Vorkommen von Furan in Lebensmitteln

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Vorkommen von Furan in Lebensmitteln Stellungnahme des BfR vom 10. Juni 2004 Lebensmittel, die bei der Herstellung einen Erhitzungsprozess durchlaufen, können das schädliche Furan enthalten. Das hat die amerikanische Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde FDA mitgeteilt. Bei der Untersuchung einer begrenzten Anzahl von Lebensmitteln waren bis zu 125 Mikrogramm Furan je Kilogramm Lebensmittel nachgewiesen worden. Bei der chemischen Substanz Furan handelt es sich um eine farblose, leicht flüchtige Flüssigkeit, die sich im Tierversuch als krebserregend und erbgutschädigend erwiesen hat. Trotz des sehr ähnlichen Namens gehört Furan nicht zu den Dibenzofuranen, einer Stoffgruppe, die dioxinähnliche Eigenschaften aufweist und kurz als Furane bezeichnet wird. Furan kommt natürlich in Öl vor, das aus dem Harz von Nadelhölzern gewonnen wurde. Es wird aber auch künstlich hergestellt und ist zum Beispiel im Zigarettenrauch enthalten. Das Vorkommen von Furan in erhitzten Lebensmitteln wurde schon in der Vergangenheit beschrieben. Die Substanz wurde unter anderem in Gemüse- und Fleischkonserven, Gläschennahrung, Kaffee und Brot nachgewiesen. Welche Bedingungen und Mechanismen beim Herstellen solcher Lebensmittel zur Bildung von Furan führen, ist nicht geklärt. Das BfR hat zu den von der FDA veröffentlichten Untersuchungsergebnissen in einer ersten Bewertung Stellung genommen. Das Institut weist darauf hin, dass die vorliegenden Daten nicht ausreichen, um abzuschätzen, wie hoch die Gesamtbelastung des Verbrauchers mit Furan aus Lebensmitteln und anderen Quellen ist. Es besteht sowohl Klärungsbedarf im Hinblick auf die Wirkung der Substanz im niedrigen Dosisbereich als auch auf den Wirkungsmechanismus. Die tierexperimentellen Befunde können derzeit nur mit diesen Einschränkungen auf den Menschen übertragen werden. Eine abschließende Bewertung des gesundheitlichen Risikos, das mit Furan belastete Lebensmittel für den Verbraucher darstellen könnten, kann das BfR deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vornehmen. Da es sich bei Furan um eine erbgutverändernde und krebsauslösende Substanz handelt, muss vorrangig ermittelt werden, wie hoch die Exposition des Verbrauchers über Lebensmittel ist. Das BfR empfiehlt, neben amtlichen Untersuchungen von potentiell belasteten Lebensmitteln auch die Hersteller aufzufordern, erhitzte Lebensmittel auf mögliche Furangehalte zu untersuchen und die Ergebnisse mitzuteilen. Gleichzeitig sollten die Hersteller nach Möglichkeiten suchen, die Furangehalte in Lebensmitteln durch geeignete technische Maßnahmen so weit wie möglich zu senken. Gegenstand der Bewertung Die Europäische Kommission hat die Mitgliedstaaten über neue Erkenntnisse der USamerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zum Vorkommen von Furan in Lebensmitteln informiert. Furan wird von der International Agency for Research on Cancer der Weltgesundheitsorganisation als möglicherweise krebsauslösend (karzinogen) für den Menschen eingestuft. Das BfR wurde um eine Bewertung des von Furan in Lebensmitteln für die menschliche Gesundheit ausgehenden Risikos sowie um Handlungsoptionen für eine ggf. erforderliche Risikominimierung gebeten. Seite 1 von 6

