändert sich nicht, meine Steuerführung ändert die Lage nicht. Ich kriege Angst und sehe das Ende. Die Situation dauert ewig. Mechanisch riegle ich irgendwann die Wölbklappe auf Negativ, um der Overspeed beim Ausleiten zu begegnen. Nach etwa zweieinhalb Umdrehungen nach links beendet das Flugzeug die Vrille und ich leite aus. Die Geschwindigkeit steigt unerwarteterweise nicht gross an und überschreitet 200 km/h nicht. Wir sind noch etwa 100m von der Krete weg und fliegen nun zufälligerweise in Richtung Tal. Wir haben etwa 400m in wenigen Sekunden verloren. Dussel. [...]" 11

Auszug aus den Überlegungen von Andrea Schlapbach: 1. Speed und Höhe sind die Lebensversicherungen beim Fliegen. 2. Nur weil die Luft über Stunden hinweg nicht turbulent war, muss sie nicht immer ruhig sein. Wir dürften im beschriebenen Fall in eine Windscherung oder eine andere Turbulenz eingeflogen sein, welche das Flugzeug in den asymmetrischen Strömungsabriss gebracht hat. 3. Das grosse Trägheitsmoment aufgrund der Spannweite darf nicht zur Meinung verleiten, dass deshalb das Flugzeug nicht vrillen kann. 13

Der Flugunfall im BFK 2004: 22.08.2004 in Obergesteln: Discus b, HB-1949. Aus dem Untersuchungsbericht des BFU: Flugerfahrung Motorflug + Segelflug 717:21 h Auf Segelflugzeugen 285:45 h Während der letzten 90 Tage 20:16 h, davon auf Segelflugzeugen 18:00 h. Der Pilot war Teilnehmer am Weiterbildungskurs für Streckenflug in den Alpen (Breitenförderungskurs II, BFK II) des Segelflugverbandes der Schweiz (SFVS). 14

Der Flugunfall im BFK 2004: Flugerfahrung Motorflug + Segelflug 717:21 h, auf Segelflugzeugen 285:45 h, Während der letzten 90 Tage 20:16 h, davon auf Segelflugzeugen 18:00 h. Der Pilot war Teilnehmer am Weiterbildungskurs für Streckenflug in den Alpen (Breitenförderungskurs II, BFK II) des Segelflugverbandes der Schweiz (SFVS). Während eines Solofluges geriet das von ihm gesteuerte Segelflugzeug in geringer Flughöhe in einen unkontrollierten Flugzustand und kollidierte mit dem Gelände. Der Pilot kam dabei ums Leben. 15

Der Flugunfall im BFK 2004: Ein Augenzeuge gab zu Protokoll: "Ich befand mich zusammen mit anderen Segelfliegern auf dem Fluggelände am Boden und blickte zufällig in Richtung des Unfallgeschehens. In Richtung Nordost sah ich für ca. 3 Sekunden, wie ein Segelflugzeug in geschätzten 5-6 km Entfernung an einem Hang senkrecht mit hoher Vertikal- und Drehgeschwindigkeit zu Boden trudelte. [...] 16

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Wann ist der Strömungsabriss gefährlich (tödlich)? Wenn nach dem Strömungsabriss der Höhenverlust bis zum Abfangen des Flugzeuges grösser ist, als die Höhe zwischen dem Flugzeug und dem Boden oder Hindernissen (andere Flugzeuge, Leitungen, Bäume). => Kollision mit dem Gelände = Absturz! Obige Situation haben wir oft beim Fliegen am Hang und bei jedem Final (Mucha-Unfälle). 20

Gibt es weitere Gründe für Kollisionen mit dem Gelände? JA! zb... bei zu nahem Fliegen am Gelände, zb bei einem Distanzen-Schätzfehler des PIC... beim Fliegen am Hang mit unbekannten oder nicht sichtbaren Hindernissen (Kabel)... bei Blendung durch die Sonne (in den Schatten hinein fliegen) 21

Wo befindet sich hier eine Gefahr? 22

UnSichtbarkeit der 2 dicken Tragseile der Luftseilbahn Fräckmüntegg-Pilatus, 24.10.2004, bei Sonneneinstrahlung 23

2. Aufzeigen der Massnahmen gegen den Strömungsabriss 24

Wie können wir den Strömungsabriss verhindern? 1. Schnell genug fliegen! Fliegen wir so schnell, dass Turbulenzen oder Scherwinde nie zum Strömungsabriss führen! 2. Schnell genug fliegen! Fliegen wir so schnell, dass Rückenböen nie zum Strömungsabriss führen! 3. Schnell genug fliegen! Fliegen wir so schnell, dass wir die Mindest- Fluggeschwindigkeit nie unterschreiten! 25

3. Kennen des Sicherheitsgewinns im Verhältnis zum Steigverlust 26

Wieviel ist uns Segelfliegern die Sicherheit wert? Im Folgenden wird anhand der DG 300 aufgezeigt, mit wie wenig Verlust an Steigleistung wieviel Sicherheitsgewinn möglich ist. Dazu werfen wir einen Blick in die Physik. 27

