WAS UNS DIE ASTRONOMIE ÜBER DEN MENSCHEN UND GOTT SAGEN KANN

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SWR2 GLAUBEN DIE STERNE, DIE DU GESCHAFFEN HAST WAS UNS DIE ASTRONOMIE ÜBER DEN MENSCHEN UND GOTT SAGEN KANN VON DETLEF KÜHN SENDUNG 11.06.2009 /// 12.05 UHR ENTDECKEN SIE DEN SWR2 RADIOCLUB! Lernen Sie das Radioprogramm SWR2 und den SWR2 RadioClub noch näher kennen! Fordern Sie unverbindlich und kostenlos das aktuelle SWR2-Programmheft und das Magazin des SWR2 RadioClubs an unter Telefon 01803/92 92 22 (0,09 /Min. aus dem dt. Festnetz, Mobilfunk ggf. abweichend) oder per E-Mail an radioclub@swr2.de. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Himmlische Musik Zitat 1 Wenn ich sehe den Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du geschaffen hast: Was ist der Mensch (Psalm 8, 4 und 5) Was ist der Mensch? fragt der Psalmist im Alten Testament beim Blick in den Himmel. Vor allem der

nächtliche, funkelnde Sternenhimmel und die unendlichen Weiten des Weltalls sind faszinierend und schön. Der Mensch, der emporblickt, fühlt sich dabei winzig klein. Und in solchen Momenten fragt er seit Urzeiten auch nach sich selbst und nach Gott. Archaische Sternendeuter und Schamanen erblickten in der Sternengruppe der Plejaden den Eingang in eine jenseitige Welt. Diese Sterne waren für sie der Ort, von dem die Vorfahren gekommen waren. Und zu dem die Seele der Verstorbenen zurückkehren würde. Der Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau galt in frühen Kulturen als Wiederholung eines ursprünglichen Schöpfungsaktes: von Vater Himmel und Mutter Erde. Überreste neolithischer Tempel auf Malta zeigen in ihrem Grundriss Frauenfiguren. Zur Wintersonnenwende fiel das göttliche Sonnenlicht durch eine Öffnung über dem Tempel- Eingang und befruchtete Mutter Erde. Der Blick zum Himmel zeigte dem Menschen: Es gibt nicht nur den Kreislauf von Leben und Tod auf der Erde. Es gibt auch mächtige Kräfte außerhalb der Erde. Die Sonne vor allem. Es gibt aber auch so etwas wie Natur-Gesetze. Sonne und Mond bewegten sich in einem messbaren Rhythmus. Der Sternenhimmel veränderte sich im Jahresrhythmus - aber schien doch unveränderlich und ewig zu sein. Sonne, Mond und Sterne regten zum Beobachten an, zum Messen und Rechnen. Kalender entstanden. Die Gestirne weckten den Drang, die Gesetze der Natur zu verstehen. Musik 2

Der Blick in die Sternenwelt war für die Menschen über viele Jahrtausende verbunden mit Gedanken an jenseitige Welten und göttliche Schöpferkräfte. Ver bunden auch mit dem Empfinden von Schönheit und Harmonie. Als der römische Feldherr und Gelehrte Plinius im ersten Jahrhundert nach Christus in seiner Enzyklopädie Naturalis historia das naturgeschichtliche Wissen seiner Zeit zusammenfasste, schrieb er über das Universum: Zitat 2 Die Welt und alles, was man - mit einem anderen Wort Himmel zu nennen beliebt, betrachtet man zutreffend als ein göttliches Wesen. Das ewig ist, unermesslich, weder erzeugt, noch jemals vergehend. Heilig ist diese Welt, ewig, unermesslich. Unbegrenzt und doch einer begrenzten Welt ähnlich. Jegliches in sich umfassend, gleicherweise ein Werk der Natur und die Natur selber. Was die Griechen mit ihrem Wort für den Schmuck Kosmos genannt haben, das bezeichnen wir nach ihrer vollkommenen und vollendeten Schönheit als Mundus. (Über die Umschwünge der himmlischen Kreise, Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, 71) Doch so schön der göttliche Kosmos auch war - seine Gesetzmäßigkeiten, die Bewegungen von Sonne, Mond und Sternen zu erklären, gestaltete sich schwierig. Schon im antiken Griechenland nahmen manche Denker an, dass sich die Erde um die Sonne bewege. Aber es setzte sich die Ansicht des Aristoteles durch, dass die Erde unbewegt sei und Mittelpunkt des göttlichen Kosmos. 3