Ergebnis Die von der FDA mitgeteilten Untersuchungsergebnisse (FDA, 2004) über das Vorkommen von Furan in einer begrenzten Zahl in Dosen und anderen Behältern erhitzter Lebensmittel erlauben noch keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Exposition des Verbrauchers. Die FDA betont aus-drücklich, dass die Daten auch keine Aussage über die Variabilität der Furangehalte in den untersuchten Lebensmitteln und über den Einfluss der häuslichen Zubereitung auf den Ge-halt des flüchtigen Furans im Inhalt geöffneter Behälter gestatten. Ferner liegen derzeit keine Kenntnisse über die Vermeidbarkeit der Furanbildung und über Möglichkeiten ihrer Minimie-rung vor. Abgesehen von der noch nicht abschätzbaren Exposition gibt es zahlreiche offene Fragen zum tatsächlichen Gefährdungspotential des Furans. Vor allem fehlen Daten über Wirkungen im Bereich unterhalb der Dosis von 2 mg/kg Körpergewicht/Tag, die bei Ratten noch karzinogen wirksam war, sowie über den Mechanismus der Toxizität und Karzinogenität des Stoffes. Aus diesen Gründen ist die Übertragung der tierexperimentellen Ergebnisse auf die Situation des Verbrauchers, der nach bisherigen Erkenntnissen mit Gehalten von bis zu 0,1 Milligramm (mg) je Kilogramm (kg) Lebensmittel exponiert sein könnte, noch nicht möglich. Da es sich bei Furan um eine erbgutschädigende und im Tierversuch krebsauslösende Substanz handelt, ist eine weitere Klärung des Gefährdungspotentials dringend geboten. Hohe Priorität hat die Frage, in welchem Ausmaß der Verbraucher durch in Deutschland auf dem Markt befindliche Lebensmittel exponiert ist. Über die Erfassung der Datenlage durch die Bundesländer hinaus, empfiehlt das BfR, auch die Lebensmittelhersteller und insbesondere die Hersteller von Kindernahrung dringend aufzufordern, Daten zu erheben und schnellstmöglich mitzuteilen. Hersteller sollten unbedingt nach Möglichkeiten suchen, die Gehalte zu minimieren. Begründung Risikobewertung Agens Furan (C 4 H 4 O) (CAS-Nr. 110-00-9) ist eine leicht flüchtige (Siedepunkt 31 C), farblose Flüssigkeit, es ist löslich in Alkohol und Ether und unlöslich in Wasser. Synonyme sind: 1,4 -Epoxy-1,3-butadien, Furfuran, Oxol, Tetrol, Divinylenoxid, Oxacyclopentadien. Furan ist in den durch Destillation harzhaltiger Nadelhölzer gewonnenen Ölen enthalten. Kommerziell wird es durch Decarbonylierung von Furfural oder durch Oxidation von Buta-dien hergestellt. Es ist Synthesezwischenprodukt bei verschiedenen linearen Polymeren und anderen organischen Synthesen sowie Lösungsmittel von Harzen bei der Herstellung von Lacken. Furan ist in der Gasphase des Zigarettenrauchs in Konzentrationen von 8,4 Mikrogramm/40 ml Zug enthalten (Egle et al. 1979). Der Stoff ist Grundkörper einer Vielzahl von geschmacksgebenden Lebensmittelkomponenten. Es wurde in Gemüse-, Fleischkonserven Seite 2 von 6

und Gläschennahrung, die einem Erhitzungsprozess unterliegen, wie zum Beispiel Corned Beef, sowie in Kaffee und Brot gefunden (Maga, 1979; Persson u. Sydow, 1973; FDA, 2004). Gefährdungspotential Furan ist im Rahmen des National Toxicology Program in den USA umfangreich toxikologisch geprüft worden (NTP, 1993). Untersuchungen mit 14 C-markiertem Furan an Ratten zeigten, dass es schnell resorbiert und weitgehend metabolisiert wird. Etwa 14% werden innerhalb 1 Stunde als unverändertes Furan abgeatmet. Innerhalb von 24 Stunden wurden etwa 26% der Radioaktivität als 14 CO 2 ü- ber die Atemluft, 20% mit den Fäzes und 25% mit dem Harn ausgeschieden, 19% verblieben in den Geweben zum allergrößten Teil in der Proteinfraktion der Leber. Im Harn wurden mindesten 10 Metaboliten gefunden, die nicht identifiziert wurden (Burka et al. 1991). Untersuchungen zur vergleichenden in vivo- und in vitro-kinetik des Furans wurden durchgeführt (Kedderis et al. 1993). In Karzinogenitätsuntersuchungen erhielten Gruppen von 70 Fischer 344 Ratten pro Geschlecht und Dosis Dosen von 0, 2, 4 oder 8 mg Furan/kg Körpergewicht/Tag in Maisöl mit der Schlundsonde 5 Tage/Woche über 2 Jahre. Nach 9 und 15 Monaten Exposition wurden 10 Tiere/Gruppe auf behandlungsbedingte Läsionen untersucht. Nach 2 Jahren traten bei allen Dosisgruppen Cholangiokarzinome der Leber auf (Männchen: Kontrolle 0/50; niedrige Dosis 43/50; mittlere Dosis 48/50; hohe Dosis 49/50; Weibchen: Kontrolle 0/50; 49/50; 50/50; 48/50). Cholangiokarzinome