7. Qualitätssicherungskonferenz des G-BA am 1. und 2. Oktober 2015 in Berlin

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Transkript:

Rede von Dr. Regina Klakow-Franck, unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und Vorsitzende des Unterausschusses Qualitätssicherung zur Eröffnung der 7. Qualitätssicherungskonferenz des G-BA am 1. und 2. Oktober 2015 in Berlin Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Parlamentarische Staatssekretärin Fischbach, ich freue mich, Sie zur 7. Qualitätssicherungskonferenz des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) begrüßen zu dürfen. Die gesetzlich verpflichtende Qualitätssicherung auf Basis von Richtlinien und Beschlüssen des G-BA hat entscheidend dazu beigetragen, in Deutschland ein flächendeckend gutes Qualitätsniveau bezogen auf einzelne Leistungen zu etablieren. Am heutigen Tag unserer zweitägigen Konferenz werden wir uns mit dem aktuellen Umsetzungsstand der gesetzlich verpflichtenden Qualitätssicherung, Weiterentwicklungsdarf, der insbesondere aus Gesetzesvorhaben resultiert, sowie allgemeineren Trends und Perspektiven, zum Beispiel zum Thema Big Data im Gesundheitswesen und Public Reporting beschäftigen. Am morgigen Tag steht die Bundesauswertung der externen stationären Qualitätssicherung im Mittelpunkt. Hierzu vorab so viel als Zusammenfassung: Im Jahr 2014 waren insgesamt 1.557 Krankenhäuser mit 1.857 Standorten im Rahmen der gesetzlich verpflichtenden externen stationären Qualitätssicherung zur Datenerhebung verpflichtet. Insgesamt wurden rund 3,25 Millionen Datensätze zu 416 Qualitätsindikatoren aus 30 Leistungsbereichen erhoben. 15,6 Prozent der Qualitätsindikatoren zeigen Verbesserungen auf. Bei 3,4 Prozent der Qualitätsindikatoren wurde eine Verschlechterung festgestellt. Bei den weitaus meisten Indikatoren (79,3 Prozent) wurden im Vergleich zum Vorjahr keine Veränderungen, sondern ein flächendeckend stabiles Qualitätsniveau festgestellt. Die Zahl der Qualitätsindikatoren, die krankenhausindividuell jährlich in den strukturierten Qualitätsberichten der Krankenhäuser zu veröffentlichen sind, ist inzwischen auf 279 angestiegen. Im Berichtsjahr 2010 waren es noch 182. Nicht erst morgen, sondern bereits an dieser Stelle sei für das Mammut-Projekt Bundesauswertung und Qualitätsreport 2014 den Mitarbeitern des AQUA-Instituts und seinem Leiter, Prof. Szecsenyi, den Landesgeschäftsstellen Qualitätssicherung und den Mitgliedern der Bundesfachgruppen herzlich gedankt. 1

