Unbeschwert wie ein Kind Predigt über Matthäus 6, 19 34 im Gottesdienst am 30. September 2012 zum Erntedankfest Evangelische Kirche Spielberg Pfarrer Theo Breisacher Predigttext war zugleich Schriftlesung: 19 Jesus sagte: Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. 20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. 21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. 24 Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. 25 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? 27 Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. 30 Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? 31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. Liebe Gemeinde, das Thema am Erntedankfest ist nicht nur die Dankbarkeit und das Staunen über den Schöpfer. Jesus will uns zugleich herausholen aus unserem oft so verkrampften Sorgen. Er will uns helfen, dass wir locker lassen können, wo wir uns in unseren Pflichten und Aufgaben oft richtig verbohrt haben. In seiner Gegenwart dürfen wir heute Morgen einmal ganz tief durchatmen und unser Leben wieder von einer ganz neuen Seite sehen lernen. Sogar die Vögel machen es an dieser Stelle besser als wir Menschen: Sie arbeiten zwar auch von morgens bis abends an ihren Nestern. Und sie fliegen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang hin und her, um die kleinen Schnäbel im Nest satt zu kriegen. Aber sie nehmen einfach das, was da ist und machen sich keine Sorgen, ob s morgen auch 1
noch reicht. Auch die Blumen im Garten oder auf dem Feld, die doch oft so schnell verwelken, können uns Menschen zum Vorbild werden: Sie sind wunderschön, so wie sie sind ohne dass sie da krampfhaft nachhelfen müssten. So unbeschwert wie Kinder dürfen wir sein, die sich ja auch um viele Dinge überhaupt keine Sorgen machen müssen. Warum? Natürlich weil ihr Vater und ihre Mutter für sie sorgen! Die Frau rümpfte die Nase, sagte aber nichts, weil die Kinder unten im Hof wieder angefangen hatten, sich in ihrer Geheimsprache zu unterhalten: Maraschi, barabaschi, piffirimoschi, sagte der erste. Bruf, gab der zweite zur Antwort. Und wieder mussten sie lachen, dass ihnen bald der Bauch wehtat. Etwas ärgerlich rief die ältere Dame ihrem Nachbarn zu: Wollen Sie das auch wider verstanden haben? Natürlich, antwortete der alte Mann und lächelte: Der erste hat gesagt: Wie sind wir doch froh, dass wir auf der Welt sind! Und der zweite hat ihm geantwortet: Die Welt ist ganz wunderbar! Da erwiderte die Frau von ihrem Fenster: Ja, aber ist die Welt wirklich so wunderbar? Brif, braf, bruf, gab ihr der alte Mann zur Antwort und lachte. Von dieser unbekümmerten kindlichen Lebensfreude möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen: In einem Hof spielten einmal zwei Kinder ein lustiges Spiel. Sie dachten sich eine ganz besondere Sprache aus, in der sie miteinander reden konnten, ohne dass andere Leute auch nur eine Silbe davon verstanden: Brif, sagte der erste. Braf, gab der zweite zur Antwort. Brif, braf, meinte nun der eine. Braf, brof, antwortete der andere. Und dann lachten sie so sehr, dass ihnen die Tränen kamen. Im oberen Stock des gleichen Hauses saß ein alter Mann auf dem Balkon und las seine Zeitung. Im Haus ihm gegenüber lehnte eine ältere Dame zum Fenster hinaus. Was sind das nur für dumme Kinder, die zwei da unten, sagte die Frau. Doch der alte Mann widersprach ihr: Das finde ich überhaupt nicht. Mir gefallen diese zwei. Wie bitte, rief die Frau zurück: Sie finden das auch noch gut? Das ist doch albern! Sagen Sie nur nicht, dass Sie verstanden hätten, was die beiden eben gesagt haben. Aber sicher habe ich das verstanden, gab der ältere Herr zur Antwort: Der erste sagte: Was ist das heute für ein herrlicher Tag. Und der zweite antwortete: Und morgen wird s noch viel schöner. Liebe Gemeinde, in das unbeschwerte Paradies von Kindern können wir als Erwachsene sicher nicht mehr zurück. Aber ein kleines Stück von dieser kindlichen Unbeschwertheit würde uns allen sicher gut tun. Nicht weil wir leichtsinnig wären oder oberflächlich oder weil wir uns vor der Verantwortung drücken wollten. Sondern