Aristoteles vermutete, dass alle Himmelskörper auf durchsichtigen Kristallkugeln befestigt seien, die sich in Kreisbewegungen um die Erde drehen. Denn nur der Kreis entsprach der Vorstellung göttlicher Perfektion. Im zweiten Jahrhundert nach Christus machte sich in Alexandria der griechische Astronom Claudius Ptolemäus daran, diese Theorie mit komplizierten mathematischen Berechnungen zu beweisen. Was ihm so eindrucksvoll gelang, dass man forthin und für lange Zeit das geozentrische Weltbild mit der Erde als Mittelpunkt, als wahr betrachtete. Und es zu Ehren des tüchtigen Rechners Ptolemäisches Weltbild nannte. Die römische Kirche und später auch die reformatorischen Kirchen waren mit diesem Weltbild sehr einverstanden. Galt es doch als gewiss, dass die Erde und die Menschen Mittelpunkt des göttlichen Denkens und Schaffens sind. Und außerdem konnte man im Alten Testament einige Stellen finden, die von einer ruhenden Erde zu sprechen schienen und einer sich bewegenden Sonne. Dazu musste man etwas blättern, aber fündig werden konnte man. Etwa im 10. Kapitel des Buches Josua, wo von einem Rachefeldzug gegen die Amoriter die Rede ist. Zitat 3 Josua sprach: Sonne stehe still zu Gibeon und Mond im Tale Ajalon! Da standen die Sonne und der Mond still, bis sich das Volk rächte an seinen Feinden. Also stand die Sonne mitten am Himmel und verzog unterzugehen beinahe einen ganzen Tag. (Buch Josua, 10. Kapitel) 4

Die Interpretation dieses Bibelwortes fiel den Theologen leicht: Wenn Josua der Sonne befehlen konnte, still zu stehen, musste sie sich vorher bewegt haben. Und da sie später wie üblich unterging, bewegte sie sich auch weiterhin. Dieses Bibel-Wort spielte in der Diskussion um das richtige Weltbild immer wieder eine wichtige Rolle so auch im Inquisitionsverfahren gegen Galileo Galilei. Und schon vorher, im Jahre 1539, regte sich Martin Luther furchtbar auf, als er von der Hypothese des deutschpolnischen Astronomen Nikolaus Kopernikus hörte, wonach sich die Erde um die Sonne drehen soll: Zitat 4 Es ward gedacht eines neuen Astrologi, der wollte beweisen, das die Erde bewegt würde und umbgienge, nicht der Himmel oder das Firmament. Der Narr will die gantze kunst Astronomiae umbkehren. Aber wie die heilige Schrift anzeiget, so hieß Josua die Sonne stillstehen, und nicht das Erdreich. (Sternstunden der Astronomie, 26) Natürlich war Nikolaus Kopernikus überhaupt kein Narr. Er hatte vornehmlich in Italien so ziemlich alles studiert, was man zu seiner Zeit studieren konnte: neben Astronomie und Mathematik noch Medizin und Juristerei Philosophie, Kirchenrecht und Theologie. Kopernikus kannte die Bibel und die kirchlichen Lehren. Zur Ansicht, dass sich die Erde dreht, um sich selbst und um die Sonne, war er wohl schon während seines Studiums 5