fanden sich aber bereits bei vielen Tieren der Zwischentötungen (9 Monate: Männchen: 0/10; 5/10; 7/10; 10/10; Weibchen: 0/10; 4/10; 9/10; 10/10; 15 Monate: Männchen: 0/10; 7/10; 9/10; 6/10; Weibchen: 0/10; 9/10; 9/10; 7/10). Daneben fand sich eine zunehmende Inzidenz von hepatozellulären Adenomen und Karzinomen bei beiden Geschlechtern, außerdem traten vermehrt mononukleare Leukämien auf. Auch bei B6C3F 1 Mäusen, die Dosen von 0, 8 oder 15 mg Furan/kg Körpergewicht an 5 Tagen/Woche bis zu 2 Jahre erhielten, nahm die Inzidenz von hepatozellulären Adenomen und Karzinomen dosisbezogen sowohl bei männlichen als auch weiblichen Tieren zu. Eine Reihe von ergänzenden mechanistischen Untersuchungen zur Tumorentstehung deutet darauf hin, dass die Furanbedingte Hepatokarzinogenität möglicherweise als Folge der starken zytotoxischen Effekte des Furans verstanden werden könnte (Maronpot et al., 1991; Mugford et al. 1997, Sirica, 1996). Die IARC hat Furan als erwiesenermaßen karzinogen in Versuchstieren und möglicherweise karzinogen für den Menschen evaluiert (IARC, 1995). Furan war negativ im bakteriellen Mutagenitätstest mit den Stämmen Salmonella typhimurium TA100, TA1535, TA1537 und TA98 mit und ohne den Zusatz eines externen Metabolisierungssystems. In Säugerzellen zeigte Furan ein klastogenes Potential. Es erzeugte in vitro in mehreren Dosierungen (bis 1000 µg/ml) mit und ohne den Zusatz eines externen Metabolisierungssystems chromosomale Aberrationen in Ovarzellen des Chinesischen Hamsters (CHO- Zellen). Außerdem induzierte es eine schwache Erhöhung der Rate von Schwester- Chromatid-Austauschen (SCE) mit und ohne den Zusatz eines externen Metabolisierungssystems in CHO-Zellen. In L5178Y Maus-Lymphomzellen löste Furan ohne den Zusatz eines Metabolisierungssystems Genmutationen am Trifluorthymidin-Locus aus. Prüfungen auf Seite 3 von 6

rezessive, an Geschlechtschromosomen gebundene lethale Translokationen in Drosophila Melanogaster verliefen negativ. Ein klastogenes Potenzial ist nach intraperitonealer Applikation von Furan auch in vivo in Knochenmarkszellen von B6C3F 1 Mäusen nachweisbar. In der höchsten eingesetzten Dosierung von 250 mg/kg Körpergewicht, erzeugte Furan in diesem Prüfsystem bei einer Behandlungszeit von 36 Stunden reproduzierbar chromosomale Aberrationen. Es ist davon auszugehen, dass diese Dosierung der maximal tolerierten Dosis entsprach. Prüfungen auf die Induktion von SCE in Knochenmarkszellen der Maus verliefen negativ (NTP, Rep. 402, 1993). Nach oraler Gabe induzierte Furan in Hepatozyten von B6C3F 1 -Mäusen und Fischer 344 - Ratten keine DNA-Reparatur (UDS) (Wilson et al. 1992). Furan wurde als Stoff, der wegen möglicher erbgutverändernder Wirkung auf den Menschen zur Besorgnis Anlass gibt, in die Kategorie 3 erbgutverändernder Stoffe eingestuft. Publikationen zur Genotoxizität eines vermutlich CYP2E1-abhängig gebildeten Metaboliten des Furans, cis-2-butene-1,4-dial, zeigen, dass dieser Metabolit direkt mit DNA interagieren kann. So ist cis-2-butene-1,4-dial ohne den Zusatz eines Metabolisierungssystems mutagen in dem Stamm Salmonella typhimurium TA104 (Peterson et al. 2000) und ist in der Lage in vitro bei Inkubation mit Deoxyribonukleosiden Addukte auszubilden (Byrns et al. 2002). Uns sind keine Untersuchungen zur Genotoxizität von cis-2-butene-1,4-dial in Routinesystemen an Säugerzellen bekannt. Für die Risikobewertung des Furans scheint uns zunächst wichtig, in weiteren Studien zu klären, ob das klastogene Potential in vivo sich nur in drastisch toxischen Dosierungen ausprägt. Wenn die Klastogenität tatsächlich an drastische Toxizität gebunden ist, wäre davon auszugehen, dass Genotoxizität nicht der primäre Mechanismus für die Kanzerogenese ist. Weiterhin könnten Studien zur Genotoxizität des Metaboliten cis-2-butene-1,4-dial in Routinesystemen