Doch nicht nur die Krankenhäuser unterliegen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Die Vertragsärzte und Vertragszahnärzte sind in gleicher Weise zur Einführung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagementsystems verpflichtet, einschliesslich Fehlermeldesystemen und Risikomanagement. Die ambulante Versorgung in Deutschland wird durch ein Netz von leistungsspezifischen Qualitätssicherungsvereinbarungen abgesichert, die zwingend von den Arztpraxen erfüllt werden müssen, weil ansonsten überhaupt keine Zulassung zur Erbringung dieser Leistungen erteilt wird. Darüber hinaus werden was in der Öffentlichkeit immer noch nahezu unbekannt ist in der vertragsärztlichen Versorgung regelmäßig Stichprobenprüfungen über die Qualität im Einzelfall durchgeführt. Im Jahr 2014 wurden auf Basis der Qualitätsprüfungs-Richtlinie des G-BA 2.500 Vertragsärzte einer Stichprobenprüfung unterzogen, was die Qualität ihrer Leistungen in bestimmten Leistungsbereichen anbelangt. Die Ergebnisse waren überwiegend zufriedenstellend bis gut oder sogar sehr gut, teilweise jedoch auch verbesserungswürdig, was zum Beispiel die Qualitätsprüfungen bei Kniegelenks- Arthroskopien anbelangt. Der G-BA hat hierauf u.a. mit einer Vergrößerung des Stichproben-Umfangs reagiert. Die in der Durchschnittsbetrachtung flächendeckend guten Ergebnisse in der externen stationären Qualitätssicherung sowie bei den vertragsärztlichen Qualitätsprüfungen wären nicht möglich, wenn der Einführung der gesetzlich verpflichtenden Qualitätssicherung und der Stabübernahme durch den G-BA im Jahr 2004 nicht zahlreiche Initiativen der Ärzteschaft und der anderen Gesundheitsberufe vorausgegangen wären. Ich glaube, man darf als Zwischenfazit in Sachen Qualitätsentwicklung festhalten, dass wir im deutschen Gesundheitswesen über eine in die 1970er Jahre zurückreichende Tradition der Qualitätssicherung verfügen. Ihre Besonderheit besteht darin, dass die Qualitätssicherung zunächst von den Gesundheitsberufen, dann von den Partnern der Selbstverwaltung selber vorangetrieben wurde, und deshalb grundsätzlich auf breite Akzeptanz bei den Betroffenen stößt. Dies schliesst Kritik an einzelnen QS-Maßnahmen bzw. -Richtlinien des G-BA natürlich nicht aus, sondern zählt im Gegenteil zum lebendigen Diskurs im Interesse einer kontinuierlichen Verbesserung. Ausgehend von diesem Nährboden hat sich der Gesetzgeber in dieser Legislaturperiode quasi an die Spitze der Bewegung gestellt. Die Qualität der Patientenversorgung soll zum zentralen Kriterium der Versorgungssteuerung werden, und zwar sowohl was die Ausgestaltung des Versorgungsangebots anbelangt, als auch im Hinblick auf die Lenkung der Inanspruchnahme der Leistungen. Der erste Meilenstein wurde mit dem GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts- Weiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG) gelegt. Zur Umsetzung der bevorstehenden neuen Aufgaben im Feld der Qualitätssicherung wurde dem G-BA ein neues, fachlich unabhängiges Qualitätsinstitut zur Seite gestellt, das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). 2

An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich Herrn Dr. Veit und die zahlreichen anwesenden Mitarbeiter des IQTIG begrüßen. Im Auftrag des G-BA soll das neue Qualitätsinstitut u.a. für die Messung und Darstellung der Versorgungsqualität möglichst sektorenübergreifend abgestimmte risikoadjustierte Indikatoren und Instrumente einschließlich Module für ergänzende Patientenbefragungen entwickeln; auf der Grundlage geeigneter Daten, die in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser veröffentlicht werden, einrichtungsbezogen vergleichende risikoadjustierte Übersichten über die Qualität in maßgeblichen Bereichen der stationären Versorgung erstellen und in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form im Internet veröffentlichen also so etwas wie ein fachlich unabhängiges Krankenhausbewertungsportal im Auftrag des G-BA entwickeln und betreiben; die Qualität der ambulanten und stationären Versorgung zusätzlich auf der Grundlage geeigneter Sozialdaten darstellen; sowie Kriterien zur Bewertung von Zertifikaten und Qualitätssiegeln, die in der ambulanten und stationären Versorgung verbreitet sind, entwickeln und anhand dieser Kriterien über die Aussagekraft dieser Zertifikate und Qualitätssiegel in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form informieren also Licht in den Zertifizierungsdschungel bringen. Viele der im neuen 137a SGB V enthaltenen Einzelmaßnahmen, wie etwa die Entwicklung möglichst sektorenübergreifend abgestimmter Qualitätsindikatoren, die Risikoadjustierung der Qualitätsindikatoren, die Nutzung von Routinedaten und die Entwicklung von Patientenbefragungen sind nicht gänzlich neu, sondern stellen eine konsequente Fortsetzung bereits erfolgter Weichenstellungen im G-BA dar. Hierdurch können wir an methodische und inhaltliche Vorarbeiten anknüpfen, die unser bisherige Institution nach 137a SGB V, das AQUA-Institut, im Auftrag des G-BA entwickelt hat. Pars pro toto sei hingewiesen auf die vom AQUA-Institut vorangetriebene Risikoadjustierung der Qualitätsindikatoren und die Entwicklung des ersten Bewertungsportals im Auftrag des G-BA, die Internet-Plattform perinatalzentren.org. Den zweiten Meilenstein im Feld der Qualitätssicherung wird der Gesetzgeber noch in diesem Jahr mit dem Krankenhaus-Struktur-Gesetz (KHSG) legen: Die darin enthaltene Qualitätsoffensive Krankenhaus sieht weitere vielfältige Aufgaben für den G-BA vor, so u.a. die Entwicklung von Qualitätsindikatoren zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität, die für die Krankenhausplanung von Relevanz sein können; Kriterien für Sicherstellungszuschläge unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit, die zu einer neuen Qualitätsdimension für die Patientenversorgung wird; sowie 3