Vorab ein kleiner Abstecher in die Energien 28

Was ist potentielle Energie? E pot = m x g x h Potentielle Energie = HöhenEnergie: Ein 1kg schwerer Sandsack ist auf dem Flachdach des 20 Stockwerke hohen Hauses, dh der Sandsack steht auf dem Dachrand, dh er hat keine Geschwindigkeit, ist aber auf einer Höhe von 20Stw x 4m/Stw = 80m Die E pot = 1kg x g x 80m = 784.8Nm 29

Was ist kinetische Energie? E kin = m x v 2 / 2 Kinetische Energie = GeschwindigkeitsEnergie Der 1kg schwere Sandsack kippt über den Dachrand. Er hat nach 80m Fall eine Geschwindigkeit von 39.6m/s = 142.6km/h, dh der Sandsack ist unmittelbar über dem Boden und hat keine Höhe mehr. E kin = 1kg x 39.6 2 m 2 / s 2 / 2 = 784.8Nm 30

E pot = E kin Die HöhenEnergie ist umgewandelt in GeschwindigkeitsEnergie. 31

Was sagt die Physik bei einem Strömungsabriss? Wenn an unserem Segelflugzeug am Hang die Strömung abreisst, benötigen wir potentielle Energie (=Höhe über Boden), damit wir wieder genügend Geschwindigkeit erhalten, um erneut fliegen zu können. Die benötigte Höhe über Boden haben wir am Hang aber nicht in jedem Fall zur Verfügung! Das heisst: Wir können uns einen Strömungsabriss am Hang nicht leisten. 32

Was sagt die Physik bei starken Abwinden? Wenn unser Segelflugzeug am Hang in starke Abwinde gerät, müssen wir den Hang Richtung Tal verlassen. Dazu benötigen wir aber ein Manöver. In dieser Zeit fliegen wir im Abwind und der Boden kommt näher. Die benötige Höhe über Boden haben wir am Hang aber nicht in jedem Fall zur Verfügung! Das heisst: Wir können starken Abwinden nur begegnen, wenn wir genügend Energie, dh Geschwindigkeitsenergie haben. 33

Wie sieht die Physik nun in diesen Situationen aus? Wir machen nun unsere weiteren Überlegungen anhand der Flugzeugpolare der DG 300, aus der auch die Werte grafisch herausgelesen worden und somit mit Ungenauigkeiten behaftet sind. Hier ist die Polare! 34

Sinkgeschwindigkeit [m/s] Polare der DG 300 Fluggeschw indigkeit [km/h] 0.0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180-0.5-1.0-1.5-2.0-2.5-3.0 Nun spiegeln wir die Polare nach oben: 35

Sinkgeschwindigkeit [m/s] Polare der DG 300 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 Fluggeschw indigkeit [km/h] Wir tragen am rechten Rand die E pot in Form von Höhe auf: 36

Sinkgeschwindigkeit [m/s] E pot [m] Polare der DG 300 und potentielle Energie 3.0 140.0 2.5 120.0 2.0 1.5 1.0 h = v 2 / (2 x g) 100.0 80.0 60.0 40.0 0.5 20.0 0.0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 Fluggeschw indigkeit [km/h]... und erhalten mit der Formel die rote E pot-kurve. Nun zoomen wir den gelben Rahmen ein: 0.0 37

V Abriss = 68km/h Geringstes Sinken Bester Gleitwinkel Sinkgeschwindigkeit [m/s] E pot, ausgedrückt in [m] Polare der DG 300 und potentielle Energie 1.5 Der gelbe, gestrichelte Rahmen ist nun eingezoomt und die Basiswerte sind eingetragen. 80 70 60 1.0 50 40 0.5 30 18m 20 10 0.0 0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Fluggeschwindigkeit [km/h] 41

V Abriss = 68km/h Geringstes Sinken Bester Gleitwinkel Sinkgeschwindigkeit [m/s] E pot, ausgedrückt in [m] Polare der DG 300 und potentielle Energie 1.5 Die Abrissgeschwindigkeit beträgt 68km/h und die energetische Abrisshöhe 18m, dh ein Sandsack hätte nach 18m Fallhöhe die Geschwindigkeit von 68km/h erreicht. Unter 68km/h oder unter 18m Höhenenergie fliegt das Flugzeug nicht mehr. 80 70 60 1.0 50 40 0.5 30 18m 20 10 0.0 0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Fluggeschwindigkeit [km/h] 42