gekommen. Sein berühmtes Buch De revolutionibus - Über die Umschwünge der himmlischen Kreise ließ Kopernikus aber erst 1543 drucken: in seinem Todesjahr. Doch schon vorher wurde seine Theorie von Gelehrten und Theologen diskutiert. Auch Papst Clemens VII. nahm sie zur Kenntnis. Ohne zu protestieren. Es war wohl nicht die Angst vor der Kirche, die Kopernikus so lange zögern ließ. Immerhin hatte er sein Buch Papst Paul III. gewidmet. Und Kopernikus sah in der Astronomie eine göttliche Wissenschaft. Zitat 5 Wenn es die Aufgabe aller guten Wissenschaften ist, den Geist des Menschen dem Besseren zuzuwenden, kann unsere Wissenschaft diese Aufgabe in besonderem Maße erfüllen. Ganz abgesehen von der unglaublichen Freude, die sie unserem Gemüt gewährt. Denn wer würde nicht durch die anhaltende Beschäftigung mit dem, was er vom göttlichen Walten gelenkt sieht, zum Höchsten begeistert werden. Und den Schöpfer aller Dinge bewundern? (Über die Umschwünge der himmlischen Kreise, Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, 21-23) Vermutlich war Kopernikus mit seinem Werk unzufrieden. Er suchte eine einfache Erklärung für die Planetengesetze. Aber er hatte an der Vorstellung kreisförmiger Umlaufbahnen festgehalten. Das zwang ihn zu Berechnungen, die ähnlich kompliziert waren wie die von Ptolemäus. Wie die Aufzeichnungen von Kopernikus zeigen, ahnte er wohl auch, dass die Umlaufbahnen ellipsenförmig sein könnten 6

allein ihm fehlten astronomische Messdaten, um entsprechende Berechnungen anstellen zu können. Über die verfügte später erst Johannes Kepler, der sich auf die Messungen des dänischen Astronomen Tycho Brahe stützen konnte. Wie Kopernikus hatte auch Kepler Theologie studiert. Er wollte evangelischer Pfarrer werden. Aber schon bald verstand er auch seine astronomische Forschung als eine Form des Gottesdienstes. Über seine Erfolge als Astronom jubelte er: Zitat 6 Groß ist der Herr und groß seine Kraft. Und seiner Weisheit ist keine Zahl. Lobpreist ihn, ihr Himmel. Lobpreist ihn, Sonne, Mond und Planeten. Denn aus ihm und durch ihn und in ihm ist alles. Ich wollte Theologe werden. Nun aber sehet, wie Gott durch mein Bemühen auch in der Astronomie gefeiert wird. (Der kosmische Träumer 200 + 184) Der gläubige Protestant Johannes Kepler wollte Gott und die Entschlüsselungen der göttlichen Sternengesetze feiern. Das Problem war, dass zu seinen Lebzeiten in Europa kaum jemand in Feierlaune war. Die Reformation hatte Europa durchgeschüttelt die Gegenreformation tat es ihr gleich. In Spanien und Italien verbreitete die Inquisition Angst und Schrecken. Und überall in Europa musste man fürchten, der Hexerei beschuldigt und - von frommen Katholiken oder frommen Protestanten verbrannt zu werden: Als Johannes Kepler 1618 sein schwärmerisches Buch über Die Harmonie der Welt veröffentlicht, erreicht die Disharmonie in Europa einen neuen Höhepunkt: der 30jährige Krieg bricht aus. Und Kepler ist damit 7