die Festlegung eines gestuftes Systems von Struktur- und Prozessqualitätsanforderungen an die stationäre Notfallversorgung; die rechtssichere Ausgestaltung von Mindestmengen-Regelungen, um eine qualitätsgesicherte Konzentration elektiver, besonders komplexer, risikobehafteter Leistungen zu fördern; die Auswahl von elektiven Leistungen, die für qualitätsorientierte Selektivverträge geeignet erscheinen, und last but not least die Auswahl von Qualitätsindikatoren und Bewertungskriterien für Qualitätszu- und -abschläge. Dieser Strauß von Einzelmaßnahmen wirkt prima vista wenn nicht verwirrend, so doch kleinteilig, bei längerer Betrachtung fügen sich die Einzelteile jedoch zu einem Masterplan zusammen. Im Kern geht es um den Strukturwandel und die Steuerung der Mengenentwicklung in der stationären Versorgung, jeweils ausgerichtet an Qualitätsgesichtspunkten. Angesichts des demographischen und gesellschaftlichen Wandels sowie der zunehmenden Ambulantisierung der Medizin wird niemand bestreiten wollen - oder doch? dass ein Strukturwandel der Krankenhauslandschaft überfällig ist. Ein gleichermaßen dringender Handlungsbedarf trifft auf die Problematik der seit Einführung des DRG-Systems zu beobachtenden Fallzahlsteigerungen bei bestimmten Leistungen zu. Aus Sicht der Qualitätssicherung stellt die damit einhergehende Arbeitsverdichtung in den Krankenhäusern, sowohl für die Ärztinnen und Ärzte als auch noch mehr für das Pflegepersonal, den derzeit wohl größten Risikofaktor für eine Aufrechterhaltung der stationären Versorgungsqualität und Patientensicherheit dar. Es ist selbsterklärend, dass QS-Maßnahmen maßgeblich dazu beitragen können, die Versorgungsqualität und Patientensicherheit auch unter diesen prekären Rahmenbedingungen aufrecht zu erhalten aber wie lange? Lassen sich durch QS- Maßnahmen die eigentlichen Probleme hinreichend in Schach halten? Ist es Aufgabe der medizinischen Qualitätssicherung, Probleme in Schach zu halten, die eigentlich andere, ökonomische und strukturelle Ursachen haben? Wird die Qualitätssicherung damit nicht überfordert? Zwei Beispiele: Was nützt es, dass der MDK zukünftig die Einhaltung der Mindestanforderungen des G-BA an Personalschlüssel und Qualifikation des Personals überprüfen soll, wenn dieses Personal gar nicht mehr vorhanden ist? Beispiel Nr. 2: Natürlich können Zweitmeinungsverfahren grundsätzlich zur Steigerung der Indikationsqualität beitragen. Aber werden wir trotz Zweitmeinungsverfahren der Mengenentwicklung nicht weiterhin hinterher laufen, so lange die fehlende Investitionskostenfinanzierung durch steigende Fallzahlen bzw. DRG-Erlöse quersubventioniert werden muss? 4