V Abriss = 68km/h Geringstes Sinken Bester Gleitwinkel Sinkgeschwindigkeit [m/s] E pot, ausgedrückt in [m] Polare der DG 300 und potentielle Energie 1.5 1.0 Aus Sicherheitsgründen legen wir die für uns zulässige Mindestgeschwindigkeit, die wir nie unterschreiten wollen, auf die Geschwindigkeit mit dem geringsten Sinken fest, das entspricht der energetischen Höhe von 23m. Das bedeutet: Wenn wir das Flugzeug um 5m nach oben ziehen, haben wir die energetische Abrisshöhe von 18m und somit die Abrissgeschwindigkeit von 68km/h erreicht. 80 70 60 50 40 0.5 18m 5m 30 20 10 0.0 0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Fluggeschwindigkeit [km/h] 43

V Abriss = 68km/h Geringstes Sinken Bester Gleitwinkel Sinkgeschwindigkeit [m/s] 16m E pot, ausgedrückt in [m] Polare der DG 300 und potentielle Energie 1.5 1.0 Da wir beim Hangfliegen oft nahe über dem Boden fliegen und wir die persönlich festgelegte Mindestgeschwindigkeit des geringsten Sinkens nicht dauernd ankratzen wollen, setzten wir das Ziel, mit der Geschwindigkeit des besten Gleitens von 100km/h zu fliegen. Dies ergibt und eine energetische Höhenreserve von 16m, dh wir können das Flugzeug 16m hochziehen, bis wir die persönlich festgelegte Mindestgeschwindigkeit erreichen und schaffen damit Reserve. 80 70 60 50 40 0.5 18m 5m 30 20 10 0.0 0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Fluggeschwindigkeit [km/h] 44

V Abriss = 68km/h Geringstes Sinken Bester Gleitwinkel Sinkgeschwindigkeit [m/s] 16m 33m 100% E pot, ausgedrückt in [m] Polare der DG 300 und potentielle Energie 1.5 Wenn wir aber für unsere Sicherheit noch mehr Reserve haben wollen, können zb mit 120km/h anstatt mit 100km/h fliegen. Damit gewinnen wir weitere 17m Höhenenergie und sind nun bei 33m Höhenenergie. Das sind 100% (!) mehr Reserve als bei 100km/h. 80 70 60 1.0 50 40 0.5 18m 5m 30 20 10 0.0 0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Fluggeschwindigkeit [km/h] 45

V Abriss = 68km/h Geringstes Sinken Bester Gleitwinkel Sinkgeschwindigkeit [m/s] 16m 33m 22cm/s 100% E pot, ausgedrückt in [m] Polare der DG 300 und potentielle Energie 1.5 1.0 Nichts im Leben ist gratis! Die Frage ist nur, wie viel muss ich dafür bezahlen, ist es mir den Preis wert? - Bei 120km/h und damit für 100% mehr Sicherheit als bei 100km/h. bezahlen wir 22cm/s Steigverlust. - Bei 2, 3 oder 4m/s Hangaufwind, fallen die 22cm/s Steigverlust wohl kaum mehr ins Gewicht, die 100% mehr Sicherheitsgewinn hingegen schon! 80 70 60 50 40 0.5 18m 5m 30 20 10 0.0 0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Fluggeschwindigkeit [km/h] 46

Wie viel sind wir Piloten bereit zu bezahlen für 100% mehr Sicherheit? Wie gross sind die Aufwinde zb am Muottas Muragl? 2m/s? 3m/s? 4m/s? Sind wir da auf 22cm/s wirklich angewiesen? Diese Frage muss jeder Pilot und jede Pilotin für sich selber beantworten! 47

Wie sieht die Rechnung bei der Kurve am Ende des Hangs aus? Wenn der Hangaufwind schwächer wird oder ganz aufhört, wollen wir zum guten Steigen zurückkehren: Wir machen eine 180 Kurve vom Hang weg. Mit zunehmender Querlage erhöht sich die Abrissgeschwindigkeit. Wie viel Sicherheitsmarge bleibt uns erhalten? 48

45 Querlage Mindestgeschwindigkeit [km/h]. Lastvielfache [g] Lastvielfache und Mindestgeschwindigkeit 180 km/h 160 km/h 140 km/h Mindestgeschw Kurve = Abrissgesch [km/h] Lastvielfache n Bei einer Umkehrkurve am Hang mit 45 -Querlage erhöht sich die Abrissgeschwindigkeit um 13 km/h (=19%), von 68km/h auf 81km/h, dh die Sicherheitsmarge nimmt plötzlich und vielleicht auch unerwartet ab! Dann sollte das Flugzeug aber immer noch sicher fliegen! 6.0 g 5.5 g 5.0 g 120 km/h 4.5 g 4.0 g 100 km/h 80 km/h Abrissgeschwindigkeit bei 45 Querlage = 81 km/h 3.5 g 3.0 g 60 km/h 40 km/h 20 km/h Abrissgeschwindigkeit der DG 300 im Geradeausflug = 68 km/h 45 Querlage ergibt 1.41 g 2.5 g 2.0 g 1.5 g km/h 1.0 g 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Querlage [ ] 49

Denken wir also daran: Wir können nahe am Boden 1000x zu schnell fliegen aber nur 1x zu langsam! 51