an Säugerzellen hilfreich für die Bewertung sein. Es fehlen Untersuchungen zur Reproduktionstoxizität. Erfahrungen über toxische Wirkung und berufsbedingte Exposition am Menschen liegen nicht vor. Furan ist auf Anregung aus der Senatkommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe zur Neuaufnahme und Überprüfung auf krebserzeugende Wirkung vorgesehen (DFG, MAK-und BAT-Werte- Liste, 2003). Exposition Die FDA hat Furangehalte von nicht nachweisbar bis maximal 125 Mikrogramm/kg in einer begrenzten Zahl von Lebensmitteln gemessen, die in Dosen und anderen Behältern erhitzt worden waren. Die FDA betont ausdrücklich, dass diese Daten noch keine Aussage über die Variabilität der Furangehalte in den untersuchten Lebensmitteln erlauben. Gleiches gilt für den Einfluss der häuslichen Zubereitung auf den Gehalt des flüchtigen Furans im Lebensmittel, wenn der Behälter geöffnet ist. Die Höhe der Exposition des deutschen Verbrauchers kann aus diesen Daten noch nicht abgeschätzt werden (FDA, 2004). Handlungsoptionen Erste Priorität bei den Handlungsoptionen kommt der Untersuchung von Lebensmitteln des deutschen Marktes zu, die aus Sicht des BfR nicht nur von den Bundesländern vorgenom- Seite 4 von 6

men werden sollte, sondern auch von den Herstellern dringend zu verlangen ist. Außerdem sollten die Hersteller aufgefordert werden, nach Möglichkeiten zur Reduzierung der Furangehalte insbesondere bei Kindernahrung zu suchen und eine Minimierung vorzunehmen. Nach Auffassung des BfR sollte vor allem auch die von der FDA im Federal Register, May 10, 2004 zusammengestellten offenen Fragen zur Bildung von Furan in Lebensmitteln und zur Toxikologie des Furans, insbesondere von den Herstellern, durch entsprechende Untersuchungen geklärt werden (Mechanismus der Toxizität, Mutagenität, Carcinogenität, Reproduktionstoxizität, Stoffwechsel und Kinetik). Referenzen Burka LT, Washburn KD, Irwin RD (1991) Disposition of [14C]furan in the male F344 rat. J Toxic Environ Health 34:245-257. Byrns MC, Predecki DP, Peterson LA (2002) Characterization of nucleoside adducts of cis-2- butene-1,4-dial, a reactive metabolite of furan. Chem Res Toxicol 15:373-379. DFG (2003): MAK- und BAT-Werte-Liste 2003. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe, Mitteilung 39, Wiley-VCH Verlag Weinheim Egle JL, Gochberg BJ (1979) Respiratory retention and acute toxicity of furan. Am Ind Hyg Assoc J 40:310-314. FDA (2004) Determination of Furan in Foods: http://www.cfsan.fda.gov/~dms/furan.html FDA (2004) Questions and Answers on the Occurrence of Furan in Food: www.cfsan.fda.gov/~dms/furanqa.html FDA (2004) Furan in food, thermal treatment; request for data and information [Docket No. 2004N-0205], Federal Register: May 10, 2004, Vol.69, Nr. 90. Kedderis GL, Carfagna MA, Held SD, Batra R, Murphy JE, Gargas ML (1993) Kinetic analysis of furan biotransformation by F-344 rats in vivo and in vitro. Toxicol Appl Pharmacol 123:274-282. Maga JA (1979) Furans in foods. CRC Crit Rev in Food Sci Nutr 11:355-400. Maronpot RR, Giles HD, Dykes DJ, Irwin RD (1991) Furan-induced hepatic cholangiocarcinomas in Fischer 344 rats. Toxicol Pathol 19:561-570. Mugford CA, Carfagna MA, Kedderis GL (1997) Furan-mediated uncoupling of hepatic oxidative phosphorylation in Fischer-344 rats: An early event in cell death. Toxicol Appl Pharmacol 144:1-11. National Toxicology Program (1993) Toxicology and carcinogenesis studies of furan in F344 rats and B6C3F1 mice (gavage studies). TR No. 402, U.S. Department of Health and Human Services, Public Health Service, National Institutes of Health, Research Triangle Park, NC Persson T, von Sydow E (1973) Aroma of canned beef: Gas chromatographic and mass spectrometric analysis of the volatiles. J Food Sci 38:377-385. Seite 5 von 6

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