Dies waren beispielhaft nur zwei offene Fragen zum Stellenwert und zur Nachhaltigkeit der geplanten Qualitätsoffensive Krankenhaus. Es wird abzuwarten sein, wie die verschiedenen Stellschrauben des KHSG Qualitätsoffensive, Weiterentwicklung der Finanzierung, Strukturfonds und Pflegestellen-Förderprogramm zusammenwirken werden. Das Ganze ist jedenfalls ein sehr komplexes Unterfangen. Der G-BA wird die auf ihn zukommenden neuen gesetzlichen Aufträge im Feld der Qualitätssicherung auf jeden Fall konstruktiv, d.h. orientiert am Nutzen für die Patientinnen und Patienten, und gemeinsam mit den Ländern, die durch das GKV-VSG ein Mitberatungsrecht im G-BA erhalten haben, umzusetzen versuchen. Aufgrund der teilweise sehr kurzen Fristen, die uns der Gesetzgeber vorgibt, wird bei manchen neuen Maßnahmen, so zum Beispiel den planungsrelevanten Indikatoren, der Einstieg allerdings nur schrittweise erfolgen können. Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Fischbach, wir werden uns heute Nachmittag in acht unterschiedlichen Parallel-Veranstaltungen intensiv mit einzelnen Instrumenten und Methoden für eine qualitätsorientierte Versorgungssteuerung auseinandersetzen. Ich bin gespannt, welche Anregungen Sie uns mit Ihrem Grußwort für unsere Diskussionen mitgeben werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 5

Begrüßung Prof. Dr. Christiane Woopen Ich freue mich, nun als Rednerin für den ersten Plenarvortrag Frau Prof. Dr. Christiane Woopen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, begrüßen zu dürfen. Sehr geehrte Frau Prof. Woopen, wir haben Sie gebeten, über Big Data- im Gesundheitswesen Hoffnungsträger oder Irrweg zu referieren. Big Data im Gesundheitswesen sind derzeit in aller Munde. Mit der Nutzung dieser Daten verbindet sich die Hoffnung auf neue, individuell maßgeschneiderte Versorgungsansätze durch Telemonitoring und selbst erhobene Daten, die Hoffnung auf die Förderung von primärer und sekundärer Prävention und nicht zuletzt auch die Hoffnung auf eine Aufrechterhaltung der Versorgung in der Fläche durch Tele-Diagnostik und Tele-Konsile. Allerdings scheinen sich Parallelwelten aufzutun, mit auf der einen Seite - leicht zugänglichen Health-Apps und einer an Leichtsinnigkeit grenzenden Bereitschaft, persönliche Daten ins Netz zu stellen, und auf der anderen Seite - einer Telematik- Infrastruktur mit höchsten Sicherheitsanforderungen. In der Qualitätssicherung werden seit längerem schon sogenannte Routinedaten genutzt, wobei wir hiermit im engeren Sinne die bei den Krankenkassen liegenden Sozialdaten nach 284 SGB V meinen. Im Vergleich zu diesem Datenpool nimmt sich Big Data wie ein grenzenloser Ozean voll ungehobener Schätze und Fischgründe aus. Wird die Qualitätssicherung, aber auch die klassische Epidemiologie und Versorgungsforschung, von links durch Analysen und Prognosen auf Basis von Social-Media- und Web-Daten überholt werden? Aber sind diese Daten tatsächlich immer in den richtigen, fachlich kompetenten Händen? Kann man sich auf Beratungsangebote wie z.b. den Grippe-Vorhersagedienst Google Flu Trends verlassen? Nehmen die User dieser Web-Angebote wahr, dass sie Bestandteil eines gigantischen Geschäftsmodells sind? Ist die Datengläubigkeit der Big Data-Beseelten nicht naiv? In der Qualitätssicherung haben wir gelernt, zwischen einer statistischen Auffälligkeit und einem qualitativen Merkmal zu unterscheiden. Korrelation ist nicht gleichbedeutend mit Kausalität. So werden auch die logistischen Regressionsmodelle zur Risikoadjustierung von Qualitätsindikatoren immer komplexer, da eine Vielzahl von Faktoren auf das Outcome einwirkt. Sehr geehrte Frau Prof. Woopen, ich bin sehr gespannt, welche Hinweise Sie uns für seriöse, patientenorientierte und wissenschaftlich fundierte Nutzung von Big Data geben können. 6