beschäftigt, seine Mutter zu retten. Die wollte man in Leonberg als Hexe verbrennen, so wie man es dort gerade mit sechs anderen Frauen getan hatte. Es war keine günstige Zeit für ein neues Weltbild. Die Anhänger von Kopernikus hielten sich bedeckt. Vergeblich flehte Kepler 1597 in einem Brief an Galileo Galilei: Zitat 7 So ist doch in diesem Jahrhundert - zuerst von Kopernikus und darauf von mehreren hochgelehrten Mathematikern - der Anfang eines riesigen Werkes gemacht worden. Und es ist nicht länger n e u, dass sich die Erde bewegt. Ist wirklich List notwendig? Habt Vertrauen, Galilei, und tretet hervor! (Mudry 12,13) Kepler musste seinen Weg zunächst ohne Galilei gehen. Zunächst einmal bis zum Jahre 1609, das heute als Geburtsjahr der modernen Astronomie gilt. Denn im Frühjahr 1609 veröffentlichte Kepler sein epochemachendes Werk Astronomia Nova. Die Neue Astronomie. Darin führte er den mathematischen Beweis, dass sich die Erde und die anderen Planeten um die Sonne bewegen. Auf ellipsenförmigen Umlaufbahnen. Die drei Keplerschen Planetengesetze ermöglichten endlich die Berechnung der kosmischen Sternenwelt. Und sie sind heute unverzichtbar für die Raumfahrt. Ebenfalls im Jahre 1609 bekamen die Augen der Menschen wertvolle Unterstützung: durch die Erfindung des Fernrohrs kurz zuvor in den Niederlanden. Kaum hatte Galilei von dessen Prinzip erfahren, ließ er selbst eines bauen und bot es der Stadt Venedig zum Kauf an. 8

Am 21. August 1609 bat Galilei sieben Patrizier auf dem Glockenturm von San Marco und gewährte ihnen einen Blick durch das Wunderding. Den Venezianern empfahl Galilei sein Fernrohr zum militärischen Einsatz. Er selbst nutzte es, um sich den Jupiter genauer anzusehen. Wobei er vier Monde entdeckte, die den Jupiter umkreisten. Womit bewiesen war, dass sich nicht alles um die Erde dreht. Galilei sah noch mehr: Sonnenflecken, Gebirge auf dem Mond, Und die nebulöse Milchstraße erkannte er als Sternenansammlung. Seine Beobachtungen publizierte er sogleich in einer Schrift, namens Sternenbote. Er schickt sie auch Kepler. Der beginnt sofort, eigene Fernrohre zu bauen, berechnet Linsen und schreibt eine optische Lehrschrift. In deren Vorwort schwärmt er: Zitat 8 O du vielwissendes Rohr, kostbarer als jedes Szepter! Wer dich in seiner Rechten hält, ist der nicht zum König, nicht zum Herrn über die Werke Gottes gesetzt! (Johannes Kepler, rororo 82) Und Johannes Kepler, der kühle Rechner und begabte Schwärmer, machte in Gedanken bereits einen Schritt, der erst sehr viel später Neil Armstrong vorbehalten war: am 20. Juli 1969. O-Ton/Atmo Armstrong 9

Kepler sah die Menschen bereits zum Mond reisen und ihn besiedeln. 1610 schrieb er an Galilei: Zitat 9 An Kolonisten wird es, wenn erst die Kunst des Fliegens erlernt ist, nicht fehlen. Gibt es Schiffe, deren Segel den himmlischen Lüften angemessen sind, dann werden sich auch Menschen finden, die sich selbst vor jenen ungeheuren Weiten nicht fürchten. (Kepler 1610 in einem Brief an Galilei) Mit der Reise zum Mond dauerte es noch eine Weile. Und auch mit dem neuen Weltbild der sich um die Sonne bewegenden Erde ging es nicht recht voran. Keplers Buch war umständlich geschrieben und wurde kaum gelesen. Vermutlich auch nicht von Galilei. Und Kepler hatte eine wichtige Frage nicht beantworten können: Wenn die Erde sich um die eigene Achse dreht - am Äquator mit einem Tempo von 1.700 Kilometern pro Stunde und dann noch mit Tempo 100.000 um die Sonne saust: Wieso purzeln wir dann nicht alle durcheinander? Warum landen wir, wenn wir hochspringen, auf derselben Stelle? Obwohl sich die Erde inzwischen weitergedreht hat. Die Antwort fand erst einige Jahrzehnte später Isaac Newton, als er 1686 die Schwerkraft entdecke. Zwar trat Galilei inzwischen doch mutig für die Lehre des Kopernikus ein. Doch die römische Kirche, die das neue Weltbild bislang als Hypothese geduldet hatte, stellte sich ihm jetzt mit aller Macht entgegen. Dass sie mit 10