weil wir wissen: Da ist einer, der für uns sorgt! Wie mühen wir uns oft ab von morgens bis abends! Endlos läuft oft die Gedankenmühle in unserem Kopf, was alles passieren könnte und was die Zukunft möglicherweise noch alles bringen würde! Wie rackern wir uns oft ab, nur um uns das eine oder andere auch noch leisten zu können! Dabei hätten wir als Christen doch die besten Voraussetzungen dafür, um all dieses vergebliche Sorgen hinter uns zu lassen: Wir haben einen Vater im Himmel, der in einer unendlichen Treue und Fürsorge immer unser Bestes im Blick hat. Und trotzdem lassen wir uns das Herz oft so schwer machen. Trotzdem liegen uns manche Sorgen wie 2
dicke Wackersteine auf unserer Seele gerade auch bei solchen Dingen, die wir nicht beeinflussen können. In einem seiner neueren Lieder beschreibt der Liedermacher Manfred Siebald dieses falsche Sorgen unter einem interessanten Stichwort: Er hat beobachtet, dass das Schleppen von irgendwelchen Dingen wohl zu den häufigsten Tätigkeiten von uns Menschen zählt. Hören wir ein paar Strophen: Wer uns von ganz weit oben sieht, muss sicher lachen, denn von dort oben sehen wir bestimmt genau wie kleine Tiere aus, die emsig tausend Sachen von einem Ort zum andern schleppen durch den Bau. Denn wir schleppen, was man schleppen kann, und wir fangen schon gleich zu Anfang damit an: schleppen schon als kleine Bündel mit uns eine dicke Windel, schleppen Puppenkinder hin und her durchs Haus, schleppen Schulbrot in die Pause, schleppen Noten mit nach Hause, schleppen Umzugskisten in die Welt hinaus... Wir schleppen Einkaufstüten in der Hand, und wir schleppen sie ins Haus vom Straßenrand, schleppen Flaschen aus dem Keller, in die Küche leere Teller, und am Ende auf den Hüften dann das Fett. Und wir schleppen traumverloren Telefone an den Ohren, und am Abend schleppen wir uns selbst ins Bett... Wir schleppen Urlaubskoffer mit in vollen Zügen, und wie im Flug wird uns das Handgepäck zur Last. Wir schleppen Gummiboot und Wasserball, Wir schleppen Zuchtkaninchen in den Stall, schleppen Tennisschlägertaschen und beim Wandern Wasserflaschen, schleppen Blumenerde, bis der Arm erschlafft. So vieles sieht man nicht, was wir hier schleppen müssen, doch schwere Lasten sind es für uns allemal. Sie drücken auf die Stimmung und auf das Gewissen, und mit den Jahren werden sie uns dann zur Qual. Denn wir schleppen große Pläne vor uns her, schleppen Schmerzen und ertragen sie nicht mehr, schleppen Briefe, die wir schrieben und die ohne Antwort blieben, schleppen manches Unrecht mit, das uns geschieht. Und das Unrecht, das wir taten, schleppen wir als dunkle Schatten auch durch Sonnenjahre unsres Lebens mit... (CD Manfred Siebald, Ich lass dich nicht fallen, Hänssler-Verlag 2005) Schleppen als Lebensinhalt: Im Grunde nur ein anderes Wort für das Sorgen. Schleppen als unsere Hauptbeschäftigung schon von klein auf. Dabei gibt es sicher ganz unterschiedliche Formen von Sorgen: Es gibt dieses gierige Raffen nach immer mehr, obwohl man doch eigentlich genug hätte. Und es gibt echte Probleme und Schwierigkeiten, die uns bedrücken und mit bangen Gefühlen in die Zukunft blicken lassen. Diese zwei Arten von Sorgen darf man nicht einfach in einen Topf werfen. Und außerdem verbietet uns Jesus ja nicht die Fürsorge: Natürlich müssen wir unsere Kinder versorgen oder andere Menschen, die uns anvertraut sind. Wir können nicht einfach von der Hand in den Mund leben, sondern müssen in so manchen Dingen Vorsorge treffen für die Zukunft. Diese Fürsorge und diese notwendige Vorsorge stellt Jesus sicher nicht in Frage. Und doch geschieht es so schnell, dass uns das Sorgen immer mehr in den Griff bekommt. So schnell kippt es um: die Vorsorge und die Fürsorge werden zum entscheidenden Lebensinhalt und bald dreht sich alles nur noch darum! Jesus warnt vielmehr vor dieser Eigendynamik unserer Sorgen mit einer provozierenden Aussage: Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Moment mal, Jesus! sagen wir jetzt vielleicht: So schwarz-weiß kann man das doch nicht 3