Begrüßung Mr Roger Taylor Now it is a great pleasure for me to welcome Mr Roger Taylor, Co-Founder and Research Director of Dr Foster Intelligence in healthcare, London. The Dr Foster Company was founded in 2000. Dr Foster works with healthcare organisations to achieve improvements in their performance through better use of data. In the beginning the simple plan was to establish an institution which would inform people on which hospitals and which doctors were good practitioners and which weren t. In your book God bless the NHS you state, that you discovered very quickly just how far from simple this plan turned out to be. The technical challenges of assessing quality in healthcare were already compelling. But the political and cultural challenges were even much bigger. The first Dr Foster Hospital Guide was published in 2001 which included Professor Jarman s analysis of mortality rates. It was perceived with great suspicion from the majority of the health service sector. Our health care systems are regulated quite differently Great Britain has a national health care system, in Germany we have a statutory health insurance system with a joint selfgovernment by the Federal Joint Committee as the highest decision-making body. Although our health care systems are structured and financed in different ways, I am surprised at how similar the problems which we are both facing turn out to be. In your book God bless the NHS you come to the conclusion, that of all the culture wars in the NHS, the divide between those who are responsible for the money and those who are responsible for looking after patients is perhaps the widest. You remind us of Robert Alford, a US sociologist, who first identified this as the fundamental conflict in modern healthcare over 35 years ago. He also observed that in the often vicious scrapping between these parties, the patient was largely powerless. Since then, many international initiatives and national regulatory acts had been started to establish a more patient-centered healthcare. We focused on the rights of patients and try to improve patient safety. Since the founding of the Federal Joint Committee in 2004, patient representatives take part in our plenary session discussions and in our study and working groups. But making the health service more responsive to the needs of patients is still a challenge today and in my opinion will always remain one in the future. An important tool which creates transparency in quality of health care assessment, and to empower patients decisions, is Public Reporting. Since 2005, all hospitals in Germany are required by law to submit now annually quality reports on a wide range of issues, and publish them via the SHI associations of the German states. The purpose is to provide doctors and patients with solid information on hospitals so they can make objective comparisons. Mr Taylor, we are looking forward to hearing about and learning from your experiences. Let me hand the podium over to you. 7

Begrüßung AQUA-Institut Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich nicht erst morgen, sondern schon heute unserer derzeitigen Institution gemäß 137a SGB V, dem AQUA-Institut, namentlich Prof. Szecsenyi, Frau Pottkämper und Herrn Broge und allen Mitarbeitern des AQUA-Institut für die Zusammenarbeit in den zurückliegenden sieben Jahren ganz herzlich danken. Das AQUA-Institut hat den G-BA in einer besonders anspruchsvollen und schwierigen Phase unterstützt und begleitet, denn ab dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) 2007 wurde von der gemeinsamen Selbstverwaltung die Einführung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung erwartet. Dieser Prozess ist immer noch nicht abgeschlossen, weil wir in Deutschland von einer Überwindung der Sektorengrenzen noch immer weit entfernt sind, und die sektorspezifisch unterschiedlichen Rahmenbedingungen die Implementierung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung immer noch massiv behindern. Sehr geehrter Herr Prof. Szecsenyi, liebe Frau Pottkämper, lieber Herr Broge, ich hätte Ihnen gerne für die gemeinsam zurückgelegte Lern-, aber auch Leidensstrecke eine Tapferkeitsmedaille verliehen, aber leider haben wir so etwas nicht. Ich bin überzeugt davon, dass wir auch weiterhin im Dialog bleiben werden und wünsche mir, dass Sie sich als international anerkanntes fachlich unabhängiges Qualitätsinstitut auch weiterhin aktiv an der nationalen und internationalen Qualitätsentwicklung der Gesundheitsversorgung beteiligen. 8