unbotmäßigen Denkern kurzen Prozess machen konnte, hatte sie im Jahre 1600 demonstriert. Giordano Bruno, der Philosoph und frühere Dominikaner-Mönch, wurde in Rom als Ketzer öffentlich verbrannt. Und als 1615 der Karmeliter-Pater Paolo Antonio Foscarini dem römischen Kardinal Bellarmin eine Schrift schickte, mit klugen Argumenten für eine neue Bibel-Auslegung, sich für Kopernikus einsetzte und für den in Gefahr geratenen Galilei, da wurde Kardinal Bellarmin deutlich. Er machte unmissverständlich klar, was die Kirche zu dulden bereit war und was nicht. Zitat 10 Mein Hochwürdiger Vater, Ich halte dafür, dass Euer Hochwürden und der Herr Galileo klug daran täten, sich darauf zu beschränken, ex suppositione und nicht absolut zu sprechen. Indem man von der Annahme spricht, dass die Erde sich bewege und die Sonne still stehe, wird der Schein besser gewahrt. Und es entbehrt jeglicher Gefahr. Aber behaupten zu wollen, dass die Erde sich mit höchster Geschwindigkeit um die Sonne drehe, ist überaus gefährlich. Weil es nicht nur sämtliche scholastischen Philosophen und Theologen zum Zorne reizt. Sondern weil es auch dem heiligen Glauben abträglich ist, da es die Heilige Schrift als falsch darstellt. Wägt nunmehr kraft Eurer Klugheit ab, ob die Kirche es dulden kann, dass der Heiligen Schrift ein Sinn unterstellt werde, der den Kirchenvätern und allen griechischen und römischen Kommentatoren zuwiderläuft. (Anna Mudry, Galileo Galilei, Schriften, Briefe, Dokumente, 46ff) Musik 11

Um sein Leben zu retten, musste Galileo schließlich seine eigenen Erkenntnisse verleugnen. Vor einem römischen Inquisitionstribunal erklärte er am 22. Juni 1633, dass die Erde still steht, sich nicht um die Sonne dreht, und die heilige Kirche immer - und in allem - Recht hat. Es war ein Streit um die Wahrheit. Entbrannt zwischen denen, die die Bibel wörtlich auslegten, und jenen, für die es immer klarer wurde, dass die Bibel in Gleichnissen spricht. Und dass es eine andere göttliche Wahrheit gibt. Die man entdecken kann, wenn man die Gesetze der von Gott geschaffenen Sternenwelt erforscht. Heute, 400 Jahre nach Keplers und Galileis Aufbruch in die moderne Astronomie, haben wir ungeahnte Weiten unseres Universums erforscht. Wir wissen, dass es durch einen Urknall entstand und 14 Milliarden Jahre alt ist. Dass unsere Galaxie, die Milchstraße, nur eine unter Milliarden ist. Die Physiker sind auf der Suche nach dem Gottes- Teilchen, dem Ur-Element der Materie. Dazu jagen sie winzige Atomteile durch riesige Teilchenbeschleuniger: bis zu einem Mini-Urknall. Die Erkundung des Himmels und seiner physikalischen Wahrheiten konnte nicht aufgehalten werden. Galilei hat dies gewusst: Zitat 11 Wenn es genügte, einem einzelnen den Mund zu verbieten, so wäre das außerordentlich leicht getan. Aber so steht die Sache nicht. Man müsste auch die ganze Wissenschaft der 12