sagen. Nicht jeder, der sich ein kleines Vermögen zusammengespart hat, betet damit doch gleich den Mammon an. Nicht jeder, der es zu etwas gebracht hat, wendet sich in seinem Herzen von Gott ab! Nun, diesem Einwand würde ich zunächst sicher zustimmen. Aber unterschätzen wir nicht die Faszination, die vom Geld und vom Vermögen und von all diesen Dingen ausgeht. Je mehr er hat, je mehr er will heißt eine alte Weisheit. Unterschätzen wir nicht diese unheimliche Dynamik, die in den materiellen Dingen steckt. Sie greifen immer nach uns. Sie haben immer die Tendenz, uns mehr und mehr in Beschlag zu nehmen. Und sage keiner, er sei ganz frei davon! Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz, sagt Jesus. Wenn unser Geld nicht nur ein ganz gewöhnliches Gebrauchsmittel ist, sondern unsere Gedanken bewegt von morgens bis abends dann ist die Grenze überschritten: Dann gehört Gott möglicherweise nicht der erste Platz in unserem Herzen. Oder wenn unser Haus und unser Eigentum nicht einfach nur Gebrauchsmittel sind, die zum Leben notwendig sind, sondern zu unserem Lebensinhalt werden, dann ist die Grenze auch hier überschritten: Dann hat es Gott oft sehr schwer, in unserem Leben noch Gehör zu finden. uns dabei ertappt haben, wie viel Unnötiges wir mit uns schleppen wie viel Kraft wir mit Dingen vergeuden, die es im Grunde doch gar nicht wert sind! Erinnern wir uns doch immer wieder daran, dass wir einen Gott haben, der so liebevoll und weitsichtig für uns sorgt! Für mich der schönste Vers in unserem Predigttext: Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. Liebe Gemeinde, warum zerbrechen wir uns dennoch so oft den Kopf, obwohl wir es doch wissen: Euer himmlischer Vater weiß, was ihr braucht!? Eigentlich haben wir es schon so oft gehört. Aber warum lassen wir es dann zu, dass uns das ängstliche Sorgen immer wieder die Lebensfreude raubt? Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles nötig habt! Ein bekannter Theologe ich glaube, es war Friedrich von Bodelschwingh erzählt aus seiner Kindheit, wie er abends im Bett oft von einer großen Angst überfallen wurde. Seine Eltern waren da. Es war alles in Ordnung. Er hätte schon längst schlafen sollen. Und trotzdem hätte ihn immer wieder eine große Angst überfallen. Auf Zehenspitzen sei er dann oft durch das dunkle Haus zum Studierzimmer seines Vaters geschlichen. Dort brannte oft noch das Licht, weil sein Vater noch arbeitete. Er musste dann gar nicht ins Zimmer reingehen und mit seinem Vater reden. Aber er wusste eins: Er ist ja noch da! Diese Gewissheit war ihm Trost genug und er konnte beruhigt wieder ins Bett gehen. Liebe Gemeinde, die Botschaft ist ja nicht wirklich neu, dass Gott für uns sorgt. Und doch vergessen wir es oft so schnell! Möge dieser Gottesdienst uns alle wieder ganz gewiss machen: Er ist ja noch da! Gott ist ja noch da! Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz : Liebe Gemeinde, jagen wir doch unsere Sorgen aus unserem Herzen hinaus, wenn sie sich dort zu sehr eingenistet haben! Verbannen wir doch den Mammon aus unserem Herzen, wenn er sich dort gar zu breit gemacht hat! Ordnen wir die Prioritäten in unserem Leben wieder ganz neu, wenn wir Wenn Sie diesen bunt geschmückten Erntedankaltar sehen, ist das doch schon Beweis genug: Gott ist ja noch da! Auch wenn wir durch eine Krankheit aus dem normalen Alltags-Rhythmus gerissen wurden, so gilt diese eine Zusage doch immer noch: Gott ist immer noch da! Dass uns oft so viele sorgenvolle Gedanken durch den Kopf schießen, das können wir meist nicht verhindern. Aber wir können 4
vermeiden, dass sie sich dort festsetzen. Wir können es dadurch vermeiden, dass wir und unsere Gedanken mit etwas anderem füllen. Und wenn Gott unser Herz erfüllt, dann haben die Sorgen dort keinen Platz mehr. So heißt es in einem Lied: Herr, halte mich nah bei dir jeden Tag, dass ich nicht fallen und abirren mag... Herr, mach aus mir ein Gefäß, wie du willst, lass alle sehen, dass du mich erfüllst.... Wenn Gott uns erfüllt, haben die Sorgen keinen Platz! So einfach ist das und doch so schwer. Wenn die Freude über Gott unser Herz erfüllt, haben die Sorgen dort keinen Platz! Das wünsche ich uns allen! Amen. 5