Astronomie verbieten. Und mehr noch: Man müsste den Menschen verbieten, gen Himmel zu blicken. Aber natürlich blicken die Menschen auch heute noch in den Himmel. Und das viel weiter als je zuvor. Weltraum- Teleskope und Forschungssatelliten gewähren uns Einblicke in die Kinderstube unseres Universums. Wir wissen, dass die Sterne und auch unsere Erde entstanden, als kosmische Staub- und Gaswolken aufgrund ihrer Schwerkraft zusammenstürzten, sich dabei zu Kugeln formten und sich zu Feuerbällen aufheizten. Wir wissen, dass die Kohlenstoffatome, aus denen unsere Körper bestehen, vor vielen Milliarden Jahren entstanden: im Inneren glühender Sterne. In Supernovas, die explodierten und die chemischen Elemente ins All schossen. Adam wurde aus Lehm geformt. Wir sind aus Sternenstaub geboren. Musik Wir haben beim Blick zu den Sternen viel über den Himmel gelernt aber auch über Gott und über uns? So wie es die Menschen schon zu Urzeiten wollten so wie es sich Johannes Kepler ersehnte: Zitat 12 13

Es gibt nichts, was ich mit größerer Peinlichkeit zu erforschen und so sehr zu wissen verlange, als dies: Kann ich wohl Gott, den ich bei der Betrachtung des Weltalls geradezu mit Händen greife, auch in mir finden? (Der kosmische Träumer 186) Wie viele Astronomen heute hielt schon Giordano Bruno die Existenz anderer Universen für möglich - und ging von der Endlichkeit des unseren aus. Womit für ihn jedoch nicht alles zu Ende war. Er knüpfte in seinem Denken an bei Heraklit und dessen Theorie des Alles ist eins. In seiner Schrift über das Unendliche schrieb Bruno: Zitat 13 Gott ist ganz in der Welt - als Ganzer. Und in allen ihren Teilen. Gott ist nämlich das gesamte Unendliche. In allumfassender Weise. Es gibt kein Ende, keine Grenzen. Denn aus dem Unendlichen entsteht immer neue Fülle an Materie. (Bruno, Über das Unendliche, das Universum und die Welten, 47, 46, 23ff) Wie harmonisch geht es zu in einem Universum, das vielleicht einmal in sich zusammenstürzt oder den Kältetod stirbt? In dem Sterne explodieren. Und Menschen wegen Hexerei verbrannt werden? Herrscht das Chaos? Ist unser Leben bloßer Zufall? Oder doch göttliche Absicht? Es gibt Wissenschaftler, die in der Entstehung des menschlichen Lebens eine kosmische Notwendigkeit sehen. Von Anfang an, 14

sagt auch der Nobelpreisträger Christian de Duve, war im Universum die Entwicklung zu komplexen und schließlich auch lebendigen Formen der Materie angelegt. Leben m u s s t e sich entwickeln. Und mit ihm das Denken. Zitat 14 Denken wiederum ist eine Fähigkeit, durch die das Universum in der Lage ist, über sich selbst nachzudenken. Und so Größen zu erfassen, die im Universum vorgegeben sind: Wahrheit, Schönheit, Tugend und Liebe. Das Christentum, wenn es sich als Religion der Liebe versteht, hätte so den Segen auch der Naturwissenschaft. Johannes Kepler, der um Weltharmonie bemühte Astronom und Theologe, war von diesem Gedanken nicht weit entfernt: Zitat 15 Es ist etwas Großes um das Wort Gottes, gewiss. Aber es ist auch etwas Großes um das Werk Gottes. Ich stehe der Lehrmeinung nahe, die glaubt, das ganze All sei von einem und demselben fortwährend gestaltenden Geist beseelt. Der tätig ist um des Schöneren willen und Besseren. (Der kosmische Träumer 198 + 142) 15

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